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Abituraufgabe zu rassistischem TextSchlechte Wortwahl

In einer Prüfungsaufgabe des Deutsch-Fachabiturs wurde rassistische Sprache verwendet. Eine Schwarze Schülerin kritisiert das, die Schule blockt ab.

Rassistische Texte im Abi: In Detmold haben die Kontroll­instanzen versagt Foto: Robert Michael/dpa

Berlin taz | Die Analyse von Kurzgeschichten liegt Emma K. Die Schülerin aus einem kleinen Ort bei Bielefeld zögerte deshalb nicht lange, als sie vorvergangenen Mittwoch im Deutsch-Fachabitur ihre Aufgabe aussuchen sollte. „Aber als ich das Aufgabenblatt umdrehte, sind mir sofort diese Worte ins Auge gesprungen“, erzählt sie am Telefon.

Mehrmals wird in der ihr vorgelegten Kurzgeschichte „Eine schöne Beziehung“ aus den 1980ern das N-Wort verwendet, rassistische Einstellungen gegenüber Schwarzen Menschen reproduziert. „Grete Hehmke hat doch Grund, an den Umgangsformen der Schwarzen zu zweifeln“, heißt es etwa. Und: „Es gibt auch anständige N***.“

„Man kann eine gute Intention haben und das Ergebnis ist trotzdem rassistisch“, kommentiert Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), die Aufgabe. Rassismus ließe sich nicht brechen, indem rassistische Redewendungen und Sprache verwendet würden. Die Begriffe würden damit festgeschrieben, Rassismus bleibe Teil unseres Sprachschatzes.

„Wir haben jetzt 2021. Warum kann in Schultexten nicht einfach die politisch korrekte Bezeichnung für Schwarze Menschen verwendet werden?“, fragt Emma. Die Schwarze Schülerin konfrontiert ihre Lehrerin. „Ich habe sofort gefragt, warum wir einen solchen Text lesen müssen“, erzählt die 18-Jährige.

Das Problem­­bewusstsein fehlt

Sie könne daran nichts ändern und das sei auch nicht ihre Verantwortung, habe die Lehrerin entgegnet, die sich auf wiederholte Nachfrage der taz nicht zu dem Fall äußern will. Auch die Schulleitung des Anna-Siemsen-Berufskollegs in Herford schweigt.

„Es gibt genug Schultexte, die antirassistisch sind, die anderen muss man aus dem Verkehr ziehen“, fordert Della. Im Bezirk Detmold haben dahingehend gleich mehrere Kontroll­instanzen versagt, wie aus der Antwort des nordrhein-westfälischen Schulministeriums auf taz-Anfrage hervorgeht.

Die Aufgaben für die dezentrale Fachhochschulreifeprüfung Deutsch seien von Fachlehrkräften mehrerer Berufskollegs gemeinsam erarbeitet und als Prüfungsvorschlag zunächst den Schulleitungen und im Anschluss der Bezirksregierung zur Genehmigung vorgelegt worden, heißt es aus dem Ministerium. Nach der Genehmigung durch die Bezirksregierung sei die Kurzgeschichte an den Schulen zum Einsatz gekommen. Laut Bezirksregierung wurde der Text an 26 der 57 Berufskollegs im Bezirk Detmold verwendet.

Warum niemandem aufgefallen ist, dass eine Geschichte, die das N-Wort nutzt, nicht ins Deutsch-Abi gehört? „Das Problembewusstsein fehlt“, konstatiert Della. „Deswegen müssen wir davon ausgehen, dass es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt.“

Noch ein rassistischer Vorfall

Immerhin: das nordrhein-westfälische Schulministerium scheint mit der Aufgabenauswahl nicht glücklich gewesen zu sein. Insbesondere die Wortwahl sei „aus heutiger Sicht problematisch“, könne große Betroffenheit vor dem Hintergrund individueller Erfahrungen auslösen „und verfehlt dann vollkommen die von dem progressiven Autor ursprünglich angestrebte Wirkung“.

Die Wortwahl in der Aufgabenstellung ist aber nicht das Einzige, was Emma problematisch findet. „Ich hätte mir gewünscht, dass meine Lehrerin mich ernst nimmt und anerkennt, dass der Text verletzend für mich ist“, sagt sie. „Und dann dafür sorgt, dass ich so eine Aufgabe nicht bearbeiten muss.“ Stattdessen verweist die Lehrkraft ihre Schülerin an den Bezirk Detmold.

Und so sind es Emma und ihre Mutter, die Kontakt zu Schulministerium und Bezirksregierung aufnehmen. „Es ist wirklich sehr schwierig, sich gleichzeitig auf die Prüfungsvorbereitung zu konzentrieren“, sagt die Abiturientin. Außerdem hat sie Sorge, mit welchen Situationen sie in der Schule noch konfrontiert werden wird.

Schülerin kann Prüfung wiederholen

Zu Recht: Eine Woche nach dem Vorfall, am Tag der Englischprüfung, sprach eine andere Lehrerin sie auf dem Schulhof an. Sie habe zwei Mal das N-Wort verwendet, von Musikalität der Schwarzen geredet und Emma gefragt, ob sie sich denn nicht integriert fühle, wie die Schülerin berichtet.

Emma ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, nichts in ihrer Biografie deutet darauf hin, dass das anders sein könnte. Die Bezirksregierung erklärt auf taz-Anfrage, die zuständigen Mit­ar­bei­te­r*in­nen seien dafür sensibilisiert worden, die möglichen Auswirkungen von Texten auf einzelne Schü­le­r*in­nen in Prüfungssituationen noch stärker zu beachten.

Die pädagogische Dezernentin habe um Entschuldigung für die persönliche Betroffenheit gebeten, Emma kann die Prüfung wiederholen. „Es geht hier aber nicht nur um die Betroffenheit einzelner Schwarzer Schüler*innen“, sagt Della, „wir sind als Gesellschaft insgesamt von Rassismus betroffen – egal ob Schwarz oder weiß.“

Sich gegen Rassismus in der Schule zu wehren, dürfe nicht an einzelnen Schü­le­r*in­nen hängenbleiben. Schließlich gebe es eine extreme Abhängigkeit im Schüler-Lehrer-Verhältnis. „In den wenigsten Fällen haben die Schü­le­r*in­nen den Mut, selbst dagegen vorzugehen“, so Della. Vielmehr müssten angehende Lehrkräfte im Studium Diskriminierungssensibilität lernen.

An Mut fehlt es Emma nicht. Sie engagiert sich bei der antirassistischen Gruppe Rise Up in Bielefeld, am Samstag hat die 18-Jährige bei einer Demo gegen Polizeigewalt zum Todestag von George Floyd eine Rede gehalten. „Das hat mich em­powert.“

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59 Kommentare

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  • Danke. Heute nicht umsonst gelebt - wa.

    Dachte - “…ah nicht von Mark Twain - weil Mr Zweifaden viel & reichlich ”Nigger“ - nicht “Neger“ verwendet.



    Wie meine afrikanischen Studi-Freunde vom Uni-Tenniplatz - durch die & dadurch ich den damaligen blutigebn Konflikt Ibos(wrote Igbos)/Biafra-Krieg besser verstehen konnte.



    & Däh!



    Jetzt weiß ich’s. Danke.



    Is von Henning Venske. Nicht gerade alt.



    Aber jeder halbwegs gebildete Lehrkraft - müßte es gelingen - als Rahmen für eine interpretierende Arbeit - diese Zusammenhänge zu verdeutlichen. Gell.

    kurz - “ Henning Venske ist ein deutscher Schauspieler, Kabarettist, Moderator, Regisseur und Schriftsteller. Er gilt als einer der herausragenden Protagonisten des politischen Kabaretts in Deutschland, zudem als wortgewandter, präziser und streitbarer, teils radikaler Satiriker. Wikipedia

    unterm——- & das mühsam aber geht —



    Birger Sulzbrueck weilte a concert as usual mit seiner dort renommierten Band auf Cuba - next in the newsletter über den Drummer “…he is a negro player…“ - “Hör mal. Der weigerte sich strikt abends zu spielen. Vier Stunden brauchte ich - daß das - noch dazu für einen Nicht-Cubaner - Hautfarbe egaln - das größte Lob ever sei & mit “Neger“ gar “Nigger“!etc nichts - aber auch gar nichts zu tun habe! Man war das anstrengend.

    So geht das •



    &



    (Zu Gerd Köster Rico McClarin & “ok - dann “Klütte““- ein andermal - dessen Irokesen-Grinsen is unwiedergebbar 🤣



    de.wikipedia.org/w..._Has_Been_Drinking



    Entre nous - aber als ich zu ihm in der Pizza Neußerstraße backstage - 2! Gig - sagte “rück mal auf Seite alte Fettbacke - war davon die Hütte heller!;)) Get it? Fein

  • Gut, dass Sie den Artikel geschrieben haben und der jungen Frau Unterstützung geben. Gut das die Schülerin so mutig ist. Mir schein der Text zwar entschieden gut gemeint, aber diese häufige N-Wort Nennung war mir auch schon vor 20 Jahren unwohl. Unangenehm ist mir auch die fast hysterische Abwehr einer Verständnisbereitschaft für das Empfinden davon Betroffener/Beschriebener.



    Stellen Sie sich vor, Sie lesen als weißer Mensch diesen Text einem überwiegend schwarzen Publikum vor. Glauben die Schreiber, ihnen würde dann applaudiert werden?

    • @SabineMia:

      (Teil 2) Und das ist durchaus ein valider und wichtiger Punkt, aber es kann nicht der einzige entscheidende Faktor sein. Jeder Mensch hat Befindlichkeiten und Gefühle, die durch kleine Anlässe verletzt werden können, und die hängen nicht nur an seiner Hautfarbe, seiner Sexualität, seinem Geschlecht oder was auch immer. Manche fühlen sich herabgesetzt, wenn ihr Gegenüber sich mit dem Handy beschäftigt. Manche wenn ihre Leistungen nicht gewürdigt werden. Wieder andere finden es herabwürdigend, wenn sie zu ihrem Geburtstag für den bloßen unverdienten Akt des Geborenwerdens gefeiert werden, sich aber ansonsten niemand für ihre persönlichen Ansichten und Probleme interessiert. Und wieder andere Menschen haben panische Angst vor den Hunden, welche von Anderen mit Selbstverständlichkeit Gassi geführt werden. Solche Probleme hat jeder. Manche mehr, manche weniger. Aber wir können nicht erwarten, dass zig Milliarden unsere Befindlichkeiten kennen oder in aller Tiefe nachvollziehen können. Wir müssen lernen mit sowas umzugehen, und im Zweifel unserem Gegenüber auch mal den „Benefit of Doubt“ zu geben. Denn wenn wir jeden zum Rassisten erklären, der in egal welchem Kontext mal ein umstrittenes Wort benutzt, dann erzeugen wir ein zusätzliches Klima der Angst, welches betroffenen Personen mit Sicherheit ebenfalls nicht gut tut.

    • @SabineMia:

      Und das ist durchaus ein valider und wichtiger Punkt, aber es kann nicht der einzige entscheidende Faktor sein. Jeder Mensch hat Befindlichkeiten und Gefühle, die durch kleine Anlässe verletzt werden können, und die hängen nicht nur an seiner Hautfarbe, seiner Sexualität, seinem Geschlecht oder was auch immer. Manche fühlen sich herabgesetzt, wenn ihr Gegenüber sich mit dem Handy beschäftigt. Manche wenn ihre Leistungen nicht gewürdigt werden. Wieder andere finden es herabwürdigend, wenn sie zu ihrem Geburtstag für den bloßen unverdienten Akt des Geborenwerdens gefeiert werden, sich aber ansonsten niemand für ihre persönlichen Ansichten und Probleme interessiert. Und wieder andere Menschen haben panische Angst vor den Hunden, welche von Anderen mit Selbstverständlichkeit Gassi geführt werden. Solche Probleme hat jeder. Manche mehr, manche weniger. Aber wir können nicht erwarten, dass zig Milliarden unsere Befindlichkeiten kennen oder in aller Tiefe nachvollziehen können. Wir müssen lernen mit sowas umzugehen, und im Zweifel unserem Gegenüber auch mal den „Benefit of Doubt“ zu geben. Denn wenn wir jeden zum Rassisten erklären, der in egal welchem Kontext mal ein umstrittenes Wort benutzt, dann erzeugen wir ein zusätzliches Klima der Angst, welches betroffenen Personen mit Sicherheit ebenfalls nicht gut tut.

    • @SabineMia:

      (Teil 1)Diese von Ihnen so empfundene „fast hysterische Abwehr einer Verständnisbereitschaft für das Empfinden davon Betroffener/Beschriebener“ ist in meiner Vermutung nach Ausdruck eines tiefergehenden Problems, welches viele Beobachter solcher Rassismusvorwurfs-Debatten wahrnehmen. Nämlich dass sich diese in der bloßen Benutzung von Schlüsselwörtern oder Gesten erschöpfen, aber nicht wirklich inhaltlich geführt werden. Im vorliegenden Fall zum Beispiel lassen sich mindestens 4 verschiedene Gründe anführen warum Leute die Benutzung des umstrittenen Wortes in diesem Text nicht als Rassismus sehen:



      1.Der Text wurde in einer Zeit geschrieben, als das betroffene Wort bei weitem nicht so scharf konnotiert war, wie das heute der Fall ist (zeitlicher Kontext)



      2.Gerade in Deutschland erleben die meisten Menschen in ihrem Alltag keinen so heftigen Hass zwischen Menschen verschiedener Hautfarbe, wie das beispielsweise in de USA der Fall ist. Deshalb ist auch die Sensibilität für entsprechende „Triggerwörter“ geringer. Natürlich ist das für direkt Betroffene ganz anders, aber die Frage ist halt, ob nur deren Perspektive zählt, oder ob auch ihnen zugemutet werden kann, den Hintergrund ihres Gegenübers zu verstehen (sozialer Kontext)



      3.Das umstrittene Wort wird innerhalb der Geschichte von einer ziemlich naiven Person benutzt, um ihren Standpunkt auf einfache und effektive Weise zu vermitteln. Diesen Standpunkt gilt es im Rahmen der Geschichte einzuordnen, selbst wenn man ihn nicht akzeptiert oder versteht (narrativer Kontext)



      4.Die Absicht der Geschichte ist es, rassistische Vorurteile zu offenbaren und zu widerlegen (intentionaler Kontext)



      In den meisten Fällen, wenn über Rassismus debattiert wird, lassen sich ähnlich viele Aspekte und Facetten finden, welche man berücksichtigen sollte. Aber sie werden immer durch ein Argument beiseite gewischt: Jemand fühlt sich durch die Benutzung eines Wortes, Motives oder Symboles angegriffen (oder könnte sich angegriffen fühlen).

      • @Anachronist87:

        Während derjenige, der es auch im Jahr 2021 immer noch für unzumutbar hält, Kleinigkeiten zu verändern, unbedingt vor dieser leidigen Debatte geschützt werden muss. Er weiß ja am besten, wann mal gut ist und ein Schlussstrich gezogen werden kann.

        • @Karl Kraus:

          Wie sie meinen Beiträgen zu diesem Thema entnehmen können (auch wenn die Reihenfolge vertauscht ist, und ein Beitrag gedoppelt wurde, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass die Freigabe des zweiten Teils mehrere Stunden mehr benötigt als der erste Teil) denke ich überhaupt nicht, dass jemand vor dieser Debatte geschützt werden muss. Und nein, ich weiß nicht besser, wo genau ein Schlusstrich gezogen werden muss, aber ich kann darlegen, wo ich persönlich diesen sehe. Wo würden sie denn den Schlussstrich ziehen? Kann es ihrer Meinung nach überhaupt, zumindest theoretisch, einen geben? Oder gibt es für Rassismusvorwürfe keine Grenzen? Diese Debatte muss geführt werden, aber ausgeglichen und inhaltlich. Ein Verweis auf das aktuelle Jahr, und die Bemerkung, Leute wollen sich vor der Debatte schützen, obwohl sie sich relativ umfangreich damit auseinander setzen, bringen die Diskussion jedenfalls nicht voran. Und ich glaube genauso wenig, dass es uns als Gesellschaft hilft, wenn wir das Wort „Rassismus“ so häufig und in so vielen Situationen verwenden, dass es jede Bedeutung verliert. Ich unterstelle einfach mal, dass keiner der Kommentatoren, welche Einwände gegen den Artikel haben, sich im direkten Umgang mit Personen anderer Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität etc. diskriminierend, geringschätzig oder herablassend verhält. Aber wenn wir weiterhin Leute und Texte als rassistisch bezeichnen, welche für Inklusion und gegen Diskriminierung sind, dann wird der Begriff so schwammig und unklar, dass man damit überhaupt keine realen Probleme mehr ansprechen kann. Jemand wie Henning Venske in den selben Topf zu werfen, wie irgendwelche Straßen-Nazis und AfD-Mitglieder, ist absolut kontraproduktiv wenn die Bevölkerung zu einem sensibleren und nachdenklicheren Umgang mit Rassismus ermutigt werden soll.

  • Bezogen auf den Text ist die Situation sogar besonders ironisch:



    Grete Hehmke glaubt, ihr Essen mit der dunkelhäutigen Person zu teilen, während er in Wirklichkeit sein Essen mit ihr teilt.



    Und parallel dazu glaubt die Abiturientin, sie würde Rassismus bekämpfen indem sie die Benutzung eines bestimmten Wortes anprangert, während in Wirklichkeit der Text unter Verwendung des bestimmten Wortes selber Rassismus bloßstellt.

    Aus dieser Situation könnte man sogar eine eigene Abituraufgabe konstruieren.

  • Im Artikel wird die inkriminierte Geschichte in kurzen Auszügen zitiert um damit deren rassistische Tendenz zu dokumentieren:



    „Grete Hehmke hat doch Grund, an den Umgangsformen der Schwarzen zu zweifeln“, heißt es etwa. Und: „Es gibt auch anständige N***.“



    In Wirklichkeit heißt es aber in Henning Venke's Text:



    "Na, dankeschön hätte er ja wenigstens sagen können. Grete Hehmke hat doch Grund, an den Umgangsformen der Schwarzen zu zweifeln. Die Handtasche ist weg. Sie hing über der Lehne des Stuhls, auf dem dieser N... saß." (...) "Grete Hehmke dreht sich um, stößt an den Stuhl in ihrem Rücken. Gott sei Dank! Da hängt ja die Handtasche. Es gibt auch anständige N..."



    www.verlag-bauer.d..._aufsatz_gym_8.pdf



    Im Focus der Geschichte steht gar kein Schwarzer, sondern die Sichtweisen einer alten weißen Dame, Anfang/Mitte 70, ihren antiquierten Denkmustern, ihren altersbedingten Einschränkungen und Verkennungen in einer irreführende Situation die sie selbst aus purer Ungeschicklichkeit produziert (sie setzt sich auf den falschen Platz) - aber eben auch um ihren durchaus antirassistischen Erkenntnisgewinn daraus.



    Das wäre alles bei einem unvoreingenommenen sinnerfassenden Lesen des Textes problemlos zu erkennen. Ebenso die eindeutig antirassistische Intension des Gesamttextes. Er reproduziert in keinster Weise rassistische Einstellungen, wie die taz behauptet, sondern enttarnt diese als solche. Das ist das Eine.



    Das Andere ist aber der Text des taz-Artikels und der hier politisch motivierte Umgang mit Venske's Geschichte. Wie gut man (resp. Frau) mit aus dem Kontext gerissenen Zitaten schwindeln kann, wird hier sehr anschaulich demonstriert. Dieser Text sollte deshalb seinerseits Eingang in den Schulunterricht finden. Und zwar als krasses Lehrbeispiel für politisch motivierte Manipulation in medialen Texten.

    • @LittleRedRooster:

      Richtig. Oder als Beispiel für eine zeitgeistgeprägte Schnappatmungskultung, in der Kontext, Textverständnis, Inhalt und Kontroverse hinter einer oberflächlichen, vorgeblichen Korrektheit verloren gehen.

  • Kleiner Tipp für alle die hier beklagen den Text nicht zu kennen: runterladen (Link ist im taz-Artikel), ausdrucken und lesen...



    ...und staunen: Im Text taucht der N-Begriff dreimal auf. Dies allerdings als Teil einer sehr einfühlsamen Beschreibung der Innenansicht einer alten weißen Dame, im Alter von etwa Anfang/Mitte Siebzig. Die zweite Person in dieser Geschichte, also der schwarze Mann, wird in keinster Weise negativ beschrieben - im Gegenteil: Er ist freundlich, er lächelt und teilt sein Essen mit der alten weißen Dame.



    Die Motivation des Autors ist in der Moral der Geschichte deutlich als antirassistisch erkennbar: Die xenophoben Ängste einer alten Dame werden beschrieben und als solche demaskiert. Was sollte daran also verkehrt sein?



    Wenn mir an dem ganzen Sachverhalt überhaupt etwas bedauerlich erscheint, dann doch eher das Defizit an Empathiefähigkeit (oder Lesekompetenz?) bei manchen Leuten, die dies zu erkennen nicht in der Lage sind. Vielleicht ist ja auch das der eigentliche Grund weshalb diese sich an Oberflächlichkeiten, wie unzeitgemäßen Begriffen reiben. Ihren eigenen antirassistischen Motiven erweisen sie damit einen Bärendienst, soweit diese überhaupt exisiteren. Die doch enorme Diskrepanz zwischen Anlass und Reaktion erlaubt da durchaus auch andere Schlüsse...

  • Was passiert, wenn ein Leser die Buchstabenfolge "N-Wort" liest?



    Er wird das automatisch in das "richtige" Wort mit N übersetzten, sonst wüsste er ja gar nicht wovon die Rede ist.



    Es offenbart sich hier ein magisches Denken, vergleichbar mit dem Ausdruck aus Harry Potter "Der dessen Name nicht genannt werden darf".



    Im übrigen kann ich auch den Begriff "triggern" in diesem Kontext nicht akzeptieren. In der Psychologie bedeutet das, dass nach einer traumatischen Erfahrung (posttraumatische Belastungsstörung) gewisse Schlüsslreize Flashbacks auslösen können.



    Es kann mir niemand weismachen, dass ein Kind dunkler Hautfarbe, dass behütet hier aufgewachsen ist, in diesem Sinne wirklich getriggert werden kann. Ich denke, es wird den Betroffenen eingeredet, dass sie gefälligst beleidigt zu sein haben, wenn sie dies Wort hören, unabhängig vom Kontext und von der Intention des Senders.

  • Reißerisch und journalistisch falsch ist die Text-Überschrift:



    "In einer Prüfungsaufgabe des Deutsch-Fachabiturs wurde rassistische Sprache verwendet".



    Richtig wäre:



    "In einer Prüfungsaufgabe des Deutsch-Fachabiturs wurde Sprache verwendet, die heute von vielen Menschen als rassistisch angesehen wird".



    Mit dem N-Wort wird schließlich, sachlich gesehen, genausowenig die Existenz einer bestimmten Rasse behauptet wie mit PoC - sondern in beiden Fällen wird etwas über die Hautfarbe ausgesagt.

  • Wer etwas verstehen, verändern und bekämpfen will, der kommt nicht umher, sich mit den Begrifflichkeiten und Denkweisen auseinanderzusetzen, um die es geht.



    Wenn selbst Texte in denen genau das passiert, in denen der Kontext und dazugehörige Charakterisierung eindeutig ist, als rassistisch definiert werden, dann ist das blanke Verweigerung. Wird ein Rassist beschrieben, kann man ihm keine diskriminierungsfreie Sprache in den Mund legen.

    Dass man sich heute nur noch mit politisch korrekt formulierten Texten beschäftigen möchte, während jeder fünfte Deutsche immer noch rassistische Ansichten vertritt, ist pure Vogel-Strauß-Mentalität.

    Kein einziger Rassist ändert da draußen seine Meinung, kein Mensch wird weniger diskriminiert, nur weil man selbst keine häßlichen Wörter mehr lesen möchte.

  • Die verlinkte Geschichte von Henning Venske hat schon einen merkwürdigen Duktus, einen merkwürdigen Stil. Ich hätte die Entstehungszeit eher in die 1950er Jahre verortet statt in die 1980er. Andererseits ist es ja dann um so einfacher, aus heutiger Perspektive eine fundierte Textkritik zu üben.

    Wobei: Die Aufgabenstellung lautet nur: "Verfasse eine Inhaltsangabe." Nix mit Kritik also, wenn ich das richtig verstehe. Und überhaupt: Als Abiprüfung eine Inhaltsangabe für einen knappen Text verfassen? Ist das nicht etwas unterkomplex?

    Ein problematischer Text und eine problematische Aufgabenstellung also. Andererseits halte ich die Einschätzung, hier werde Rassismus "reproduziert" für eine Worthülse. Es ist eine Abiaufgabe, da wird nichts reproduziert. Geschichten nicht mehr thematisieren zu dürfen, weil in ihnen etwas Negatives reproduziert werde, ist nichts anderes als Verbotspolitik, ähnlich wie die lahme Behauptung, nicht gegenderte Sprache reproduziere Diskriminierung. Gesellschaft funktioniert nicht so banal, wie die Tugendwächter das gerne hätten.

    • @genova:

      Der taz-Artikel vermittelt nicht den Eindruck, dass die Aufgabenstellung nur in der Erstellung einer Inhaltsangabe bestand. Aber die genaue Aufgabenstellung ist tatsächlich der springende Punkt in der Angelegenheit und hätte vom taz-Autor besser recherchiert werden müssen.



      Ich kann im Latein-Unterricht auch nicht sagen, dass ich Cäsar nicht lesen und analysieren will, weil er meine germanischen Vorfahren als primitive Barbaren dargestellt hat. Es ist ja gerade interessant, Texte im historischen Kontext zu verstehen und richtig einordnen zu können. Die 1980er Jahre sind weit genug in der Vergangenheit um das als eine andere Epoche wahrzunehmen. Damals gab es noch Grüne Politiker die Sex mit Kindern legalisieren wollten! Das nur um zu illustrieren, wie sehr sich die Zeiten doch ändern.

  • es tut mir leid, aber von einer Abiturientin erwarte ich, dass sie bemerkt, dass ein Text Begrifflichkeit verwendet, um ein bestimmtes Denken zu entlarven. Wenn sie das zu sehr persönlich betrifft und sie das in einer Prüfungssituation erschüttert, dann kann sie sich eine andere Aufgabe wählen. Was würde passieren, wenn wir einen Text haben, in dem sich mit Homophobie, Antisemitismus oder Sexismus auseinandergesetzt würde, indem solche Denkweisen vermeintlich reproduziert werden, um sie aufzuzeigen und zu problematisieren? Sollen diese dann auch weggelassen werden? Weil ggf. eine Frau in einer Prüfung den Text liest und durch Sexismus persönlich betroffen ist? Oder ein*e LGBT-Person, weil sie Homophobie betrifft? Das grenzt ans lächerliche. Quellenanalyse und Textkritik sind Teil der Literaturwissenschaften. Ich bin immer für ein einordnen (z.B., wenn solche Begrifflichkeit wie N*** in einem Kinderbuch verwendet werden, dann kann heute jeder Verlag eine Fußnote machen und erklären, warum wir heute das so nicht mehr sagen). Ich bin übrigens auch eine überzeugte Vertreterin des Gendern, ohne dass ich jedoch literarische Texte rückwirkend gendern möchte. Sie sind - genauso wie die Kurzgeschichte - Zeichen einer Zeit, eines Kontextes. Das muss ich auch wahrnehmen und dann kann ich mich dazu positionieren.

  • Die Hauptproblematik besteht eigentlich darin, dass das heute zu Recht(!) als veraltet und diskriminierend eingestufte Wort ,, Neger" fälschlicherweise im Rahmen einer typischen "falscher Freund (oder eher:"falscher Feind")- Übersetzung mit dem amerikanischen schweren Schimpfwort ,,N*gger" gleichgesetzt wird:



    Tatsächlich gibt es im Amerikanischen jedoch zwei Begriffe: Die vorgenannte Beleidigung und den heute als veraltet weil stereotyp belastet, geltenden Begriff ,, Negro". Dieser wurde jedoch selbst von Martin-Luther King noch in seinen Reden verwendet und wird auch heute noch, nicht wie bei Schimpfwörtern in den USA sonst üblich (,,F-word", "BS") , oder im Fernsehen sogar vorgeschrieben, gesternchent bzw. verklausuliert wiedergegeben



    oder überpiepst. - Wie z.B. die Berichterstattung der NY Times darüber zeigt, dass die sog. "Negro Leagues" aus den Zeiten der "Rassen"-trennug nun endlich als gleichwertig zu den "weißen" Ligen in die Baseball-Hall of Fame aufgenommen wurden. (Immer ausgeschrieben, keine Distanzierung von der Begrifflichkeit in historischem Kontext; bei "N*gger" wäre das dagehen der Fall gewesen)

    Betrachtet man aber die historische Verwendung der beiden Begriffe ,, negro" in Amerika und ,,Neger" in D fällt auf, dass dieses im damaligen Kontext klar mit ,, negro" und nicht mit ,, N*gger" übereinstimmt.



    Das ergibt sich auch aus der Tatsache dass das deutsche Wort nicht aus Amerika sondern über das Französische ins Deutsche kam, wo es schlichtweg ,,schwarz" bedeutet.

  • Henning Venske veräppelt die ganze Person Grete und ihr Denken. Aber in der Erzählung wird das zuerst nicht eindeutig klar. Der Erzähler verwendet das N.-Wort. Wenn man über Henning Venske etwas weiß, dann ist mir klar, die Erzählposition ist eine ironische.

  • Bei der Geschichte hat das biologische Google ganz laut geklingelt: das ist doch aus dem Anhalter?! Crosscheck in der (eigenen) Bibliothek: Jupp, "Machts gut und danke für den Fisch", Artur erzählt Fenchurch die Story, wie er mit Kaffee, Keksen und Kreutzworträtsel bewaffnet sich an einen Tisch setzt und sein Gegenüber die Kekspackung öffnet und sich den ersten nimmt ... usw.



    Spannend: was war zuerst? Lt. ¢ ist das Buch von 1984, die Kurzgeschichte von 1983 - hat Douglas Adams da geklaut?!?!?!



    Was sollte in der Prüfung herausgearbeitet werden? Wenn es um den Rassismus geht, dann ist der Text nötig. Will man die Reaktion in der Situation beleuchten, wäre der Anhalter ohne rassistische Elemente die bessere Wahl.

  • Ja sicher galt bereits 1983 das deutsche N-Wort als diskriminierend, oder als Ausdruck des Rassendenkens. Im taz-Artikel wird auf die Aufgabe „Eine schöne Beziehung“ von Henning Venske gelinkt.



    ich hatte nie eine solche Textpassage im Unterricht. Es war von "den Schwarzen" die Rede. Es gab das Thema Südafrika und innenpolit. Konflikte in Britain. Afrikanische Perspektiven fehlten völlig. Als Schüler/in hätte ich in der Abiaufgabe prompt moniert, dass der Autor den rassistischen N. begriff verwendet.



    "Seele essen Angst auf." aber anspielen auf Fassbinder kann er schon, Venske.



    Es gibt den Philologen-Verband und es gibt Germanisten, die sind bis heute so drauf: Stolz auf die eigene Reinheit.



    Dumme Lehrpläne mit Texten aus den 80ern. Es gibt so viele andere.

  • Die Geschichte ist doch oben verlinkt.

  • Kann jemand erklären, warum weder im Artikel noch in den Kommentaren das betroffene Wort „N(...)“ ausgeschrieben wird? Ganz neutral gefragt. Denn ich verstehe es nicht.

    Was die Geschichte zeigt: der Beamtenapparat, angefangen bei der Lehrerin, ist mit so einer Situation komplett überfordert. Niemand möchte irgendwas dazu sagen, es braucht eine Landesregierung.

     

    Der Kommentar wurde bearbeitet.

    Die Moderation

  • Auch bei problematischen Begriffen muss man kontextualisieren und nicht per se sagen, dass es nicht geht. Manchmal frage ich mich, wie lange es dauert bis jemand verlangt, dass die Hakenkreuze aus "Schindlers Liste" oder "Das Leben ist schön" zu entfernen.

    • @Sophokles:

      Da mögen die Recht haben. Wenn inzwischen das Zitieren von Dr. Martin Luther King als rassistisch gilt, ist alles möglich.

      taz.de/Kolumne-Besser/!5068913/

      • @Tony Mississippi:

        Die von Herrn Yücel angeführte Unterscheidung zwischen "negro" und dem Schimpfwort "N****r" mit I besteht im Amerikanischen fort: siehe hier: www.nytimes.com/20...-race-history.html



        und hier: www.nytimes.com/20...m-paterson-nj.html

        Die NYTimes als erklärt eher linke Zeitung würde das letztere Wort nie ausschreiben und hat sogar einen altgedienten Redakteur wegen dem zitieren dessen gekündigt:



        www.nytimes.com/20...chResultPosition=2

        Das erstgenannte Wort gilt als veraltet, aber sagbar, während das zweite schon immer eine schwere Beleidigung war, die heute nur noch von Afroamerikanern selbst (wie zum Beispiel sehr häufig im HipHop) benutzt werden darf.

  • 1983 galt das deutsche N-Wort bereits als kontaminiert und beleidigend. Ich habe in dem Jahr Abitur gemacht und erinnere mich an eine Lehrerin, die ihre Schüler*innen klip und klar darauf hinwies, dass das N-Wort tabu sei und auch der Begriff "Farbig" inakzeptabel sei. Sie nannte als Grund den Apartheid-Begriff "coloured". Ein anderer Lehrer hingegen verbreitete und unterstützte im Erziehungswissenschafts-Unterricht die haarsträubenden Thesen des US-Psycologen Arthur Jensen über die angeblich geringere Intelligenz von Schwarzen, erntete damit aber wütenden Widerspruch der Schüler*innen. Auch 1983 gab es bereits ein Problembewusstsein zu diesem Themenkomplex.

  • Je häufiger ich den Text durchlese, desto weniger sicher bin ich, welche Korrekturen man vornehmen müsste, um den Text in moderne Sprache zu übersetzen.



    Die gute Greta benutzt das N-Wort aufgrund ihrer Sozialisation wie selbstverständlich. In wörtlicher Rede muss man es also belassen, da sonst die Aussage der Geschichte verfälscht wird.



    Nun fehlen in dieser Geschichte die Anführungszeichen. Wo hören die wortwörtlichen Gedanken der alten Dame auf, wo fängt die Beschreibung des Erzählers an?



    In welcher Form darf das N-Wort in einem Text benutzt werden, der Rassismus (in einem historischen Kontext) beschreibt?

    • @Andreas R aus R bei O:

      Nach Ansicht mancher Jugendlicher, die due Thematik nur halb verstanden haben, nie.

      Das hat sogar zu einer Kündigung eines eigentlich nicht rassistischen NYTimes Reporter geführt, weil er es in einem Gespräch 17Jährigen darüber, ob man als "Weißer" diesen Begriff sagen kann, zitiert hat . Nicht angewendet. (Ein Schimpfwort wird ja erst zum Schimpfwort wenn man es klar gegen jemanden richtet, ähnlich einer Waffe, die erst zu einer wird, wenn man sie einsetzt...)

  • 1G
    164 (Profil gelöscht)

    Wenn Emma Kurzgeschichteninterpretationen liegen, konnte sie auch im Rahmen der Arbeit erörtern, wieso gut gemeint im Falle der Geschichte eben nicht auch gut gemacht ist.

  • 1. Eine Geschichte, in der Rassismus entlarvt wird, soll rassistisch sein? Verstehe ich nicht. (Im Artikel gibt es übrigens einen Link auf die Kurzgeschichte als PDF, und ja: ich habe sie gelesen.)

    2. Der Duden kennt das großgeschriebene Adjektiv "schwarz" nicht, dass in dem Artikel mehrfach verwendet wird. Was soll das? Und wenn man schreibt "egal ob Schwarz oder weiß", bedeutet das, Schwarze sind besser oder mehr wert als Weiße?

    • @PhyrePhox:

      Der Autor verwendet seine Wörter nicht begriffskritisch, sondern so, wie das damals so ging. Insofern kann man sie nur als rassistisch empfinden, wobei im Artikel ja auch erwähnt wird, dass man nicht immer zugleich böse Absicht unterstellen sollte. Was ich aber wirklich krass finde, ist, dass die Botschaft dieser Geschichte 2021 noch als Erkenntisgewinn verkauft werden soll. Wenn das in Sachen antirassistischer Literatur state of the art im Abi ist, weiß ich auch, warum hier insgesamt das Niveau optimierbar ist.

      • @Karl Kraus:

        Ich kann verstehen, dass der Gebrauch einzelner Wörter in dieser Geschichte aus heutiger Sicht rassistisch erscheint. Aber ich denke, es ist ganz klar, dass der Autor der Geschichte eine antirassistische Intention hatte. Dass die Geschichte von 1983 ist, ergibt sich aus dem Aufgabenblatt. Die Abituraufgabe war, eine Inhaltsangabe der Kurzgeschichte zu erstellen. Ich verstehe daher die Aufgabe eher so: die Geschichte mit ihrer (vielleicht schlecht umgesetzten) Intention zu erfassen, in den historischen Kontext einzuordnen und als das zu bezeichnen, was sie ist: eine nicht mehr zeitgemäße (oder von mir aus schon aus damaliger Sicht mißglückte) Geschichte über (und gegen) Rassismus. Ich bin mir nicht mal sicher, ob der Autor nicht gerade durch seine unsensible Verwendung gewisser Wörter auf den damaligen Geist der Zeit aufmerksam machen wollte (also den Geist der Masse, nicht den Geist aufgeklärter, sensibler Akademiker). Insofern sehe ich in dieser Geschichte eine Menge möglichen Erkenntnisgewinn, was sich ja auch an der kontroversen Diskussion hier zeigt. Aber ja: sicher ist diese Kurzgeschichte für diese Prüfung völlig daneben. Nur ist sie halt nicht rassistisch.

  • Eine Abschlussprüfung ist eine Stress-Situation. Ist es angebracht in einer Stress-Situation Betroffene mit Begrifflichkeiten und Beschreibungen von potentiell traumatischen Erlebnissen zu konfrontieren (Rassismus, Sexismus, häusliche oder sexuelle Gewalt, etc.)?



    Definitiv NEIN!



    Wäre es angebracht sich mit einem solchen Text feinfühlig und reflektiert in Ruhe (!!!) und ggf unter Einbeziehung von Experten im Unterricht auseinander zu setzen?



    Von meiner Seite ein klares JA!

    • @Frau B aus Z:

      In der Kurzgeschichte kommt das N-Wort in den Gedanken einer alten Dame vor, in Form der erlebten Rede.

      Diese Dame wird klar als ein Mensch entlarvt, der rückwärtsgewandt lebt und an Vorurteilen orientiert durchs Leben geht, weswegen sich u.a. derartige Wörter in ihrem Vokabular befinden.

      Diese Geschichte wurde in den 80ern in bester antirassistischer Absicht geschrieben.

      Heute würde man das sicherlich nicht mehr unbedingt so schreiben.



      Dennoch kann man sich mit dieser Geschichte und eben auch ihrer Sprache in Bezug auf den damaligen zeitlichen Kontext auseinandersetzen.

      Man setzt sich im Unterricht auch - und zurecht - mit unsäglichen nationalsozialistischen Begrifflichkeiten auseinander, beschäftigt sich mit der Herkunft der Begriffe und ihrer toxischen Wirkung.

      Lediglich Statuen von historischen Personen, die auch Rassisten waren, abzusägen, ohne dass irgendeine Form der historischen Auseinandersetzung damit einhergeht, wird ja eben auch den Rassismus nicht ansatzweise bekämpfen.

      • @cazzimma:

        Wie ich ja geschrieben habe:



        Gute Sache im Unterricht, wenn der gesamte Kontext mit besprochen wird.



        Als Prüfungsaufgaben in meinen Augen aber unpassend...

    • @Frau B aus Z:

      "... unter Einbeziehung von Experten im Unterricht auseinander zu setzen?"

      Au weia. Sie trauen DeutschlehrerInnen offenbar nicht zu, eine solche Thematik sensibel im Unterricht zu besprechen?

      • @cazzimma:

        Hier musste ich kurz auflachen!



        Bitte genau lesen...ich habe „ggf“ geschrieben.



        Obwohl ich während meiner Schulzeit durchaus tolle, engagierte, kluge und inspirierende Lehrkräfte hatte, gab es halt auch genug andere...



        Der Lehrer, der uns als Bauernhof bezeichnet hat „voller Esel, dummer Kühe und dicker Schweine“ oder die Lehrerin, die einen Plastik-Prinzessinnen/Feenstab im Unterricht dabei hatte und damit rumgewedelt hat oder der Direktor, der einer Schülerin trotz Morddrohungen ihres Exfreundes aus der Parallelklasse und Ermittlungen der Polizei gegen ihn nicht gestattete Ethik-Klasse zu wechseln, oder der Lehrer, der sehr plump versucht hat mich auf meiner Abi-Feier abzuschleppen oder...oder...oder



        Da kommt dann doch ein klares Nein! Diesen Lehrkräften traue ich keinen sensiblen Umgang mit diesem Thema zu ;)



        Und die richtig guten Lehrkräfte versuchen sowieso ihren Unterricht abwechslungsreich zu gestalten und brechen sich auch keinen Zacken aus der Krone Expert*innen hinzuzuziehen - im Gegenteil.

        • @Frau B aus Z:

          Ich bin Lehrerin und stelle mir vor, wie ich das bei einem heiklen Thema im Unterricht organisatorisch wohl am besten anstelle, mal eben eine(n) Experte/in zur Hand zu haben.

      • @cazzimma:

        Nunja: Sie erinnern sich an das sympathische Gespräch auf dem Schulhof? Das war auch eine Lehrerin. Und warum soll man denn nicht ggfs. auch externe Expert*innen dazuholen?

        • @Karl Kraus:

          Welcher Schulhof und welche Lehrerin?

          Wie gesagt, Context is everything (Aimee Mann).

          • @cazzimma:

            Steht im Artikel.

  • Gibt es eigentlich psycholinguistische Studien, die zeigen und diskutieren, wie die Verwendung des N-Wort in verschiedenen Kontexten auf schwarze und nicht-schwarze Menschen wirkt? Das würde die Diskussion auf ein etwas solideres Fundament stellen und man müsste sich nicht auf Behauptungen einzelner Gruppen stützen bzw. eher leiten lassen.



    Die Abitur-Prüfung infrage zu stellen, weil in einem Text ein unliebsames Wort verwendet wurde, scheint mir reichlich absurd. Und wenn eine Abiturientin eine angemessene Kontextualisierung nicht vornehmen kann, obwohl sie das doch die Jahre vorher ordentlich geübt haben sollte, lässt mich das auch ein wenig am Bildungssystem bzw. der Kompetenz der Lehrer zweifeln. Naja, der Einfluss außerschulischer Diskurse ist sicher auch nicht zu unterschätzen.

  • Der Wortlaut der Aufgabenstellung ist hier leider nicht wiedergegeben.

    Und genau darauf käme es an !

    Hennig Fenske (von dem der Text ist) ist sicher kein Rassist.

    Und wie will man über Rassismus lehren, wenn man rassistische Begriffe ausschließt ?

    • @Bolzkopf:

      Es gibt ja schon Kreise, die den Bogen so weit überspannen (aber es dabei ernst meinen!), dass Weiße gar nicht "über Rassismus lehren" könnten/dürften, weil sie ihn nur aus der Täterperspektive kennen würden. Und "weißer Antirassismus" dementsprechend nur eine weitere Viktimisierung von PoC darstelle und eine Selbstentschuldung. Und bis zu einem gewissen (!) Grad kann ich dem nicht mal widersprechen.

  • Man hat eine Einstellung ZU etwas oder ZU anderen Menschen.

    Bitte nicht diese hier falsche (und inflationäre) Präposition "gegenüber" benutzen und insgesamt mehr auf die Sprache achten, sehr geehrte taz!

  • Hallo,

    der Text ist wirklich sehr einseitig und wird dem Thema nicht gerecht. Anstatt den beschriebenen Vorgang nüchtern darzustellen und das Geschehene ebenso einzuordnen, wird hier gleich mit Aktivismus betrieben. Wie hätte denn der perfekte Umgang der Schule damit ausgesehen? Texte einfach canceln, Wörter austauschen nach dem heutigen politisch korrekten Standard? Das ist wirklich erbärmlich und geradezu ein Musterbeispiel dafür, dass allmählich die Redefreiheit und weitere Grundrechte erodieren. In dem Text ging es wohl um Rassismus. Wenn die Schülerin sich über die genannten Begriffe aufregt, müssen Lehrer(innen), Schule und die sogenannten "Kontrollinstanzen" (vielsagend! Muss alles kontrolliert werden?) dazu stehen, dass der Autor oder die Autorin damals die Begriffe benutzt haben und vielleicht auch bewusst gesetzt haben, um auf rassistische oder gesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen. Nur ein wenig wegen des aktuellen restriktiven Klimas unter Druck gesetzt, geben die Behörden "Fehler" zu. Dabei sollte auch die schwarze Schülerin lernen müssen, mit Dingen /Darstellungen/Aussagen klarzukommen, die nicht perfekt nach heutigen Maßstäben sind.



    Die Autorin des Artikels denkt simpel und zu kurz, wenn sie sich einfach auf die Seite des vermeintlichen "Opfers" schlägt, die es angeblich mit Lehrer-Schüler-Abhängigkeiten zu tun hat, was gar nichts mit dem beschrieben Problem zu tun hat. So werden Schlagzeilen gemacht.

  • Die Vorwürfe sind etwas merkwürdig, geht es in diesem Text doch um eine Frau die rassistische Vorurteile hat und die Realität durch diese rassistische Brille wahrnimmt. Gleichzeitig aber klar wird, wie falsch sie damit liegt.



    Das ist der Kern dieser Geschichte, den Rassismus zu entlarven.



    Wie soll denn eine Geschichte über eine rassistisch eingestellte Person pc gesschildert werden, um ihren Rassismus aufzuzeigen, wenn diese Person in der Schilderung nicht rassistisch charakterisiert werden kann, weil bestimmte Worte nicht pc sind?

    Das Problem des Rassismus löst sich ja nicht in dem Wörter nicht mehr verwendet werden In diesem Fall es eigentlich gar nicht möglich wäre, eine Person als rassistisch zu entlarven, wenn diese literarische Figur nur politisch korrekte Begriffe benutzen darf?

    Ein bisschen kommt es ja auch auf den Kontext an.



    Es geht nicht darum die potentiell verletzende Wirkung rassistischer Wörter zu leugnen, aber um Probleme zu charakterisieren bedarf es auch unkorrekter Ausdrucksweisen.



    Neulich riefen doch die Nazis auf der Demo "Personen mit Migrationshintergrund raus"



    und selbst das wäre schon wieder diskussionswürdig... weil diese Begrifflichkeit auch in der Kritik steht, aber geht es um die Begrifflichkeit oder um die Flachzapfen die diesen Quatsch skandieren?

    • @nutzer:

      Es kommt immer auf den Kontext an, das sehe ich auch so.

      Es ist immer besser, rassistische Sprache in älterer Literatur zu benennen, sich mit ihr auseinanderszusetzen und entsprechend zu kritisieren, als sie einfach wegzudrücken und ungeschehen zu machen.

      Das ist schlicht eine ahistorische Herangehensweise an Literatur.

    • @nutzer:

      Ich versuch mal, als Weiße:



      Vergleich:



      Wenn es in einer Kurzgeschichte darum geht, dass jemand die Meinung vertritt, Frauen dürften nicht allein auf die Straße, und am Ende kommt raus, dass sie es doch dürfen, ist das antisexistisch? Nein, es ist zutiefst sexistisch. Weil es erstmal das Niveau ganz nach unten zieht, um das dann wieder rückgängig zu machen. Es bietet nichts Antisexistisches in Bezug auf die aktuelle gesellschaftliche Lage und es macht ein Denkangebot viel stärkeren Sexismus´als er heute hier gegeben ist.



      So ähnlich stelle ich es mir bei einer Kurzgeschichte vor, in der erst das N-Wort verwendet wird und das dann kritisiert wird.



      Bei diesem Vergleich ist allerdings die unmittelbar triggernde Wirkung des N-Wortes noch nicht mitberücksichtigt. Dafür müsste ich den obigen Vergleich mit dem Sexismus abändern. Allein daran, dass ich das im Interesse der mitlesenden Frauen nicht tue, wird mir klar, und vielleicht anderen auch, warum die Schülerin in keinem Fall so hätte behandelt werden dürfen.

      • @ClaraN:

        Ihr Vergleich hinkt, da Sie eine Phantasiegeschichte konstruieren und sie mit der uns hier ebenfalls nicht vorliegenden Geschichte vergleichen.

        Das ist Argumentation auf der Basis von Spekulation.

      • @ClaraN:

        Ihre Ausführungen sind insofern wenig sinnvoll, als uns allen der Wortlaut und der Handlungsgang der Geschichte nicht vorliegt.

        Wenn Sie sich jetzt spekulativ eine andere Form von Diskriminierung in einer anderen Geschichte theoretisch vorstellen, erklärt das leider nichts in Bezug auf die jetzt umstrittene Kurzgeschichte von H. Fenske.

        Anders: Man kann noch so viele Statuen von Rassisten absägen und ins Wasser werfen - wenn nachfolgend die historische Aufarbeitung im Zeitkontext fehlt, geht davon der Rassismus in der Gesellschaft nicht weg.

      • @ClaraN:

        "Wenn es in einer Kurzgeschichte darum geht, dass jemand die Meinung vertritt, Frauen dürften nicht allein auf die Straße, und am Ende kommt raus, dass sie es doch dürfen, ist das antisexistisch? Nein,"



        um bei Ihrem Beispiel zu bleiben:



        es wird geschildert, das es diese Menschen gibt, die diese Meinung vertreten und es wird klar das sie absolut falsch liegen, wenn das die Wirkung ist die beim lesen erzielt wird ist es absolut richtig so etwas auch zu schildern und mit eindeutigen, auch nicht korrekten Worten zu beschreiben.



        In der Interpretation in der Schule ging es immer um den Standpunkt des Autors und die eigene Interpretation des Textes. Idealerweise möchte ein Autor im Leser eine Idee erzeugen, dafür braucht es aber auch Antipoden zu dem was eigentlich intendiert ist. Das ist Kontext.



        Triggerworte sind lediglich die Interpretation des Lesenden ohne Kontext, eigentlich sogar ohne zu lesen. Um auch einen Vergleich zu benutzen, eine Pistole ist nicht gefährlich, das was man damit macht ist meist gefährlich, kann manchmal aber auch notwendig sein. Wieder kommt es auch den Kontext an.



        Zu Ihrem Beispiel, wenn man nun alle "Trigger"wörter verstummen ließe, wie wäre es dann möglich, die Probleme zu benennen, die rassistische/sexistische Menschen erzeugen? Und diese Menschen gibt es und wird es auch immer geben, d.h. eine Auseinandersetzung und Benennung der Probleme wird immer wieder nötig sein.

        • @nutzer:

          "... kann manchmal aber auch notwendig sein. "



          ah, verstehe, und das N-Wort ist eben auch manchmal notwendig, ebenso wie eine Vergewaltigung, ne. Der Kontext ist hier wohl eher, dass Täter ihre Taten meistens nicht so schlimm finden

          • @ClaraN:

            Ein weiterer wenig sinnvoller Vergleich.

        • @nutzer:

          an Ihrer Antwort wird deutlich, dass sie meinen Kommentar nicht zuende gelesen, oder nicht mitgedacht haben. Soviel zum Thema Maskulinismus

      • @ClaraN:

        "So ähnlich stelle ich es mir bei einer Kurzgeschichte vor"

        eben, um das hier differenziert auszuführen, müssten wir den Text analysieren und uns dann über unsere Interpretationen austauschen.



        Auf Grund von Schlagworten ein Urteil zu bilden, ist einfach nicht möglich.

        • @nutzer:

          Zustimmung. Das bisher dazu hier Geschriebene nennt sich Argumentation im luftleeren Raum.

    • @nutzer:

      "Mehrmals wird in der ihr vorgelegten Kurzgeschichte „Eine schöne Beziehung“ aus den 1980ern das N-Wort verwendet, rassistische Einstellungen gegenüber Schwarzen Menschen reproduziert."

      Ohne Kontext ist das IMO schon sinnentstellend. Besagte Vorurteile werden ganz offensichtlich reproduziert, um sie zu widerlegen.

      Mich persönlich würde an der Geschichte im Moment auch mehr interessieren, ob die Schülerin den Text überhaupt verstanden hat.