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Covid-19 und die KostenKeine Angst vor neuen Schulden

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Der deutsche Staat muss jetzt hohe, aber günstige Kredite aufnehmen. Langfristig wird Corona zu Wachstum führen.

Scholz gibt grünes Licht für die Neuverschuldung. Der Virologe Christian Drosten wirkt skeptisch Foto: Michele Tantussi/reuters

D er deutsche Staat rutscht tief ins Minus. Täglich verkündet Finanzminister Olaf Scholz neue Milliardenausgaben, um die ökonomischen Folgen der Corona-Epidemie aufzufangen. Die Bundesregierung rechnet momentan damit, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 5 Prozent einbricht. Von der „schwarzen Null“ ist nicht mehr die Rede, stattdessen erwartet Scholz nun ein Haushaltsdefizit von 150 Milliarden Euro. Dieser Betrag ist jedoch nur eine Schätzung.

Jeder Tag lässt die Steuereinnahmen weiter einbrechen, während immer mehr Betriebe schließen, Kurzarbeiter zu versorgen sind und Selbstständige Hartz IV beantragen. Das Defizit könnte am Ende auch 500 Milliarden Euro betragen. Diese Summen kann sich der deutsche Staat mühelos leisten. Momentan muss die Bundesregierung für einen zehnjährigen Kredit minus 0,32 Prozent Zinsen zahlen. Der Finanzminister bekommt also noch Geld geschenkt, wenn er Darlehen aufnimmt.

Trotzdem fragen sich viele Deutsche besorgt, was mit dem neuen Schuldenberg passiert, wenn die Corona-Krise überstanden ist. Werden dann die Steuern erhöht, um die Darlehen zurückzahlen zu können? Dieses Szenario ist unwahrscheinlich, wie die Vergangenheit zeigt: Die Corona-Epidemie lässt sich mit der Finanzkrise vergleichen, denn 2009 schrumpfte die deutsche Wirtschaftsleistung um 5,7 Prozent, während zeitgleich die Staatsverschuldung in die Höhe schoss.

Trotzdem wurden die Steuern hinterher nicht erhöht. Stattdessen hoffte der Staat auf Wachstum, und dieses Kalkül ging auf. Nach der Finanzkrise legte die deutsche Wirtschaft in nur zwei Jahren um insgesamt 8,3 Prozent zu. Ein derartiger Schub ist auch nach der Corona-Epidemie zu erwarten. Millionen Menschen werden ihren Urlaub nachholen und die Hotels beleben, Firmen werden investieren. Sobald die Wirtschaftsleistung steigt, nimmt aber die Last der Schulden relativ ab. Die Kredite werden nicht zurückgezahlt, sondern verlieren an Bedeutung.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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21 Kommentare

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  • "Angst vor neuen Schulden " muss nur haben wer befürchtet dass alte schulden nicht bezahlt werden.

    alle staaten der welt sollten vereinbaren dass sie ihre schulden anullieren und ihre gläubiger*innen leer ausgehen lassen



    wenn sie gleichzeitig vereinbaren gleich hohe steuern zu erheben und die steuern für die reichen zu erhöhen wird dies dazu führen dass ihnen genug geld zur verfügung steht um die wichtigste aufgabe unserer zeit nämlich die bewahrung der schöpfung vor weiterer zerstörung zu erfüllen.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @satgurupseudologos:

      Das eine würde vorallem Rentner treffen, das andere wird nicht passieren. Kriegen wir ja noch nichtmal in der EU hin.

    • @satgurupseudologos:

      Da werden dann ganz viele Leute ihr Erspartes verlieren Plus Rentenausfällen ohne Ende. Ihr Vorschlag sieht daher für mich relativ unfertig aus.

      • @Tom Farmer:

        mehr als die hälfte der bürger*nnen der brd besitzt nichts oder fast nichts und hat also auch nichts oder fast nichts zu verlieren,wenn es zu einer sozialen revolution kommt die zur anullierung aller schulden führt.



        wenn weltweit die steuern für die reichen erhöht werden und die zahlungen an die gläubiger*innen entfallen geht es allen armen wirtschaftlich besser,das gilt auch



        auch für die allermeisten rentner*innen



        denn für das gesundheissystem für die pflege und für die staatliche rente kann dann mehr geld ausgegeben werden



        .ausserdem habe Ich doch ausdrücklich gesagt dass die schulden auf kosten der reichen anulliert werden sollen.und in einem anderen beitrag habe Ich geschieben dass es vermögensobergrenzen geben wird.



        für personen die nicht reich,aber auch nicht arm sind und die so dumm waren staatsanleihen zu kaufen,wird es eine grosszügig kalkulierte obergrenze geben,bis zu der staatsanleihen in aktien oder bargeld umgetauscht werden.da alle reichen deren vermögen die vermögensobergrenze überschreitet enteignet werden wird es an geld dafür nicht fehlen.



        auch die mittelschichten brauchen sich also keine sorgen zu machen.die soziale revolution richtet sich nicht gegen sie sondern nur gegen die reichen und superreichen die auch den grössten teil der staatsanleihen besitzen und dazu benutzen die demokratie abzuschaffen



        .

  • Anstatt zu nur zu verhindern, daß Firmen wegen der Corona-Krise insolvent werden, werden wir Krisengewinnler erleben...

  • Ja, so ist das: Volle inhaltliche Zustimmung.



    In Zeiten in denen es Steuerbürgern und Firmen gut geht werden auch mehr Steuern gezahlt. In schlechten Zeiten eben weniger, was konkret nix anderes heißt, dass der Staat da was zurückgeben muss (gar per Schulden, da der Staat eben leichter Schulden machen kann) und in besseren Zeiten wieder von den Bürgern "erstattet" bekommt.



    So läuft das System, kann man gut oder schlecht finden. Derzeit ist das der Stand und so richtig übel siehts ja (fiskal) auch nicht aus.

  • "Millionen Menschen werden ihren Urlaub nachholen und die Hotels beleben."

    Es gibt so viele gute gründe auch davor schon, dass genau das und vieles andere bitte nicht passiert.

  • "Ein derartiger Schub ist auch nach der Corona-Epidemie zu erwarten. Millionen Menschen werden ihren Urlaub nachholen und die Hotels beleben,.."

    Vielleicht die deutschen Hotels, die nicht pleite gegangen sind. Aber was ist mit den Hotels und der Gastronomie in anderen Ländern? Der Massentourismus, wie wir ihn bislang kannten, wird es vermutlich nicht mehr in der Form geben. Und solange Corona nicht besiegt ist, was noch 1-2 Jahre dauern wird, schon gar nicht.

  • Gut, wenn Existenz von Unternehmen, Gewerbetreibende, Freiberufler durch Aktivierung des ESM für Banken, Versicherungen im Krisenfall, angesichts weitreichenden Shut- , Lockdown der Ökonomie durch anrollende Pandemie, abgesichert werden, weniger gut ist, das Privathaushalte in Negativzins Zeiten weiter mit Dispozins um 11-13 %/anno blieben, weil die Bundesregierung, Bundestag nichts unternimmt. Was nützt es Selbständigen, Privathaushalten mit Grundsicherung versehen, wenn sie ihre Dispo Zinslasten, nicht als Bedarf bei Berechnung der Grundsicherung veranlagen dürfen. Ankündigung der Bereitschaft zu Neuverschuldung dokumentiert außer verbaler Aufgeschlossenheit nichts, es sei denn Finanzminister Bund, Länder geben Finanzmittel frei, endlich Appell Robert-Koch Institut (RKI) zu folgen „Testen! Testen“, Labore so auszustatten, dass sie bundesweit, Haus zu Haus, unter der Voraussetzung entsprechend vorhandener Atemschutzmasken, von Tür zu Tür Covid-19 Tests an allen Bewohnern*nnen vornehmen können, Infizierte ohne bis milde Symptome in Hausarrest, bei mittleren bis schweren Symptomen auf vorhandene Klinik Intensivmedizinplätze schicken können, beunruhigte Bürger, die sich testen lassen wollen, nicht bereits am Telefon abweisen, weil Labore mangels Personal, Material dazu nicht imstane sind. Erst dann hätten Finanzminister 1. Schritt getan, zu supporten, sich ein wahres Datenbild zu machen, wie viele Infizierte es überhaupt gibt, sonders die, die den Erreger immunisiert wirkungslos in sich, aber nicht mehr weitertragen, Der 2. Schritt ist, wenn Finanzminister auf EU Ebene, Weg frei machen, ESM für EU Gesundheitswesen zu installieren, EU Ratsmitglieder finanzielle Mittel bereitstellen, auf WHO, UNHCR, UN Ebene, Welt- Stabilisierungs- Mechanismus (WSM) für Weltgesundheitssystem im Fall von Pandemien wie dem Covid-19-, Malaria-, Ebola. HIV- Virus weltgesellschaftlich solidarisch zu implementieren. Kommt da deutsche UN Sicherheitsratpräsidentschaft nicht genau richtig?

  • Mag sein, dass nach der Krise die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt. Vielleicht war das dann nur eine zusätzliche Krise zu denen, die im Kapitalismus regelmäßig zyklisch auftreten. Wie diese zyklischen Krisen ist danach aber nicht alles wieder beim alten: Die kleinen werden die Krise nicht überstehen: Der Einzelhandel, die kleinen Kneipen z.B. Dafür werden die Großen noch größer: Amazon stellte jetzt schon zusätzliche Kräfte ein und die pleitegegangenen Restaurants wird dann vielleicht McDonald übernehmen. Und auch das Heer der Arbeitslosen wird sich nach der Krise vergrößert haben - auch das gut für die Konzerne, gab doch die geringe Arbeitslosenquote in letzter Zeit den Gewerkschaften zunehmend mehr Macht.

  • Die neuen Schulden sind zwingend notwendig. Diese Schulden wären gar kein Problem, wenn Deutschland nach fast 10 Jahren Wirtschaftswachstum Schuldenfrei wäre. Jetzt kommen die Schulden aber oben drauf und werden zumindest irgend einer Generation nach uns (früher oder später) die Luft abdrücken!



    Schulden machen in "normalen" Zeiten ohne klaren Rückzahlungsplan halte ich für öffentliche Kassen verantwortungslos.

    • @Fridolin:

      Wieso "die Luft abdrücken"? Es sind *Minuszinsen*!!! Wir kriegen Geld dazu!! Wir werden dadurch stetig reicher!! Da drückt einem höchstens das ganze Geld die Luft ab, das sie uns nachschmeißen! Wir müssten nur einfach genug solche Kredite aufnehmen, dann könnte sich der Staat aus den Zinsen finanzieren und die Steuern würden sinken! -- Luft abdrücken, pah...!

    • @Fridolin:

      Leider nicht richtig, was Sie sagen. Der letzte Satz von Frau Herrmann stimmt etwa, nämlich dass die Schulden (die in den "Büchern" stehen) bedeutungslos werden.

      Allerdings wird nicht aufgezeigt, wie die Umwelt (weiterhin) leiden wird.

      Im Sarkasmus: Wir überleben Corona, aber danach holen uns Unwetter und Krebs.

      Bitter: Na Hauptsache, es geht weiter :-)).

  • Geld entsteht durch die EZB und die kreditvergebenden Banken, solange der Staat sich das Geld bei der EZB holt, sind die Schulden egal.



    Der unselige neoliberale Irrsinn, das der Staat sich am Kapitalmarkt Geld besorgen muß, erzeugt genau die existenzielle Verschuldung die er vorguibt zu verhindern. Schulden am Kapitalmarkt sind reale Schulden.



    Bei der EZB sind es Buchschulden.



    Wer jetzt Inflation etc ruft, dem sei einmal der Mechanismus der Kreditvergabe zum Nachlesen empfohlen, jede x-beliebige Bank schöpft Geld, sobald ein Kredit ausgegeben wird. Das erhöht auch die Geldmenge und niemand ruft Inflation, Geldjunkie etc.

    • @nutzer:

      Da bin ich grundsätzlich bei Ihnen. Wir wissen zwar nicht, also jedenfalls ich nicht, wo "Ollaff" die "Kohle" herholen wird, aber soweit er es sozusagen bei sich selbst holt, kann man ja getrost zunächst dagegenrechnen (ich bin hier jetzt bei Ihren Worten, die Sie an "Inflation!-Brüller" richten), was die privaten Geschäftsbanken eben nicht als Geld schöpfen werden, weil bei Ihnen die Nachfrage fehlen dürfte. Gefährlich indes für diese Banken ist es ebenso.

    • @nutzer:

      So ist es richtig. aber nur so lange, wie die Produktion erhalten bleibt. Geld drücken ohne Produktion führt in den Abgrund der Währunslosigkeit.



      Das war das Problem der 1920er

    • @nutzer:

      Ganz genau. Wir haben ein Problem in ganz Europa. D.h. wir müssen dieses Problem europäisch lösen.

      Die EZB ist der richtige Ort. Und es wäre jetzt der Zeitpunkt mit einer erheblichen Geldschöpfung die Menschen zu unterstützen und die Wirtschaft mit Investitionen in die klimaneutrale Transformation zu beleben.

      Für die EZB ist es Buchgeld, für alle ist es eine Existenz, für die Welt ist es eine Lebensversicherung. Nur für ein paar Ökonomen ist es Sünde.

  • Eine gute Gelegenheit, endlich das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen. Dass das funktionieren kann, z.B. mit Hilfe der Finanzaktionssteuer, haben kluge Menschen längst berechnet. Also los!

    • @bärin:

      BGE ist leider nach wie vor dummes Zeug, wenn man nicht gleichzeitig einige Regeln ändert, denn das BGE wirkte in und unter der alten Ordnung konsumtiv.

      Zahlen Sie es doch im ersten Jahr, und im zweiten Jahr, womöglich haben Sie noch ein drittes - und was ist danach?!

      Dass aber, siehe Corona-Olaf, etwas geschehen muss, ist klar. Da darf man auch an ein BGE, oder Ähnliches, denken aber zeitlich begrenzt.

      Z.B über die Landesbanken und die Bundesbank hätten schon längst die Löhne garantiert werden müssen. Dies entspräche etwa einem BGE.

  • Sorry aber dass ist doch eine zu einfache Sicht.



    Die Verschuldung ist notwendig aber zu suggerieren, dass das keine Konsequenzen hat ist ignorant gegenüber den nächsten Generationen.

    • @alterego:

      Nicht die Schulden, sondern die Verteilung der, in erster Linie, der Primäreinkommen bestimmen das Schicksal der Gesellschaft.

      Leider geht in den Köpfen der Menschen noch immer der "Neoklassik-Mann" um. Sie sind nicht allein :-).