EU-Verbot russischer Staatssender: Die „Apologeten des Kreml“

Erstmals greift die EU-Kommission direkt in die Pressefreiheit ein. Um Russland zu sanktionieren, verbietet sie die Propaganda-Sender RT und Sputnik.

Sendewagen von RT auf dem Roten Platz in Moskau

Inhaltliche und örtliche Nähe: Der staatlich kontrollierte Sender RT am Roten Platz in Moskau Foto: Gleb Garanich/reuters

BRÜSSEL taz | Nach russischen Banken, Unternehmen und Oligarchen knöpft sich die EU nun auch staatsnahe Medien vor. Die EU-Kommission teilte am Mittwoch in Brüssel mit, dass die Verbreitung der Sender RT (ehemals Russia Today) und Sputnik ab sofort EU-weit verboten seien. Für die Umsetzung dieser beispiellosen und umstrittenen Zensurmaßnahme sind die Regulierungsbehörden der 27 EU-Staaten zuständig.

„Außergewöhnliche Zeiten verlangen nach außergewöhnlichen Maßnahmen“, sagte EU-Kommissionsvize Věra Jourová, die für den Kampf gegen Desinformation zuständig ist. „Wir werden es nicht zulassen, dass Apologeten des Kremls ihre toxischen Lügen zur Rechtfertigung von Putins Krieg verbreiten oder Zwist in unserer Union säen“, betonte Behördenchefin Ursula von der Leyen.

Die Maßnahme betrifft alle Verbreitungswege von RT und Sputnik in der EU – sei es per Kabel, Satellit oder Internet. Betroffen ist auch der RT-Ableger in Deutschland. RT Deutsch war am Mittwoch aber zunächst noch zu erreichen. Auf der Internetseite war eine Meldung über das Verbot zu lesen – neben einem Bericht, in dem der russische Außenminister Sergei Lawrow über die EU-Sanktionen klagt.

„Das zeigt, was die gepriesene Demokratie der EU wert ist“, kommentierte RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan. Sie war in der vergangenen Woche mit Strafen belegt worden. Auch das RT- und Sputnik-Verbot kommt als Sanktion daher – auf der Basis einer EU-Regulierung von 2014, bei der es um die territoriale Integrität der Ukraine ging.

Kritik von Journalistenverbänden

Es ist das erste Mal, dass die EU-Kommission direkt in die Meinungs- und Pressefreiheit eingreift. Normalerweise ist sie für die Medienregulierung gar nicht zuständig – das ist Sache der nationalen Aufsichtsbehörden. Für Insider kommt das Verbot dennoch nicht überraschend. Brüssel mischt sich immer mehr in die Medienpolitik und in die Regulierung großer Onlineplattformen wie Facebook oder YouTube ein.

RT und Sputnik werden in Brüssel seit Jahren beobachtet. Der Auswärtige Dienst der EU hat sogar eine Sondereinheit zur Auswertung „kremlnaher Medien“ gegründet, die der deutsche EU-Beamte Lutz Güllner leitet. Bisher beschränkte sich die Arbeit der „Stratcom East“ aber vor allem auf Dokumentation und Aufklärung.

Die EU wolle kein „Wahrheitsministerium“, betonte die federführende EU-Kommissarin Jourová bis zuletzt. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nun zu einem Sinneswandel geführt. Allerdings lässt sich die Behauptung der Kommission, RT leugne den Krieg, mit Blick auf RT Deutsch nicht belegen. Das Portal hatte sogar einen „Live-Ticker zum Ukraine-Krieg“.

Scharfe Kritik kam von Journalistenverbänden wie Reporter ohne Grenzen. „Es steht außer Frage, dass RT und Sputnik Propagandakanäle sind“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Trotzdem sehen wir ein Verbot von RT und Sputnik kritisch.“ Deren Einfluss auf die Meinungsbildung sei begrenzt, die zu erwartenden Gegenmaßnahmen könnten jedoch eine unabhängige Berichterstattung aus Russland „erschweren oder sogar unmöglich machen“.

Die EU-Kommission teilte auch neue Details der Wirtschaftssanktionen mit. So werden am 12. März sieben russische Banken vom Finanzsystem Swift ausgeschlossen. Die Sberbank als größte Bank Russlands ist allerdings nicht betroffen, ebenso wenig die Gazprombank. So wolle man eine Unterbrechung der Gaslieferungen nach Europa verhindern, sagte ein EU-Beamter.

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