piwik no script img

Das Erbe des KolonialismusDas Ende weißer Immunität

Koloniale Täterschaft verliert den Schutz eines geschichtspolitischen Binnenraums. Zeit für Reparationen und einen neuen Internationalismus.

Flog ins Bristoler Hafenbecken: das Denkmal des Sklavenhändlers Edward Colston Foto: Bristol City Council/ap

A ls in Bristol die Statue von Edward Colston gestürzt wurde, begann eine neue Ära. Nicht weil es der erste Akt dieser Art gewesen wäre, sondern weil die Figur selbst, der Sklavenhändler als Philanthrop, ein so hochverdichtetes Sinnbild darstellt, dass sich der Verstand daran wieder und wieder abarbeiten kann. Und weil natürlich der Sturz ins Hafenbecken, den ich zunächst roh und abstoßend fand, unvergesslich wird, sobald man verstanden hat, dass er nur die eigentliche Rohheit nachspielte. Colstons Royal African Company warf von ihren Schiffen Körper wie Abfall ins Meer.

Der Brite symbolisiert auf besonders drastische Weise eine Doppelgesichtigkeit, wie sie zahllosen europäischen Figuren auf Denkmalsockeln eigen ist: Wohltäter aus Sicht der jeweiligen Metropole, Übeltäter aus Sicht eines anderen Teils der Welt. Der Hafensturz hat diese Aufteilung rabiat außer Kraft gesetzt: Hier ist dort, es gibt kein Drinnen & Draußen mehr, keinen geschützten Binnenraum für eine separate weiße Geschichtsbetrachtung und für eine ungestörte Verschleierung von Täterschaft.

Wie jäh nun eine fühlbare, erlebbare Globalität aufkommt, das hat einiges mit der Pandemie zu tun. Die Erfahrung sozialen Ausgeschlossenseins in der Krise verlieh den allerersten George-Floyd-Protesten jene Wucht, die sich dann von Schauplatz zu Schauplatz übertrug, bis hinein in jenen besser gestellten Teil der Weltgesellschaft, wo der Schock der Mobilitätsbegrenzung ein neues Nachdenken über den eigenen Ort im Drinnen & Draußen ausgelöst hatte.

Nicht dass jemand das alles eindeutig erklären könnte, dieses bizarre Zusammenwirken von Faktoren. Aber so funktioniert Globalgeschichte. Und während die Idee einer postkolonialen Globalisierung soeben noch etwas eher Künftiges zu bezeichnen schien, ist daraus unter der Hand Gegenwart geworden.

Schuld und Verantwortung

Dass es kein Drinnen & Draußen mehr gibt, war bereits die Lehre aus der Debatte um Achille Mbembe: Deutsche müssen damit umgehen lernen, dass es im globalen Süden eine andere Sicht auf die Schoah (und somit auch auf Israel) gibt. Nun werfen die Denkmalstürze die Frage nach historischer Täterschaft und heutiger Verantwortlichkeit von einer anderen Seite her auf.

Sie markieren ein Ende weißer Immunität – und der Begriff sei verstanden in seinem doppelten Sinn: als Schutz vor Strafverfolgung und als ein organisches Gefeitsein gegen Angriffe. Beides schmilzt für Europäer dahin: Sie leben nicht mehr unter dem Schutzschirm einer Weltordnung, die ihnen so lange alle Forderungen nach Rechenschaft vom Halse hielt. Und ihre psychische Struktur, ihr Selbstbild, ist nicht mehr ausreichend geimpft gegen Verunsicherung. Letzteres gilt gewiss nicht für alle, aber zum Glück doch für eine wachsende Zahl.

Was die Haltung zu Kolonialverbrechen betrifft, so befanden wir uns bis gestern in einer Phase, die den 50er und 60er Jahren in Bezug auf die Schoah ähnelt: keine Täter, keine kollektive Verantwortung; ausweichen, verharmlosen. Wie mit Schuld und Verantwortung aus zwei historischen Epochen umgegangen wird, das darf durchaus verglichen werden. Wäre es nicht wünschenswert, aus den großen Versäumnissen im Umgang mit NS-Tätern zu lernen für den Blick auf koloniale Verbrechen?

Derzeit steht in Hamburg ein einstiger SS-Wachmann des KZ Stuthof vor Gericht; die Anklage wirft dem damals 17-Jährigen Beihilfe zum Mord in mehr als 5.000 Fällen vor. Anders als in früheren Jahrzehnten gilt nun der Grundsatz: Wer im Vernichtungsapparat mitwirkte, war schuldig.

Wie aber wird für die koloniale Epoche Täterschaft definiert? Gern wird nun auf die „Ambivalenz“ historischer Gestalten verwiesen. Bismarck sei kein Befürworter von Kolonialpolitik gewesen, obwohl auf der Urkunde von der Aufteilung Afrikas ganz oben, steil und schnörkellos, seine Unterschrift steht, mit reichlich rotem Siegellack beschwert.

Kein Schutz vor Verstörung

Ambivalenz ist die vornehmere Vokabel für jene Doppelgesichtigkeit, wie sie in derbster Weise Leopold II. verkörpert, der Baumeister Brüssels – für Belgien die beste Zeit, für den Kongo die schlimmste. Manche entsetzt die Vorstellung, dem steinernen Leopold werde performativ eine Hand abgeschlagen, mehr als die Tatsache, dass dies Tausenden von Kindern widerfuhr, weil sie nicht genug Kautschuk im Korb hatten. Aber es hilft nicht, sich abzuwenden.

Das Ende weißer Immunität bedeutet, dass es keinen Schutz mehr vor der Verstörung gibt. Weiße sind genötigt, in einen Abgrund zu blicken, wo sie Folter, Kastration und das Herausreißen von Eingeweiden sehen, sie sehen dabei Deutsche, Niederländer, Franzosen, Italiener, Briten, es werden immer mehr, die jetzt ins Blickfeld rücken, gerade betreten die bodenständigen Schweizer als Sklavenhändler die Bühne.

Wenn es kein Drinnen & Draußen mehr gibt, keinen abgeschirmten Binnenraum für Geschichtspolitik, dann ist auch eine andere Grenze verweht: die zeitliche. Wie lange ein Unrecht zurückliegt, hat an Relevanz verloren, denn es gilt nun das Prinzip: Kein Unrecht ist vergangen, solange es nicht von seinen Verursachern anerkannt wird. Diese Anerkenntnis wird mehr sein müssen als die windigen Entschuldigungen, die britische Institutionen gerade in Serie verfassen: weil sie ihre Entstehung erst den Profiten aus Sklavenhandel verdankten und später, an dessen Ende, der staatlichen Entschädigung der Händler.

Die Täter zu entschädigen statt die Opfer ist ein unerträglicher Gedanke; wie lange wurde er dennoch ertragen! Eine globale Bewegung für Reparationen werde die größte Gerechtigkeitsbewegung des 21. Jahrhunderts, heißt es heute in den karibischen Staaten. Dies zu unterstützen, daran muss europäischer Antirassismus seine Ernsthaftigkeit beweisen. Gibt es dazu die Kraft? Es wäre nichts weniger als ein neuer Internationalismus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • Umverteilung bzw Reparationen von Nord nach Süd ist überfällig und ein wichtiger Ausweg aus drohenden Katastrophen. Diese Erkenntnis ist aber nicht so ganz neu.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @aujau:

      Reparationen nein. Umverteilung hier und dann damit nach Süden, in Länder, die demokratisch regiert sind, okay.



      Die britischen Arbeiter, die zu Zeiten der Kolonien 16 Stunden am Tag, wie Sklaven geschuftet haben, hatten nichts vom geraubten Gut.



      Auch in Deutschland profitierte nur eine kleine Schicht, die heute noch Großgrundbesitzer sind.

    • @aujau:

      Nö.



      Das sage ich als Linker, dem sehr wohl daran gelegen ist, die Situation der Menschen global zu verbessern.



      Denn ein Wohlfühlablasshandel mit Fütterung der Kolonialkollaborateurserben ist abzulehnen, weil die gegenwärtigen postkolonialen kleptoratischen Eliten nämlich reich genug sind.



      Statt dessen nur kontrolliert nachhaltig und sozialverträglich produzierte Waren einführen, bei Vollerfüllung europäischer Sozial- ect Standarts auch mit negativem Einfuhrzoll fördern.

  • Zitat: „Der Brite symbolisiert auf besonders drastische Weise eine Doppelgesichtigkeit, wie sie zahllosen europäischen Figuren auf Denkmalsockeln eigen ist.“

    Die „Doppelgesichtigkeit“ ist kein Privileg „europäischer Figuren“. Denkmäler sind Weiterentwicklungen prähistorischer Götzenbilder, Machtsymbole also. Sie sollten Unsichtbares begreiflich machen, genau wie heute. Doch schon die alten Götter konnten Segen oder Fluch sein. Macht beruht schließlich immer auf Ohnmacht. Machtlose mussten die Macht gnädig stimmen. Denkmale zu stürzen, war deshalb immer schon ein Akt der Selbstermächtigung.

    Es waren aber nicht „die Europäer“, die aus abstrakten Bildern mächtiger, furchteinflößender (Natur-)Gewalten, Denkmäler von Herrschern gemacht haben. Eine der ersten „Hochkulturen“ gab es z.B. in Ägypten, in Nordafrika also, wo Könige als Götter verehrt wurden - und entsprechend in Stein gemeißelt. Über Griechenland und Rom ist die Denkmal-Kultur dann u.a. nach Holland und Deutschland geschwappt, wo selbstherrliche absolutistische Herrscher die Tradition fortgeführt haben. Dass lange niemand gewagt hat, ihre Denkmäler zu stürzen, hatte damit zu tun, dass Verräter lebendig ausgeweidet und anschließend gevierteilt wurden damals. Und zwar öffentlich und auch, wenn sie blass wie Buttermilch waren. Die Zeiten waren für alle ziemlich brutal.

    Erst seit westliche Demokratien einen gewissen Pluralismus fördern, muss auch in Bezug auf im öffentlichen Raum wirkende Denkmäler ein Konsens gefunden werden. Geeinigt hat sich die Gesellschaft deshalb darauf, dass sie der Erinnerung dienen sollen, nicht der Anbetung. Erinnern kann sich schließlich jeder nach eigenem Gusto: mit Dankbarkeit etwa, mit (Ehr-)-Furcht, mit Grauen oder auch mit Hass.

    Problematisch wird das ganze, wenn aus dem Erinnern Sonderrechte abgeleitet werden - oder die Menschen sich ganz davon zu befreien versuchen. Denn: Ohne Vergangenheit keine Zukunft.

    Gesellschaften dienen der Erinnerung, hist

  • Es ist irrelevant, ob eine Sicht auf die Shoa aus dem Süden, Norden, Westen oder Osten kommt. Deshalb muss auch niemand lernen, eine „Regional-Sichtweise“ zu akzeptieren oder abzulehnen. Um ein historisches Ereignis einzuordnen, ist einzig die Faktenlage entscheidend. Oder um für diesen Fall ganz platt zu sagen: Antisemitismus wird nicht dadurch akzeptabel, dass er auf einem anderen Längengrad formuliert wird.

    • @Markus Wendt:

      Leider kann ich Ihnen nur teilweise zustimmen. Selbstverständlich zählt die Faktenlage, und Antisemitismus ist nirgendwo akzeptabel. Bei der Shoa zählt aber auch die Perspektive: Wir Deutschen sind Nachkommen der Täter. Für uns gilt deshalb der Grundsatz, dass wir die Einzigartigkeit dieses Menschheitsverbrechens betonen müssen. Alles andere wäre Verleugnung unserer Verantwortung. Ebenso gilt, dass die Nachkommen der Opfer bestimmen, wann das Thema ausdiskutiert ist, und eben gerade nicht wir.

      Für Juden gilt der gegenteilige Grundsatz: Sie sollten die Universalität des Genozids betonen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass sie sich einseitig zu Opfern stilisieren und eigenen gewalttätigen Rassismus übersehen; z.B. gegenüber den Palästinensern.

      Menschen aus dem globalen Süden haben in dieser Hinsicht eine gewisse Narrenfreiheit. Nicht jede Aussage von ihnen, die auf die Universalität der Shoa verweist, ist automatisch antisemitisch. Denn die Regeln, die für Nachkommen der Täter gelten, gelten allein deshalb nicht notwendigerweise für alle anderen auch. Mbembe ist eindeutig kein Deutscher, er lebt nicht in Deutschland und hat dergleichen auch nicht vor. Wir müssen seine Aussagen deshalb in ihrem Kontext beachten.

  • Kein Unrecht ist vergangen, solange nicht jenes Tun und Menschenrecht Lassen, jene Art Weltwirtschaftsstrukturen befeuert hat, das, was Opfer, Überlebende, Nachfahre beklagen, vom Grund auf eingestellt wird. Reparationen sind da der geringste Teil, eine neue Weltökonomie mit Ausgleichsmechanismen zu begründen.

    Wenn das nicht gelingt, sind alle Kritik alle „Mea Culpa“ Schwüre am Kolonialismus Schall und Rauch, nur leere Worte, die verdecken, dass wir mit dem Ende des Kolonialismus, Status Quo ante das an Sklavenhandel, Menschenhandel, Sklavenarbeit, an prekären Arbeitsplätzen, siehe Lage der Arbeiter*nnen in Großschlachtereien wie Tönnes NRW, unter der Losung „Freie Fahrt für freies Unternehmertum“ weiter wirken lassen, was staatlich protegierten Kolonialismus 1884/85 bei der Berliner Kongo Konferenz unter der Schirmherrschaft Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck auf den Plan rief, einerseits nichtstaatlichen Sklavenhandel unter Strafe zu stellen. Andererseits Strafexpeditionen zu finanzieren, diese Strafe in Form von Gebietseroberungen durch Kanonenbootpolitik, Kolonialtruppen in Afrika, Südostasien, in Übersee zu exekutieren. Versklavung staatlich legitimiert umzudeuten in willkürliche Grenzziehungen, Boden-, Herden- Identitäts- , Vermögensentzug, Zwangsarbeitslager Schutzhaft, sog. Arbeitsunwillige, Arbeitsmoral Gefährder umzuerziehen.

    Bei notwendigem Zorn auf Kolonialismus höre ich das Hintergrundrauschen, in dem Schreckensmelodie des Sklavenhandels neue Strophen schreibt, die der selbstermächtigten Finanzregime in der Welt als Maß allen weltwirtschaftlichen Handelns in asymmetrisch aufgestellten Gesellschaftsverhältnisse zugunsten der 1 zulasten der 99 %.

    Säkular-klerikal begründete Kolonialismus begann in Europa an indigen heidnischen Völkern

    Mit kirchlichem Segen wurde mit päpstlichen Bullen ab 14. Jahrhundert vor Entdeckung Amerikas durch Columbus 1492 Versklavung als sog Christianisierung im Osten, Baltikum durch Deutschen Ritterorden legitimiert

  • "Die Erfahrung sozialen Ausgeschlossenseins in der Krise verlieh den allerersten George-Floyd-Protesten jene Wucht, die sich dann von Schauplatz zu Schauplatz übertrug [...] Nicht dass jemand das alles eindeutig erklären könnte, dieses bizarre Zusammenwirken von Faktoren. Aber so funktioniert Globalgeschichte" Den Versuch einer Erklärung und eines Beleges für die Floyd/Pandemie-These würde ich wirklich gerne lesen.

    "organisches Gefeitsein gegen Angriffe" - ich verstehe das "organisch" nicht; seltsame Metapher

    "Wäre es nicht wünschenswert, aus den großen Versäumnissen im Umgang mit NS-Tätern zu lernen für den Blick auf koloniale Verbrechen?" - das wäre es wirklich!

    "Wie aber wird für die koloniale Epoche Täterschaft definiert?" - Das ist die Frage!

    "Wenn es kein Drinnen & Draußen mehr gibt, keinen abgeschirmten Binnenraum für Geschichtspolitik, dann ist auch eine andere Grenze verweht: die zeitliche. Wie lange ein Unrecht zurückliegt, hat an Relevanz verloren" - interessanter Gedanke, aber ich verstehe den inneren Zusammenhang des Arguments nicht. Irgendwann wird Unrecht Geschichte.

    "globale Bewegung für Reparationen" - Das wird es nicht bringen, Entschuldigungen plus gerechter Welthandel/Entschuldung z.B. schon eher.

  • Der Vergleich mit den 50er und 60er Jahren in Bezug auf die Shoah ist sehr passend, den an ihr können die Unterschiede sehr gut aufgezeigt werden.

    Den (I.) bei den Taten im Zusammenhang mit der Shoah handelte es sich zum damalingen Zietpunkt bereits um Straftaten und (II.) ein wesentlicher Anteil der Täter lebte noch.

    Ganz anders dagegen bei den Handlungen im Zusammenhang mit dem Kolonialismus. Insbesondere der ganz erhebliche Zeitablauf spricht gegen jede Form von Reparationen.

    Auch die Tatsache, dass Menschen an einer Stelle verehrt werden, während sie an anderer Stelle Greutaten begagnen haben, ist nichts besonderes. Beispielhaft zu benennen wären Napoleon oder Tilly.

  • Das will in diesem Moment vielleicht keiner hören, aber Geschichte ist komplex, und, wie Max Weber schrieb, wer glaubt aus guten Absichten entstünde nur Gutes und aus schlechten nur Böses, ist politisch ein Kind. Will sagen: Statuen wegzuhauen löst keine Probleme und schon gar nicht hilft es Geschichte zu verstehen. Es ist IMO richtig, solche Statuen in Museen zu verfrachten und sie dort zu kontextualisieren. Es ist eben auch wichtig zu verstehen, wie jemand Sklavenhändler und Philanthrop war und was das in seiner Zeit überhaupt bedeutet, dass "race" damals noch kein rassenbiologisches Konzept war etc. pp. Geschichte aus dem Jetzt zu verdammen ist immer bequem, im besten Fall erinnert Colson die Demonstranten daran, dass ihre Handys und Klamotten von modernen Sklaven hergestellt wurden und problematisiert, warum das so ist.

    Die meisten Könföderierten-Statuen in den USA haben übrigens eine andere Wertigkeit. Sie wurden überwiegend im frühen 20. Jahrhundert gezielt als Warnung an die Afro-Amerikaner aufgestellt sich dem Jim Crow Codex zu unterwerfen und white supremacy anzuerkennen. Denn die "Reconciliation" zwischen Norden und Süden beinhaltete die Wiedererrichtung der Herrenvolk-Demokratie, insofern sind diese Denkmäler schlicht ein steinerner Lynchmob. So etwas gehört natürlich auch in den Geschichtsunterricht.

  • Prima Idee, das mit den Reparationen.



    Dann fangen wir am besten mal mit der privilegierten Familie Wiedemann an.



    Da gab es bestimmt auch diverse Nazis, Rassisten, Profiteure, vielleicht auch ein paar Sklavenhändler, die allesamt den Familienreichtum gemehrt haben.

    Das habe ich doch so richtig verstanden, oder?

  • Interessanter als der Sturz / die Entfernung von Denkmälern



    wäre zum Teil eine Ergänzung dieser,



    entweder durch eine Informationstafel die aus diesen dann



    quasi Mahnmale macht



    oder ein "Gegendenkmal" z.Bsp. einer politisch Gegenteiligen



    Persönlichkeit (Martin Luther King etc.)

    • @Okin Eggür:

      Lieber Okin Eggür,

      ich denke, das liegt am Mindset der Beteiligten. Für Identitätspolitiker gibt es keine Ambivalenz, keine historischen Umstände und Einordnung.

      • @Kartöfellchen:

        So ein Bullshit!

        Auch eine Umwidmung oder ergänzende Begleitung würde ja der zentralen Forderung nach Anerkennung der Schuld nachkommen. Und die historischen Umstände, die zu der Aufstellung dieser Denkmäler geführt haben, sind ja gerade Kern der Kritik.



        Aber für manche Denkmäler funktioniert das einfach nicht bzw. ist nicht ausreichend. Ein vier Meter hohes Standbild von einem der Tausende Menschenleben auf dem Gewissen hat, also das Standbild was zur Veehrung eines Massenmörders aufgestellt wurde, erfüllt immer noch genau diesen Zweck, auch wenn irgendwo in der Ecke ne kleine Tafel angebracht wird á la "Dieser Mann war gar nicht nur unser hoch gefeierter Philantroph, sondern irgendwie vielleicht auch eine schlechter Mensch..."



        Die Hitlerstatuen wurden nach dem Krieg, auch gesprengt und das war gut so! Und wie durch ein Wunder ist der Bezug zur Geschichte trotzdem erhalten geblieben.



        Gegendenkmäler sind eine gute Sache, aber ich finde es unnötig die Statuen, die Sklavenhändler und Massenmörder zu Wohltätern verklären und ehren, stehen zu lassen. Ich meine wofür? Welchen Gesamtgesellschaftlichen Mehrwert (im moralischen oder philosophischen Sinne, nicht Wert im eigentlichen, monetären Sinne) erhoffen Sie sich davon?

        Zu mal es völlig normal ist, dass die Statuen und Denkmäler den aktuellen Stand und Umgang eines Landes mit seiner Geschichte widerspiegeln. Denkmäler zu entfernen und neue aufzustellen hat auch immer eine Zeitenwende makiert. Und eine erinnerungspolitische Wende ist in Bezug auf den europäischen Umgang mit unserer Vergangenheit als Kolonialisten mehr als überfällig!

        • @BakuninsBart:

          1. Bitte vermeiden Sie Kraftausdrücke, wenn Sie an einer echten Diskussion interessiert sind. Danke.



          2. Mein Argument steht: Ein bestimmtes Mindset, das keine Differenzierung kennt, kann keine sinnvollen Lösungen sehen. Ein Beispiel: Hier wird von WEISSEN gesprochen.



          Wer aber war Sklavenhändler?



          1. Menschen mit weißer Hautfarbe, soweit es über den Atlantik ging und auf der anderen Seite weiter verkauft wurde. Und Menschen mit weißer Hautfarbe waren die Hauptnutznießer der Sklaverei.



          2. Menschen mit schwarzer Hautfarbe: "Zuweilen gingen die Europäer selbst auf Sklavenjagd; die meisten Sklaven wurden aber von lokalen Herrschern und Händlern an der afrikanischen Küste verkauft. Da Krieg die wichtigste Quelle für Gefangene war, die sich als Sklaven an die Europäer verkaufen ließen, führte der Sklavenhandel auch zu mehr Konflikten in Afrika." de.wikipedia.org/w...avenhandel#Neuzeit



          3. Dann haben wir noch den Sklavenhandel der durch Menschen mit leicht dunklerer Hautfarbe gemacht wurde ("Arabischer Sklavenhandel"). Also durch die Sahara in den Nahen Osten.



          Ergebnis: Die Welt ist weitaus komplizierter als man denkt. Das soll weder etwas rechtfertigen, noch verharmlosen, sondern schlicht diese Wahrheit belegen:



          Die Welt ist komplizierter als starre Identitätsschablonen.



          Und, ja, jeder sollte sich seiner Geschichte stellen.

        • @BakuninsBart:

          >den aktuellen Stand und Umgang eines Landes mit seiner Geschichte widerspiegeln<

          und sei es nur um n icht mehr mit der eigenen Geschichte konfrontiert zu werden.

          • @Okin Eggür:

            So ein Ergebnis würde Reaktionäre sicher freuen. Es ist also aus linksemanzipatorischer Perspektive geboten u.a. deutschen Kolonialismus und das Kaiserreich samt Kontinuitäten kritisch in Schule und sonstigen Bildungseinrichtungen zu thematisieren. Dann ist zu fragen, wie die deutsche Beziehung heute zu den Herero und Nama aussieht. Was ist bspw. mit Reparationszahlungen? Wie sieht das öffentliche Gedenken der Opfer des Genozids durch deutsche Truppen aus ...

        • @BakuninsBart:

          >Ein vier Meter hohes Standbild von einem der Tausende Menschenleben auf dem Gewissen hat,<

          nun wenn man diese ergänzen würde durch eine entsprechende Darstellung seiner Opfer (z.Bsp. das der Sockel eben mit diesen Ergänzt würde so das er eben auch ganz bildlich auf diesen steht) würde vor Ort sicherlich zu einer anderen Wahrnehmung führen

          >erhoffen Sie sich davon?<



          letztendlich erinnern Sie eben auch ganz deutlich nicht zu übersehen an die Schattenseiten des "eigenen" Wohlstandes bzw. der Gesellschaft..



          Nur allzu oft funktioniert der Mensch nach der Logik:



          aus den Augen aus dem Sinn (der Erinnerung)

          • @Okin Eggür:

            "nun wenn man diese ergänzen würde durch eine entsprechende Darstellung seiner Opfer (z.Bsp. das der Sockel eben mit diesen Ergänzt würde so das er eben auch ganz bildlich auf diesen steht) "

            Aber wenn eine (fiktive) Hitlerstatue genau vor dem Reichstag gestanden hätte, wäre es dann auch genug, wenn jetzt eine kontextualisierende Plakette dran wäre und er auch noch auf seinen Opfern stünde? Würde es das nicht eher noch schlimmer machen?

        • @BakuninsBart:

          Hitlerstatuen wurden gesprengt? Hätte es dazu nicht erstmal welche geben müssen?

          • @Ewald der Etrusker:

            Da AH um seine Begrenzte Schönheit wusste bestanden diese zumeist aus dem Adler mit dem geklauten/abgekupferten Symbol.

          • @Ewald der Etrusker:

            ... falls Sie da nichts finden, dann nehmen Sie die Aussage doch sinngemäß und auf abstrakterer Ebene als Abstandnehmen von Ehrungen. Umbennenungen von Straßennamen hat es im Rahmen der sogenannten Entnazifizerung bspw. jedenfalls gegeben:



            de.wikipedia.org/w...n_und_Pl%C3%A4tzen