piwik no script img

Desinformation als politische WaffeGegen den Westen

Ein Webinar klärt über Desinformation als politisch-rhetorische Waffe in den Autokratien Russlands und Chinas auf.

Der kremltreue Sender RT (ehemals Russia Today) wurde in Deutschland nun gerichtlich verboten Foto: Jon Nazca/reuters

Desinformation wird von autokratischen Machthabern seit jeher als politisch-rhetorische Waffe eingesetzt. Wie staatliche Akteure, allen voran Russland, Falschinformationen strukturell einsetzen, damit beschäftigte sich ein Online-Webinar der European Foundation for Democracy in Brüssel, das zugleich wenig Handlungsperspektiven für westliche Staaten aufzeigte.

Etwa fünfmal täglich stoßen In­ter­net­nut­ze­r:in­nen in der EU auf Falschinformationen, denen prorussische Einstellungen zugrunde liegen. Allerdings: Das ist der Durchschnitt der Online-Einträge in den letzten sieben Jahren, dokumentiert von der dem Europäischen Auswärtigen Dienst unterstellten Organisation „EU vs. Disinfo“.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine mehren sich die Fälle, macht Katarzyna Sumislawska deutlich. Dahinter steckt Methode: Der Kreml arbeite mit Influencern zusammen, die dessen Propaganda online weiterverbreiten. Zudem gebe es mittlerweile vorgebliche „Fact-Checking“-Seiten, die etwa beweisen sollen, dass ukrainische Kriegsopfer in Wahrheit Schauspieler seien.

Russland versuche dabei mithilfe seiner Media-Kampagnen nicht, Kon­su­men­t:in­nen direkt für sich einzu­nehmen, sagt ­Agnieszka Legucka, Politikwissenschaftlerin an der polnischen Vistula-Universität. Vielmehr beschränke sich die staatliche Propaganda darauf, gegen den Westen zu schießen, etwa seine Coronapolitik zu kritisieren.

Verbot des kremltreuen Senders war Erfolg

Der Sender RT wolle so mit dem schon 2010 gesetzten Slogan „Question More“ den Eindruck erwecken, nur genauer hinschauen zu wollen. Das EU-Verbot des kremltreuen Senders wertet Legucka als großen Erfolg.

China setzt indes auf eine andere Strategie, um seinen Einfluss in Europa auszubauen. Als in den 90er Jahren erste chinesische Universitäten Kooperationen mit europäischen eingingen, hoffte man, durch den Austausch zur Liberalisierung Chinas beizutragen, sagt David Plášek vom European Values Center for Security Policy in Prag. Chi­ne­s:in­nen stellen in Großbritannien heute etwa ein Drittel der ausländischen Studierenden.

Chinakritische Artikel gelöscht

Das Geld, das so nach Europa fließt, stürze die Universitäten in Abhängigkeiten, sagt Plášek und nennt das Beispiel des Campusverlags Cambridge University Press. Nachweislich löschte dieser mehr als 300 Online-Artikel, die sich chinakritisch äußerten.

Vorauseilende Zensur sei auch an US-amerikanischen Universitäten zu erleben. Dort sei der Dalai Lama ausgeladen worden, nachdem chinesische Studierende Proteste organisiert hatten. Bevor Chi­ne­s:in­nen ins Ausland gingen, weiß Plášek, müssten diese eigens ein Propagandatraining durchlaufen.

Julia Hubernagel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Desinformation im Osten und bei Autokraten. Wie einfach kann die Welt sein, wenn man auf der anderen Seite der ideologischen Mattscheibe lauert.

  • Hmm, es gibt doch sicher bessere Quellen dafür als ein Washingtoner Rechtsaußen-Thinktank und das total unabhängige EU-Organ für Gegenpropaganda?



    Gerade die Datenbank von „EU vs. Disinfo“ ist, neben allerhand offensichtlichen Unfug, voll mit Beispielen, die genauso auch in deutschen Medien vertreten wurden, sei es von vermeindlich gebrochenen Versprechen bzgl. einer NATO-Osterweiterung (kürzlich mit Quellen in Spiegel und New York Times), in die ukrainische Armee eingegliederten Neonazi-Batallionen (Zeit, FAZ) etc.. Als Richtigstellung folgt dann meist die offizielle EU-Linie als Tatsachenbehauptung.



    Oder schlichte Meinungen/politische Analysen: Russischer Kommentator hält die EU für Russland feindlich gesinnt - EU-Gegenpropaganda: "Stimmt nicht";



    Ungarischer Kommentator zweifelt die Legalität von transnationalen Sanktionen an - EU: "Stimmt nicht, wir haben's schliesslich beschlossen"

    Man muss den Kommentaren ja nicht zustimmen, aber eine staatliche Organisation, die jedwede von der eigenen politischen Linie abweichende Meinung als "Fakenews" kategorisiert, taugt weder zur politischen Bildung, noch ist sie besonders demokratiekonform.

  • Ich kann nur allen raten: Glaubt nichts, was ihr nicht selber wirklich überprüfen könnt. Also keinen Äußerungen Russlands. Aber eben auch keinen der anderen.

    Aber Lob an tagesschau.de. Da steht in den Meldungen fast immer drin:



    "Quelle Konflikparteien".



    Das heißt: Wahrheitsgehalt ist derzeit nicht unabhängig prüfbar.



    Das sollte man stets im Auge behalten.

  • Ich finde es erstrebenswert, einen kritischen Umgang mit Informationen aus Medien und Internet zu fördern; allerdings habe ich gewisse Probleme mit der klaren Rollenverteilung, die dabei scheinbar unhinterfragt vorausgesetzt wird: nicht nur China und Russland versuchen, den öffentlichen Diskurs in ihrem Sinne zu beeinflussen, auch westliche Regierungen und Eliten nehmen es mit der Wahrheit nicht immer genau, wenn es der eigenen politischen Agenda dient. Die Prämisse, dass Propaganda immer nur die anderen machen, ist selbst Propaganda. Insofern würde ich mir wünschen, dass Aufklärung auch als Selbstreflexion verstanden wird, nicht nur als Entlarven echter oder angeblicher Feinde.

    • @O.F.:

      Der Unterschied ist aber der:

      Weder in Russland, noch in China gibt es freie Medien. Ganz im Gegenteil.

      Wenn es auch im Westen immer mal wieder einen größeren Gleichklang in den Medien gibt, findet man jederzeit ohne große Mühe andere Positionen, ohne wegen der Suche danach im Gefängnis zu landen.

      Jederzeit kann für so gut wie alles und gegen jedes demonstriert werden, in den beiden anderen Ländern ist das lebensgefährlich.

      Nimmt man seriöse Medien, gibt es in Deutschland ein Spektrum von FAZ, Cicero, Spiegel, taz bis zum ND, der konkret und der Jungle World.

      Nicht eines davon ist verboten. Selbst die Nazipresse und die der MLPD ist frei.