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Klagen für den KlimaschutzVor Gericht gegen Autokonzerne

Immer wieder verklagen Klimaschützer Großkonzerne. Nun gehen die Prozesse gegen VW und Mercedes-Benz in die entscheidende Phase.

Der Bio-Bauer Ulf Allhoff-Cramer macht VW mitverantwortlich für Schäden an seinem Hof Foto: Lino Mirgeler/dpa/picture alliance

Freiburg taz | Müssen VW und Daimler mehr für den Klimaschutz tun? In den kommenden Tagen werden die Landgerichte in Detmold und Stuttgart hierzu wichtige Beschlüsse verkünden. Die von Greenpeace und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geführten Prozesse gehen nun wohl in die entscheidende Phase.

Die meisten Klimaklagen richteten sich bisher gegen den Staat. Erst am Montag hat die DUH Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) verklagt, weil er ein mutmaßlich unzureichendes Sofortprogramm für den Klimaschutz im Verkehrssektor vorgelegt hatte.

Allerdings sind auch große Unternehmen für erhebliche Klimabelastungen verantwortlich, durchaus in der Größenordnung mittelgroßer Staaten. Schon seit einigen Jahren klagen Aktivisten daher auch gegen Konzerne.

In Deutschland läuft seit 2015 die Klage eines peruanischen Bergbauern gegen RWE. Der Energiekonzern erhöhe mit seinem gewaltigen CO2-Ausstoß die Gefahr, dass ein Bergsee in den Anden überläuft und sein Haus zerstört. Das Oberlandesgericht Hamm hat inzwischen mit der Beweisaufnahme begonnen.

Erfolg hatte im Mai 2021 eine Klage von niederländischen Umweltschützern am Bezirksgericht Den Haag. Der Ölmulti Shell muss die CO2-Emissionen, die er durch den Verkauf seiner Petrolprodukte verursacht, bis 2030 um 45 Prozent senken. Über die Berufung von Shell gegen dieses Urteil ist noch nicht entschieden.

In Deutschland stehen seit letztem Jahr vor allem die Auto­hersteller im Fokus von Klimaklagen. So klagt der Biobauer Ulf Allhoff-Cramer gegen den Volkswagen-Konzern und wird dabei von Greenpeace unterstützt. Die Klage formulierte Anwältin Roda Verheyen, die auch schon den peruanischen ­Landwirt vertritt. VW soll seine CO2-­Emissionen massiv senken, weil der Hof des Biobauern durch zunehmende Dürren existenziell bedroht sei. Im Mai fand am Landgericht Detmold ein „früher erster Termin“ statt, bei dem die Richter Zweifel an der Klage äußerten. Am Freitag wird das Gericht verkünden, ob und wie der Prozess fortgeführt wird.

Das Ziel: ein Verbot von neuen Verbrennern

Am Landgericht Stuttgart klagen drei DUH-Geschäftsführer gegen die Mercedes-Benz AG. Anwalt ist Remo Klinger, der auch die Wissing-Klage formulierte. Kommenden Dienstag will das Landgericht Stuttgart verkünden, wie es weitergeht. Ein Parallelverfahren führt die DUH gegen BMW. Hier wird das Landgericht München am 15. November erstmals verhandeln. Dagegen gibt es für das DUH-Verfahren gegen den Gasproduzenten Wintershall/DEA am Landgericht Kassel noch keinen Termin. Die Klagen gegen VW und Mercedes verfolgen im Kern ein ganz ähnliches Ziel. Die Hersteller sollen ab 2030 den Verkauf von Autos mit ­Verbrennermotor völlig einstellen. Bisher gibt es keinen gesetzlich fixierten Endpunkt. In der EU zeichnet sich ab, dass ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge verkauft werden dürfen.

Anwältin Verheyen stützt sich bei ihrer weiter gehenden Klage auf bekannte Regeln der zivilrechtlichen Störerhaftung. Wer die Gefährdung von Rechtsgütern eines anderen verursacht, muss das Verhalten einstellen, wenn es eine entsprechende „Verkehrssicherungspflicht“ gibt. Verheyen zieht ein Szenario der Internationalen Energie-Agentur für den KfZ-Bereich heran (NZE AEC-Szenario).

Ähnlich argumentiert Remo Klinger in seiner Mercedes-Klage, der aber die mittelbare Wirkung von Grundrechten gegenüber Privaten – die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte – stärker betont.

Im Zentrum beider Prozesse steht die Frage, ob Gerichte von Unternehmen ein Verhalten verlangen können, das über die gesetzlichen Pflichten hinausgeht. VW verneint dies in seiner Klage­erwiderung. „Es ist Aufgabe des demokratisch gewählten Gesetzgebers, den Klimaschutz mit seinen weitreichenden Auswirkungen zu gestalten“, so VW.

Außerdem lehnte VW seine Verantwortung für den CO2-Ausstoß beim Fahren der Pkw ab. Verursacher seien hier die Autofahrer. Dabei geht es immerhin um 98 Prozent der CO2-Emis­sio­nen, die Greenpeace dem Konzern zurechnet.

Beim Landgericht Detmold wird am Freitag die Klage des Biobauern wohl nicht ­abgelehnt werden. Anwältin Verheyen hatte auf manche Bedenken der Richter reagiert und ihre Anträge teilweise ­präzisiert. ­Vermutlich wird das Gericht nun einen Termin für die mündliche Verhandlung über die neuen Anträge mitteilen.

Am Landgericht Stuttgart ist das Verfahren schon weiter gediehen. Hier hat die mündliche Verhandlung bereits im Juni stattgefunden. Das Gericht wird nun entweder in die Beweisaufnahme eintreten, oder es wird dem Europäischen Gerichtshof Fragen vorlegen. Oder es lehnt die DUH-Klage ab.

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13 Kommentare

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  • Ich hoffe, dass er gewinnt; und bei allem darf nicht vergessen werden, dass die Autoindustrie auch für Millionen von Verkehrstoten weltweit verantwortlich ist.



    VW, DB, BMW, braucht kein Mensch und unser Planet schon gar nicht.

  • @ Sollndas, Eisenbeiss &Co, die sich darüber mokieren, dass der Kläger einen Trecker nutzt.



    Ihr Rechtsverständnis gründet offenbar in der Annahme, dass in unserem Rechtsstaat nur diejenigen Klage berechtigt sind, die mindestens über Wasser laufen können. Oder in diesem Falle, nur ein Bauer klageberechtigt wäre, der mit einem Ochsen (der kein Methan rülpst und furzt!) und einer Astgabel als Pflug seinen Acker bestellt. Ihr Brot kommt ja vom Bäcker, wie der Strom aus der Steckdose.



    Da es diese methanfreien Ochsen leider auch nicht gibt, steht es ihnen frei, deren Aufgabe zu übernehmen (sofern Sie nicht als Autolobbyisten tätig sind), damit Herr Alhoff-Kramer sein staatsbürgerliches Recht ausüben kann.

    • @Drabiniok Dieter:

      "...die sich darüber mokieren..."



      Sorry, ich "mokiere" mich keineswegs. Das mit dem Gewicht der Landmaschinen, der Pflugsohle und der Wasseraufnahme ist ein echtes Problem.



      Was ich nicht geschrieben habe (da ich es für so naheliegend gehalten habe, dass da eigentlich jeder draufkommen könnte): Er könnte seinen Verbrenner-Traktor mit Biodiesel betreiben. Dann täte er etwas für den Klimaschutz.

      • @sollndas:

        Sind Sie der Tankwart des Klägers, oder woraus schlussfolgern Sie, dass er nicht Biodiesel tankt? (Randbemerkung: Auch das CO₂ aus Biodiesel verbleibt Jahrhunderte in der Atmosphäre. Pflanzen wachsen auch nicht so schnell nach, wie sie im Trecker/Auto etc. verbrannt werden.)

        • @Drabiniok Dieter:

          "Pflanzen wachsen auch nicht so schnell nach, wie sie im Trecker/Auto etc. verbrannt werden."



          Doch, tun sie, wenn man genug davon wachsen lässt. Dann entfernen sie ihr CO2 wieder aus der Atmosphäre. Noch besser wäre natürlich, wenn man sie als C-Quelle (statt CO2) für e-Fuels nutzen würde...

  • Bemerkenswert, dass VW&Co. die Verantwortung für ihrer Produkte mit der gleichen Begründung ablehnen wie Drogenhändler und Waffenproduzenten. Nicht Drogen und Waffen sind das Problem, sondern die Menschen, die sie konsumieren und benutzen. Dass VW&Co auch nicht davor zurückschrecken, Gesetze zu brechen, ist hinlänglich bekannt.



    Basierend auf das Handeln und Argumentieren von VW und anderen, ein Vorschlag für Drogenhändler und andere Sektoren der Organisierten Kriminalität (OK): Beantragt staatliche Subventionen für eure Produkte und schreibt an Gesetzen mit, die euren Umsatz und Gewinn sichern. (Sofern ihr das nicht schon längst tut, mit eurer eine Billion Euro, die ihr in den letzten Jahren in euren Marktsegmenten der "alternativen Wirtschaft" erzielt habt.)

    • @Drabiniok Dieter:

      "Bemerkenswert, dass VW&Co. die Verantwortung für ihrer Produkte mit der gleichen Begründung ablehnen wie Drogenhändler und Waffenproduzenten. Nicht Drogen und Waffen sind das Problem, sondern die Menschen, die sie konsumieren und benutzen."

      -> da kann ich Ihnen leider nur zustimmen..

      ...und ich setz noch einen drauf: da Politiker in unserer demokratischen Gesellschaft ja (wieder-) gewählt werden wollen, scheuen sie sich die Auto Besitzer zu vergraulen..(Paradebeispiel ist dann wohl Hr. Wissing)

      ...am Ende wills dann keiner gewesen sein:



      - die Autoindustrie nicht



      - die Autobesitzer nicht



      - und die Politiker auch nicht

      Ein furchtbares Dilemma..oder etwas rustikaler ausgedrückt: wir sitzen tief in det Sch&%ße..und gucken zu wie der Planet anfängt durch zu drehen....Ach ne nicht alle...einige schaun sich das Drama lieber aus ihren sicheren Wägelchen an...

      (wo ist hier der Smiley, der die Augen verdreht.?)

  • "Das Ziel: ein Verbot von neuen Verbrennern"



    Schön, dann fährt Herr Alhoff-Kramer wohl bald einen Elektro-Trecker. Dann spuckt er das CO2 nicht mehr auf seinem Acker aus, sondern ein paar Kilometer weiter weg in der Lausitz.



    Dass elektrisch betriebene Landmaschinen wg. Akku noch schwerer sind als dieselbetriebene, kümmert ihn nicht weiter. Führt ja nur dazu, dass Ackerböden unterhalb der Pflugsohle [1] noch stärker verdichtet werden als bisher:



    "Das Tiefenwachstum der angebauten Pflanzen wird beeinträchtigt, da ein Durchwurzeln durch die Pflugsohle erschwert wird. Gleichzeitig staut sich das Wasser im Oberbodenbereich nach ergiebigen Regenfällen."



    [1] de.wikipedia.org/wiki/Pflugsohle

  • Tja, das ist schon etwas inkonsequent VW zu verklagen, selber aber auch CO2 auszustoßen bei der Arbeit.

    Abgesehen davon haben all diese Klagen etwas vom Glauben an Wunder an sich: man verklagt ein vermeintlich großes, böses Gebilde von dem man vermutet, es würde entscheidend zu einem Ereignis beitragen, welches einen persönlich betrifft und benachteiligt. Aber wirklich nachweisen kann man das dann eben auch nicht, hier setzt nun der Glaube ein.

    Damit wird die Mehrzahl solcher Klagen auf CO2-Emissionen alleine geschützt scheitern.

  • Super, Herr Allhoff-Cramer präsentiert sich mit einem Diesel-Trecker, der zum drittgrößten Landmaschinen-Konzern weltweit gehört, dessen Produkte samt und sonders nicht mit Strom fahren.

  • "Außerdem lehnte VW seine Verantwortung für den CO2-Ausstoß beim Fahren der Pkw ab. Verursacher seien hier die Autofahrer."

    // Sarkasmus



    Wer hätte auch damit rechnen können, dass die Autos tatsächlich gefahren werden.

    Ist Fahren bereits Zweckentfremdung?

    So schieben wir schön die Verantwortung auf die Fahrer ab.

    Diese schieben dann die Verantwortung auf den mangelhaften ÖPNV - "Ich kann ja gar nicht anders".

    Der mangelhafte ÖPNV schiebt die Verantwortung weiter an die Politik, die Individualverkehr bevorzug.

    Die Politik schiebt die Verantwortung auf die Bevölkerung, die angeblich keine Lust auf den ÖPNV hat - ah nein, seit dem 9€ Ticket und der neuen Lust am ÖPNV ist der Ausbau leider viel zu teuer und das Geld besser in der Autoindustrie angelegt.

    Schade, Marmelade. So ändert sich eben nichts und niemand ist schuld.

    Zurück zum Thema:



    Bin gespannt, wie die Klagen weitergehen. Bitte berichten :)

  • Genau der richtige Humor. Bauer mit , laut Foto, mindestens einem Diesel trecker verklagt Firma, die anderen Diesel Autos verkauft. Weil die anderen nicht fahren sollen.

    • 8G
      8190 (Profil gelöscht)
      @fly:

      Na Ihr Humor ist aber meilenweit drüber!



      Die Hälfte aller Autofahrten sind Spaßfahrten, das dürfte bei den Bauern - die übrigens gerne dafür sorgen, dass Spaßvögel wie Sie was zu Essen haben - definitiv nicht der Fall sein.