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Innenminister vs tazWo ist Seehofer?

Nach der angekündigten Anzeige gegen die taz taucht der Bundesinnenminister ab. Offenbar schwelt ein Konflikt mit Kanzlerin Merkel.

Vorerst verstummt: Horst Seehofer Foto: Christoph Schmidt/dpa

BERLIN taz | Und dann ist Horst Seehofer verschwunden. In Berlin sollte der Bundesinnenminister am Dienstag den Jahresbericht des Verfassungsschutzes vorstellen, später in Neustrelitz die Gründung der Deutschen Stiftung Ehrenamt mit Familienministerin Franziska Giffey und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner mitfeiern. Aber Seehofer sagt alles ab. „Aus Termingründen“, wie sein Sprecher nur mitteilt. Seehofer ist weg.

Dabei hatte der CSU-Mann am Sonntagabend noch eine Lawine losgetreten. Über die Bild hatte er eine Anzeige gegen taz-Autor*in Hengameh Yaghoobifarah angekündigt. Sie hatte in einer Kolumne in einem Gedankenspiel über den Einsatz von PolizistInnen jenseits ihres Berufsstands sinniert und war letztlich auf der „Mülldeponie“ gelandet. Für Seehofer eine „Enthemmung der Worte“. Journalistenverbände kritisierten dagegen einen Angriff auf die Pressefreiheit, auch Opposition und Teile der SPD.

Schon am Montag hatte Seehofer daraufhin bekundet, er müsse sich noch mal mit seinen Juristen besprechen. Regierungssprecher Steffen Seibert wiederum bekundete, es gebe ein „vertrauliches Gespräch“ über die Anzeige zwischen Angela Merkel und Seehofer. Das spricht dafür, dass die Kanzlerin die Sache für eher keine gute Idee hält. Jedenfalls: Eine Anzeige gegen die taz gab Seehofer auch bis zum Redaktionsschluss am Dienstag nicht bekannt.

Seehofer zögert die Entscheidung über die Anzeige hinaus

Dafür tauchte der Innenminister ab. Bereits am späten Montagabend hatte er die Pressekonferenz mit dem Verfassungsschutz mit einem dürren Satz absagen lassen – ohne jede Begründung. Dazu nachgefragt, führte sein Sprecher die „Termingründe“ an. Und welche? Die Frage sei „abschließend beantwortet“. Und was ist nun mit der Anzeige? Der Sprecher: „Die Öffentlichkeit wird über etwaige Entscheidungen in angemessener Weise informiert werden.“ Ach so.

Aus dem Kanzleramt hieß es zu der Anzeige derweil nur, das müsse das Innenministerium beantworten. Ansonsten gelte das Gesagte vom Montag. Also der Verweis auf das vertrauliche Merkel-Seehofer-Gespräch.

All das klingt, als rumore es hinter den Kulissen. Und es weckt Erinnerungen an 2018. Schon da hatte es massiven Streit zwischen Seehofer und Merkel gegeben, damals ging es um die Zurückweisung von Geflüchteten an der deutschen Grenze. Seehofer wollte dies unbedingt, Merkel nicht. Der Streit führte zu einem heftigen Krach zwischen beiden, schließlich auch innerhalb der Union. Und schon damals sagte Seehofer kurzfristig eine Pressekonferenz ab, zur Vorstellung seines „Masterplanes Migration“.

Rechtlich war für den Verfassungsschutzbericht alles klar

Wiederholt sich das nun? Es sieht langsam so aus. Ein zwischenzeitlich kursierender anderer Grund für die Absage, ein rechtlicher, ist jedenfalls nicht plausibel. So hatten sowohl die Identitären als auch die AfD für den Flügel und ihre Parteijugend gegen ihre Erwähnung im diesjährigen Verfassungsschutzbericht geklagt. Beide waren indes am Freitag vor dem Berliner Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht unterlegen. Der Verfassungsschutz habe ja gerade die Funktion eines Frühwarnsystems und das Innenministerium dürfe über Bestrebungen gegen die Verfassung berichten, entschieden die Richter. Zudem gebe es eben Hinweise, dass alle drei Gruppen gegen die Menschenwürde verstießen, weil sie Migranten und Muslime verächtlich machten.

Der Weg für den Verfassungsschutzbericht war also frei. Auch frühere Einwände von Seehofer, ob der Flügel und die AfD-Jugend im Bericht auftauchen sollen, waren damit abgeräumt. Tatsächlich soll Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang bis Montagabend noch mit der Pressekonferenz gerechnet haben. Es kam anders.

SPD verschärft Kritik

Inzwischen erhöht auch der Koalitionspartner den Druck auf Seehofer. SPD-Chefin Saskia Esken kritisierte den Innenminister am Dienstag deutlich. Der Staat dürfe den Beschuss der taz-Autor*in „keinesfalls befördern“. Sie selbst habe die Kolumne „auch nicht lustig“ gefunden, so Esken. „Aber das ist kein Grund, Anzeige zu erstatten. Und schon gar nicht von staatlicher Seite.“ Zuvor schon hatte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) gen Seehofer klargestellt: „Die Pressefreiheit ist ein ganz, ganz hohes Gut und wir alle sollten sehr, sehr verantwortungsbewusst damit umgehen.“

Unterstützung für Seehofer kommt dagegen aus der Unions-Fraktion. Dort wird gelobt, dass Seehofer sich vor die Polizei stelle. Jeder müsse sich an rechtsstaatliche Regeln halten, auch die Presse. Die Anzeige sei ein „starkes Signal“. Auffällig ist aber das Schweigen der Großkopferten in der Union zu der Causa – der CDU-Chefin, des CDU-Generalsekretärs, des CSU-Chefs.

Der weitere Fortgang? Offen.

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17 Kommentare

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  • Natürlich so lachhaft wie das elterliche "ich zähle bis drei....", Es gäbe allerdings noch eine alternative Überschriftmöglichkeit: Wo ist Yaghoobifarah?

  • Seehofer hat sich mal wieder als Papiertiger geoutet. Erst tut er so als wolle ersichtlich vor die Polizei stellen und dann ...!



    Die Pressefreiheit ist wohl kaum gefährdet, wenn einem Gericht ein Sachverhalt zur Entscheidung vorgelegt wird.



    Irgendwie hat die TAZ momentan ein etwas schräges Weltbild. Gott sei Dank gehen 99,9 Prozent Polizistinnen die Beleidigungen in ihrem Blatt am Popo vorbei und sie tun ihren Dienst.

  • Seehofer, der Gernegroß, nimmt seine Person und demnach seine Meinung zu wichtig und die Verantwortung für sein Amt sowie der Verfassung arg leichtfertig. Der Mann ist ein einziges Ärgernis.

  • Da wird Mutti wohl geschimpft haben. Jetzt hat der Horst Stubenarrest. Was sie ihm wohl gesagt hat?: "Kannst Du nicht einen Juristen konsultieren, bevor du den Mund aufmachst!" oder "Schlimm genug, dass du den Andi mit nach Berlin gebracht hast, aber ich hätte es ja vorher wissen müssen!" oder "Willst du wirklich eine Journalistin verklagen, die einen schlechten Witz über deine "Saubermanntruppe" gemacht hat." oder "Soll ich mich jetzt vor alle hinstellen und die Verfassung vor dem Staatsminister in Schutz nehmen, der dem Verfassungsschutz vorsteht!" oder...

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Horst Seehofer weiß natürlich um den politischen Einfluss unserer Rechtssprechung und würde mit einer Strafanzeige ohne Kanzlerinnens Gnaden viel riskieren.

  • Ist der Bundesinnenminister aus eigener ideologischer Verblendung in die Falle "einer AfD-Methode" getappt, die ihm die Polizei-"Gewerkschaft" gestellt hat?

    Zu dieser "AfD-Methode" schreibt Schlecky Silberstein, der selber "Besuch" der AfD und anschließend anonyme Morddrohungen erhalten hat:

    www.deutschlandfun...:article_id=478845

    Wird Seehofer dazu selber etwas sagen? Oder sollen wir ihn künftig See-Orban nennen?

  • Bei diesem Job mal npaar Tage Pause machen ist sehr gesund. Mach ich auch. Nur vermisst mich meist keiner.

  • Däh&Zisch Mailtütenfrisch - Wendet ein

    “ taz zum Gruße!



    Maaamaaa! Der Horsti ist so gemein!“

  • Danke

    Ich sehe Seehofers Verschinden ins „Abklingbecken“ so, Bundeskanzlerin Angela Merkel will kommende Debatte über Polizeireform in ihrer gewohnten Strategie asymmetrisch demobilisieren, aussitzen. Das gelingt nicht, wenn Bundesinnenminister Horst Seehofer seine Ansage umsetzt, gegen taz Autorin Hengameh Yaghoobifarah Strafanzeige wg deren Kolumne „All cops are berufsunfähig“ erwirkt und damit die Debatte mit unkontrollierbaren Emotionen befeuert.



    I



    Ist es doch wider Erwarten Hengameh Yaghoobifarah mitten im Sommerloch mit Biss und Witz gelungen, dass autoritär strukturierte Personen, womöglich auch im taz Biotop?, aber ganz gewiss vor allem Polizeigewerkschaftsboss Rainer Wendt, der bereits zur Strafanzeige geschritten ist, Bundesinnenminister Horst Seehofer auf ihren Kolumne Satire Leim wie „Mücken“ geflogen sind, indirekt zu dokumentieren, dass sie an eine Polizeireform scheuen, wie der Teufel das Weihwasser. Wäre es anders, wäre deren Auftritt demütiger, hätten sie indizierte Kolumne mit Mutterwitz genommen, virtuell zu den Müllwerkern zu gehören, angesichts der Tatsache, dass Polizeireformen bisher ausblieben. weiterhin zulasten vieler Polizisten militärisch geprägter Korpsgeist Polizeialltag ist, Viele Polizisten*nnen, die es ablehnen, die es krankmacht, trotzdem zu Komplizen organsierter Entlastungsaussagen von Polizisten*nnen vor Gerichtsschranken zu werden, die frei erfunden sind, Bürger*nnen zu belasten.

    Peggy Parnass *1927 hat Wirkung dieser konstruiert abgestimmten Falschaussagen von Polizisten*nnen vor Gericht in ihren Gerichts- , Polizeireportagen 1970-1984 Konkret Magazin, 1990 erweitert als Rowohlt Buch erschienen, mit Empörung und Leidenschaft authentisch gerichtsfest dokumentiert.

    • @Joachim Petrick:

      Welches Sommerloch meinen Sie? Ich sehe keines.

  • Wie aus einer "Hengameh" ein "Horst" gemacht wird...



    Vielleicht könnte man das ja - analog zum "Streisand-Effekt" - in Zukunft als "verhorsten" bezeichnen.

    Schön zu lesen ist in diesem Artikel auch der Absatz, das "Identitäre gegen die Menschenwürde verstiessen, weil sie -Menschen!- verächtlich machten."

  • Wenn die Beleidigung/ Verunglimpfung (siehe A.C.A.B-Urteile) des polizeilichen Kollektivs/ Berufsstand straffrei bleibt, welche beeinträchtigten Rechtsgüter bleiben dann hier noch übrig?

  • Spielt bestimmt im Keller mit seiner Eisenbahn - Da tanzt dann alles nach seiner Pfeife!

  • Na Servus

    “Who the fuck is Seehofer?“

  • Mutti Merkel weiß, wo die PartnerInnen für ihre nächste Amtszeit sitzen. Es dürfte ihr nicht schwergefallen sein, dem rebellischen Horst das zu erklären.

    • @C.O.Zwei:

      Ich glaube, sie wird wie angekündigt keine nächste Amtszeit antreten, auch wenn es vermutlich möglich wäre, eine weitere Legislaturperiode zu regieren.