CDU Sachsen-Anhalt und „Das Erste“: Symbol ohne Substanz
CDU-Parlamentarier aus Sachsen-Anhalt fordern, dass „Das Erste“ abgeschafft wird. Bei genauerer Betrachtung bleibt von dem Vorstoß aber wenig übrig.
Langfristig solle es „Das Erste“, das überregionale Hauptprogramm der ARD, nicht mehr geben, sondern nur noch das ZDF und die regionalen „dritten“ Programme. „Wir unterstützen den Vorschlag von Staatsminister Robra, langfristig den Sender ‚Das Erste‘ als eigenständigen Kanal abzuschaffen“, teilte Kurze der Zeitung mit.
Was folgt, ist Aufregung. Denn gerade erst am Tag zuvor hatte die britische Regierung in Aussicht gestellt, die BBC abzuwickeln. Sachsen-Anhalt ist ohnehin schon als „das Land mit dem Veto“ gegen die letzte Erhöhung des Rundfunkbeitrags bekannt. Droht also die nächste Blockade aus Mitteldeutschland?
Der Parlamentsgeschäftsführer der Linken im Landtag kritisierte umgehend: „Ohne ‚Das Erste‘ gäbe es keinen Wettbewerb mehr im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“ Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner twitterte: „Die CDU Sachsen-Anhalt dreht wieder mal rechts frei – ein intakter öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist ein Grundpfeiler unserer #Demokratie.“
Staatsminister Robra weiß von nichts
In der zuständigen Staatskanzlei, deren Chef der besagte Rainer Robra (ebenfalls CDU) ist, gibt man sich derweil ganz und gar überfahren von dem Vorstoß der Fraktion. Auf Nachfrage der taz sagt Sprecher Matthias Schuppe, es gebe gar keinen Vorschlag des Staatsministers, „Das Erste“ abzuschaffen – und habe es noch nie gegeben. „Mit Herrn Robra hat niemand gesprochen.“
Die Fraktion beziehe sich auf einen Vorschlag aus dem Jahr 2017. Damals hatte Robra in der Tat vorgeschlagen, Das Erste radikal zu verändern. Als nationaler Sender reiche das ZDF aus, sagte Robra damals, die ARD solle stattdessen „ein Schaufenster der Regionen“ werden. „Es ging aber auch damals schon nicht ums ‚abschaffen‘“, sagt sein Sprecher Schuppe nun, „sondern darum, dass im ARD-Hauptprogramm die regionalen Themen stärker zum Tragen kommen sollten.“ Diesen Grundgedanken hätten die Sender sogar aufgenommen. Daher sei der über vier Jahre alte Vorschlag, auf den sich die Fraktion jetzt bezieht, auch nicht mehr aktuell.
Hinter der Aussage der CDU-Fraktion, wie sie in der Mitteldeutschen zitiert wird, steht also keine Substanz, die man analytisch bewerten und diskutieren könnte, sondern vor allem Symbolpolitik. Parlamentarier Markus Kurze begründet die Haltung seiner Fraktion mit der Ausrichtung der ARD-Sender. „Wir sind der Meinung, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk oft Minderheitenmeinungen stärker vorkommen als die Meinung der Mehrheit“, wird Kurze zitiert. „Zum Beispiel sollten die Sender nicht nur diejenigen zu Wort kommen lassen, die immer noch mehr und mehr Klimaschutz wollen, sondern auch diejenigen, die das bezahlen müssen.“ Auch eine Abschaffung der „Gender-Sprache“ fordert Kurze.
Hintergrund des Vorstoßes dürfte sein, dass dieses Jahr eine Änderung des Medienstaatsvertrags zwischen den Ländern verhandelt wird. Es geht darin auch um den Auftrag der ARD-Anstalten und mögliches Einsparpotenzial, zum Beispiel bei Spartensendern. Die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt hat sich in der Vergangenheit wiederholt rundfunkkritisch positioniert und scheint den Moment nutzen zu wollen, dies erneut zu tun.
Dass die Vorstellungen einer Regierungsfraktion eines einzelnen Bundeslandes zum Fernsehen überhaupt Gewicht haben, liegt an der gesetzlichen Grundlage für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Diese ist Ländersache und wird in Staatsverträgen zwischen den Bundesländern festgeschrieben. Diesen Staatsverträgen müssen alle Landesparlamente einzeln zustimmen, sonst treten sie nicht in Kraft.
Es geht um inhaltliche Beschwerden
Im Jahr 2020 hatte die CDU in Sachsen-Anhalt auf diese Weise eine beschlossene Erhöhung des Rundfunkbeitrags blockiert. Zwar waren ihre damaligen Koalitionspartner, SPD und Grüne, für die Erhöhung, aber die CDU-Fraktion verließ sich auf eine Stimmenmehrheit im Landtag, die sie zusammen mit der AfD hat. Erst das Bundesverfassungsgericht setzte 2021 das Veto Sachsen-Anhalts außer Kraft, wonach der Rundfunkbeitrag wie geplant erhöht wurde.
In absehbarer Zeit wird die Ermittlung des Finanzbedarfs der Sender und damit die Debatte über den Rundfunkbeitrag erneut losgehen. Inzwischen regiert die CDU in Sachsen-Anhalt mit SPD und FDP. Eine effektive Mehrheit mit der AfD im Landtag hat sie weiterhin.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Ländern allerdings untersagt, den Rundfunkbeitrag alleine mit inhaltlichen Argumenten zu blockieren. Sollte der CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt also vor allem daran gelegen sein, mehr Klimaschutz-Gegner*innen und weniger Gendersprache im Fernsehen zu sehen, dann wird sie darauf ohnehin kaum eine wirksame Kampagne für die Beitragsdebatte 2024 aufbauen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will