Ausgangssperren in Bayern wegen Corona: Schleich di!
In Bayern gibt es erste lokale Ausgangssperren, um Corona einzudämmen. Auch andere Bundesländer schließen das nicht mehr aus.
Die bislang schärfste Maßnahme gegen die Pandemie stützt sich auf Paragraf 28 im Infektionsschutzgesetz, wonach Behörden Personen verpflichten können, „den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten“. Womöglich wird sie bald in ganz Bayern in allen Städten und Kommunen eingeführt.
Diese Möglichkeit hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Donnerstag in seiner Regierungserklärung sehr deutlich angesprochen: „Wenn sich viele Menschen nicht beschränken“, sagte er, „dann bleibt am Ende nur die bayernweite Ausgangssperre. Das muss jedem klar sein.“
Das bedeutet: Bürger dürfen ihre Wohnung oder ihr Haus nur aus dringenden Gründen verlassen. Etwa, um Lebensmittel einzukaufen, zur Arbeit, zum Arzt oder zur Apotheke zu gehen. Treffen von mehreren Personen im Freien oder in Gebäuden sind nicht erlaubt und werden von der Polizei aufgelöst. Wer die Gemeinde verlassen oder betreten will, braucht eine Bescheinigung des Arbeitgebers. Nach Verkündung der Ausgangssperre fuhren Feuerwehr und Rotes Kreuz mit Lautsprechern durch die Straßen, um die Nachricht zu verbreiten. Jeder Haushalt bekam ein Flugblatt in den Briefkasten geworfen.
„Die Bevölkerung ist sehr diszipliniert“, berichtet Bürgermeister Grillmeier. „Man sieht sehr wenige Leute auf der Straße.“ Für besonders gefährdete Einwohner ab 65 Jahren wurde eine Hotline eingerichtet: Über die können Bestellungen aufgegeben und etwa Pakete zugestellt werden. Die Sperre gilt vorerst bis 2. April. Bis Mittwochnachmittag gab es im Landkreis Tirschenreuth 47 bestätigte Corona-Fälle, davon 25 in Mitterteich – eine ungewöhnliche Häufung.
In starkem Verdacht steht das Starkbierfest am 7. März, das nicht abgesagt worden war und wo sich traditionell die halbe Stadt trifft. Zusammenkünfte solcher Art sind derzeit in ganz Deutschland verboten. Doch nach Ansicht von Markus Söder treffen sich die Bürger weiterhin privat zu oft, zu nah und in zu großen Gruppen. Damit begründet er seine Überlegungen für eine bayernweite Ausgangssperre: „Viele halten sich eben nicht an die Empfehlungen. Das schöne Wetter verführt zum Rausgehen, zum Treffen mit Freunden an der Isar, am Englischen Garten, am Tegernsee.“ Die Politik könne „dabei nicht endlos zuschauen“.
Drastischer Einschnitt
Auch in anderen Bundesländern schließen die Landesväter die Ausgangssperre nicht mehr aus. Und zwar quer durch die Parteien, von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) über seinen baden-württembergischen Kollegen Winfried Kretschmann (Grüne) bis hin zu Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD).
Dabei ist der Nutzen dieses drastischen Eingriffs in die Grundrechte zweifelhaft. „Aus Sicht der Epidemiologie gibt es dafür, dass man nicht mehr rausdarf an die frische Luft, kein Argument“, sagt der Mikrobiologe Alexander Kekulé. Christian Drosten von der Berliner Charité sieht es ähnlich: Nach derzeitigen Erkenntnissen zirkuliere das Virus nur wenige Minuten und falle dann recht schnell zu Boden. „Es ist also nicht so, dass wenn man sich beim Spazierengehen begegnet, sofort infiziert“, sagt der Virologe in seinem NDR-Podcast.
Die Bundesregierung jedenfalls will nun erst mal abwarten, wie sehr die bisherigen Maßnahmen fruchten. Steigt die Zahl der Infizierten weiter stark an, könnten nach Schul- und Ladenschließungen auch die Ausgangssperren folgen. Auch Kanzlerin Angela Merkel hat weitere Maßnahmen in ihrer TV-Ansprache am Mittwoch nicht ausgeschlossen: „Wir werden als Regierung stets neu prüfen, was sich wieder korrigieren lässt, aber auch, was womöglich noch nötig ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ende der Ampel-Regierung
Ein Gefühl von Zusammenbruch
Ampelkoalition zerbricht
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Ampelkoalition gescheitert
Endlich!
Trumps Wahlsieg in den USA
Gaga für MAGA
Scheitern der Ampelkoalition
Ampel aus die Maus
Pro und Contra zum Ampel-Streit
Sollen wir jetzt auch wählen?