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Politik und PsychotherapieRechts im Stuhlkreis

Unser Autor arbeitet als Psychiater in Brandenburg und trifft öfter auf Patienten mit rechter Gesinnung. Wie soll er als Therapeut damit umgehen?

Was tun, wenn die Diskussionen um Thor-Steinar-Klamotten den Stuhlkreis sprengen? Foto: Oliver Sperl

Frau Hüther ist seit einigen Tagen bei uns in Behandlung. Sie ist Anfang 50, leidet an einer Depression und an einer Persönlichkeitsstörung, wegen der sie seit mehreren Jahren arbeitsunfähig und berentet ist. Sie ist bereits zum dritten Mal bei uns. In den Gruppengesprächen klagt sie über die Arbeitsbelastung an ihrem letzten Arbeitsplatz, über die „betrieblichen Umstrukturierungen“ und dass sie es irgendwann nicht mehr geschafft habe. Traurig blickt sie dann auf den Boden.

Mir ist Frau Hüther sympathisch. Sie ist ein leutseliger Mensch, kann die anderen sehr genau spüren, vermag es, mit jedem hier in der Klinik Anknüpfungspunkte für eine Plauderei zu finden. Sie begibt sich gerne unter Menschen, mit einer Sehnsucht, die ich auch von mir selbst kenne, als wären die anderen eine wohlige Decke, mit der sie sich umhüllen kann.

Doch jetzt, da sie traurig auf den Boden blickt, hat sie keine Decke. Sie kommt mir sehr einsam vor. In die Ecke gedrängt, zu einem wehrlosen Opfer ihrer Lebensgeschichte gemacht. Ich denke an ihren strengen und gewalttätigen Vater, dem sie immer alles recht machen will und dem sie nie recht genug ist.

Und dann bricht ihre Stimme um, wird laut und wütend. Frau Hüther spricht über den „entfesselten Kapitalismus“ und darüber, dass es doch heute nur noch um Profit gehe. Sie macht sich Sorgen um ihre zwei Kinder, in was für einer Welt sie aufwachsen würden. Man müsse etwas dagegen tun, wir alle, und dabei blickt sie in die Runde. Je länger sie spricht, desto mehr redet sie sich in Rage. Mir gelingt es nicht, die Lücke zwischen ihren Worten zu finden, um sie aus ihrem Monolog herauszureißen.

Samuel Thoma

hat an verschiedenen Kliniken in Brandenburg als Psychiater gearbeitet. Ein Text über seine Arbeit erscheint im Oktober in der Zeitschrift Sozialpsychiatrische Informationen mit dem Schwerpunkt „Politik und psychiatrische Profession“.

Wo ist die Grenze?

Ich habe über sechs Jahre Medizin studiert und befinde mich seit drei Jahren in meiner klinischen Ausbildung zum Psychiater und Psychotherapeuten. In meiner Ausbildung habe ich gelernt, politische Diskussionen aus der Psychotherapie herauszuhalten. Wir behandeln Menschen unabhängig von kultureller Herkunft, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung und eben auch politischer Gesinnung.

Und wir behandeln Menschen in Lebenskrisen – nicht das gesellschaftliche System. Deshalb haben auch Diskussionen hierüber in der Psychotherapie streng genommen nichts zu suchen. Doch in der Praxis ist das gar nicht so einfach – in Wahrheit wirken politische Ansichten immer wieder latent in die Therapie hinein. Aber wo ist die Grenze, die ich ziehen muss?

So ertappe ich mich dabei, dass ich den Gedanken Frau Hüthers folge und insgeheim zustimme: Alles, was sie sagt, passt für mich aus meiner linken Perspektive zusammen und ich fühle mich mit ihr diesseits meiner therapeutischen Rolle verbunden – bis sie auf einmal sagt: „Und dass unsere deutsche Geschichte nur wegen dieser zwölf Jahre so schlecht sein soll und wir deswegen nicht stolz auf sie sein dürfen, das ist doch eine Schweinerei!“

Nach diesem Satz, den sie viele Monate vor Gaulands „Vogelschiss-Zitat“ in unserer Gruppentherapie ausspricht, muss ich sie unterbrechen. Während ein paar Mitpatient*innen nickend ihre Zustimmung zu Frau Hüther signalisieren, schreite ich ein: „So, Frau Hüther, ich glaube, wir sollten jetzt hier nicht über politische Ansichten debattieren. So was gehört nicht hierhin. Bleiben Sie bitte bei sich.“

Während ich innerlich noch überlege, wo „so was“ denn eigentlich hingehört und Frau Hüther mich erbost anblickt, stelle ich eine typische Therapeutenfrage an die Gruppe: „Kennen denn andere hier auch solche Situationen, in denen sie sich durch die Erwartungen anderer überfordert fühlen und sie immer denken, sie müssten es allen recht machen?“

Politische Gesinnung, die die Gespräche bestimmt

Zu meiner Erleichterung nimmt das Gespräch eine andere Richtung. Es fällt mir schwer, die weitere Gruppenstunde zu leiten. Innerlich bin ich aufgebracht und lege mir Argumente gegen die Verharmlosung der Nazizeit zurecht.

In den Brandenburger Kliniken, in denen ich bislang tätig war, haben wir es immer wieder mit Patient*innen zu tun, deren Gesinnung im Verlaufe der Therapie die Gespräche bestimmt. Frau Hüther ist nur ein Beispiel, an dem sich zeigen lässt, wie schwer es uns fällt, damit umzugehen. Um sie als Person nicht identifizierbar zu machen und das Arztgeheimnis zu wahren, habe ich ihren Namen und wenige Details geändert.

Einige Tage später schaue ich aus dem Fenster meines Büros. Draußen im Hinterhof diskutieren Patient*innen miteinander. Frau Hüther redet auf die anderen ein, ich kann nicht genau verstehen, was sie sagt. Die meisten nicken, manche runzeln die Stirn. Wenn ich jemanden bei uns aufnehme, sage ich gerne: „Unser therapeutisches Team macht nur einen Teil der Arbeit. Den fast wichtigeren Teil machen Sie miteinander, in den Pausengesprächen, wenn Sie sich über Ihre Krisen austauschen. Da sind wir ganz raus.“

Dass wir da ganz raus sind, ist banal, denn natürlich geht es uns nichts an, worüber sich unsere Patient*innen in ihren privaten Pausengesprächen unterhalten. Andererseits sind genau diese ungezwungenen Pausengespräche Teil dessen, was man in der Psychiatrie als „Milieutherapie“ bezeichnet.

Damit ist nicht die Herkunft der Pa­tient*innen gemeint, sondern das Setting einer Einrichtung und die alltäglichen Aktivitäten, etwa das gemeinsame Kaffeetrinken oder die Zigarettenpausen, in denen kein ausdrückliches therapeutisches Ziel verfolgt wird. Dieser institutionelle Alltag vermittelt Stabilität und sozialen Austausch und trägt so zur Genesung der eigenen Lebenskrise bei, zugleich bauen die weiteren Therapien immer auf diesem Alltag auf.

Als Therapeut bin ich da raus

Im Gespräch im Hinterhof, so viel kann ich verstehen, geht es um die „Flüchtlingskrise“; dieses Wort schnappe ich neben den Worten „Merkel“ und „AfD“ von meinem Büro aus auf. Wenig später erfahre ich von einer Kollegin, dass Frau Hüther Mitglied der AfD ist. Mein Bauch zieht sich zusammen. Ich fühle, was ich ja eigentlich wusste: Nicht nur in der Selbsthilfe zwischen den Betroffenen, sondern auch in den politischen Gesprächen zwischen den Therapien bin ich als Therapeut ganz raus, das geht mich nichts an. „Pause ist ja Pause – was da geredet wird, können wir nicht vorschreiben“, sage ich mir und habe zugleich das Gefühl, dass uns gerade etwas entgleitet.

Denn natürlich geht es uns etwas an, wenn jemand agitiert und sich eine Stimmung in unserer Klinik ausbreitet, die die Therapie der anderen Patient*innen erschwert. Beklemmung überkommt mich, Wut auf Frau Hüther und die Situation. Gedanken steigen in mir auf – „Warum ist die überhaupt da?“, „Warum braucht die unsere Hilfe?“ oder: „So krank kann sie ja nicht sein, wenn sie hier herumschwadroniert!“ Dabei weiß ich, dass sie wie jeder andere Mensch Anspruch auf therapeutische Hilfe in Not hat.

Zwei Tage später trägt Frau Hüther ein T-Shirt von Thor Steinar. Thor Steinar ist eine rechtsextreme Kleidungsmarke, die sich mit ihren Zeichen und Slogans geschickt an der Grenze zu verfassungsrechtlich verbotener Symbolik bewegt. Thor-Steinar-Kleidung sehen wir hier gelegentlich, ein Patient erklärte mir einmal, die Stücke seien „einfach gut verarbeitet“. Das klingt harmlos, dabei stehen auf den T-Shirts und Pullis Sprüche wie „Ich bin einer von denen, die schon länger hier leben“, „Für die Sippe, für die Heimat“, „Mein Land, meine Regeln“, meist versehen mit Reichsadler, Wehrmachtszeichen oder Thors Hammer.

Auf dem T-Shirt von Frau Hüther posiert ein muskelbepackter Mann mit langem Bart und Hammer in der Hand. Darunter steht: „Dein Gott wurde ans Kreuz genagelt, mein Gott hat einen Hammer!“

Ich spreche das bei einer unserer Teamsitzungen an. Das Team besteht neben Ärzt*innen aus Psycholog*innen, Sozial­arbei­ter*innen, Pfle­ger*innen, Ergo- und Physiotherapeut*innen. Die Marke ist im Team nicht allen bekannt, das T-Shirt von Frau Hüther ihnen zum Teil gar nicht aufgefallen. Reagiere ich überempfindlich auf die Patientin, suche nach Punkten, die mich an ihr und ihrer politischen Gesinnung stören? Vermische ich die Thematik künstlich mit unserem therapeutischen Auftrag?

Die Debatte im Team

Darüber sprechen wir, und alle stimmen schließlich darin überein, dass ich die Patientin auffordern soll, Kleidung dieser Marke nicht in unserer Klinik zu tragen. In ähnlichen Situationen gab es damit bislang keine Probleme. Meist reagierten die Patienten mit Äußerungen wie „Keine Angst, ich mach hier keinen Krawall“ oder „Dass Thor Steinar rechtsradikal ist, ist ein totales Missverständnis – aber klar, dass Sie mir das dann verbieten müssen.“ Sie ließen die Kleidungsstücke dann aber zu Hause.

Frau Hüther dagegen weigert sich. Thor Steinar sei verfassungsrechtlich nicht verboten und sie dürfe anziehen, was sie wolle. Sie schreibt auch einen Brief an die Klinikleitung, verweist auf Marken, die angeblich Linksradikale und Randalierer tragen – die müsse man dann auch verbieten.

Im Team beginnt eine intensive Debatte. Die Meinungen ­gehen teils weit auseinander und doch habe ich manchmal das Gefühl, dass sich im Kreis der Kolleg*innen politische Auseinandersetzungen leichter führen lassen als in der Arbeit mit unseren Patient*innen. Ich bin jedenfalls für ein striktes Verbot der Marke. Andere meinen, man solle Frau Hüthers Kleidungsstil ignorieren, um ihr die Bühne zu nehmen.

Immer wieder kommt im Team und den Supervisionen aber auch die Frage auf: „Worum geht es hier eigentlich?“ Ist der Streit um die Marke nicht ein Nebenschauplatz? Lenkt die Patientin bewusst oder unbewusst von ihren eigentlichen Krisenthemen ab, also dem Verhältnis zu ihrem Vater oder der Trauer um ihren verlorenen Arbeitsplatz oder auch davon, dass sie sich selbst in ihrem Leben immer wieder als Opfer der Umstände empfindet?

Konsequent darauf ansprechen

Überfrachtet sie diesen Opferstatus, indem sie sich als Teil jener Gruppe „redlicher Deutscher“ definiert, die vom Staat und dem „System Merkel“ manipuliert, angefeindet und schließlich mit der angeblichen „Flüchtlingswelle“ in ihrer Existenz bedroht werde? Fordert sie das Kleidungsverbot heraus, um auch hier zum Opfer oder sogar zur Märtyrerin für die rechte Sache zu werden?

Wir einigen uns darauf, der Patientin ihre Kleidung nicht zu verbieten, sie aber in den Therapien konsequent darauf anzusprechen und kritisch nach dem Zusammenhang ihrer politischen Botschaften mit ihrer konkreten Lebenssituation zu fragen.

In einigen Gesprächen gelingt das. Frau Hüther wird zugewandter. „Endlich verurteilt mich jemand mal nicht für das, was ich denke, und hört mir zu“, sagt sie. Wir sprechen mit der Patientin über ihre Kindheit, ihren strengen Vater, seine Leistungserwartungen und seine Prügelstrafen, wenn sie etwas falsch gemacht habe. Frau Hüther erzählt aufgewühlt von ihren späteren Erfahrungen mit der Stasi und von der beruflichen Umschulung nach der Wende, als ihr früherer Abschluss nicht anerkannt wurde.

Immer wieder kommt mir dabei das Konzept des autoritären Charakters der Frankfurter Schule in den Sinn, das allerdings in der heutigen Psychiatrie kaum mehr verwendet wird, was ich falsch finde. Die Entwertung eigener Bedürfnisse und Fähigkeiten sowie die Unterwerfung gegenüber der elterlichen, später staatlichen Autorität scheint mir bei Frau Hüther diese seltsame Mischung zu erzeugen: Einerseits der mal versteckte, mal offene Hass gegen alles Fremde, „die Ausländer“, „die da oben“, andererseits dieser starke, fast kindliche Wunsch nach Anerkennung und Verbundenheit, im Zeichen einer vermeintlich tieferliegenden Autorität – „wir Deutschen“. Dieses Muster erkenne ich bei vielen meiner Patient*innen wieder.

Die Ästhetik der Runenschrift

Auch hier zeigt sich, dass der Anspruch aus meiner Ausbildung, zwischen Politik und Therapie zu trennen, in der Praxis kaum aufrechtzuerhalten ist: Es gibt Studien, die darauf hinweisen, dass eine autoritäre Erziehung eher zu rechten politischen Einstellungen führt. Frau Hüther scheint mir dafür ein gutes Beispiel zu sein.

Trotz dieser Fortschritte habe ich aber ein ungutes Gefühl. Mein Eindruck ist, dass wir, auch wenn wir der Patientin therapeutisch helfen und wir sie besser verstehen, zugleich ihre Sehnsucht nach einer homogenen und innigen Gemeinschaft insgeheim doch befriedigen. Sie sieht in uns nun Verbündete, die wir nicht sind. Und obwohl wir die Patientin kritisch auf ihre politische Agenda im Hinterhof angesprochen hatten, führt sie diese nun lediglich subtiler fort; etwa indem sie nur noch mit Einzelnen spricht oder das Thema Einwanderung scheinbar beiläufig in Diskus­sionen einfließen lässt.

„Dein Gott wurde ans Kreuz genagelt, mein Gott hat einen Hammer“, steht auf Frau Hüthers T-Shirt Foto: Oliver Sperl

Auch versucht sie, Mitpatient*innen die Ästhetik der Runenschrift oder der nordischen Mythologie nahezubringen, was ich ebenfalls als politische Strategie empfinde. Ich frage mich, ob sie auf der Suche nach Mitgliedern für ihre Partei ist, die AfD. Aber da ich nicht den ganzen Tag den Gesprächen im Hinterhof lauschen und meinen Patient*innen hinterher­spio­nieren will, kann ich das nicht sicher sagen. Ich versuche, das zu verdrängen.

Doch es gelingt mir nicht. Frau Hüther und die Debatten im Team strengen mich an. Ich hatte anfangs Sympathien für die Patientin und ihre Situation, im wörtlichen Sinne des Mit-ihr-Leidens (altgr.: sym-páthein), das in meinen Augen für jede therapeutische Arbeit nötig ist. Jetzt stößt mich ihr politisches Denken ab und wirft finsteres Licht auf nahezu alles, was sie sagt.

Unterschied zwischen Arzt und Psychotherapeut

Hier wird der Unterschied zwischen ärztlicher und psychotherapeutischer Arbeit deutlich: Um einen Menschen körperlich zu untersuchen oder zu behandeln, spielt das Mit-leiden-Können der Ärztin streng genommen keine Rolle. Um einen Menschen aber in seiner Depression psychotherapeutisch zu behandeln, ist die therapeutische Beziehung der entscheidende Wirkfaktor – und wenn sich diese Beziehung aufgrund politischer Gefühle und Anti­pathien der Beteiligten nicht aufbauen kann, geht die Therapie kaputt.

Alles verbindet sich. Frau Hüther steht für eine Entwicklung, die ich mit meinem Privileg als weißer Großstadtakademiker bisher so leicht verdrängen konnte, indem ich die Nachrichtenseite im Browser einfach wegklickte oder weil ich mich in ganz anderen Kreisen bewegte. Frau Hüther erschließt mir eine ganze Atmosphäre, die eigentlich schon lange da war, die mir jetzt aber bewusst wird.

Auf der Zugfahrt nach der Arbeit sehe ich, wie zwei Neonazis miteinander Freundschaft schließen. Sie hören gemeinsam über einen kleinen Lautsprecher Musik: „Wir sind gewaltbereite Neonazis und wir kommen in deine Stadt …!“ Alle hören mit, niemand sagt etwas.

Auch ich bin zu erschöpft von einem langen Arbeitstag. Irgendwann traue ich mich doch, stehe auf und sage: „Eure politische Gesinnung finde ich zum Kotzen.“ Einer der beiden antwortet: „Jedem das Seine.“ Der Satz, der am Tor des KZ Buchenwald stand. Mit Herzklopfen verlasse ich das Abteil.

Neonazis in der Rettungsstelle

Neonazis kommen immer wieder in die Rettungsstelle unseres Krankenhauses, auf der ich als Psychiater regelmäßig Nachtdienste machen muss. Ein paar Tage nach der Zugfahrt etwa wird ein junger Mann von der Polizei gebracht, der im Streit mit seiner Freundin seine Wohnung zerlegt hat. Jetzt sitzt er mir mit feurigem Blick auf der Untersuchungsliege gegenüber. Er trägt ein Baseballcap mit der Aufschrift „88“ und, wie ich bei der Untersuchung sehe, ein kleines Hakenkreuz knapp unter seiner Unterhose.

Er sieht, dass ich es sehe, mustert mich. Ich denke an die Neonazis im Zug und sage nichts. Ich bin froh über meinen weißen Kittel: Als Arzt soll ich eine „akute Selbst- oder Fremdgefährdung“ aufgrund einer psychischen oder körperlichen Erkrankung ausschließen. Diese Aufgabe fülle ich gemäß dem ärztlichen Berufsethos und den rechtlichen Vorgaben aus. Meine Gefühle als Psychotherapeut spielen dabei keine Rolle. Nachdem ich eine Erkrankung ausschließen kann, bin ich erleichtert, als der Pa­tient die Rettungsstelle wieder verlässt.

Einige Tage später, wieder eine Sitzung mit der Gruppe, zu der auch Frau Hüther gehört. Gemeinsames Singen steht an, alle dürfen etwas vorschlagen. Frau Hüther will, dass wir die Nationalhymne singen. Es kommt mir vor wie ein schlechtes Skript. Ich und meine Kolleg*innen blicken uns ratlos an. Ich denke an unsere Diskussionen, daran, dass wir das Politische therapeutisch verwerten wollen, anstatt Therapie zu Politik zu machen. Aber ich kann das nicht. Ich habe genug.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer Samstag am Kiosk, im eKiosk, im praktischen Wochenendabo und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

„Ich will dieses Lied jetzt nicht mit Ihnen singen“, sage ich und schlage ein anderes Lied vor. „Aha. Na gut!“, antwortet sie, gekränkt, aber doch so, als hätte sie es schon erwartet. Der Vorfall zieht seine Kreise. Frau Hüther macht ihrem Ärger zwischen den Therapien bei den Mitpatient*innen Luft.

„Es ist alles ein System“

Gruppentherapie. Wir sitzen im Kreis, Schweigen schon bei der Themenfindung. „Woher kommt das Schweigen heute?“, fragen mein Kollege und ich, dabei ahnen wir es schon. Irgendwann packt Frau Hüther aus:

„Wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Es ist alles ein System, früher in der DDR wie heute, früher die Stasi und die SED, heute der Verfassungsschutz, die Regierung und die Medien, die uns alle manipulieren und vorschreiben, was wir denken sollen. Ich dachte, hier in der Klinik, da wäre das noch erlaubt. Aber selbst hier dürfen wir nicht sagen, was wir denken, obwohl es uns doch schlecht geht und wir Hilfe brauchen! Selbst hier gelten schon diese Verhältnisse. Ich fühle mich verzweifelt, müde und erschöpft. Aber man erlaubt mir meine Verzweiflung nicht, nicht einmal hier. Das alles darf ich ja nicht sagen, weil ich mich mit mir beschäftigen soll. Aber das beschäftigt mich doch! Und dann haben Sie uns auch noch die Nationalhymne verboten, aber sie ist doch unsere Hymne!“

Eine jüngere Patientin stimmt Frau Hüther zu: „Die Nationalhymne haben wir sogar in der Schule gelernt! Soll die jetzt auch noch verboten sein?“

Dann wieder Frau Hüther, bestärkt: „Stattdessen kommen die Flüchtlinge hierher, und alles, was Deutsch ist, ist auf einmal nicht mehr erlaubt. Weihnachtsmärkte heißen jetzt Wintermarkt.“ Das ist längst widerlegt, aber taugt offenbar als ideologische Munition.

Ich fühle mich gefangen in meiner Rolle als Therapeut. Ich möchte schreien

Ein anderer Patient sagt: „Im Supermarkt habe ich einen Ramadan-Kalender gesehen! Bald ist das hier nicht mehr unsere Heimat.“ „Genau“, antwortet Frau Hüther, „aber das darfst du bloß nicht sagen, weil dann, dann nennen sie dich gleich Nazi, dann kommt gleich die Nazikeule!“ Das Wort „Nazikeule“ kostet sie aus.

Alle Patient*innen im Raum nicken. Frau Hüther ist in ihrem Element. „Ja, da fühle ich mich so schlecht und traurig, dass man die Politik nicht ändern kann …“ Es wird einen Moment still. Als hätte Frau Hüther diesen Moment einkalkuliert, spricht sie nach einer Pause weiter: „Aber man kann die Politik ändern. Wir alle können etwas tun. Und deswegen bin ich in meiner Partei.“

Wie konnte das passieren?

Wie konnte uns diese Therapiestunde nur so entgleiten? Ich erlebe mit, wie machtvoll dieses Narrativ ist – die Fremden, die da oben, die böse Regierung, der Staat und wir da unten, wir Opfer, hilflos, aber stolz und edel, die wir zugleich Opfer bringen, für die gute Sache, für sie miteinander vereint. Frau Hüther hat alle um sich geschart.

Ich hingegen komme mir gefangen vor in meiner therapeutischen Rolle. Ich möchte schreien, Frau Hüther Wort für Wort ihre politischen Äußerungen zerlegen. Ich ertrage es nicht, in dieser Situation „therapeutisch abstinent“ zu sein, in nachdenklicher Therapeutenpose, mit überkreuzten Beinen mich auf Lehrbuchfloskeln wie „Aha, was fühlen Sie, wenn Sie das so hören?“ oder „Was löst das bei den anderen aus?“ zu beschränken. Das kommt mir sinnlos vor. Denn ich bin nicht nur Therapeut, ich bin ein Mensch und ein politisches Wesen. Wie therapeutisch kann Abstinenz sein, wenn ich mich in der Therapie nicht als mich selbst zu erkennen gebe – und eben auch entsprechende Grenzen markiere?

Schließlich wird es wieder still. Die Gruppe scheint unsere Ratlosigkeit zu bemerken und auf eine Antwort zu warten. Wir erklären, dass wir diese politischen Ansichten nicht teilen und dass wir auch nicht möchten, dass sie hier geteilt werden. Wir wollen ihnen ihre Ansichten nicht verbieten, aber wir lehnen es ab, sie zum Teil der Therapie zu machen. Denn Therapie heißt für uns „Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben“ und nicht mit der Politik. Die Diskussion geht daraufhin noch weiter, insgesamt löst sich die Situation in der Sitzung jedoch einigermaßen.

Kein Nebenschauplatz

Abfinden kann ich mich aber nicht damit, dass das Therapeutische nicht politisch sein soll. Gerade weil diese Trennung so unscharf ist, macht es mir den Umgang mit Frau Hüther so schwer. In jeder Begegnung muss die Trennung neu verhandelt werden. Und in einer jeden solchen Verhandlung werde ich, werden wir zur Zielscheibe ihres politischen Ressentiments, selbst wenn es „nur“ um Thor Steinar geht. Dabei ist diese Marke kein Nebenschauplatz. Sie ist Ort und Ausdruck dieses tiefliegenden Ressentiments, das sich nicht einfach psychologisieren lässt, indem wir es aus den psychischen Krisen unserer Patientin, beispielsweise aus dem Verhältnis zu ihrem Vater, erklären. Es ist ein Ressentiment, zu dem sich Frau Hüther entscheidet und für das sie verantwortlich ist; es breitet sich überall aus und wir müssen uns dagegen auch in unserer Klinik zur Wehr setzen.

Ich bespreche die Situation noch einmal mit meinem Oberarzt und schließlich mit unserer Chefärztin. Nach einigen Diskussionen wird eine Hausordnung für unsere Klinik verabschiedet, in der das Tragen von Marken wie etwa Thor Steinar und Consdaple untersagt wird. Ich bin über diesen Beschluss erleichtert. Auch wenn er vermutlich mehr Symbolkraft als praktischen Nutzen hat, glaube ich doch, selbstbewusster und auf Grundlage einer gemeinsamen Übereinkunft entsprechenden Pa­tien­t*innen gegenübertreten und eine Grenzen markieren zu können.

Gleichzeitig entschließe ich mich, einen Workshop für Stamm­tischkämpfer*innen der Initiative Aufstehen gegen Rassismus zu besuchen. Mir ist deutlich geworden, dass meine psychotherapeutischen Kompetenzen nicht dafür gemacht sind, mit den politischen Argumenten und Polemiken meiner Patient*innen umzugehen.

Psychotherapie ist kein Stammtischgespräch, aber der Stammtisch kommt immer wieder in die Psychotherapie, auch wenn wir Therapeut*innen das nicht wahrhaben wollen. Und ich will mit diesem Stammtisch angemessen umgehen können.

Einige Wochen später wird Frau Hüther aus unserer statio­nären Behandlung entlassen. Zur Stabilisierung nimmt sie noch an ambulanten Gruppenangeboten unserer Klinik teil, in die ich jedoch nicht involviert bin. Von meinen Kolleg*innen erfahre ich, dass sie unsere Hausordung immer wieder auf die Probe stellt. Manchmal sehe ich sie, wie sie mit anderen Patient*innen im Wartezimmer sitzt, verstohlen treffen sich unsere Blicke.

Dass sie weiter heimlich für ihre Partei agitiert, ahne ich. Vor der Tür steht ihr Auto mit einem AfD-Sticker am Heck, daneben mein Fahrrad mit einem „Kein-Mensch-ist-illegal“-Aufkleber. Der Konflikt bleibt, draußen wie drinnen.

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35 Kommentare

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  • Teil 2

    In den Gruppengesprächen gehen wir mitten rein in die Erlebnisse, die zur Sprache kommen, und wenn es ein Erlebnis aus einer rechtsextremen Kameradschaft ist oder eines aus einer demokratisch engagierten Jugendgruppe, dann ist es eben das … Was zählt, ist das persönliche Erlebnis und darüber zu sprechen und die Möglichkeit, in der Gruppe weitere Fragen an diese Erlebnisse zu richten. Alles kann, nichts muss. Respekt vor den andren und dem gemeinsamen Kreis ist die einzige Pflicht. Das Erzählen von Erlebnissen ist der anvisierte Modus der Runde.

    Das Beste an diesem – narratologischen – Zugang ist, dass man vor allem auch diejenigen erreicht, die für Bildungsformate normalerweise nicht mehr erreichbar sind.







    Unserer Erfahrung nach löst sich in den Gruppen alles Agitatorische wie von selbst auf. Denn wir alle wollen eigentlich über Erlebnisse sprechen/ hören und uns über unsere Erlebnisse anderen mitteilen. Für den Fall, dass Teilnehmende zeitweise nicht die Ruhe haben, sich hieran zu beteiligen, halten wir einen separaten Timeout-Bereich mit Betreuung bereit.







    Wie man das alles macht, darüber bereiten wir gerade eine Fortbildung vor.

  • Teil 1

    Unendlich wertvoll ist immer, wenn Kolleg*innen über Situationen das Scheiterns sprechen. … und dann auch noch so eindrücklich und aufrichtig davon erzählen.



    Ganz herzlichen Dank dafür!



    (zumal einige der Kommentare hier schon begreiflich machen, warum es nicht so einfach ist, offen über Scheitern zu erzählen.)







    Ich bin Gruppenpsychotherapeut (Gruppenanalyse), bin aber in der politischen Bildung und der sog. Extremismusprävention tätig, vor allem an Schulen im ländlichen Raum. Nach der Lektüre dachte ich folgendes:







    Die Schulen haben den Lehrplan und die Kliniken eine Art Therapieplan, und beiden scheint der Umgang mit Ressentiment und Politischem schwer zu fallen. Ferner: Die Therapeut*innen haben den „Anspruch, zwischen Politik und Therapie zu trennen,“ viele politische Bilder*innen habe den auch, nur andersherum. Und beides führt oft zu Scheitern.







    Wir haben deshalb versucht, das Dilemma zu lösen:



    Wir machen „narrative Gesprächsgruppen an Schulen“ (als Prävention von Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit).



    cultures-interacti...raechsgruppen.html

    In den Gruppengesprächen „trennen“ wir nichts ab, und alle aufrichtigen Anliegen sind willkommen. Wir vermeiden das Argumentative, haben keine thematische Agenda und gehen vor allem ins Erzählen. Alle teilnehmenden Schüler*innen, die bereit sind, von sich zu erzählen, sich zu Nachfragen aufrichtig zu äußern und zum gemeinsamen Gespräch beizutragen, sind willkommen.







    >> Teil

  • Ein sehr schöner Bericht von jemandem, der nicht nur nach Lehrbuch arbeitet, sondern als Mensch mit wachen Sinnen.

    Ich habe aber den Eindruck, dass der Autor gegenüber seinen Patienten eher zu zaghaft agiert. Es darf tatsächlich nicht alles gesagt werden, da muss die Frau bestätigt werden. Bei gewissen Aussagen (Holocaustleugnung) kommt der Staatsanwalt. Wer aktiv Sympathien mit den Tätern erkennen lasst, muss hinnehmen, dass andere ihn als 'Nazi' bezeichnen. Das sollte klar kommuniziert werden. Diese Frau muss sich entscheiden, ob sie politisch agitieren will oder Hilfe in einer therapeutischen Behandlung sucht. Die Therapie bestimmt der Arzt. Sie hat die Freiheit dazu ja oder nein zu sagen.







    Auch wenn alles mit allem zusammenhängt, Probleme werden gelöst imdem man sie teilt. In einem kommunalen Gremium sind persönliche Probleme auszublenden, in einer therapeutischen Situation politische. Beim Arzt-Pazientenverhältnis muss am Ende die Fach- und Weisungs-Kompetenz des Arztes massgeblich sein - sonst könnte die Patientin sich selbst kurieren (oder mit Hilfe ihrer Unterstützer). Wenn der Patient die Kompetenz des Arztes anhaltend anzweifelt, muss er sich einen andern suchen.

    Der Hinweis auf den "autoritären Charakter" scheint mir ein Schlüssel zu sein und gleichzeitig eine Klippe. Die Grenze zwischen autoritär-direktiv und egalitär-kommunikativ verläuft im Nebel. Die Unsicherheiten des Autors bei Ausübung seiner Fachkompetenz sind bei einem Berufsanfänger verständlich - die werden sich im Laufe der Zeit legen.

    Eine Umweltministerin Merkel hat vor 20 Jahren festgestellt, dass in Sachen Klima gehandelt werden muss. Uns allen ist zu wünschen, dass der Autor ein weniger dickes Fell hat, wie die damalige Umweltministerin (d.h. auch Unsicherheiten zulassen). Der Beharrlichkeit eines Mädchens mit Asperger-Syndrom ist es zu verdanken, dass heute in Sachen Umwelt etwas in Bewegung kommt.

  • Was mache ich mit Leuten die nicht so denken, wie ich es für richtig halte? Irgendwie scheint das die Hauptfrage des Artikels zu sein.

    Habe ich dazu ein Recht? Habe ich dazu ein Recht, nur weil ich Therapeut bin, und der andere Patient? Und sollte nicht spätestens ein Therapeut in der Lage sein, sich argumentativ mit „unerwünschten“ Meinungen auseinander zu setzen?

    In allem was der Therapeut bei Frau Hüther macht, bestärkt er ihr Krankheitsbild. Nach seinen Beschreibungen hatte sie Probleme in der Kindheit mit einem Vater der immer alles vorgeschrieben hat und dem sie alles Recht machen musste. Und nun? ‚Sie ziehen sich falsch an! Sie denken falsch! Sie wählen falsch!“

    Frau Hüther will unterbewusst nur ihre alten Programme bestätigt bekommen. Sie arbeitet darauf hin, dass sie die Umstände mit ihrem Vater wieder erlebt.



    Einfach mal bei Stephanie Stahl oder Gerald Hüther nachlesen. Wenn man das verstanden hat, dann kann man Menschen wie Frau Hüther auch den Weg aufzeigen, wie sie sich selbst helfen können.

    • @Gastnutzer 42:

      Danke! Sehr gut auf den Punkt gebracht.

  • Eine Therapeut*in, die es nicht schafft, die Hauptursache(n) der Erkrankung gemeinsam mit diesen Patient*innen "benennbar" zu machen, hat m. E. seinen|ihren Beruf verfehlt.



    Mit diesen Verfehlungen wird noch mehr Leid und Frustration produziert, als die Patient*in zu Beginn dieser angeblichen Therapie hatte, weil das Ziel so nicht erreicht werden KANN.



    Und von "Liebe" zu den Patient*innen kann ich dort auch nichts spüren… Supervision? (nicht nur Chef*in)



    Wieso keine Einzeltherapie für Frau Hüther, m. E. am besten bei einer Frau als Therapeutin, die auf Gewalt(opfer) spezialisiert ist.…



    Wahrscheinlich wieder mal kein Geld da…



    Wenn schon die Psychotherapie keinen Zugang zu faschistischen Menschen (mehr) findet, wer denn dann bitte?



    Hört sich für mich alles gar nicht gut an…

  • Meiner Ansicht nach können die seit längerem bestehenden, stark verunsichernden gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Dimensionen nicht aus der Politik herausgehalten werden, ebensowenig, wie politische Entscheidungen doch vor allem von den psychischen Merkmalen eines jeden Menschen abhängen.



    Bspw. kommen gerade junge Leute in die Therapie häufig mit Fragen, wem sie noch glauben, an was sie sich orientieren können, was richtig ist und was falsch. Offenbar mangelt es der älteren Generation aufgrund eigener Orientierungslosigkeit häufig ebenfalls an der Fähigkeit, diese zu geben. Sie schweigen und sie tragen merkwürdige Blüten unserer Gesellschaft mit.



    Wenn Therapeuten einfach nur in platten Mainstream verfallen, decken sie wie bei jeder anderen Symptomatik die Störungen nur zu.



    Dabei sollten diese doch gerade anregen, die Affekte zu reflektieren, Abwehrmechanismen zu erkennen, Verschiebungen, Verleugnung ect.



    Die Patientin hat m. E. ihre Sorgen und Ängste angeboten, zum Thema gemacht, sich scheinbar sogar gemüssigt gesehen, den Therapeuten erst einmal dort abzuholen, wo er steht. Diese müssen durchgearbeitet werden, hinterfragt. Zur Therapie gehört, auch etwas erst einmal stehen lassen zu können, zum hinterfragen anzuregen, in dem Fall hätte auch die Gruppe Rückmeldungen geben können. Dabei kann der Fokus auf Sorgen, Ängsten, aggressiven Affekten und den Bedürfnissen der Patientin liegen, die ja durchaus berechtigt sind. Ich finde es befremdlich, wenn einerseits übergroßes Verständnis für bestimmte Mentalitäten aufgebracht wird, andererseits mit völlig anderen Maßstäben in der eigenen Bevölkerung zensiert wird. Genau dies führt letztlich zur Suche der Betroffenen nach anderen Lösungen und zu Randerscheinungen wie Extremismus. Verstanden scheint sich die Patientin an der Stelle nicht zu fühlen, schon stellt sie die Frage, ob man zumindest in de Therapie darüber frei reden könne. Das sollte zumindest Therapeuten klar sein. Mir stellt sich die Frage,

    • @Dia Lome:

      * nicht aus der Therapie herausgehalten werden ... soll es heißen (statt Politik)

  • inwieweit dieser seinen eigenen Abwehrmechanismen, hier Verschiebung von Aggressionen u. Ängsten erliegen könnte. Es wird im Text seine Betroffenheit deutlich. Außerdem impliziert der Therapeut, dass alles richtig abläuft in unserem Land und es nichts zu beanstanden gäbe. Dem ist allerdings nicht so, und wie bekannt, insbesondere in der Region nicht. In einer Therapie soll Entlastung, Verarbeitung und Klarifizierung möglich sein. Diese Themen brennen vermutlich den meisten Bürgern auf der Seele. Allerdings haben sich viele entschieden, so wie der Therapeut zumindest im Text scheinbar, wegzuhören bzw. zu ignorieren. Aber genau dieses Verhalten hatten wir doch 1939. Wann lernen wir aus der Geschichte? Umso wichtiger das Angebot des Autors, darüber offen zu debattieren. Vielen Dank.

    • @Dia Lome:

      Er impliziert nicht, dass alles gut läuft, sondern sagt, dass er als Psychotherapeut das nicht in seiner Arbeit angehen darf.

      Das wird klar bei „So ertappe ich mich dabei, dass ich den Gedanken Frau Hüthers folge und insgeheim zustimme“.

    • @Dia Lome:

      Sehr guter Kommentar. Danke dafür❣️







      Ich weiß von einer Psychologin, die auf "Beschwerden" über die Entwicklung in der Gesellschaft (z. B. AlG2, und anderes) eines Patienten|"Kunden" hin, sich m. E. erdreistet hat, von mangelnder Resilienzfähigkeit zu sprechen.



      Das macht die Sache natürlich sehr viel einfacher, wenn den Menschen gesagt werden "kann", "hey, ihr seid an Armut und Ausgrenzung einfach nicht gut genug angepasst und lasst Euch einfach zu wenig einfallen, um das wieder rauszukommen".



      Mit solchen unverschämten Scheinargumenten lässt sich jede Art von Diktatur rechtfertigen.



      Das erinnert auch mich ganz stark an diese Vor-Zeit der Nazis…







      "Umso wichtiger das Angebot des Autors, darüber offen zu debattieren."



      Der Autor sollte aber m. E. schon nochmal in sich gehen, wo Ursache und Wirkung liegen – und vor allem wo|bei wem die therapeutische Verantwortung für (angebliche) Hilfsangebote liegt…

  • Zitat: „Denn Therapie heißt für uns ‚Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben‘ und nicht mit der Politik.“

    Es gibt kein „eigenes Leben“ abseits der Politik. In einer Demokratie sind Politik und Individuum zu eng verbunden, als dass das eine ohne das andere therapiert werden könnte. Wahlentscheidungen haben nicht nur individuelle Gründe und individuelle Folgen, sondern auch gesellschaftliche Ursachen und gesellschaftliche Konsequenzen.

    Gegen diese Tatsache hilft es überhaupt nicht, wenn Ober- oder Chefärzte zur Entlastung ihrer Mitarbeiter Verbote aussprechen. Helfen würde allenfalls, wenn Ober- oder Chefärzte den Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und gesellschaftlichen Verwerfungen erklären und ihren Mitarbeitern praktikable Ratschläge für den Umgang mit verschobenen Konflikten geben würden. Nur: Wie sollten sie? Wer sich selbst als unpolitisch empfinden möchte, als rein, als (Halb-)Gott in Weiß, der über dem Elend und dem Alltag der Patienten thront, der wird nie herausfinden, was zu tun wäre gegen die irre Mischung aus Angst, Hass und Brutalität, die depressive Rechte auszeichnet. Er kann also auch niemandem einen vernünftigen Rat geben. Er kann allenfalls zusätzliche Tabus kreieren.

    Davon abgesehen braucht sich kein Therapeut in diesem Land einreden, er könnte „eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung aufgrund einer psychischen oder körperlichen Erkrankung ausschließen“. Nicht jeder, der eine Behandlung nötig hätte, lässt sich behandeln. Insbesondere viele Männer scheinen zu reagieren wie der Vater der Horror-Patientin: Sie suchen ein Ventil für ihr privates Leiden und finden es in der Rolle des Rächers oder Kriegers, der Schwächere dominieren muss um der angeblich guten Sache willen. Das hilft dann zwar ihrem persönlichen Ego, schadet aber der Gesellschaft insgesamt ungemein. Der Oberarzt und die Chefärztin machen da nur in sofern eine Ausnahme, als ihre Aggressionen per Zulassung gesellschaftlich legitimiert wurden.

  • Eine der wichtigsten Grundregeln, die ich als psychotherapeutisch Arbeitende gelernt habe ist: Mitleid (mitleiden) des Therapeuten ist dass, was Klienten (diesen Begriff bevorzuge ich) am aller wenigsten brauchen können. Hingegen ganz wichtig ist Empathie, also das zugewendete Sich-Hineinfühlen- Können des Therapeuten.



    Des Weiteren gibt es das Phänomen der Übertragung und Gegenübertragung, die im Bericht deutlich wird: der Schreiber will politische Meinung aus der Therapie heraushalten. Stattdessen trägt er sie aber selbst hinein, indem er die Äußerungen seiner Klientin zunächst ins linke politische Lager deutet. Selbstverständlich überträgt sich dies, auch ohne dass er dies in der Sitzung verbalisiert, schließlich ist zum einen Kommunikation nur zu einem winzigen Teil verbale Sprache und zum anderen will er sich ja, wie er schreibt, in Wirklichkeit gar nicht mit unpolitischer Therapie abfinden. Er ist nicht kongruent. Da ist es kein Wunder, dass seine Sitzungen auch durch seine Klienten politisiert werden. Wozu sich (der T-Shirt-Trägerin gleich) an Symbolen (Markennamen) festbeißen? Wie wäre es stattdessen klarzustellen, dass in der Klinik jeder in all seinen Ausdrucksweise zu Respekt gegenüber allen Menschen sowie deren Glaubensrichtung und zu gewaltfreiem Umgang verpflichtet ist und zwar in jeglicher Ausdrucksform, sowohl in als auch außerhalb von Sitzungen. Mit der Ansage, dass generell jegliche Gewaltverherrlichung, Herabwürdigung, Einschüchterung und Ausgrenzung von Menschen „draußen an der Garderobe abzuliefern ist und kann erst beim Verlassen wieder eingesammelt werden (darf aber gern auch einfach vergessen werde)“ habe ich persönlich im Beratungssetting beste Erfahrung gemacht.



    Und warum nicht beim Zuhören bewusst einfach nur ohne Wertung die Worte hören (wollen): Netter Ablenkungsversuch! Kann es sein, dass da Gefühle aus Ihrer eigenen ganz persönlichen Geschichte Sie gerade so sehr emotional belasten, dass Sie da jetzt gerade lieber gar nicht hinsch

  • „Abfinden kann ich mich aber nicht damit, dass das Therapeutische nicht politisch sein soll. Gerade weil diese Trennung so unscharf ist, macht es mir den Umgang mit Frau Hüther so schwer.“

    Was für Botschaften aus dem Tal des Ungereimten, wenn ja, zu welchem nicht definiertem Zweck, beißt sich die Psychiatrie Katze da cora Publikum, in den eigenen Schwanz, dann dies, 50jährige Pat. Hüther hat späte Stasi Erfahrung. Wie soll das Späte gehen, 1989 war sie zwanzig?

    Statt unzulängliche Bedingungen der Psychiatrie in Deutschland gerade im ländlichen Raum, personell, materiell wenigstens zu erwähnen, bleibt es bei der Ausstellung der Psychiater Befindlichkeiten, nach kommod gesellschaftspolitischem Motto, unzureichend berufliche Bedingungen in Ausbildung, alltäglicher Praxis werden medienaffin psychologisiert?

    Da lob ich mir die „Emotion Anonymous“ (EA) Regeln nach Göttinger Michael-Lukas Mueller Konzept für nichtgeleitete Selbsthilfegruppen 1978, der nach dem Berliner Mauerfall 89 mit Joachim Maaz Halle zusammengearbeitet, Bücher verfasst hat.

    Nach EA Regeln kann im Stuhlkreis jeder reihum 3-5 Minuten alles erzählen, was ihn gerade oder grundsätzlich beschäftigt, ohne kommentiert zu werden, noch selber andere zu kommentieren, geschweige denn mit Ratschlägen, Infos zu missionieren.

    Wenn jemand während Stuhlkreises zu jemand anderem Bezug nehmen will, was der, die berichtete, dann nur als Ich Botschaft an sich selbst, ohne Bezug namentlich oder durch Blick, Finger zeigend kenntlich zu machen.

  • Warum hilft er der Frau nicht, daran zu arbeiten, was wirklich dahinter steckt? Ist ja auch Ausdruck einer frühen Erfahrung und Not. Die AfD holt sie genau dort ab und verhindert, dass sie über das früh Erlittene wütend und traurig ist.

    • @schoni:

      A versucht er,



      B sorgt die AfD nur für Ersatzhassobjekte anstelle ihrer selbst oder ihres Vaters.



      C kostet das nur Kassenbeträge, ist vergebene Liebesmüh wenn Patienten zumachen.

  • 2. Teil:

    Andererseits mutmaße ich, Psychiatrie behandelt nachwievor nicht Patienten*nnen wie es therapeutische Verfahren zum Ziel haben, sondern mit diesen familiäres, wenn vorhanden, gemeindenah gesellschaftliches Milieu.

    Optionen therapeutische Methodensicherheit herzustellen, bleiben unerwähnt, z. B. statt Gruppen-, Einzeltherapie Beziehung Patient, Therapeut aufzubauen, warum, weil Krankenkassen zunehmend nur noch stationäre Gruppentherapie im Schnelldurchgang mit Drehtüreffekt finanzieren, danach ambulant?



    Vielleicht hätte Pat. Frau Hüther Einzeltherapie mit gegengeschlechtlichem Therapeuten Setting geholfen?



    In systemischer Familientherapie, die nicht von Krankenassen finanziert wird, wenn doch nur nachrangig über Delegationsverfahren durch ärztliche Therapeuten*nnen, würde Frau Hüthers identitärer Thor Steinar Aufzug in systemischer Familientherapie sog Pars Party auslösen, unter der Losung „Setzen Sie sich ihren Rollenhut auf, überlegen Sie, mit welchen Idolen*nnen, Helden*nnen, Engel, Teufel, Hexen aus der Mythen- Märchen, Götter- , Medien- Sport- . Politikwelt, Alltag identifizieren sie sich noch?, um diese alle am Schluss auf sie zu vereinigen, unter Rollenverteilung an Stuhlkreis Teilnehmer*nnen. Am Ende setzt Frau Hüther ihren Rollenhut ab.

    taz.de/Umfrage-zur...hiatrien/!5625767/

  • Dank an Samuel Thoma, Oliver Sperl für ihren taz Beitrag

    1.Teil:

    Auf welche Reise schickt uns der Autor, eine Reise der Psychiatrie als gesellschaftspolitischer Reparaturbetrieb am Patienten*nnen? !914-1918 brach die erste Blütezeit der Psychiatrie aus hinter den Fronten im Hinterland psychosomatisch Kriegsversehrte, Kriegszitterer in Schützengräben nach tagelang ununterbrochenem Artilleriebeschuss mit unerprobt exotischen Methoden wie Elektroschock wieder fronttauglich zu machen.

    Oder umgekehrt, wie in der DDR Psychiatrie bei Hausärzten Usus, Wunsch nach Überweisung in Psychiatrie zu verweigern, aus der Not des Patientenstau geboren, Patienten*nnen vor überfordertem Personal in Medizin, Therapie, Pflege, psychosozialen Stuhlkreis Tortur der Psychiatrie, Personalmangel, unzureichender Ausbildung, Pharmaka Cocktail Keulen, fehlender Gelder für Supervision, zu warnen, Beine in die Hand zu nehmen, wegzulaufen, solange es noch geht, spontan im persönlichen Alltag wieder arbeits-, gesellschaftsfähig zu sein?



    Der Autor berichtet entwaffnend anrührend über empfundene Unzulänglichkeit als Psychiater, will nicht Verbündeter Patientin sein, statt sich mit ihren gesunden Teilen zu verbünden, verwechselt, therapeutische mit politischer Abstinenz im therapeutischen Setting, die ihm kaum möglich sei, als ob es darum ginge, Brandenburg Psychiatrie hinsichtlich Abgrenzung von AfD beim Personal als klinisch einwandfrei political correctness zu dokumentieren?, wenn nicht, ob es heute der Psychiatrie auch darum geht, Methoden zu entwickeln, Patienten*nnen entgegen Parteiverdrossenheit am Beispiel Pat. Hüther zur Parteien Engagement fähig zu machen, bis auf Weiteres selbstverständlich nicht für AfD?

    Der Autor klagt darüber, eigentlich wolle er Patienten Pausengespräche nicht ausspionieren, tut es dann aber doch, wenn auch nicht durchweg, das schaffe er psychisch nicht, wenn ja, wie geht das mit oder ohne Einverständnis der Patienten*nnen, dass sie abgehört werden?

  • Ich habe ähnliche Probleme wie "Frau Hüther" und bin auch DDR sozialisiert. Ich bin nicht rechts geworden und mache keine Asylanten für meine Probleme verantwortlich. Es ist nur viel einfacher, leichter irgend jemand oder etwas dafür verantwortlich zu machen. Gläubige Menschen machen ja auch gerne mal Götter oder den Teufel (Dämonen) verantwortlich.



    Vielleicht sollte "Frau Hüther" mal aus ihrer Komfort-Zone heraus geholt werden.



    Toller Artikel, interessanter Einblick in ihre Arbeit. Danke

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    verglichen mit der früheren situation in der ddr und heute mit der situation in den herkunftsländern der flüchtenden geht es hier materiell selbst den hilfebedürftigen gut.



    es mangelt nicht an materieller absicherung, sondern an ethik. ohne ethik bleibt nur die angst vor verschlechterung übrig. angst ist ein schlechter ratgeber.

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @90118 (Profil gelöscht):

      ps: toller bericht!

  • Der Autor hat auf jeden Fall ein schwierigen Job, einfache Lösungen wird es nicht geben. Dennoch habe ich hier den Eindruck, dass der Autor hier an der Dynamik der Entwicklung nicht ganz unbeteiligt ist. Es handelt sich hier um ein psychotherapeutisches Setting und nicht um ein pädagogisch/ erzieherisches. Der Autor kommt an seine persönlichen Grenzen und reflektiert meines Erachtens nicht ausreichend seine Gegenübertragungsgefühle und handelt dann unsouverän. An dieser Stelle kommen verhaltenstherapeutische Ansätze an ihre Grenzen. Ich vermute mit einer mehr verstehenden und weniger bewertenden therapeutischen Haltung hätte die Pat. weniger rebelliert (und nicht noch immer einen draufgesetzt). Letztlich wiederholt sich in dieser Beziehung die Geschichte der Patientin ( worauf sie auch immer wieder hinweist) und sie fühlt sich nicht ernst genommen. Wenn der therapeutische Raum geschlossen wird, kann die Pat. ihre Neid und Wutaffekte (die sie gegen Schwächere richtet) letztlich nicht bearbeiten und sich ihren schmerzhaften Anteilen stellen.

  • "Sicherlich entwickeln sich psychische Probleme nicht jenseits eines sozialen Raums, aber an Persönlichkeitsstörungen ist bestimmt nicht "der Kapitalismus" schuld"



    Wenn es nicht die Art und Weise der Einrichtung der Arbeitsteiligen Gesellschaft ist, die als Totalität noch bis in die feinsten Regungen hinein Neurosen und Psychosen auslöst, dann bleibt da nichts mehr übrig. Nur weil der Autor am Anfang feststellt, dass das "Kapitalismusbashing" seiner Patientin ihm zusagt, sagt das noch nichts über Sinn oder Sinnlosigkeit solcher Thesen im Allgemeinen aus.



    Horkheimers Dictum, dass wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, [..] auch vom Faschismus schweigen" sollte, zeigte brennglasartig auf, wie der Kollektive Narzissmus in sadistische und damit faschistische Praxis umschlug.



    Der Vorwurf der Unprofessionalität ist daher auch ein sehr billiger. Er ist nicht frei von einem Berufsstolz, der sich in der Praxis selbst nicht seine eigene Ohnmacht eingestehen möchte. Indem er zwanghaft versucht, die Politik als etwas Aussenstehendes zu behaupten, schneidet er sich selbst die Möglichkeit ab, zu begreifen, in wie weit die politische Organisation der Lebenswelt von Menschengruppen bestimmte Neurosen und Psychosen hervorbringt. Die Autorität des grausamen Vaters möchte erklärt werden, nicht nur durch den Verweis auf Familiengeschichte, sondern auch wie sich Gesellschaft reproduziert; und da kommt man ohne basale ökonomisch-geschichtliche Betrachtungen halt nicht aus.

  • Vielen Dank für diesen ehrlichen Bericht!

    tatsächlich glaub ich, dass das ein ziemlich großes Problem ist. Meine Erfahrung in einem sozialarbeiterischem Setting ist ähnlich: Laut Hausordnung sind jegliche diskriminierende Äußerungen verboten, worauf von uns Sozialarbeiter*innen auch immer hingewiesen wird. das ist notwendig, es gibt Menschen verschiedenster Herkunft, die die Einrichtung, wo ich arbeite, nutzen. Tatsächliche Konsequenzen gibt es aber nur, wenn es persönlich und/oder bedrohend wird.



    Es gibt aber zwei Probleme mit dieser klaren Abgrenzung: Erstens, wenn du Menschen besser kennst, wenn du schon länger mit ihnen arbeitest. Dann wird der Hinweis auf das Diskriminierungsverbot zu einem fast schon kumpelhaften "Aber du weißt, so was ist hier verboten." Hier tut sich tatsächlich ein Graubereich auf, den auch der Autor im Text gut beschreibt. Dazu kommt aber noch ein Autoritätsproblem. Sowohl im sozialarbeiterischem als auch im psychotherapeutischem Setting sind die Rollen klar vergeben: Wir bekommen für unseren Job bezahlt, wir bestimmen, wo es lang geht, der/die Klient*in muss sich fügen. Aber dieses Sich Fügen führte in der Vergangenheit dazu, dass sie in der Lage sind, in der sie eben sind, in der sie eben sind, in der sie Hilfe brauchen. Hier wird der Umgang mit rassistischen Äußerungen schwer: Ist es pure Provokation, kommt es aus dem Inneren, werde ich dabei zu einem Reibebaum für ältere, ganz andere Probleme, oder ist es der hilflose Versuch, das eigene Leben wieder in die Hand zu nehmen?

    Auf jeden Fall braucht es hier viel und auch öffentliche Reflexion, deswegen nochmal danke für den Text!

  • Warum muss man professionell intervenieren, wenn sich Menschen politisch äußern? Davon lebt doch Demokratie, dass das Gespräch breit stattfindet.

    • @Ansgar Reb:

      Eine politische Äußerung ist etwas gänzlich anderes als Hetze und Rassimus.



      So wie ich auch nicht zu jedem Menschen "Arschloch" sagen darf, darf auch nicht jeder Mensch ungestraft rassistische und hetzerische Äußerungen tätigen und dem Faschismus wieder den Boden bereiten. Da darf gerade in einer therapeutischen Situation das Thema nicht ausgegrenzt werden, sondern die Ursachen und Motive müssen herausgearbeitet werden – m. E..



      Wegsehen und Weghören bei nazistischen Parolen wird uns wieder ins Verderben stürzen.



      Und das Wegsehen und das Weghören wird jedes Volk IMMER ins Verderben stürzen.

      • @Frau Kirschgrün:

        Genau das war es in den Beispielen aber doch gar nicht. Im übrigen, wer wenn nicht Psychiater müssen qualifiziert sein, sich den Hass der Menschen ungefiltert anzuhören.

        Sie gehen davon aus, dass böse Worte Menschen böse machen. Ich halte es da mehr mit A.S. Neil und seiner antiautoritären Erziehung.

        Jeder Mensch darf sich - auch unangenehm - äußern. Äußerungen machen die Welt nicht schlecht. Wenn es Menschen bedrückt, dass Weinachtsmärkte zu Wintermärkte werden, dann wäre doch gut das mit dem Psychiater genau herauszuschälen, was die Ängste sind.

        Jeder Mensch darf ungestraft reden, nur eben niemanden direkt beleidigen. Wenn jemand seinen Schwager für ein Arschloch hält, dann darf in einer therapeutischen Situation ihm niemand erzählen wie er richtig zu fühlen hat.

        • @Ansgar Reb:

          Merken Sie was? So wie Sie antworten reden wir aneinander vorbei…



          Na dann…



          Lesen Sie doch meinen Kommentar weiter oben…



          Und immer bedenken, nicht Birnen mit Äpfeln vergleichen :)

  • Sehr sehr interessanter Artikel. Wollte schon lange etwas aus der Perspektive eines Psychologen lesen.

    Ich persönlich finde es schade wie sich alles entwickelt. Die Deutschen hatten auch andere, schönere Zeiten...das vergessen sie aber leider selbst oft genug! Durch die Globalisierung sollte die Welt eigentlich kleiner werden, zusammenwachsen. Doch je weiter das voranschreitet, desto mehr haben Leute Angst um ihre sog. Identität. Man regt sich über Dinge auf die man sehen muss und denkt man müsste deshalb irgendwie "anders" werden. Verstehe ich nicht. Ich kann doch sein wie ich will und das unabhängig davon was mein Nachbar für sich als Ideal empfindet?

    Meine Freiheit endet dort wo die des anderen beginnt.

    So langsam weiß ich nicht mehr wo ich mich dazu zählen soll. Die eine Hälfte meiner Familie ist weiß, die andere schwarz und ich renne herum als würde ich Reise nach Jerusalem spielen.

    Hoffentlich schaffen wir es noch gemeinsam eine bessere Zukunft für alle zu gestalten.

  • Mir scheint das Problem in erster Linie beim Autor zu liegen. Er hat ein derart starres linksorthodoxes Weltbild, dass er nur mit hilfloser Aggression auf politische Räsonnements und Provokationen reagieren kann.



    Deutlich wird das bereits am Anfang des Textes, als er noch betont, wie sympathisch ihm der antikapitalistische Stammtischsermon seiner Patientin ist, bis sie ins Nationalistische kippt.



    Dabei müsste er sie eigentlich schon vorher zurück auf den Boden der Tatsachen holen. Sicherlich entwickeln sich psychische Probleme nicht jenseits eines sozialen Raums, aber an Persönlichkeitsstörungen ist bestimmt nicht "der Kapitalismus" schuld. Ein Therapeut, der solches Schwadronat mit Sympathie hört, disqualifiziert sich selbst - sein politisches Weltbild verstellt ihm einen wirklich "mit-leidenden" - und zugleich analytischen Blick.



    So verwundert es nicht, dass er unprofessionell den Konflikt um die Kleidungsmarke eskaliert, anstatt besonnen damit umzugehen. Völlig sinnlos und rein ideologisch motiviert auch das Verbot, die Nationalhymne zu singen. Es wäre doch viel geschickter,



    sie einmal zu singen. Sie ist die offizielle deutsche Hymne. Nicht nur die von Nazis. Und der Mann ist Therapeut von Beruf, kein antideutscher Aktivist. Also: Warum nicht singen, es aber bei diesem mal belassen, nachfragen, warum die Hymne der Frau so wichtig ist? Luft rauslassen.



    Anstatt sie aufzulösen, bestätigt der Autor dieses Artikels die dumpfen Ressentiments seiner Patient*innen.

    • @Kasch1:

      "Sicherlich entwickeln sich psychische Probleme nicht jenseits eines sozialen Raums, aber an Persönlichkeitsstörungen ist bestimmt nicht 'der Kapitalismus' schuld"

      Wenn es nicht die Art und Weise der Einrichtung der Arbeitsteiligen Gesellschaft ist, die als Totalität die sozialen Räume erst hervorbringt und daher noch bis in die feinsten Regungen hinein Neurosen und Psychosen auslöst, dann bleibt da nichts mehr übrig. Nur weil der Autor am Anfang feststellt, dass das "Kapitalismusbashing" seiner Patientin ihm zusagt, sagt das noch nichts über Sinn oder Sinnlosigkeit solcher Thesen im Allgemeinen aus.



      Auch wenn man sich als Linker wohl mehr Sensibilität erhofft, wenn eine Person so einen 'Antikapitalismus der der dummen Kerle' propagiert.



      Die Unwahrheit liegt ja nicht in der Behauptung, dass es nur noch auf den Profit ankommen würde. Man mag es banal finden, dass es so ist. Sondern in den weiteren Vorstellungen, die geäußert werden. Der wahnhafte Antisemitismus und die kulturellen Überlegenheitsgefühle gegen Geflüchtete spiegeln das Bedürfnis nach der vermeintlichen guten Volksgemeinschaft, ohne die sich Auschwitz nicht denken lässt. Die Harmlosigkeit ist deshalb auch beim Bedürfnis des Singens der Nationalhymne nur Schein. Immer soll an die Stelle der eigenen Ohnmacht die Herrlichkeit der Nation treten mit der sich dann fleißig identifiziert wird. Dass solche Anpassungsleistungen durch das politische agieren von Personen wie Fr. Hüther in der Psychotherapie durchaus auch andere Menschen imponiert, ist dann in der Tat ein Zeichen dafür, dass ein Großteil der gekränkten Deutschen Seelen zu alter Herrlichkeit zurückmöchte. Daher ist auch die Behauptung, die Politik liesse sich aus der Therapie heraushalten, selbst als eine Abwehrreaktion von Therapeuten zu werten, die sich selbst ihre Ohnmacht nicht eingestehen wollen. Dagegen ist der Autor zumindest jemand, der das Problem konsequent benennt, anstatt abstrakt von beruflicher Professionalität zu lamentieren.



      s.o.

    • @Kasch1:

      Ja, das sehe ich auch so. Entweder muss ich als Therapeut alles politische weg lassen (auch wenn ich die Ansicht teile) oder alles zulassen.

  • Vielen Dank für diese persönlichen Einsichten!

  • Und noch etwas: wenn Frau H. wirklich eine Persönlichkeitsstörung hat, ist sämtliche Dynamik (erst mögen, dann Abwerten) darauf zurückzuführen.

    Sie scheint ja soweit zu spalten, dass sie es bis in die Zeitung schafft. Das hat aber rein gar nichts mit ihrer politischen Einstellung zu tun sondern sollte vom Fachmann als solches erkannt werden.

    Und zu der erwähnten therapeutischen Beziehung ist sie gar nicht fähig mit einer Persönlichkeitsstörung (Borderline?).

  • Also so schwer ist es ja nun nicht, Politik aus der Therapie herauszuhalten. Hätte er aber schon vorher machen müssen, als er ihr heimlich zustimmte. Und dass eine Klinik Kleidermarken verbietet kenne ich von anderen Kliniken schon lange.