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Unterstützung für die UkraineEs geht um mehr als Waffen

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Mario Draghi setzen in Kiew ein klares Zeichen: Die Ukraine gehört zu Europa und soll EU-Beitrittskandidat werden.

Gleiche Richtung: Die Ukraine umrahmt von anderen Europäern Foto: Kay Nietfeld/dpa

J etzt gibt es sie also, die Bilder von Olaf Scholz in Kiew. Der Bundeskanzler vor zerstörten Gebäuden, am Tisch mit Präsident Wolodimir Selenski und eingerahmt vom französischen Präsidenten ­Emmanuel ­Macron und vom italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi. Man mag einwenden, dass dieser Besuch vor allem symbolischen Charakter hatte, dass Scholz nicht die von der Ukrai­ne angeforderten 1.000 Haubitzen und 500 Panzer mitbrachte. Allerdings wurde diese Symbolik gerade hierzulande vehement eingefordert.

Und bei ihrem Besuch im Kriegsgebiet hatten die drei Regierungschefs des historischen Kerneuropas immerhin das Angebot im Gepäck, der Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu verleihen, wie sie bei der gemeinsamen Pressekonferenz verkündeten. Ein klares Bekenntnis: Die Ukraine gehört zum Team Europa, egal wie viele Panzer, Raketen und Soldaten der russische Aggressor auch aufbietet, um das Gegenteil zu erreichen.

Aus Sicht der Ukraine, die sich im Osten gerade blutige Schlachten mit den russischen Truppen liefert, wären Waffen mit viel Wumms natürlich auch ein ideales Gastgeschenk gewesen. Doch es geht um mehr, das zeigt auch der Zeitpunkt des Besuchs von Scholz, Draghi, Macron und dem rumänischen Staatspräsidenten Klaus Iohannis, der sich in Kiew dazugesellte.

Eine Woche vor dem Gipfeltreffen der EU, wo die anderen 23 Mitglieder voraussichtlich über die Aufnahme der Ukraine in den Kan­di­da­t:in­nen­kreis abstimmen werden, dem anschließenden Treffen der G7-Staatsoberhäupter in Elmau und dem Nato-Gipfel in Madrid geht es auch um die mittel- und langfristigen Perspektiven für die Ukraine in der westlichen Staatengemeinschaft.

Doch abseits von politischen Bekenntnissen sind die praktischen Details ungeklärt. Längst nicht alle Länder befürworten einen schnellen EU-Beitritt der Ukraine, einige sind sogar dagegen. Und die Bedenken sind auch berechtigt, ob eine EU in ihrer jetzigen Verfasstheit einen Schwung neuer Mitglieder mit ganz eigenen innenpolitischen Problemen verkraftet. Wohl nicht, wie etwa der Streit mit Ungarn über die Verhängung von Sanktionen zeigt oder die bulgarische Blockade von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien.

Das Votum des EU-Quartetts für den Beitritt der Ukraine zeigt aber nun, dass man willens ist, nach gemeinsamen Wegen zu suchen. Daran können die Ukrai­ne­r:in­nen Deutschland und die EU in den nächsten Monaten messen – erst recht, wenn der Krieg sich hinzieht und es vor allem um weitere militärische und humanitäre Unterstützung geht.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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23 Kommentare

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  • RS
    Ria Sauter

    Es wird Zeit für ein Ende der EU.



    So wird der korrupte Haufen noch grösser!



    Das ist eine Schande!

    • @Ria Sauter:

      Wie sich das Leben der Menschen ohne EU verbessert, können wir derzeit ja in GB beobachten.



      Herzlichen Dank auch.



      Irgendwie scheinen Korruption und Misswirtschaft mit einem Austritt nicht automatisch auszusterben.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Ria Sauter:

      EU hat ja das hohe Ziel auf Erden,



      dass aus Teufeln Englein werden.. 😈😇



      „Der Boss: Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,



      er liebt sich bald die unbedingte Ruh;



      Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,



      Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.



      Doch ihr, die echten Göttersöhne,



      Erfreut euch der lebendig reichen Schöne!



      Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,



      Umfass euch mit der Liebe holden Schranken,



      Und was in schwankender Erscheinung schwebt,



      Befestigt mit dauernden Gedanken!

      Mephistopheles (allein):



      Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern,



      Und hüte mich, mit ihm zu brechen.



      Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,



      So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen“



      (Goethe – Faust I)

  • Die wichtigsten Voraussetzungen für einen Beitritt zur EU erfüllt die Ukraine schon: Korruption und Oligarchenwirtschaft.



    Die ärmsten der Armen aus der Ukraine holen wir dann als Billiglöhner nach Deutschland. Passt.

  • Staaten, die Oppositionelle und regierungskritische Journalisten verfolgen und um die Ecke bringen und kritische Medien verbieten, Genozide begehen, Nationalismus und Militarismus glorifizieren, gehören nicht in die EU!

    • @Arthur Dent:

      Niemand will Russland aufnehmen also keine Sorge.

    • @Arthur Dent:

      Richtig erkannt! Russland gehört auch nicht in die EU ;-)

  • Das deutsche und europäische Defizit ggü. Russland ist klar. Daran nändert auch die gestrige Visite nichts

    Jahrelang wurde falsche, schlechte Politik betrieben. Nichts zu sehen von geheimdienstlicher Aufklärung. Dann der vorhersehbare RU Überfall auf die Ukraine. Dann bis heute die Nichtlieferung genügend schweren Materials damit die Ukraine sich (und letztendlich uns) verteidigen kann gegen Russland. (Purer Hohn: Material soll in DE gehalten werden, weil nötig zu unserer Landesverteidigung) Unsere Verteidigungslinie liegt aber schon da ... in der Ukraine.

    In dieser Phase der Nichtlieferung von schweren Waffen wähnt RU sich im Aufwind, macht wieder Gebietsgewinne und drosselt Gasexporte.

    Wo bitte sollen denn auf dieser Basis Verhandlungen mit Putin stattfinden, die nicht sofort einer Aufgabe der Ukraine durch den Westen u. Nato gleichkommen?

    Um Putin zu stoppen bedarf es kühnerer, selbstbewusterer Außen- und Militärpolitik. Aber Politiker von DE und Europa bleiben eben, wir sehen es, zweitrangige, manche drittrangige Player..., weil sie es so wollen.

    Im Windschatten der USA, die zum Glück die Hand über uns halten seit 1945.

    • @Max Sterckxc:

      Frage mich immer wieder, wenn das alles so klar war und man den Russen auf gar keinen Fall trauen kann, wieso haben dann die Ukrainer, die die Russen doch viel besser kennen, seinerzeit auf ihre Atomwaffen verzichtet?



      Hätten sie die noch, hätte sich der kleine Zar den Angriff nicht getraut.

  • Kurioserweise oder tragischerweise hat der Angriff Russlands in der Vergangenheit dazu geführt dass sich Teile der Ukrainischen Führung (oder deren Botschafter in Deutschland) in einer Schlüsselposition für die Freihheit der gesamten westlichen Welt wähnten.

    Der Besuch der vier Regierungschefs hat mit dazu beigetragen, das Verhältnis zwischen den Beteiligten wieder gerade zu rücken.

    Gut, dass sich Herr Scholz nicht darauf eingelassen hat allein in die Ukraine zu reisen, als ihn dort die Gnade erwiesen werden sollte eine Bestellliste für Waffen entgegen nehmen zu dürfen.

    Für die Menschen die dort täglich sterben und leiden machen die Feinheiten bei der Interpretation des Besuchs ohnehin keinen Unterschied.

  • In Wirklichkeit geht es eher um weniger als Waffen. Die Ukraine muss es erst mal in die Zukunft schaffen, die die EU ihr malt, warme Worte sind da deutlich zu wenig. Waffen, Waffen, Waffen, nichts anderes zählt im Moment. Die Bilder vom Besuch wurden hierzulande auch längst nicht mehr eingefordert, zu deutlich ist doch, dass Scholz gezwungen werden musste. Und seine Worte sind auch erbärmlich. Es reicht nicht zu sagen, dass dieser Krieg enden muss, Scholz muss sagen wie dieser Krieg enden soll. Oder er muss sagen, dass dies die Ukraine bestimmt und man sie dabei unterstützt. Wenn der Besuch jetzt von Selenskyj geradezu überschwänglich gefeiert wird, dann weniger aus echter Überzeugung, sondern eher mit der Absicht, die Deutungshoheit zu besetzen und den Kanzler festzunageln.

    • @Benedikt Bräutigam:

      gefällt mir was Sie schrieben, besonders das " Waffen, Waffen, Waffen, nichts anderes zählt mehr im Moment" (wenn es denn ironisch gemeint war (?), denn Niemand hat mehr Waffen zur Verfügung als Russland. Also ist Selenski,,, ich hatte hier mal geschrieben "kriegstoll", gemeint war einer, der unbedingt Krieg will: ein Toller Krieger. Wer ist das Opfer, wer der Täter?

    • @Benedikt Bräutigam:

      Scholz muss nicht sagen, wie dieser Krieg enden soll. Selenski hat es ja schon gesagt, die Krim bleibt unser. Soll Scholz diese Sicht übernehmen und damit Kriegspartei werden? Das kann er ja, auch Frau Strack- Zimmermann, Hofreiter und Roth mögen dies gerne tun, siesollten dann aber mit Kalaschnikows nach Kiew reisen und sich in den Schützengraben werfen. Es ist ein Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, bisher hat mich keiner gefragt ob es auch mein Konflikt ist. Bestimmt die Ukraine ob ich in den Krieg ziehe? Wie wäre es denn mal mit einem Volksbegehren in Deutschland hinsichtlich der Lieferung von schweren Waffen und Eintritt als Kriegspartei zur Rückeroberung der Krim?

  • Ukraine als Kornkammer der EU. Wäre es nicht günstiger die vorhandene innergemeinschaftliche Agrarwirtschaft auf Selbstversorgung zu trimmen?

    • @Phineas:

      Da sich derzeit auch pandemiebedingt an allen Ecken und Enden zeigt, was für Nachteile die globale Arbeitsteilung hat, bin ich guter Hoffnung, dass da langfristig ein Umdenken erfolgt.

  • @NUTZER

    Ja, "reif für die EU" ist ein Land wohl erst, wenn seine eigenen Parlamentarier [1] mit der Vermittlung von Atemschutzmasken in Pandemiezeiten Geld machen.

    Und das Geld noch behalten dürfen, nachdem's aufgeflogen ist.

    [1] Diesmal nicht gegendert. Der Fall, auf den ich anspiele betraf nur Männer.

  • Es ist und bleibt ein Mitleidsbeitrittsversprechen. Nato und EU sind für die Ukraine doch nur wegen des Rückhalts in der aktuellen Situation von Interesse, die ihr leider auch nicht weiterhelfen. Dieser nationale Starrsinn mit Scheuklappen ist es vielleicht auch, welcher der Ukraine die größten Probleme verursacht.

    • @alchemist77:

      Auch wenn schon viel vor mir Ähnliches gesagt haben, ich denke doch, dass es derzeit eine unglaublich brutale und menschenverachtende Invasion des russischen Nachbarn ist, die der Ukraine die aktuell größten Probleme verursacht.

  • und nicht zu vergessen, dass sich die EU damit zu einer direkt beteiligten Kriegspartei machen wird. Der Krieg wird noch lange nicht entschieden sein, evtl gar nur eingefroren, da ist die Frage nötig, ob die EU da gut tut den Krieg mit Russland direkt zur eigenen Sache zu machen.



    Die Ukraine muß unterstützt werden, vor allem mit Waffen, ob die Ukraine aber reif für die EU wäre..., mal abgesehen von der nötigen Symbolik (und darum geht es hier wohl hauptsächlich) ?



    Ich verstehe das Signal das gesendet werden soll, nur sehe ich keine objektive Verbesserung mit einem Beitritt, für beide Seiten nicht.

  • RS
    Ria Sauter

    Sicher doch, heizen wir das Ganze noch etwas mehr an.



    Schauen wir auch nicht so genau hin, was es mit Vetternwirtschaft und Korruption so auf sich hat.

  • Es war ein Fototermin.

  • Die Ukraine und Moldau, beides durch und durch korrupte Staaten, siehe hier...



    www.bpb.de/themen/...chtsstaatlichkeit/



    ...sollen nun also Beitrittskandidaten der EU werden.



    Eine durch und durch politische Entscheidung, bar jeder Vernunft. Die EU nimmt ihre Regeln selbst nicht mehr ernst und schürt nur falsche Hoffnungen.

  • Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, statt dem George W. Bush Schnellschuss auf dem Bukarest-Gipfel der NATO "Ukraine and Georgie will become part of NATO" 2008 zu sagen: Diese Staaten kommen in die EU, aber niemals in die NATO und werden auch nicht aufgerüstet.