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Rassismus im BildBlind für schwarze Menschen

Ein Fotoautomat des Hamburger Landesbetriebs für Verkehr kann nur weiße Menschen fotografieren. Das Problem ist seit Monaten bekannt.

Ist eine schwarze Person in der Kabine? Dann könnte es Probleme geben Foto: Sven Hoppe/dpa

Hamburg taz | Einen internationalen Führerschein zu bekommen, kann eine Sache von zehn Minuten sein, wenn man die erforderlichen Unterlagen zum Termin beim Landesbetrieb Verkehr (LBV) mitbringt – und weiß ist. Schwarze Menschen hingegen haben damit in Hamburg Probleme: Der Fotoautomat der Bundesdruckerei, der biometrische Fotos machen soll, erkennt sie nicht.

So ging es auch Audrey K. Sie hatte eigentlich alle erforderlichen Unterlagen dabei, als sie Ende letzten Jahres zu dem Termin bei der Behörde ging. Nur ein biometrisches Passfoto brachte sie nicht mit, aber auf dem Flur der Behörde steht ja ein Fotoautomat. Als die Sachbearbeiterin sie gefragt habe, ob sie alles dabeihabe, habe K. deshalb zuversichtlich geantwortet, dass sie nur noch eben das Foto machen müsse. So erzählt K. es der taz. An der verhaltenen Reaktion der Mitarbeiterin habe sie schon gemerkt, dass etwas komisch sei.

„Es könnte ein Problem mit Ihrer Hautfarbe geben“, habe die Mitarbeiterin gesagt und sie zum Fotoautomaten begleitet, der dann tatsächlich kein biometrisches Foto von K. machen konnte. Der Automat schien sie nicht mal als Motiv zu erkennen.

Verärgert schrieb K. später eine Mail an den Landesbetrieb. „Die Erfahrung macht mich sehr traurig“, schrieb sie. „Das Problem scheint Ihnen bekannt zu sein, aber auf Ihrer Internetseite wird auf diesen Sachverhalt nicht hingewiesen.“ Im Wartebereich des Landesbetriebs hätten mit ihr zusammen etwa 15 Personen gewartet, von denen fünf schwarz waren.

„Es macht mich traurig“

Dass also für ein Drittel der Anwesenden die Dienstleistung nicht nutzbar gewesen sei, sei für sie schwer nachzuvollziehen. „Es macht mich traurig, dass in Kauf genommen wird, dass hier schwarze Menschen einen Termin machen, womöglich dafür vieles im privaten und/oder beruflichen Bereich koordinieren und dann noch einmal kommen müssen, ohne dass auf diese besondere Situation von Ihrer Seite eingegangen wird.“

Das Problem, dass manche Fotoautomaten schwarze Menschen nicht fotografieren können, ist nicht neu. Im Juni 2019 berichtete die Neue Osnabrücker Zeitung über einen Automaten im Osnabrücker Bürgeramt. Das Online-Magazin Migazin berichtete bereits 2015 über einen ähnlichen Fall, bei dem es sich ebenfalls um einen Automaten der Bundesdruckerei handelte.

K. musste also noch mal wieder kommen. Zwar hatte sie zum nächsten Termin ein Passbild dabei – das ein herkömmlicher Bahnhofsautomat ohne Probleme ausgespuckt hatte –, aber um zu testen, ob sich die Situation verändert hatte, probierte sie den Fotoautomat noch mal aus. Wieder ohne Erfolg. Wieder begleitete eine Mitarbeiterin sie. „Die Situation schien ihr sehr unangenehm zu sein“, sagt K. Die Frau habe sich mehrfach für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und angekündigt, ihrer Chefin von dem Problem zu berichten.

Ein paar Tage später entschuldigte sich auch der Abteilungsleiter „Fahrerlaubnis“ bei Audrey K., per E-Mail, als Antwort auf K.s Beschwerdemail. „Ich bedauere, dass in Ihrem Fall der Fotoautomat keine Hilfe war. Dem LBV ist sehr daran gelegen, die Beleuchtung in diesem Bereich zu verbessern. Dies wird in der nächsten Zeit auch erfolgen“, schrieb der Abteilungsleiter. Und weiter: „Ich habe die berechtigte Hoffnung, dass der LBV bei Ihrem nächsten Besuch besser aufgestellt sein wird.“

Bei hellerer Haut gibt es keine Probleme

Dem war aber nicht so. Im März kam K. mit zwei Freundinnen wieder, um zu gucken, ob sich die Situation inzwischen verändert habe. Die drei Frauen filmten ihren Besuch in der Fotokabine. Auf dem Video sieht man, wie der Fotoautomat K.s Gesicht sucht. Das Objektiv, das in einen digitalen Bildschirm integriert ist, fährt an einer Stange hoch und runter, um auf der Höhe von K.s Gesicht stehen zu bleiben, findet es aber nicht. Nach mehreren Versuchen gelingt es schließlich und der Automat schließt Bilder – die aber alle nicht den biometrischen Anforderungen genügen. Ein gelbes Ausrufezeichen auf dem Bildschirm signalisiert die Fehlerhaftigkeit. Bei einer von K.s Freundinnen, deren Haut heller ist als K.s, gibt es keine Probleme.

Der Verkehrsbehörde, bei das Landesamt angegliedert ist, ist das Problem bekannt. „Wir arbeiten selbstverständlich an Lösungen“, sagt der Sprecher Henning Grabow. Man sei mit der Bundesdruckerei im Austausch – dort allerdings versucht man das Problem auf die Beleuchtung zu schieben und weist den Rassismusvorwurf weit von sich.

Ein Sprecher der Bundesdruckerei sagte der taz: „Wir haben Verständnis, dass in Zeiten, in denen Rassismus Gemüter erregt, derartige Themen zur Kenntnis genommen werden. Dieses Thema eignet sich jedoch definitiv nicht als Beitrag zur Rassismus-Debatte.“ Die Automaten zählten zu den modernsten der Welt und unterschieden definitiv nicht nach Hautfarbe. „Wie jedes optische System ist die Qualität abhängig von der jeweiligen Beleuchtungssituation – gleichgültig ob für weiße oder schwarze Hautfarbe. Im Übrigen kennt das System keinen Rassismus, so wie wir uns auch gegen jeden Vorwurf der Diskriminierung oder des Rassismus zur Wehr setzen.“ Das Hamburger Landesamt will nun die aktuell nur von oben kommenden Lichtquellen durch seitliche Lichter ergänzen.

Für K. hingegen ist die Dysfunktion des Automaten ein Zeichen für institutionellen Rassismus. „Es kann nicht sein, dass die Behörde sich des Problems bewusst ist und es einfach ausblendet, indem sie den Apparat über eine längere Zeit dort stehen lässt“, sagt K. „Es macht mich wütend. Während für weiße Menschen meistens alles ganz einfach funktioniert, sind schwarze Menschen im Alltag häufig mit solchen Mechanismen der Unterdrückung konfrontiert. Für meine Heimatstadt Hamburg ist das beschämend.“

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28 Kommentare

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  • Die Technik der Fotografie ist ein Produkt des europäischen naturwissenschaftlichen Diskurses, d.h. sie entstammt einem weißen, eurozentrischen Narrativ - damit ist sie genuin einem technologischen Rassismus verhaftet.

  • Man sollte die überkommene Ausweispflicht endlich abschaffen.

    • @Linksman:

      Dass es hier nicht um einen Ausweis, sondern um einen Führerschein ging, ist dem Artikel bereits im ersten Absatz zu entnehmen...

    • @Linksman:

      "Man sollte die überkommene Ausweispflicht endlich abschaffen."

      Warum?

    • @Linksman:

      Warum nicht auch gleich die Ausweise selbst?

      • @Tom Tailor:

        "Warum nicht auch gleich die Ausweise selbst?"

        Nochmal warum?



        Was ist an einem Identitätsnachweis so schlecht?

  • Mit viel Phantasie lassen sich technische Unzulänglichkeite bis zur Unkenntlichkeit ausschmücken. Je nach dem was man Denken will. Hauptsache es lodert irgendwie.

    Aber natürlich müssen diese Automaten ausgewechselt werden. Geht aber bestimmt nicht sofort.

    Das die Mitarbeiterin die Kundin zum Automaten begleitet hat, ist jedenfalls keine Selbstverständlichkeit in Behörden und finde ich sehr symphatisch.

  • Hallo liebes taz-Team,

    dieser Beitrag bezeichnet Menschen mit heller Hautfarbe als Normalos, zwar in Anführungszeichen, das ist aber trotzdem arg rassistisch und geht gar nicht.

    Viele Grüße,



    Karla

  • Ein entlarvendes Statement.



    'Das System kennt keinen Rassismus. Gegen Feedback zur Wehr setzen.'



    Richtig dumme Reaktion.

  • Foto mitbringen, darauf wird bei der Terminanmeldung unter "notwendige Unterlagen" ausdrücklich hingewiesen: www.hamburg.de/lbv...ler-fuehrerschein/



    Schon wäre das Problem gelöst, der Rassismus beseitigt - und auf der taz-Seite ein großes, Weißes Loch.

    • @Lt. Slothrop:

      Dein Kommentar geht - für mich - am Inhalt des Artikels und an den beschriebenen Gefühlen der benachteiligten Personen komplett vorbei.

    • @Lt. Slothrop:

      Im obigen Artikel geht's darum, dass mehrere Behörden auf Bundes- und Landesebene eine Dienstleistung nur für Menschen mit passender Hautfarbe anbieten, das ist ein Skandal egal ob die Personen ein Foto mitbringen oder sich darauf verlassen, dass der zur Verfügung gestellte Automat sie als Menschen erkennt.



       

      Kommentar gekürzt. Bitte beachten Sie unsere Netiquette.

      Die Moderation

      • @TobiasK:

        "Im obigen Artikel geht's darum, dass mehrere Behörden auf Bundes- und Landesebene eine Dienstleistung nur für Menschen mit passender Hautfarbe anbieten."

        Es geht um einen (1) Fotoautomaten. Nicht alle Fotoautomaten mehrere Behörden in einem Bundesland oder gar der ganzen Welt.

      • @TobiasK:

        @Tobiask



        Gemach, gemach. Die Biometrie-Fotos aus Automaten machen allweil Probleme [...]. Deshalb ist's ja ratsam, sie zuvor - wie nicht nur von der Hamburger Behörde verlangt - von 'nem Fotografen aufnehmen zu lassen und mitzubringen. Und erinnern wir uns nicht, dass Seehofer vor kurzem den Fotografen diese Erwerbsquelle nehmen und die Bundesdruckerei-Automaten zur Pflicht machen wollte? Hat nicht geklappt, weil sie generell nicht praxistauglich sind.

        Die Moderation: Kommentar gekürzt, wir akzeptieren keine diskriminierende Wortwahl.

        • @Lt. Slothrop:

          auch bei "Normalos“?



          Weiß ist also normal?

    • @Lt. Slothrop:

      Und wozu steht dann der Apparat dort?

  • Würde der Automat keine weißen Gesichter erkennen, er wäre schon längst repariert oder ausgetauscht worden.

    • @Jim Hawkins:

      "Würde der Automat keine weißen Gesichter erkennen, er wäre schon längst repariert oder ausgetauscht worden."

      Möglich. Aber nur weil prozentual mehr Beschwerden eingehen würden.



      Das ist aber nur behördliches Schneckentempo, Vergesslichkeit und Schlamperei - aber kein Rassismus.



      Den hier zur konstruieren ist lediglich dem Zeitgeist geschuldet.



      Würde der Automat grün- oder gelbstichige Bilder produzieren, würde die Behebung warscheinlich genauso lange dauern.



      Die aktuelle Rassimus-Debatte driftet manchmal ist arg absurde Wege.

      • @Stefan L.:

        Zack - kein Rassismus!

        Stellt euch nicht so an.

  • Wenn der Automat niemandem ein biometrisch taugliches Foto schießen könnte, hätte man seit Monaten ein Defekt-Schild hingehangen und die Webseite auch nicht um die Information erweitert. Hier ist schlichte bürokratische Handlungsunfähigkeit Ursache des Problems, nicht Rassismus. Kausalität und Korelation sind nicht identisch.

  • Bei Behörden können gewisse Dinge auch mal etwas länger dauern. Man hätte auf der Website etc. sicherlich darauf hinweisen müssen. Baugleiche Automaten werden vermutlich auch an anderen Orten stehen und ich vermute mal sehr stark, dass man zusammen mit dem Hersteller an einer Lösung arbeitet.



    Soll da jetzt irgendein Beamter mit Schraubendreher und Akkuschrauber bewaffnet mal eben schnell dilletantisch ein paar Leuchten anbringen, nur damit es dann hinterher auch wieder nicht den Anforderungen genügt?



    "Es kann nicht sein, dass die Behörde sich des Problems bewusst ist und es einfach ausblendet, indem sie den Apparat über eine längere Zeit dort stehen lässt" Soll das bedeuten, dass der Apparat, solange er nicht voll Funktionstüchtig ist, einfach abgebaut werden sollte? Wenn ja, dann wäre damit ja auch keinem geholfen.



    Solange da ernsthaft dran gearbeitet wird sehe ich das Problem nicht. Wenn überhaupt sollte man den Hersteller kritisieren, dass er das Problem nicht antizipiert hat und entsprechend schon bei der Entwicklung entsprechende Dinge einbezogen hat.



    Aber auch da finde ich die Bezeichnung "institutioneller Rassismus" schon etwas sehr hoch gegriffen.

    • @Huege:

      Man könnte vermuten, dass eben dieses 'nichtantizipieren' eben ein Aspekt dieses strukturellen Rassismus' sein könnte.

      Das ist aber nur eine vage Theorie.



      Fakt ist ™, die Kiste taugt nix, weswegen es auch kein Problem gibt. Na gut, eines.

  • Da ja offenbar die Dummheit der dort Verantwortlichen bodenlos ist (denn den Stecker zu ziehen würde das rassistische Problem ja sofort lösen) bietet sich hier wohl mal ein Abmahntourismus an.

    Vllt liest ja hier ein Anwalt mit der alle Geschädigten dann exklusiv vertritt.

    Und vllt liest ja hier auch der eine oder andere Juristenfinanzier mit der gegen Gewinnbeteiligung das Kostenrisiko übernimmt.

    • @Bolzkopf:

      "Institutioneller Rassismus" scheint mir mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

      Schlichte Unfähigkeit, Behördenschlendrian und/oder Gleichgültigkeit für die Probleme anderer Leute (und das sind alle außerhalb der warmen Amtsstube) halte ich für weitaus realistischer. Da braucht's keine Rassisten für.

      • @Encantado:

        Instituioneller Rassismus wäre auch sachlich falsch, wohl aber struktureller.



        Er besteht darin, das Firmen es sich leisten (können), die Funktion des Automaten als Ganzes nicht mit der gesamten Bandbreite der zu erwartenden Hautfarben zu testen.

      • @Encantado:

        Das sollte eigentlich zum Artikel gehen und keine Antwort auf Bolzkopf sein. Sorry.

    • @Bolzkopf:

      Prima, wir erweitern ein Problem auf die gesamte Bevölkerung und nennen es Lösung.

      Ob sich wohl ein Anwalt findet, der die dann (überflüssigerweise)zusätzlich Geschädigten vertritt?

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Rassist-o-maten, kannste dir nicht ausdenken!