Rigide Corona-Maßnahmen in Österreich: Ösis allein zu Haus

Kaffeehäuser in Wien sind zu, die meisten Geschäfte auch. Die Märkte – verlassen. Es gelten Ausgangssperren seit Montag, Gassi gehen bleibt erlaubt.

Fünf Männer sitzen auf Hockern am leeren Naschmarkt in Wien

Die Männer am Wiener Naschmarkt nehmen es genau, Versammlungen von mehr als fünf sind verboten Foto: reuters

WIEN taz | Im Café d’Europe am Wiener Graben ist normalerweise um die Mittagszeit schwer ein Tisch zu finden. Am Montag ist in der Fußgängerzone aber jeder zweite Tisch frei. Auch in der nahe gelegenen Filiale der Kaffeehauskette Aida sieht es nicht anders aus: Einige Kunden schlürfen ihre letzte Melange und verzehren einen rosa Punschkrapferl. Um 15 Uhr ist Schluss. Alle Gastronomiebetriebe müssen bis auf Weiteres schließen. Die teuren Boutiquen am Graben, die Juweliergeschäfte und Antiquitätenläden sind zu.

Nicht alle Restaurants machen von der letzten erlaubten Öffnung Gebrauch. Der Nobelwirt Zum Schwarzen Kameel, wo am Wochenende noch getafelt wurde, als gäb’s kein Morgen, erklärt die Schließung auf einem Aushang mit zu „Ihrem Schutz und zum Schutz unserer Mitarbeiter“. Optimisten wie der Geschäftsführer der Boutique Chanel sprechen von einer Schließung bis zum 22. März. Die meisten anderen Läden sind „auf unbestimmte Zeit“ geschlossen. Viele verzichten ganz auf schriftliche Erklärungen an der Eingangstür. Die Maßnahmen, mit denen die österreichische Regierung der explosionsartigen Ausbreitung des Coronavirus begegnen will, haben sich herumgesprochen.

Es gebe „nur drei Gründe, hinauszugehen“, hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Wochenende verkündet: Die Arbeit, notwendige Besorgungen und die Unterstützung hilfloser Menschen. Spazieren gehen, Gassi gehen mit dem Hund oder Joggen sind aber nicht verboten, solange man es allein oder in Begleitung von Personen aus demselben Haushalt mache.

Verboten ist in jedem Fall die Versammlung von mehr als fünf Personen. In der Wiener Innenstadt sind keine Gruppen auszumachen, die provokant gegen diese Regel verstoßen. In Abwesenheit der sonst allgegenwärtigen Reisegruppen aus China, Italien oder der angelsächsischen Welt wirken die Straßen leer, aber nicht entvölkert. Eine Gruppe von Polizisten patrouilliert lachend und entspannt durch den Bezirk. Sie dürfen die Einhaltung der neuen Ordnung mit Verwaltungsstrafen von bis zu 3.600 Euro durchsetzen.

Gespenstisch präsentiert sich der Flughafen Schwechat, wo nur noch wenige Linienmaschinen landen. Ein Flughafensprecher sagt, viele Urlauber versuchten wegen der Landeverbote aus mehreren Ländern noch rechtzeitig nach Hause zu kommen. Laut Kanzler Kurz wird der Betrieb „sukzessive komplett eingestellt“. Die zur Lufthansa gehörende Austrian Airlines und die Ryanair-Tochter Laudamotion stellen ihren regulären Flugbetrieb temporär ein.

Vorzimmer des Gesundheitsnotstands

Stand Montagmittag waren in Österreich nach rund 8.500 Tests 1.018 Coronafälle bestätigt. Doch die Dunkelziffer dürfte höher sein. Bei der Corona-Hotline wurde das Personal an den Telefonen von 30 auf 120 vervierfacht, dennoch bleiben Menschen oft in der Warteschleife hängen.

Mit bisher zwei Todesopfern und relativ wenigen Akutfällen dürfte Österreich erst im Vorzimmer des Gesundheitsnotstands angekommen sein. Die Vorbereitungen für den Ernstfall werden aber getroffen. Medizinisches Personal muss selbst nach Nachtdiensten in Bereitschaft bleiben. Wehrdiener beim Bundesheer, die Ende März abrüsten sollten, müssen zwei Monate länger dienen. Auch Zivildienern wurde der Dienst verlängert.

Damit stehen 6.500 junge Männer zusätzlich zur Verfügung: als Sanitäter, Rettungsfahrer oder einfach zur Verstärkung in den Supermärkten, in denen Regale nachgefüllt werden müssen. Österreicher, die bisher relativ gelassen auf die Maßnahmen reagiert haben, decken sich offenbar für harte Zeiten ein. Dazu zählt auch genügend Bargeld: an den Bankomaten wurde in den letzten Tagen zwei- bis dreimal mehr abgehoben als üblich.

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