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Glyphosat, Wissenschaft und LobbyismusMonsanto kauft Studien

Der Konzern verschweigt die Finanzierung von Glyphosat-Studien aus Deutschland und benutzt die Wissenschaft so für seine Lobbyarbeit.

Ein Traktor spritzt das umstrittene Gift Foto: dpa

In zwei Jahren entscheidet die EU erneut über die Zulassung des Pestizids Glyphosat. Der Unkrautvernichter der Firma Monsanto steht im Verdacht, Krebs zu erzeugen und die Artenvielfalt zu zerstören. Umweltschützer*innen fordern daher ein Verbot des Pestizids. Verteidiger*innen der chemisch-industriellen Landwirtschaft halten Glyphosat hingegen für unverzichtbar.

Wissenschaftliche Studien sind in diesem Lobbystreit ein wichtiger Bezugspunkt. Dass Monsanto für seine Lobbyarbeit verdeckt Glyphosat-Studien in den USA finanzierte, war schon bekannt. Jetzt wurde öffentlich, dass der Konzern auch seine finanzielle Beteiligung bei mindestens zwei Studien aus Deutschland verschwiegen hat. Das deckten das ARD-Magazin Monitor und LobbyControl in ihren Recherchen auf.

Gegenüber LobbyControl bestätigte Bayer, der jetzige Eigentümer von Monsanto, dass der Konzern zwei Studien des Institut für Agribusiness (IAB) aus Gießen beauftragt und finanziert habe. Beide Studien unterstützen den weiteren Einsatz des Pestizids. Die erste aus dem Jahr 2011 prognostiziert in der EU einen Wohlstandsverlust von 1,4 Milliarden US-Dollar pro Jahr, wenn das Pestizid verboten wird.

Eine zweite Studie von 2015 bescheinigt Glyphosat sogar einen positiven Beitrag zum Umweltschutz: Es schone den Ackerboden und verringere den CO2-Ausstoß der Landwirtschaft. Der Autor der Studien, Agrarökonom Michael Schmitz, gab die Beteiligung von Monsanto beide Male nicht an. Schmitz lehrte bis 2015 an der Universität Gießen und betrieb das private Forschungsinstitut mit einer Adresse der Hochschule.

Kronzeugen mit Professorentitel

Das IAB publizierte die Ergebnisse mit Verweis auf die Universität Gießen im Journal für Kulturpflanzen, einer Fachzeitschrift des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen. Im Anschluss bezogen sich andere wissenschaftliche Publikationen und die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft auf die Studienergebnisse. Wie Monitor schreibt, warb auch der Chemiekonzern Bayer mit Studien von Schmitz für eine Verlängerung der Glyphosat-Zulassung. Inzwischen sei der Verweis von der Homepage verschwunden.

Sowohl Bayer als der auch der Autor der Studie äußerten sich gegenüber Monitor nicht zur verdeckten Finanzierung. Sie verwiesen lediglich darauf, dass die Wissenschaftlichkeit der Ergebnisse deswegen nicht zu beanstanden sei.

„Monsanto benutzte Kronzeugen mit Professorentitel, um den eigenen Botschaften Glaubwürdigkeit zu verleihen und sich mehr Gehör in der Öffentlichkeit und Politik zu verschaffen“, kritisiert Ulrich Müller von LobbyControl Monsanto für das Verschleiern seiner wirtschaftlichen Interessen. Die NGO fordert Bayer als Monsanto-Eigentümer auf, bei allen Studien im jetzt beginnenden Prozess zur Wiederzulassung von Glyphosat die Finanzierung klar zu benennen. Es dürfe nichts als neutrale Wissenschaft erscheinen, das von der Industrie bezahlt wurde.

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21 Kommentare

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  • Wenn ich richtig informiert bin, ist es in der EU die Aufgabe der Pflanzenschutzmittelhersteller, die Finanzierung von Zulassungen zu übernehmen. Auch alle Untersuchungen zu den Mitteln müssen sie bezahlen. Finde ich Fair. Wenn hierfür Steuergelder verwendet würden, wäre der Aufschrei sicherlich genauso groß. Sicherlich muss die Objektivität überwacht werden. Aber dass Monsanto, als Hersteller Untersuchungen zu einem, von ihnen selbst produzierten Herbizid finanziert, halte ich nicht für Lobbyismus, sondern für richtig. Wer sollte es denn sonst bezahlen?

  • „Monsanto kauft Studien“

    Damit konnte doch niemand rechnen.«(º¿º)»

  • Schuld haben durchaus auch die "Wissenschaftler", die der neoliberalen Ideologie verfallen sind und tatsächlich denken, ihre Aufgabe in der Gesellschaft wäre nicht etwa "wissen schaffen" sondern "sich möglichst viel Geld in die eigene Taschen zu stopfen". :-/

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Franz Georg:

      daran ist nichts neoliberal, nahezu alle Menschen streben nach mehr - Prestige, Sex, Macht, Besitz.



      Geld ist da nur Mittel zum Zweck.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Genau dieses "Streben nach mehr - Prestige, Sex, Macht, Besitz" bzw. die bereits zum Fetisch pervertierte Fixierung darauf ist neoliberal und die "Krankheit der Gesellschaft" ...



        Jahrzehnte langer Propaganda von Wirtschaftsverbänden, Politerkern und Werbung sei Dank!

        Ich bin bzw. versuche zufrieden zu sein, wenn ich alles habe, was ich brauche.



        Warum sollte ein Mensch (von Natur aus, ohne Gehirnwäsche) mehr haben wollen als er braucht?

        • 4G
          4813 (Profil gelöscht)
          @Franz Georg:

          Was ist denn, bitte schön, gegen mehr Sex zu sagen?



          Es gibt eher zu wenig Sex in dieser Welt.

      • 0G
        08439 (Profil gelöscht)
        @83379 (Profil gelöscht):

        Im Gegensatz zu Ihnen, bin ich der Auffassung, dass das Gegenteil richtig ist: nahezu alle Menschen streben nach Zufriedenheit, sind aber vom Neoliberalismus/Kapitalismus psychisch so zugerichtet, dass sie die feilgebotenen Glasperlen irrigerweise für dessen Insignien halten.

  • Der Skandal daran ist weder, dass Konzerne so etwas versuchen, noch dass Wissenschaftler Verlockungen erliegen. Das ist verständlich, menschlich und wird nie ganz zu verhindern sein.



    Der Skandal ist vielmehr, dass Forschung und Wissenschaft von der Öffentlichkeit mit so geringen finanziellen Mitteln ausgestattet werden, dass sie in immer größerem Maße auf private Finanzierung angewiesen sind!

    • @boidsen:

      Die Wissenschaft ist nicht darauf angewiesen, gierige Institutsleiter, denen ein 5 stellige Monatsgehalt nicht reicht, sind darauf "angewiesen".

      Genauso wie Politiker auf die "gut" bezahlten Aufsichtsratsposten u.d.g. nach der Politik "angewiesen" sind ...

      • @Franz Georg:

        Die Wissenschaft ist tatsächlich auf finanzielle Mittel angewiesen. Insbesondere die universitäre Forschung leidet seit Längerem unter mangelnder Finanzierung. Geld kommt immer nur für die Themen, die aktuell brisant sind.

      • @Franz Georg:

        Quatsch.

        Sagen sie das der Lehrstulinhaberin, die nicht weiss, aus welchen Mitteln sie ihre drei vielversprechenden Doktorandinnen in spe finanzieren soll.

        Die sowieso bereit wären, unter den fast-prekären Bedingungen, die heutzutage in Academia üblich sind zu schuften, weil sie für die Sache *brennen*.

        Nein. Forschung & Lehre sollte viel mehr öffentliche Aufgabe werden, wenn wir nicht so eine Grütze wie mit Monsanto/Bayer ständig erleben wollen.

        • @tomás zerolo:

          Da ich selbst Promoviert bin, maße ich mir zu gewissem Grade an, aus Erfahrung sprechen zu können.

          Forschung und Lehre sollte (mMn) NUR aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. "Drittmittel" sind ein neoliberales Übel, dass die Glaubwürdigkeit, Integrität und Unabhängigkeit der Wissenschaft gefährdet -- wie dieser Fall (mal wieder) überdeutlich zeigt.

          • @Franz Georg:

            Sehe ich absolut genauso.

            Ich wollte lediglich der Aussage widersprechen, dass Academia genügend Mittel hätte und es nur die gierigen Profs sind, die nach Drittmitteln greifen.

            Ich würde sogar sagen: wenn die Industrie so freigiebig ist, dann ist sie offensichtlich nicht genug besteuert worden.

  • Vermutlich ist Monsanto hauptverantwortlich für das weltweite Insektensterben.



    Beobachten wir die Felder. Totenstill ist es entlang vieler Maisfelder.

  • Das ist leider übliche Praxis und keineswegs nur Eigenart von Bayer. Die Universitäten sind integraler Teil dieses Korruptionskarussells. Ich darf an die diversen Studien erinnern, die den Diesel zum Saubermann hochjubelten.

    • @el presidente:

      Hhm, und deswegen ist in Ordnung, wenn es alle machen?



      Besonders die, die alles zerstören und uns zum Gift-Fressen zwingen?



      Die sich gleich selbst bescheinigen, dass das alles keine Probleme macht?



      Es ist ganz und gar nicht in Ordnung und dürfte auf gar keinen Fall "übliche Praxis sein". Werden jetzt schon Gesetzesbruch und Täuschung relativiert?



      Sie sollten dazu deutlicher Stellung beziehen – würde ich mir wünschen.



      Die Korruption als solche zu konstatieren reicht m. E. nicht (mehr).

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG)



    § 17 Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind

    Da Nutzflächen für Kulturpflanzen der Bauern Nahrungsmittel für die Allgemeinheit produzieren?

    Verboten Verboten Verboten



    Weiter steht bei Glyphosat zB eine Gefahrenkennzeichnung die es nur bis 31.12.2017 erlaubte.



    2 mal Verboten Verboten Verboten



    Und dann steht auf diesen Verpackungen Glyphosat folgendes Nicht in Gewässer Nicht in Kanalysation rinbringen. 3 mal Verboten Verboten Verboten

    Wo darf das Zeugs dann ausgebracht werden?



    Nirgend. Selber saufen Allgemeinheit schützen.

  • Gut, dass der Bayer-Konzern mal öffentlich klar gestellt hat, dass die Ethik-Regeln, denen sich praktisch alle seriösen wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsinstitutionen unterworfen haben, nicht für den Bayer-Konzern gelten.



    Das mag für die Bayer-Aktionäre akzeptabel sein; der Rest der Welt sollte sich jedoch fragen ob sie Organisationen, die von so einer Firma Geld annehmen, nicht als Forschungsinstitutionen disqualifiziert sind.

  • Das ist doch (der) Teil der Wissenschaft:



    Eine These wird aufgestellt, und dann wird versucht sie zu beweisen.



    Um sie zu beweisen, je nachdem welches Ergebnis herauskommen "soll" (besonders bei großen Gewinnen relevant), können auch angeblich objektive Ergebnisse geschönt, umgedreht, manipuliert, frisiert und umgedeutet werden.



    Es kann weggelassen und je nach Versuchsanordnung, Formulierung oder These, Breite der Versuchsfelder, etc. schon von vorne herein ausgeschlossen werden – und zwar alles, was das gewünschte Ergebnis bestätigt oder das unbequeme Ergebnis verschleiert oder gar nicht nennt.



    Und aus diesen Gründen geht es m. E. gar nicht, wenn es die Unternehmen selbst sind, die die Gutachten und/oder Studien selbst in Auftrag geben und dementsprechend auch selbst bezahlen.



    Wer zahlt schafft an.



    Die Aussage "dass die Wissenschaftlichkeit der Ergebnisse deswegen nicht zu beanstanden sei[.]" ist genau aus den oben angeführten Gründen mehr als schwach und für mich ganz und gar nicht relevant.



    Wissenschaftliche Beweise gelten nur so lange, bis das Gegenteil bewiesen bzw. die Unwissenschaftlichkeit durch neue Erkenntnisse ersetzt worden ist.



    Ein unabhängiges Institut, das mit ausreichedn Geldern ausgestattet ist, ist das Mittel der Wahl.



    (Gift sei gut für die Bodenschonung, da könnte ich in schallendes Gelächter ausbrechen, besonders wenn frauman andere, kritische Studien liest und vor allem Erfahrungen von Biobauern hinzuzieht).

  • Hmm? Es geht BAYER/MONSANTO doch eigentlich nur um Profit? ..evtlle `Kurzzeiterfolge´ versus negative `Langzeitwirkung´..? Die Landwirte werden doch eigentlich gefährlich verarscht? Was z.B. mit all den Böden, die da `ausgemergelt´, ohne Insekten, ohne Regenwürmer.. nur dann noch etwas hergeben wenn arg viel Dünger- Chemie benutzt wird? Die einstigen "Deutschen Fluren", voll mit Lerchengesang ud sonstwie Vogelvieh, Insekten und Käfern... wo es schön und ermunternd gesund war.. ob beim Wandern oder mit dem Fahrrad..



    Nun? Todesstille.. niks Vogelvieh oder Insekten, oder Blumen am Felderrand.. und evtl eine Prise giftiger Chemie in der Luft.. wenn der Bauer mit dem Trecker Gift versprüht... Das notwendige Umdenken tut sich schwer !

  • Sowohl Bayer als der auch der Autor der Studie äußerten sich gegenüber Monitor nicht zur verdeckten Finanzierung. Sie verwiesen lediglich darauf, dass die Wissenschaftlichkeit der Ergebnisse deswegen nicht zu beanstanden sei.

    Hmm. Im Radio hieß es heute, dass Bayer gesagt habe, dass dieses Vorgehen gegen die Richtlinien von Bayer verstößt und sie keine "Geheimhaltung" wollten.