Der Supermarkt des Horrors: Von Rewelation keine Spur
In Köln steht an jeder Ecke ein Rewe und dazwischen noch drei weitere. Dabei ist Rewe nur ein schlechterer Aldi mit höheren Preisen. Eine Abrechnung.
A uf den Schildern sollte Stadt der Rewes stehen, wenn man in Köln ankommt – es gibt einfach so unfassbar viele. Aber da fängt es ja schon an: ein Rewe, mehrere … Re-wes? Re-wesen? Re-wessis? Und wenn es sich bei den rotgebrandeten Supersupermärkten immer schon um Re-wes handelt, um Re-produktionen also, gab es je ein Original?
Wenn, dann wahrscheinlich in Köln. Längst jedoch wurde dieser eine pittoresk-ursprüngliche Einst-Rewe von den fünf anderen Rewes in seiner Straße in den wirtschaftlichen und moralischen Ruin getrieben und dient nun – in gesunden Zeiten – als Feldlazarett für gestrandete Junggesellinnenabschiede. It’s the circle of life / and it moves us all.
Die im exponentiellen Wachstum befindliche Rewe-Maschine treibt seltsame Blüten. Natürlich sage auch ich ja! zum Leben; ob das wirklich die Beste Wahl ist, sei dahingestellt. Bedenkt man, dass eines jeden Rewe-Marktes Wirken auf Erden begrenzt ist, eine jede Filiale endlich und daher im Grunde immer schon am Sterben ist, erkennt man auch in den vitalsten Regalen die Spuren des Verfalls.
Der Rewe, aus dem ich mich sättige, ist diesen Weg schon weit geschritten; aber ich bezweifle, ob man dort jemals jenes agreable Einkaufserlebnis genoss, für das Rewe doch schließlich mit seinem unmenschlichen Namen steht. Er ist im Grunde ein schlechterer Aldi zu höheren Preisen. Reizvolle Lebensmittel erblicke ich dort selten, von einer Rewelation keine Spur. Beispiel Gemüseregal: fünf Sorten Kopfsalat, „Snackmöhren“, ein schimmliges Bündel Radieschen – das war’s. Dreißig Euro bitte, ja, die Gemüsetüten kosten jetzt drei Euro pro Stück, weil vegan, ach, und haben Sie schon unsere brennbaren Sammelsticker? Nein?
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Neulich wollte ich Ricotta kaufen, weil solche Sachen jetzt verlangt werden in den Brigitte-Rezepten, die ich beim Friseur erspähe. Auch Ri-cotta wurde ja schon mal gekocht – wann eigentlich? –, ist also eigentlich nichts Neues, kalter Kaffee, ein verödetes Taufbecken, ein Abklatsch wie Re-we. Akribisch durchforste ich das gesamte, von einem vertiginösen Taugenichts arrangierte Milchprodukteregal, bis ich auf ein verwaistes Schild mit der Aufschrift Ricotta stoße – hinter dem sich nicht das klitzekleinste Klümpchen Quark verbirgt. Ausverkauft? Können die den Markt komplett zerhauenden Massen an Ricotta-Freunden ihre überbordende Nachfrage denn nicht in den anderen fünf Rewe-Läden der Nachbarschaft stillen?
„Das ist nicht mein Fachgebiet“, sagt eine Angestellte, die gerade die Zahnpasten einräumt. „Und die anderen sind gerade in einer Besprechung.“
Einen Schnaps auf die Braut hätte ich gern.
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