piwik no script img

Deutschland im zweiten Corona-WinterLuxusware PCR-Test

Kostenloser Nachcheck nach positivem Selbsttest: Ist doch ganz einfach? Von wegen – in der Pandemie stehen Menschen mit weniger Geld wieder an.

Warten auf den Test: Schlange vor einem landeseigenen Testzentrum in der Berliner Leinestraße Foto: Monika Skolimowska/dpa

L etztens twittert jemand einen abfotografierten positiven Schnelltest: „Jetzt wird es richtig teuer.“ Er befindet sich in einem anderen Land, wo ein PCR-Test wohl sehr teuer ist. Ich denke: Zum Glück bin ich in Deutschland!

Kurz darauf: Bumm, positiver Schnelltest. Google sagt, dass mich ein PCR-Test mit einem Ergebnis am nächsten Tag 54,90 Euro kostet, „Same-day-PCR-Test“ 74,90 Euro, „Express-Test“ in 3,5 bis 4,5 Stunden für 99 Euro. Peanuts. Irgendwann hatte ich aus den Coronanews aber herausgefiltert, dass man bei positivem Schnelltest oder Corona-App-Warnung einen kostenlosen PCR-Test bekommt. SPD, Hartz IV, aber Deutschland immer noch stabil, immer noch Sozialstaat, freue ich mich.

Im privaten Testzentrum, dessen Räume an eine großzügig geschnittene Kunstgalerie oder eine minimalistische Hipsterbäckerei im Hamburger Schanzenviertel erinnern, lehnt man mich freundlich, aber bestimmt ab.

Die zuvorkommenden Mit­ar­bei­te­r:in­nen (zu welchen Bedingungen arbeiteten sie hier wohl?) haben aber eine Liste der landeseigenen Testzentren ausgedruckt, säuberlich in Klarsichtfolie verpackt und auf dem Tresen so positioniert, dass sie sofort einen Finger drauflegen können: nächstgelegene Station Müllerstraße, Wedding. Okay, cool, denke ich, ist nicht weit weg. Dann schaue ich auf die Uhrzeiten: Ist schon Feierabend.

Anlegen mit der Security?

Am nächsten Tag verweist mich dort ein hektischer, aber um Freundlichkeit kämpfender junger Mann, der unter einem Pavillon hervorspringt, auf den Barcode, der an einem Bauzaun hängt und vom Schneeregen durchfressen ist. Ich scanne, aber kann mich nicht anmelden. Kein Netz. Überlastet?

Bevor ich das Problem angehen kann, pöbelt mich ein älterer Herr von der Seite an. Der Mann reckt den Arm und zeigt in weite Ferne. Ich habe mich unwissentlich vorgedrängelt, weil ich davon ausgegangen bin, dass die Warteschlange hier endet. Also laufe ich los. Ich laufe und laufe. Und ich erreiche das Ende in einer Parallelstraße. Hinter mir stellt sich eine Frau an, die einen Roman liest. Der Roman wird immer nasser. Viele husten in der Schlange. Nicht alle haben FFP2-Masken.

Ein Securitymann geht rum und schnauzt jene an, die nur eine medizinische Maske tragen. Was sollen sie jetzt machen? Losgehen, die richtige Maske besorgen und sich wieder ganz hinten anstellen? Oder sich mit der Security anlegen? Laufend kommen neue Leute an. Sie reagieren unterschiedlich auf die Schlange. Manche zögern keinen Moment, drehen sich um und gehen. Zum privaten PCR-Express? Andere reihen sich resigniert ein.

Nach knapp zwei Stunden steckt mir jemand in einem kleinen Raum mit nur zwei Teststationen endlich einen Stab in den Rachen. Das Ergebnis wird in 24 bis 48 Stunden versprochen, es kommt nach 48 Stunden. Viele ältere und migrantische Menschen scheiterten in der Teststation schon an der Anmeldung. Ich hätte ihnen gerne geholfen. Aber mir war saukalt und ich musste wieder ins Trockene kommen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Das Bild suggeriert, dass die Menschen in der Schlange alle für einen PCR Test anstehen. Das Testzentrum in der besagten Leinestraße ist aber für sogenannte Schnelltests zuständig. www.berlin.de/sen/...rtikel.1135347.php

    Hat der Autor da etwas durcheinander gebracht oder will man Impfgegnerschlangem als Mangel von PCR-Tests verkaufen?

    • @Rudolf Fissner:

      Das Testzentrum in der Leinestraße bietet sowohl pcr als auch schnelltests an diese werden jedoch von unterschiedlichen trägern angeboten. Ich habe im besagten Testzentrum bereits beide arten von tests gemacht.

  • Die Verteilung der PCR-Tests ist nich abhängig vom Geld, sondern von medizinisch-politischen Entscheidungen.

    PCR-Tests sind daher kein Luxus sondern Mangelware.

  • Vielleicht liegt es auch an Berlin. Hier in BW gibt es zig Teststationen, bei denen man im Vorfeld einen Termin vereinbaren kann. Dann geht man zu der Uhrzeit hin und in der Regel wartet man ein paar Minuten bis man dran ist, teilweise wird man sofort rein gewunken. Vielleicht ist es die mangelhafte Organisation in Berlin, die es Privaten ermöglicht, Geld zu verdienen.

  • Erstaunlich, wie groß die Unterschiede innerhalb Berlins sind.

    Wir waren diese und letzte Woche zum PCR-Test in Reinickendorf und mussten überhaupt nicht warten.

    Und das ist ja nun der Nachbarbezirk.

    Aber das ist in anderen Bereichen durchaus ähnlich.

    Ich befürchte, das mit den gleichartigen Lebensverhältnissen wird der Senat auch in der neuen Legislaturperiode nicht gebacken kriegen.

  • Die Überschrift "Deutschland im zweiten Corona-Winter: Luxusware PCR-Test", im Text kommt dann raus, dass in Berlin etwas nicht funktioniert. Nach Flughafenbau, Öffis und Wahlen jetzt auch die Tests. Die anekdotische Evidenz reicht nicht, dafür ist das Thema zu ernst.

  • Tipp für Berliner:innen: bei Symptomen und/oder nach positivem Schnelltest am besten einen PCR-Test Termin in der eigenen Hausarztpraxis machen. Wer keinen Hausarzt hat, findet Praxen, die auch Fremdpatient:innen testen und behandeln hier:



    www.kvberlin.de/fu...na/covid-19-praxen



    Die Teststellen des Senats sind in der Tat völlig überlastet und waren schon vor Omikron unterbesetzt.

  • Auf dem Land ist es auch schlimm. Es ist abhängig wie der Arzt entscheidet, der auf dem Land so etwas wie ein kleiner absolut herrschender Fürst ist und Entscheidungen über Gesundheit und Krankheit trifft.



    Oder man ist vom völlig überlasteten, seiner Aufgabe überhaupt nicht wahrnehmenden Gesundheitsamt abhängig was ebenso niederschmetternd ist.



    Und diese Erfahrungen wurden schon im Dezember 2020 gemacht... Man kann sich nur vorstellen welche Schreckensszenarien heute in Arztpraxen auf einen warten

  • Themenbereich Randständiges.

    PCR Test hat geklappt. Alles gut.



    Zwei Stunden Warten. Na.

    Wird häufiger vorkommen in der Zukunft, wenn zB die Verkehrswende kommt.

    Beispiele aus Hessen, NRW: PCR Test schnell erhalten. Alles nur anekdotisch.

  • Berlin halt, da klappt doch gar nichts.

    Hier bei uns auf dem Land hat es sogar einen Drive-In und es klappt fast auf die Minute genau. Aber das it ja auch Baden-Württemberg und nicht Berlin.

  • Hier in Bayern in der Großstadt: Bei der roten Kachel in der Corona-Warn-App erst mal den Hausarzt angerufen, um zu besprechen, was jetzt am besten zu tun sei. Der hat mir den PCR-Test sofort ausgeredet, da geboostert, keine Symptome und Schnelltest negativ.

    Das städtische Testzentrum, wo man kostenlose PCR-Tests bekommen kann, befindet sich in einem Zelt auf einer Wiese beim Flughafen. Dort habe ich schon einmal bei Schneeregen mit Rollator in der Warteschlange im Matsch der durchweichten Wiese gestanden.

    Was ich gemacht habe? Wie vom Arzt empfohlen, 14 Tage lang beobachtet, ob ich symptomfrei bleibe, Selbsttests gemacht und Kontakte reduziert. Ist gut gegangen. Hätte ich mich mit PCR (ohne Warteschlangen und im Trockenen) sicherer gefühlt? Definitiv. Ob der Hausarzt mit seinem Abwinken Recht hatte? Kann ich nur schwer beurteilen.

  • Ach ja, nicht alles ist schlecht auf dem Land in Bayern. Hier in der Kleinstadt, in der ich lebe, haben wir eine täglich 8-18 Uhr geöffnete Teststation für Bürgertests, kostenlose und kostenpflichtige PCR Tests. Und wer sich nicht selbst online registrieren kann, dem werden die Unterlagen vom Personal bei der Anmeldung ausgefüllt.

  • Nun ja, die Überschrift ist misslungen, weil beim Gesundheitsamt nicht nur Arme anstehen müssen.

    Spannend sind die Unterschiede in den Gesundheitsämtern.

    Beim Gesundheitsamt Reinickendorf mussten wir diese und letzte Woche überhaupt nicht anstehen.

    Schade, dass es so viel ausmacht, in welchem Bezirk man wohnt.

    Aber das kriegt wohl auch der neue alte Senat nicht auf die Reihe.

    Die Wahlen waren ja exemplarisch.