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Autohersteller vor GerichtKlimaklage gegen VW scheitert

AktivistInnen müssen laut Landgericht Braunschweig CO2-Emissionen des Konzerns dulden.

Darf erstmal weiter ein Verbrenner sien, ein Golf von VW Foto: Erik Irmer

Freiburg taz | Vor dem Landgericht Braunschweig sind drei von Greenpeace unterstützte AktivistInnen mit ihrer Klimaklage gegen Volkswagen gescheitert. VW sei nicht verpflichtet, schon 2030 den Verkauf von Verbrennerautos einzustellen, entschied das Gericht. Geklagt hatten die beiden Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser und Roland Hipp sowie die Fridays-for-Future-Aktivistin Clara Meyer. Die zivilrechtlichen Klagen wurden von der bekannten Klimaanwältin Roda Verheyen vertreten und von Greenpeace finanziert.

Kläger Hipp ist nebenbei Imker und argumentierte mit Auswirkungen des Klimawandels auf seine Bienenstöcke, Kläger Kaiser sorgt sich um seinen Privatwald. Und alle drei sehen ihre Gesundheit sowie ihre Freiheit durch den Klimawandel und spätere massive staatliche Gegenmaßnahmen bedroht. Deshalb müsse VW als einer der weltweit größten Kfz-Hersteller schnell auf die weitere Produktion von Verbrennerautos verzichten.

Anwältin Verheyen stützte sich bei der Klage auf bekannte Regeln der zivilrechtlichen Störerhaftung. Wer die Gefährdung von Rechtsgütern eines anderen verursacht, müsse das Verhalten einstellen, wenn es eine entsprechende „Verkehrssicherungspflicht“ gebe. Dafür zog sie ein Klimaszenario der Internationalen Energie-Agentur heran.

VW hat keine höheren Anforderungen als der Staat

Damit hatte sie am Landgericht Braunschweig keinen Erfolg. Die Klage sei zwar zulässig, aber unbegründet, erklärte der Vorsitzende Richter Rolf Hansen. VW müsse keine höheren Anforderungen erfüllen als der Staat, der mit dem Klimaschutzgesetz seinen Schutzpflichten genügt habe. Da VW alle öffentlich-rechtlichen Anforderungen einhalte, müssten die Klä­ge­r:in­nen die vom Konzern verursachten CO2-Emissionen „dulden“.

Das Gericht ging nicht auf das Problem ein, dass die Bundespolitik den im Klimaschutzgesetz aufgestellten Anforderungen bisher nicht gerecht wird, insbesondere im Verkehrsbereich. Hierzu liegen bereits mehrere Klagen gegen die Bundesregierung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vor. Anwältin Verheyen nannte das Braunschweiger Urteil „rechtlich schwach“. Die Kläger werden voraussichtlich Berufung einlegen.

Allerdings sind Klimaklagen gegen Kfz-Hersteller auch schon beim Landgericht Stuttgart (gegen Mercedes) und beim Landgericht München I (gegen BMW) gescheitert. Am Freitag kommender Woche wird das Landgericht Detmold über die Klage eines Biobauern gegen VW entscheiden. (Az.: 6 O 3931/21)

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7 Kommentare

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  • 8G
    8378 (Profil gelöscht)

    Lauter winkeladvokaten im forum.

  • Wie wohl eine Klage gegen die diversen gesundheitsbeeinträchtigenden Lebenmittelzusatzstoffe der Lebensmittelkonzerne ausgehen würde ...

    Das käme sicher dem Versuch gleich den Teufel zu verdonnern seine Hölle mit Öko-Strom zu heizen ...

  • Auf welchen Wert hat das Gericht den Streitwert festgesetzt und wie hoch waren die Prozesskosten? Bei solchen Klagen können die Kosten nicht hoch genug sein.

  • " Anwältin Verheyen nannte das Braunschweiger Urteil „rechtlich schwach“."



    ?



    Ein anderes Urteil wäre doch auch schwer verständlich, da die Firma, legal Produkte nach den gesetzlichen Bestimmungen produziert und selber nicht die Emissionen aus der Nutzung der Produkte verursacht.



    Da könnte man auch alle DienstwagenfahrerX verurteilen, nicht zu fahren.

    • @fly:

      Das ist ja ganz bewusst so eingerichtet worden:

      ProdHaftG:



      Die (Schaden-)Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, ... wenn der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte.

      Das liest sich sehr eindeutig - ist aber bei näherer Betrachung ein Gummiparagraf.

  • taz: "VW müsse keine höheren Anforderungen erfüllen als der Staat, der mit dem Klimaschutzgesetz seinen Schutzpflichten genügt habe." [Landgericht Braunschweig]

    Der Staat hat mit seinem "Klimaschutzgesetz" seinen Schutzpflichten genügt? Hat das Landgericht Braunschweig noch nicht mitbekommen, dass das Bundesverfassungsgericht 2021 das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung (2021 war das noch die GroKo) als in Teilen verfassungswidrig erklärt und damit den Klimaschutz in Deutschland gestärkt hat? Bundesverfassungsgericht: "Mit ihren Verfassungsbeschwerden machen die Beschwerdeführenden vor allem geltend, der Staat habe mit § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 keine ausreichenden Regelungen zur alsbaldigen Reduktion von Treibhausgasen, vor allem von Kohlendioxid (CO2), unternommen, die aber erforderlich seien, um die Erwärmung der Erde bei 1,5 °C oder wenigstens bei deutlich unter 2 °C anzuhalten." www.bundesverfassu...5A0AC50A1.2_cid344

    Nach einem Bericht des Club of Rome werden die Treibhausgas-Emissionen 2030 ihren Höhepunkt erreichen, und ab da wird ein sich selbst verstärkender Klimawandel ausgelöst. Das passt doch zeitlich sehr gut, denn bis 2030 sind die neuen Autobahnen auch fertig, die der Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) noch unbedingt bauen möchte. Rund 30 Milliarden Euro sind bis 2030 allein für den Aus- und Neubau neuer Autobahnen vorgesehen: insgesamt 1741 Kilometer - und da sind neue Straßen in Städten noch gar nicht mit eingerechnet. Darüber freut sich sicherlich nicht nur VW, sondern bestimmt auch der Klimawandel, denn allein der Pkw-Verkehr in Deutschland erzeugt jedes Jahr rund 100 Millionen Tonnen CO2.

    • 4G
      47351 (Profil gelöscht)
      @Ricky-13:

      Was wünschenswert ist ersetzt noch nicht die Antwort auf die Frage, wer was von wem woraus verlangen kann.

      Und das ist im Zivilrecht eigentlich immer die Frage.

      Das Landgericht hat sich an die Rechtslage zu halten; für politische Vorgaben sind Private, gleich welcher Rechtsform, nicht zuständig.

      Maßnahmen zum Schutze des Klimas stellen nur einen Teil dessen dar, was verantwortliche Politik zu beachten hat.