Tarifverträge für Pflegekräfte: Unerwünschte Folgen besserer Löhne

Die Gehälter in der Altenpflege steigen, daher müssen viele Se­nio­r:in­nen mehr fürs Heim zahlen. Der Pflegerat fordert mehr staatliche Hilfen.

Eine Frau mit rollator rollt über einen Flur, dahinter ein Pflegekraft

Steigende Löhne, steigende Kosten, hier in einem Pflegeheim in Stuttgart Foto: Christoph Schmidt/dpa

BERLIN taz | Das Seniorenheim Curanum in Altötting, das zur Korian-Gruppe gehört, ist schön gelegen, hat W-Lan im Haus, Haustiere sind erlaubt. 2.270 Euro müssen die Pfle­ge­heim­be­woh­ne­r:in­nen pro Monat für den Aufenthalt in der Einrichtung zahlen. Doch demnächst könnten sich die Preise erhöhen. „Wir gehen davon aus, dass die Eigenanteile in unseren Einrichtungen um 500 bis 1.000 Euro im Monat steigen“, sagte Tanja Kurz, Sprecherin der Korian-Gruppe, der taz.

Die Preise erhöhen sich auch weil Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste ab dem 1.September nach Tarifverträgen oder ähnlich der Tarifverträge entlohnen müssen, um die Gehälter weiterhin mit den Pflegekassen abrechnen zu können. Die gesetzliche Vorgabe dieser sogenannten Tariftreueregelung war noch von der alten schwarz-roten Bundesregierung auf den Weg gebracht worden, auch um dringend gesuchte Pflegekräfte im Beruf zu halten und zu gewinnen.

Bei den Preiserhöhungen gehe es nicht nur um die höheren Löhne für die Pfleger:innen. „Es steigen auch die Entgelte für die Servicemitarbeiter in Küche und Haustechnik. Die Mindestlöhne erhöhen sich. Außerdem kommen die steigenden Preise für Energie, für Lebensmittel dazu“, schildert Kurz. Die Entgelte für die Pflege, die Unterkunft und Verpflegung und die Investitionskosten in Heimen werden zumeist nur einmal jährlich zwischen dem Betreiber, den Landesverbänden der Pflegekassen und dem Sozialhilfeträger vereinbart. Auf Preissteigerungen wird daher auch rückwirkend reagiert.

Das Problem: Die Pflegeversicherung federt die Kostensteigerungen kaum ab. „Tariftreue ist eine gute Nachricht für die Beschäftigten in der Pflege. Die Kosten dafür jetzt den Pflegebedürftigen und ihren Familien anzulasten, ist aber ein Skandal“, sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wies aber daraufhin, dass Pflegebedürftige in Heimen seit Januar 2022 einen Zuschuss zu ihren pflegebedingten Eigenanteilen bekommen. Durchschnittlich ergeben sich zum Stichtag 1. Juli 2022 Entlastungen von 368 Euro im Monat, so Lauterbach. „Die Löhne der Pflegekräfte in den Heimen steigen erheblich und das ist gewollt. Endlich wird ihre wichtige Arbeit besser entlohnt“, sagte der Minister.

„Die Politik hat es versäumt, die tarifliche Bezahlung von Pflegekräften, die wir natürlich begrüßen, auch vernünftig gegenzufinanzieren“, kritisierte die Präsidentin des Sozialverbandes VDK, Verena Bentele. Der 1. September mit der ab dann geltenden Tariftreueregelung drohe zum „Doomsday“ für Pflegebedürftige zu werden. Die Preissteigerungen für Pflegeleistungen seien immens, sie lägen bei 30 bis 40 Prozent, so Bentele.

Können Be­woh­ne­r:in­nen die Kosten für den Heimaufenthalt nicht mehr aus ihrer Rente oder ihrem Vermögen aufbringen, greift das Sozialamt mit der sogenannten Hilfe zur Pflege ein und finanziert den Eigenanteil mit. Allerdings müssen die Pflegebedürftigen zuvor ihr Vermögen bis auf bestimmte Freibeträge aufbrauchen.

Bislang bezögen bis zu 40 Prozent der Pflegebedürftigen in den Heimen die Hilfe vom Sozialamt, teilt Korian mit. „Wir gehen davon aus, dass dieser Anteil steigen wird“, so Korian-Sprecherin Kurz.

Die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, erklärte am Donnerstag im rbb-Inforadio, „wir haben ein Riesenproblem, weil dieses Gesetz nicht zu Ende gedacht ist“. In Zukunft werde man an einer Steuerfinanzierung der pflegerischen Versorgung nicht mehr vorbeikommen.

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