piwik no script img

Regierungserklärung der KanzlerinMerkel setzt Betrieben Frist

In ihrer Regierungserklärung nimmt die Bundeskanzlerin Länder und Kommunen in die Pflicht. Und macht eine Ansage in Richtung Wirtschaft.

Will nicht nur das Negative sehen: Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag im Bundestag Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Am Mittwoch hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verantwortung für eine Fehlentscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz – die inzwischen wieder abgeblasene Osterruhe – übernommen. Am Donnerstag setzte sie in ihrer Regierungserklärung im Bundestag einen deutlich anderen Ak­zent: Sie appellierte an die Zuversicht der Bürger:innen, mahnte Verbesserungen beim gesamten Corona-Krisenmanagement an – und nahm Länder und Kommunen dabei deutlich in die Pflicht.

Angesichts der schwierigen Situation fragten sich viele: „War alles umsonst? Geht das immer so weiter?“ Das sei nicht der Fall, so die Kanzlerin. Die Mutation des Virus sei nicht vorhersehbar gewesen und habe einen großen Rückschlag gebracht. Doch die Situation sei heute ganz anders als vor einem Jahr. Man habe Erfolge erzielt und das Licht am Ende des Tunnels sei sichtbar. „Man kann auch nichts erreichen, wenn man immer nur das Negative sieht“, sagte die Kanzlerin.

„Was können wir jetzt tun?“, fragte Merkel und betonte die Möglichkeiten der Regionalisierung, die sie mit dem Ministerpräsidenten Anfang März beschlossen habe. Das Saarland und Schleswig-Holstein würden sie bereits nutzen. „Wir sind ein förderaler Staat“, so die Kanzlerin. „Es ist keinem Oberbürgermeister und keinem Landrat verwehrt, das zu tun, was in Tübingen und Rostock getan wird“ – das könnten alle machen. Beide Städte setzen intensiv Coronaschnelltests ein, um mehr öffentliches Leben zu ermöglichen.

Auch sei, so Merkel weiter, von sämtlichen Ländern gesagt worden, dass für Schulen und Kitas für März und April ausreichend Tests bestellt seien. Für 40.000 Schulen und Tausende Kitas könne der Bund aber nicht die Testinfrastruktur vorhalten. „Dafür haben wir eine föderale Struktur.“

Linke spricht von „Trümmerhaufen“

Die Nachricht ist klar: Ganz alleine will die Kanzlerin die Verantwortung für die „gravierenden Schwachstellen im Funktionieren unseres Gemeinwesens“ dann doch nicht übernehmen. Eine Ansage machte sie in Richtung Wirtschaft. Wenn Anfang April nicht „an die 90 Prozent“ der Betriebe der freiwilligen Selbstverpflichtung nachkämen und Mit­ar­bei­te­r:in­nen testeten, dann werde die Bundesregierung dies über die Arbeitsschutzverordnung regeln. Das Kabinett werde darüber am 13. April entscheiden.

FDP-Fraktionschef Christian Lindner forderte einen Neustart in der Pandemiebekämpfung. Statt „Showdown-Situationen, nächtlichen Sitzungen und spontanen Entscheidungen“ solle die Kanzlerin vor den Treffen mit den Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen eine Regierungserklärung abgeben und eine parlamentarische Debatte ermöglichen. Ähnlich äußerte sich die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Es sei „ein Riesenfehler“ gewesen, ohne Schutzvorkehrungen vor 14 Tagen Öffnungsschritte zu unternehmen. „Wenn wir aus Fehlern lernen wollen, müssen die nächsten Schritte öffentlich beraten werden.“

Amira Mohamed Ali, die Fraktionschefin der Linken, nannte das Coronamanagement der Regierung einen „Trümmerhaufen“. „Wenn Ihre Bundesregierung bei der Impfstoffbeschaffung und Teststrategie nicht so kläglich versagt hätte, dann hätte diese dritte Welle entscheidend abgemildert, wenn nicht sogar vermieden werden können“, sagte sie.

Diese hatte am Mittwochabend bereits die Forderung von Linken, FDP und AfD abgelehnt, die Vertrauensfrage zu stellen. Das werde sie nicht tun, sagte Merkel in der ARD. „Ich habe die Unterstützung der gesamten Bundesregierung und insofern auch des Parlaments.“ Merkel verteidigte auch die Ministerpräsidentenkonferenzen gegen die Kritik der Opposition. Diese seien wichtig, weil das Infektionsschutzgesetz regele, dass die Länder für die Coronamaßnahmen zuständig seien.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • "Linke spricht von „Trümmerhaufen“"

    Ist damit der Corona-Hotspot Thüringen unter Ramelow gemeint?

  • RS
    Ria Sauter

    Ein guter Effekt dieser Pandemie ist, die Unfähigkeit, Korruptionsbereitschaft, Verlogenheit vieler Politiker tagtäglich zu erleben.



    Bin mal gespannt ob der deutsche Michel nebst Gattin dies bei der nächsten Wahl noch im Gehirnkasten hat.

  • "... Die Mutation des Virus sei nicht vorhersehbar gewesen und habe einen großen Rückschlag gebracht. ..."

    Hat sie gedacht Covid-19 ist der erste Virus der Erdgeschichte, der nicht mutiert?

  • RS
    Ria Sauter

    Die Frontfrau der CDU schickt ihre Diener vor.



    In diesem Fall den Hans aus dem Saarland, mit seinen Lockerungen und der "Modellregion".



    Das soll ein Hans im Glück werden für die CDU.



    Sie kann die Raute geben und still abwarten, bis sie in die politische Rente geht.

  • Da ist sie wieder die Frau Merkel.



    Ein Jahr selbst nix organisiert bekommen und jetzt Probleme elegant a la Tübinger und Rostocker Wege “kann doch jeder auch machen“ wegdiskutieren. Oder doch die Wirtschaft als quasi Schuldigen ausmachen.



    Ziemlich ätzend, aber sie wird wieder damit durchkommen.



    Warum hat denn sie, vor Monaten schon, keine Projekte angestoßen wie man als Land da organisatorisch rauskommt. Wäre Rostock gescheitert hätte sie gesagt...war klar, lockdown wäre besser, auf mich hört man ja nicht.



    Wie lange kann man Probleme aussitzen bevor mal Gegenwind kommt? In DE als Kanzlerin für immer, wie es scheint.

    • @Tom Farmer:

      "Warum hat denn sie, vor Monaten schon, keine Projekte angestoßen ..."

      Die positiven Projekte wurden bereits vor Monaten (Rostock und Tübingen) angestoßen. Mehr geht nicht. Umsetzungen müssen auf der Badis von Bundesländern und Kommunen erfolgen. Und selbst Tübingen und Rostock sind abhängig von der Umsetzung von Beschlüssen in den Bundesländern.

      Das Merkel da seit Monaten drängelt und die Bundesländer versagen ist doch seit langem bekannt. Das weiß doch jeder.

      Gegenwind funktioniert nicht, wenn Parteien es nicht wagen gegen die eigene in den Ländern mitregierenden mit hauptverantwortlichen Parteien auf den Tisch zu hauen. Er ist dann einfach nur verlogen und wird auch so wahr genommen.

    • @Tom Farmer:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch schlenztein:

      “ TOM FARMER: taz.de/Regierungse...bb_message_4099836



      Dem kann ich nur noch zufügen: Realität ignorieren - das neue "Regieren"

      kurz - anschließe mich •

  • Also meine Unterstützung hat sie nicht!

    • @t-mos:

      Das ist zu kurz gedacht; ich möchte mir nicht ausmalen, wenn ein "ausschließlicher Bürokrat" ohne jeden wissenschaftlichen Hintergrund derzeit Kanzler oder Kanzlerin wäre - der/die würde wahrscheinlich minütlich die Meinung ändern, falls es "Stimmen" bringt.

  • Hahahaha, ich mußte gestern schon herzhaft lachen, bei dieser "Drohung" von Seiten der Bundesregierung. Will Merkel wie Dienstag etwa wieder den weg nach Canossa gehen müssen? Die Bundesregierung und die Wirtschaft in die Pflicht neben......selten so gut gelacht...

  • Es ist der blanke Hohn, der Bereich, in dem bisher kaum getestet wird - die Fabriken, Büros oder Baustellen - werden jetzt als Seuchen-Problem entdeckt. Warum? Weil die Zahl der Jüngeren Coronaopfer deutlich steigt. Weil die Folgen einer Erkrankung bei den Arbeitsfähigen 30-50-Jährigen explodieren. Zwangstest - die Politik von SchwarzRot bis GelbGrün hat sich lange vor diesem Thema weggeduckt. Ich empfehle jeden morgen den Berufsverkehr zu beobachten - überall rasen Lieferwagen und Kleinlaster herum, zumeist besetzt mit mehreren Leuten - natürlich ohne Maske - auf dem Weg zur Arbeit. Klar, auf dem Bau, am Fließband, bei Amazon und Handwerkern ist Coronaschutz ein Witz - also wird da auch nicht getestet. Was würde geschehen, wenn in der Industrie oder auf dem Bau vor Schichtbeginn jder getestet werden müsste? Werkshallen und Baustellen müssten stillgelegt werden. Der Ruf nach Impfstoff durch die Wirtschaft wird lauter.... Also runter mit den Impfungen von Alten, Kranken, Behinderten oder sozial Benachteiligten. Wir brauchen fit gespritzte Arbeitsmaschinen, damit die Wirtschaft brummt.

  • "... Die Mutation des Virus sei nicht vorhersehbar gewesen und habe einen großen Rückschlag gebracht. ..."



    Soso ... ich erinnere mich, dass schon ganz zu Beginn der Seuche namhafte Virologen vor Mutationen gewarnt haben, die ansteckender und tödlicher sein würden wie die damals verbreitete Vartiante.



    Von daher ist nur das Erwartete eingetreten.

    Ich habe den Eindruck, dass unsere Regierung exakt so reagiert wie einst die Kirche:



    Man stellte schnell fest, dass die von der Kirche postulierten Lehren nicht halfen um eine gewisse Krankheit einzudämmen - aber die Kirche verspritze umso mehr Weihwasser. Es nutzte indes nichts - dass es damals die Ratten waren die die Krankheit übertrugen war duchaus augenfällig - aber diese damals wirklich noch allmächtige Kirche sah ihre göttlichen Lehren bedroht und ließ von den Kanzeln gegen die Sünden und die Fleischeslust geißeln - aber nicht die Ratten bekämpfen.



    Und so starben Millionen an einem heute berühmten Bakterium: Dem Bakterium Yersinia pestis.

  • "Die Mutationen des Virus konnte man doch nicht voraussehen..." Jaja, die große Ausrede der CDU; immer wieder gerne genutzt. Leider glauben es ihr auch viele. Zumindest die Ausbreitung der britischen Mutante war definitiv vorhersehbar. Aber auf NoCovid oder ZeroCovid zu setzen? Och nööö.

    *Sarkasmus an*



    Lieber geben wir den Öffnungsforderungen der Wirtschaft nach, und segnen dann die Welt bei ausreichend hoher Inzidenz hierzulande noch mit einer gefährlichen deutschen Corona-Variante. Dann lässt kein anderer Staat dieser Erde mehr Deutsche ins Land; das ist mit Sicherheit optimal für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft.



    *Sarkasmus aus*

    Und Zuversicht? Ja, doch, die habe ich. Im September ist nämlich Bundestagswahl, und zum ersten Mal nach langer Zeit sieht es so aus, als könnten wir die CDU vielleicht aus dem Kanzler*inamt vertreiben...