Zukunft der Altenpflege: Das hausgemachte Pflegedesaster

Eine steigende Zahl von Pflegebedürftigen, weniger Fachkräfte, niedrigere Renten und kaum Wohnraum: Deutschland droht eine dramatische Pflegekrise.

Ein älterer Mann in einem Seniorenheim hat Spaß mit einem Pflegeroboter

Pflegeroboter werden das Problem mit der unterfinanzierten Pflege nicht lösen Foto: Paul Hartl/imago

Erinnern Sie sich noch an die Geschichten über glückliche ältere Menschen, die von einer polnischen Pflegekraft, meist einer Frau, rund um die Uhr versorgt wurden? Die Polin wohnte mit im Haus oder in der großzügigen Wohnung und umsorgte den alten Menschen liebevoll. Diese Geschichten gibt es heute immer noch, aber man hört von vielen Menschen mittlerweile eher Klagen über das Pflegedesaster: kein bezahlbarer Heimplatz zu finden, zu wenig und überlastetes Personal. Die Pflegekrise indes deutete sich bereits vor 20 Jahren an.

Jetzt steuert diese Krise in eine offensichtliche Ausweglosigkeit: Eine steigende Zahl von Pflegebedürftigen, die zudem immer älter werden und intensiver denn je betreut werden müssen trifft auf eine sinkende Zahl von Pflegekräften, die noch mehr zu tun haben und alsbald an ihre physischen und psychischen Grenzen geraten. Hinzu kommen höhere Kosten durch gestiegene Energie-, Lebensmittel- und Betreuungspreise. Ein Mix, der, wie Pfle­ge­öko­no­m:in­nen sagen, ein „Heimsterben in Deutschland“ bewirkt.

Allein in diesem Jahr gingen rund 200 Pflegeeinrichtungen in die Insolvenz, im vergangenen Jahr waren es mehr als doppelt so viele. Da wundert es kaum, dass die Stimmung bei den Gepflegten, vor allem aber beim Pflegepersonal laut des Care Klima-Index des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos auf dem Tiefpunkt angelangt ist.

Es dürfte noch dramatischer werden: Aus den aktuell etwa 5 Millionen Pflegebedürftigen werden 2030 schon 5,75 Millionen, im Jahr 2050 könnten es 7,25 Millionen sein. Gleichzeitig fehlen dem Kölner Institut der deutschen Wirtschaft zufolge bis 2035 rund 307.000 Pflegekräfte. Was tun?

Wer soll das bezahlen?

Die gängige Antwort lautet meist: mehr Geld. Woher aber soll das kommen? Vom Staat, der für Gesundheitswesen, Bildung, Verkehr, Sozialleistungen ohnehin schon mehr als früher ausgibt? Von den Ar­beit­neh­me­r:in­nen, die dann noch weniger Netto vom Brutto haben? Zum Vergleich: Eine private polnische Pflegerin kostet zwischen 2.000 und 3.000 Euro monatlich, das können sich nur reichere alte Menschen leisten. Für einen Pflegeheimplatz müssen Gepflegte heute trotz Pflegekassenzuschuss durchschnittlich 2.400 Euro selbst bezahlen. Aber wie, wenn die Durchschnittsrente bei den künftigen Se­nio­r:in­nen nur rund 1.300 bis 1.400 Euro beträgt?

Und wer pflegt dann all die Alten, die mehr sein werden als die Jungen? Schon jetzt geht es nicht ohne eingewanderte Fachkräfte. Aber jene, die beispielsweise in den Philippinen einen Pflege-Bachelor und einen Deutschkurs gemacht haben und von Deutschland gezielt angeworben worden sind, verlassen das Land meist nach wenigen Jahren wieder. Sie fühlen sich hier kaum integriert und noch weniger wertgeschätzt.

Zugewanderte Fachkräfte müssen aber auch irgendwo wohnen, doch es mangelt schon jetzt an bezahlbarem Wohnraum. Ein Drama steht uns bevor – allerdings ein hausgemachtes.

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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