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Erinnerung an die Sedan-Schlacht 1870Unangebrachte Ehrung

In vielen Städten im Norden gibt es Sedanstraßen und -plätze. In Hamburg fordern Friedensaktivisten erneut eine Umbenennung.

Relikt des einstigen Kasernenkomplexes: Ehemaliges Bekleidungsamt in der Hamburger Sedanstraße Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Er klingt fremd, fast poetisch, und eigentlich müsste man ihn französisch aussprechen: Den Namen „Sedan“ tragen fast 100 Straßen hierzulande, und die meisten Anwohner denken sich wohl nichts dabei. Dabei gäbe es gute Gründe: Sedan – eine französische Kleinstadt an der belgischen Grenze – war am 1. und 2. September 1870 Ort der brutalen Entscheidungsschlacht des deutsch-französischen Krieges.

1940, im Zweiten Weltkrieg, war Sedan abermals Kampfstätte. Die Straßennamen preisen allerdings die Schlacht von 1870, bei der 6.000 Soldaten starben und 20.000 verwundet wurden. Auslöser des Krieges war die Weigerung Frankreichs gewesen, den preußischen Prinzen Leopold von Hohenzollern als spanischen Thronfolger zu akzeptieren – man fürchtete eine preußische Übermacht.

Nach wechselseitigen Provokationen – die Schuldfrage ist ungeklärt – begann im Juli 1870 der Krieg. Das Besondere: Auf preußischer Seite kämpften erstmals süddeutsche Fürsten und Monarchen gemeinsam mit dem „Norddeutschen Bund“. Unter der Ägide von Reichskanzler Bismarck besiegten sie quasi „gesamtdeutsch“ den „Erzfeind“ Frankreich und nahmen Kaiser Napoleon III. gefangen.

Es war mehr als ein militärischer Sieg: Wenige Monate später – am 18. 1. 1871 – wurde Preußenkönig Wilhelm I. in Versailles als deutscher Kaiser proklamiert und das „Zweite Deutsche Reich“ gegründet. Frankreich musste Teile des Elsasses und Lothringens abtreten. Die Deutung dieser „Reichsgründung“ war allerdings ambivalent: Während Wilhelm I. sie als Verdienst besagter Fürsten betrachtete, sah Bismarck sie als Sieg des „Volks unter Waffen“.

Sehnsucht nach dem Mittelalter

Man habe diese Nationalstaatsgründung als Wiedererstehen eines mittelalterlichen Reichs verstanden, das in den Napoleonischen Kriegen vernichtet worden sei, erklärt der Historiker und Bismarck-Forscher Christoph Nonn, Professor für Neuere Geschichte an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. „Aber das ist eine historische Konstruktion. Dieses mittelalterliche Reich war etwas ganz anderes – und es war auch kein deutsches Reich. Aber so lautete damals der nationale Mythos.“

Auch glaubte man, der (preußische, protestantische) Gott habe den Sieg befördert. „Also schlug der westfälische Pastor Friedrich Wilhelm von Bodelschwingh 1872 den 2. September als Datum für ein Dank- und Friedensfest vor“, sagt der ehemalige Hamburger evangelische Pastor Ulrich Hentschel, der inzwischen im Ruhestand ist.

„Der Sedantag wurde aber nie offizieller Feiertag“, sagt Historiker Nonn. „Es war ein beliebtes, teils anti­französisches Volksfest mit Veteranenaufmärschen, das im Lauf der Zeit an Popularität verlor.“ Umso erstaunlicher sei, dass Hamburg noch 1899 die einstige Louisenstraße – benannt nach der Ehefrau des Stiftsgründers Johann Heinrichs von Schröder – in Sedanstraße umbenannte.

Initiatoren könnten Soldaten im nahen Kasernenquartier gewesen sein, von dem in der Sedanstraße noch das einstige Bekleidungsamt zeugt, ein wuchtiger Backsteinbau. In dem Kasernenkomplex residierte damals das „Infanterie-Regiment 76“, dem der umstrittene „Kriegsklotz“ von 1936 am Dammtor-Bahnhof gilt. Vielleicht, sinniert René Senenko von der Hamburger Geschichtswerkstatt “Willi-Bredel-Gesellschaft“, sei die Umbenennung in Sedanstraße auch im Vorwege des Hamburg-Besuchs von Kaiser Wilhelm II. geschehen. Genau wisse man es nicht.

Jedenfalls, sagt Pastor Hentschel, sei die Sedanstraße „eindeutig völkisch und militaristisch konnotiert“. Sie erinnere an ein grausames Gemetzel und deutschen Größenwahn und gehöre umbenannt.

Der seit Jahrzehnten kirchenkritische und friedensbewegte Pastor Hentschel ist nicht der Erste, der sich an dem Straßennamen stört: Seit Jahrzehnten schon macht der Hamburger Soziologe und Friedensforscher Peter Lock entsprechende Eingaben beim Hamburger Senat.

Gefruchtet hat es nichts: Selbst ein Schreiben von 2015 an den damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland für die deutsch-französischen Kulturbeziehungen, blieb folgenlos. „Man teilte mir mit, solche Namen erinnerten eben an historische Ereignisse. Und wenn man die Sedanstraße umbenenne, müsste man ja auch das ganze Generalsviertel im Stadtteil Eimsbüttel umbenennen, das an Militärs von 1870/71 erinnere.“

Dabei gäbe es für die Sedanstraße eine würdige Alternative: „Man könnte die Straße nach dem dort gleich um die Ecke geborenen Deserteur Ludwig Baumann benennen, der 2018 verstarb“, sagt Günter Knebel, Vorstand der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz. Baumann war 1942 aus der Wehrmacht desertiert, hatte das lebensgefährliche „Bewährungsbataillon 500“ an der Ostfront überlebt und, zeitlebens traumatisiert, stetig für Rehabilitierung der Deserteure gekämpft. Der Bundestag gewährte sie schließlich 2002.

Historiker Nonn indes will keine Empfehlung für oder gegen eine Umbenennung der Sedanstraße abgeben. „Natürlich müssen Namen von NS-Tätern und solche, die eindeutig Kolonialgreuel oder Militarismus verherrlichen, von Straßenschildern entfernt werden“, sagt er. Wenn man allerdings alle Straßen nach Heldenfiguren wie Sophie Scholl umbenenne, verzerre man die Geschichte. „Manchmal genügt vielleicht auch ein zusätzliches Schild, das über die Bedeutung des Straßennamens und sein Zustandekommen informiert. Aber darüber müssen die Bürger oder deren gewählte Vertreter entscheiden.“

Göttingen schaffte den Namen schon 1947 ab

Das tun sie – mit unterschiedlichen Resultaten. In Göttingen hat man – wohl auf Druck der britischen Alliierten – die Sedanstraße schon 1947 umbenannt. Im traditionell vom Militär geprägten Kiel dagegen – nach Kriegsende 1945 gleichfalls britische Besatzungszone – gibt es neben der Sedanstraße gleich ein ganzes Viertel mit Straßen, die Ortsnamen von 1870/71er-Schlachten im Elsass und in Lothringen tragen. „Das Viertel wird im Volksmund als,französisches Viertel' bezeichnet und ist inzwischen positiv besetzt, ohne dass dies ein bewusster oder gesteuerter Prozess gewesen wäre“, sagt Stadtarchivar Johannes Rosenplänter. Eine Initiative zur Umbenennung der Kieler Sedanstraße gebe es seines Wissens nicht.

Auch in Bremen moniert niemand die Namen „Sedanstraße“, „Sedanplatz“ oder „Elsass-Viertel“. Nur in Hannover bewegt sich etwas: Hatte der einschlägige Beirat die „Sedanstraße“ bis dato unproblematisch gefunden, haben Linke und Piraten just dieser Tage – am 8. Januar dieses Jahres – im Kulturausschuss einen Antrag auf Umbenennung von Straßen eingereicht, die nach Schlachten benannt sind – darunter Sedan und Tannenberg.

Antrag der Hamburger AfD

Nun könnte man argumentieren, das alles sei lange her und die Erinnerung an Nationalistisches und Militaristisches längst aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt. Aber das täuscht: Erinnerung kann jederzeit aufgefrischt und instrumentalisiert werden. Das zeigt ein aktueller Antrag der Hamburger AfD-Fraktion auf Wiederaufstellung des 1903 geweihten, heute in den Wallanlagen stehenden Reiterstandbilds von Kaiser Wilhelm I. auf Hamburgs Rathausmarkt. Anlass ist der 150. Jahrestag der „Reichsgründung“ am 21. 1. 2021.

Es gehe, so der AfD-Antrag, um die Erinnerung an die „Gründung einer Nation als den entscheidenden Ausdruck des politischen Willens eines Volkes“. Zudem sei man in Hamburg schon früh nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. bemüht gewesen, „dem beliebten Monarchen ein Denkmal zu errichten“. Um ein Mahnmal für Demokratie geht es hier also nicht.

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21 Kommentare

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  • Wenn im Gegenzug der Arc de Triumphe in Paris abgerissen und die Métro-Station Iéna (Jena) umbenannt wird, meinetwegen.

  • "Und wenn man die Sedanstraße umbenenne, müsste man ja auch das ganze Generalsviertel im Stadtteil Eimsbüttel umbenennen, das an Militärs von 1870/71 erinnere."



    Bestens. Damit ist doch ein gutes Argument dafür geliefert, dass noch mehr im Argen liegt und entsprechend umbenannt werden muss. Also: auf, auf!

  • Eigentlich bringt die Umbenennung nur was, wenn in Frankreich diese ganzen Straßen, die nach Jena, Austerlitz und den Protagonisten dieser Schlachten benannt sind, um die imperialistischen Eroberungszüge Napoleons verherrlichen, umbenennt werden.

    So könnte man super demonstrieren, dass nun eine neue Zeit angebrochen ist.

    Wenn Umbenennungsbefürworter hier sich Mitstreiter in Frankreich suchen, würde das hier auch mehr politischen Druck erzeugen.

    Warum die Straße nach jemanden umbenannt werden soll, der nun so gar nichts mit den deutsch-französischen Verhältnis zu tun hat, erschließt sich mir nicht.

    Ist das Ausdruck eines neuen deutschlandzentrierten Geschichtsbewusstseins?

    • @rero:

      Das ginge ja auch andersherum:



      Eigentlich bringt die Umbenennung nur was, wenn in Deutschland diese ganzen Straßen, die nach Sedan und den Protagonisten dieser Schlachten benannt sind, um die Einigungskriege Bismarcks und Wilhelms I. verherrlichen, umbenennt werden.

      So könnte man super demonstrieren, dass nun eine neue Zeit angebrochen ist.

      Wenn Umbenennungsbefürworter*innen dort sich Mitstreiter*innen in Deutschland suchen, würde das dort auch mehr politischen Druck erzeugen.

      • @Uranus:

        Nun haben aber in diesem Fall die Franzosen angefangen...

      • @Uranus:

        Wo ist da "andersherum"?

        Wenn Deutsche und Franzosen zusammen den Anbruch einer neuen Ära durch gemeinsame Straßenumbenennungen demonstrieren, dürfte das viel effektiver sein, als wenn irgendwo eine Sedanstraße einfach unter den Tisch fällt.

        Wie wäre es mit "Straße der deutsch-französischen Freundschaft?"

        Ich weiß, dieser Name trieft vor Pathos, aber trotzdem ...

        • @rero:

          Ihr Kommentar wirkte so, als ob sich zuerst etwas bei der "Gegenseite" rühren müsste, damit auf der anderen Seite etwas angestoßen würde.



          Ich würde meinen, Freundschaft ist gut, Überwindung von Nationalismus ist besser. Ludwig Baumann war übrigens in Frankreich stationiert, als er mit Hilfe von Menschen der Résistance desertierte, leider aber von Deutschen Soldaten aufgriffen wurde. Der folgende Link führt zu einem Videomitschnitt einer Rede, in der er seine Lebensgeschichte erzählt und über den Umgang seitens deutscher Politik berichtet:



          www.youtube.com/watch?v=zweY7CtdRxk

          • @Uranus:

            Danke für den Link.

            Mir sagte der Name Ludwig Baumann nichts.

            Die Rehabilitierung ist völlig berechtigt, eine Straße würde ich nach ihm aber nicht benennen.

            Als Helden nehme ich ihn nicht war.

            Nach seiner kategorischen Perspektive haben auch die US-Soldaten, die Buchenwald befreiten, etwas falsch gemacht.

            Das ist aber ein Thema mit vielen Ambivalenzen.

            Einfache Antworten tun es da nicht.

            Ich erlebe den Straßenumbenennungsdrang als negativen Chauvinismus.

            Die kulturelle oder rassische Überlegenheit wird durch eine moralische Überlegenheit ersetzt.

            Ich kann aber auch mit Ambivalenzen gut umgehen und finde es auch völlig in Ordnung, dass in der ostdeutsche Provinz Straßen reihenweise noch nach Thälmann, Bebel, Pieck und Grotewohl benannt.

            Für mich ist auch eine Sedanstr. vor allem Mahnung.

            • @rero:

              Auf jeden Fall. Bezeichnend ist, dass die Rehabilitierung von Deserteuren erst 2009 (!) erfolgte. Ein Armutszeugnis für diesen Staat, von dem viele Vertreter*innen die Aufarbeitung des Nazi-Regimes in Deutschland so gerne als vorbildlich darstellen, andererseits tatsächlich 2007 noch Politiker wie Öttinger Nazi-Richter (Filbinger) als Saubermänner verklären.



              Mh, Ludwigs Bewertung der US-Soldaten mag interessant sein zu wissen. Andererseits verstehe ich seinen Ansatz so, Militär und entsprechende Politik im Vorhinein zu demaskieren, und so zu versuchen Situationen wie den Angriffskrieg Nazideutschlands im Vorfelde zu verhindern. Quasi hätten sich viele Deutsche dem Krieg und Naziregime verweigert, hätte es kaum einer Befreiung Buchenwalds bedurft.



              Um das mal zuzuspitzen - wie wäre es mit einer Adolf-Hitler-Straße?



              Sedan war übrigens im 2. Weltkrieg eine entscheidende Schlacht von Nazi-Deutschland gegen Frankreich - 13. - 15. Mai 1940. Zwei Siege dürften als Mahnung schwierig umzudeuten sein.

              • @Uranus:

                Ich würde bei Straßen immer die Massenmörder raussammeln.

                Die Stalinallee und die Adolf-Hitler-Straße sind damit vom Tisch.

                Gilt übrigens für mich auch für Hitler-Attentäter, die in Weißrussland Massaker veranstalteten, oder Kolonialisten des Deutschen Reiches mit Völkermorderfahrung.

                Ich gestehe gern, ich bin nicht der Schlachten-Fan.



                Vielleicht fällt mir deshalb auch bei zwei Schlachten in Sedan das Umdeuten leicht.

                Mit Ambivalenzen kann ich leben, deshalb bin ich kein Freund von Geschichtsklitterung.

                Herr Baumann hat im konkreten Bezug auf die Nazis ja recht. Bei mehr Verweigerungen hätte es kein Buchenwald gegeben.

                Nun gab es Buchenwald aber.

                Und es wird immer mal wieder grausame Internierungslager und Massaker geben.

                Deshalb gehe ich bei Baumanns Absolutheitsanspruch nicht mit.

                • @rero:

                  Okay, Geschichtsklitterung will ich Ihnen nicht unterstellen. Dennoch kann ich Ihre Mahnungs-Position bezüglich Sedan immer noch nicht nachvollziehen.



                  Nicht, dass Sie es falsch verstehen - Die Deutung bezüglich Buchenwald ist eine Mutmaßung von mir - nicht von Ludwig Baumann. Dem Pazifismus würde ich soweit auch nicht konsequent folgen, respektiere aber sehr Ludwig Baumanns Handeln und Position. Mit seiner Desertierung nahm er ja seine Tötung in Kauf. Ohne es zu wissen wurde das zu erwartende Todesurteil in Lagerinternierung umgewandelt, wobei zuvor mittels Folter versucht wurde, Aussagen über die Résistance-Helfer*innen rauszupressen. Er musste später in einen sogenannten Bewährungstrupp und überlebte mit Glück.

  • Das zuvor untergegangene Reich ist nicht durch den Napoleonischen Krieg entscheidend vernichtet worden, sondern hat sich nie von den Folgen des 30 Jährigen Krieges erholt und war deshalb schwach und instabil. (Ganz im Gegensatz zu Frankreich, den Niederlanden und Schweden).

    In Sedan wurde der entscheidende taktische und militärische Sieg gegen Frankreich errungen und war für die Geschichte Deutschland damit mindestens ebend so wichtig wie Belle-Alliance. Daher war und ist die Erinnerung an Sedan wichtig. Ohne die Vereinigung nach Sedan 1870/1871 wäre eine Wiedervereinigung 1990 nicht möglich gewesen.

    Wenn die Menschen heute den Namen Sedan nicht mehr kennen (hinsichtlich beider Ereignisse) ist es wohl um so wichtiger, die historischen Straßennamen beizubehalten.

    • @DiMa:

      "Ohne die Vereinigung nach Sedan 1870/1871 wäre eine Wiedervereinigung 1990 nicht möglich gewesen."



      Das ist ja mal eine "interessante" Perspektive! Anstatt solcher schrägen Geschichtsbetrachtung und -wertung ließen sich Thesen aufstellen, anhand derer sich rückwärtgewandte und gewaltvolle Ideologien hinterfragen lassen:



      # Deutscher Kolonialismus wäre ohne Krieg und Vereinigung nach Sedan 1870/1871 nicht möglich gewesen.



      # Der 1. Weltkrieg wäre ohne Krieg und Vereinigung nach Sedan 1870/1871 nicht möglich gewesen.



      # Der 2. Weltkrieg wäre ohne Krieg und Vereinigung nach Sedan 1870/1871 nicht möglich gewesen.



      # Die Shoa wäre ohne Krieg und Vereinigung nach Sedan 1870/1871 nicht möglich gewesen.



      # ...



      Nie wieder Nationalismus, nie wieder Militarismus, nie wieder Faschismus!

      • @Uranus:

        # ... Die Demokratie in Deutschland wäre ohne Sedan und die von Ihnen benannten Folgen nicht möglich gewesen.

        Unsere Geschichte war nie einfach und nie gradinig.

        • @DiMa:

          Bitte was? Es gab revolutionäre Bewegungen zur Abschaffung der Monarchie/Feudalismus und somit auch Potenzial für weitere soziale und politische Veränderungen. Ihre Geschichtsbetrachtung finde ich unterkomplex.

          • @Uranus:

            Revolutionäre Bewegungen zur Abschaffungen der Monarchie hätten sich ohne die Ereignisse des WK1 niemals durchgesetzt.

            Es gibt kaum ein revolutionsträgeres Volk als uns. Wann hatten wir schon eine echte Revolution?

            Ohne den WK1 hätten wir allenfalls eine parlamentarische Monarchie nach englischem Vorbild.

            • @DiMa:

              Die Revolution von 1848/49 zum Beispiel auch wenn diese durch die Reaktion niedergeschlagen wurde. Es hat neben bürgerlichen Demokrat*innen auch die Arbeiter*innenbewegung und entsprechende Theorien gegeben - siehe Kommunismus, Anarchismus ...

              • @Uranus:

                Ebend. Gerade dieser Revolutionsversuch hatte nie eine echte Chance. 1848/1849 stützt eher meine Argumentation als die Ihrige. Ohne die Ereignisse des WK1 wäre es jedem etwaigen Folgeversuch genau so ergangen.

                Anzumerken ist, dass diese zeitlich vor Sedan lag.

                Übrigens auch hier gab es bereits spürbare starke nationalistische Tendenzen.

                • @DiMa:

                  Ich habe Ihre Kommentare da als irgendwie nationalistisch und verherrlichend interpretiert. Offenbar wollten Sie aber auf anderes hinaus, wie ich Ihren letzten Kommentaren entnehme. Da habe ich wohl zu vorschnell und scharf geantwortet, sorry.



                  Gleichzeitig würde ich aber auch meinen, dass es sicher zig Erklärungen dafür gibt, wie die Geschichte verlaufen ist. Dennoch gibt es da keine Schicksalshaftigkeit. Sie hätte sich auch anders entwickeln können, wenn auch nicht beliebig.



                  Dass die Revolution 1848/49 auch nationalistisch geprägt war bzw. nationalistische Fraktionen hatte, verstehe ich auch so. In Frankreich setzte sich zumindest die fortschrittlichere Variante von Nationalismus durch, in Deutschland fand von antifranzösischem Ressentiment und Antisemitismus begleitet die Blut-und-Boden-Ideologie im Nazi-Regime seinen Höhepunkt.



                  Folgender Text über die frühe Entwicklung deutschen Nationalismus finde ich interessant:



                  "Arndt, Jahn und die Deutschtümler



                  von Léon Poliakov"



                  emanzipation.eu/poliakov.htm



                  Zur Revolution sollte bspw. nicht vergessen werden:



                  # Kommunistische Manifest von Karl Marx



                  # Beteiligung des Anarchisten Michail Bakunin an der Revolution in Sachsen



                  # ... und naja, dass es mit u.a. Preußen eine starke militärische reaktionäre Macht gab ...

    • @DiMa:

      Interessant, jetzt gibt die Taz also Geschichtsrevisionisten Platz. Es waren die deutschen Fürsten nach dem 30. Jährigen Krieg, die Hauptprofiteure des staatlichen Flickenteppichs waren. Die 'Vereinigung' von Oben - wie Bismarck es 1871 nannte - bedeutete den Weg in das, vom Militär und imperialem Wahn geprägte Kaiserreich. Die Annexion Elsaß-Lothringens legte eine der Zündschnüre zur Urkatastrophe 1914-1918 - was selbst Bismarck nicht wollte. Das autoritäre Kaiserreich unter Wilhelm II. wollte ab 1912 einen 'Waffengang' um seinen 'Platz an der Sonne' zu erkämpfen. Barbarei gehörte zum Programm: Kolonialkriege in Afrika, Hunnen-Rede des Kaisers 1900 vor dem Expeditionskorps nach China. 1918 bedeutete das Ende dises Wahns - aber nur bis Hitler und seine Militärs dies unter dem Jubel der Bevölkerung erneut versuchten - das Ende ist bekannt. Die nationalistische Hybris der Sieger von 1871 legte den Grundstein für die folgenden Katastrophen, unter den ganz Europa ledien musste.



      Und zum Thema Sedan-Straße. Noch immer gibt es das 'Generalsviertel'. Noch immer steht der Demokratie-Verächter Hindenburg als 'Namenspatron' im Hamburger Stadtplan und immer noch 'grüßt' das wahnhafte Bismarck-Denkmal die Besucher am Hafen.

      • @Philippe Ressing:

        Ich bestreite nicht, dass einzelne Fürstentümer profitiert haben könnten, nur schadete der 30 Jährige Krieg und dessen Folgen das Land und dessen Entwicklung insgesamt erheblich.

        Auch bestreite ich nicht, dass wir in der der Geschichte nach Sedan unsägliche Katastrophen gesehen haben.

        Diskussionswürdig finde ich die Aussage, dass es die nationalistische Hybris der Sieger von 1871 war, welche den Grundstein für die folgenden Katastrophen legte. Diese Ansicht ist meines Erachtens zu einseitig und erhebliche verkürzt.

        Nur führte uns alles das in eine sehr feste Demokratie mit einem sehr starken Grundgesetz.