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Das Phänomen Greta ThunbergDie bessere Realpolitik

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Was weder Regierungen, Wissenschaftlern noch Öko-Verbänden gelang, hat Greta Thunberg geschafft: das Thema Klima oben auf die Tagesordnung zu setzen.

Untypischer Teenie-Star: Greta Thunberg Foto: ap

G reta Thunberg sticht in See. Und trifft offenbar bei vielen einen Nerv. Die 16-jährige Schülerin aus Stockholm, die seit einem Jahr ihren ganz privaten „Schulstreik fürs Klima“ begonnen hat, ist zur Galionsfigur der Fridays-for-Future-Bewegung geworden, die die Politik vor sich hertreibt. Und das, obwohl die junge Schwedin mit ihrer widerborstigen Botschaft an die Erwachsenen („Ich will, dass ihr Panik bekommt“) so überhaupt nicht in die Rolle eines Teenie-Stars passt.

Oder vielleicht gerade deswegen. Was weder den Regierungen noch den Wissenschaftlern noch den Öko-Verbänden gelungen ist, Greta Thunberg hat es geschafft: das Klimathema international auf die Tagesordnung zu setzen, wo es hingehört. Sie redet direkt und einfach, beharrt auf schlichten Wahrheiten, verweigert sich den Sachzwängen und macht die Elterngeneration verantwortlich.

All das mag manchem ein bisschen zu einfach sein. Um die Welt aus ihrer Abhängigkeit von den fossilen Energien zu lösen, braucht es eine umfassende Strategie. Nach New York zu segeln, wie Thunberg es nun tut, ändert nichts an der weltweiten CO2-Bilanz.

Aber darum geht es nicht. Greta Thunberg klagt zu Recht die nicht mal halbherzige Klimapolitik der letzten Jahre an: große Ziele beschließen, während die Emissionen weiter steigen. Wenn das Realpolitik war, ist die Maximalforderung nach dem schnellen Ende der Fossilen die vernünftigere Alternative. Ohne das Versagen der internationalen Politik wäre Greta Thunberg nicht der Star der kommenden Generationen, sondern ein unbekanntes Schulkind.

PolitikerInnen und UnternehmerInnen könnten ganz einfach das Phänomen Greta entzaubern. Sie müssten nur anfangen, ernsthaft Klimaschutz zu betreiben

PolitikerInnen und UnternehmerInnen, die sich über die Schwedin ärgern, könnten ganz einfach das Phänomen „Greta“ entzaubern. Sie müssten nur endlich anfangen, ernsthaft und radikal Klimaschutz zu betreiben. Der 20. September, das Datum des Klimakabinetts, wäre die deutsche Gelegenheit dazu. Drei Tage später können die versammelten Regierungschefs bei der UNO in New York konkrete Pläne auf den Tisch legen. So ließen sich Greta Thunberg und die junge Generation gern den Wind aus dem Segel nehmen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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13 Kommentare

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  • 0G
    06491 (Profil gelöscht)

    Danke an Herrn Pötter für den Kommentar. Viele gute, richtige und wichtige Gedanken. Wer sich gerne ausgewogen informiert kann als kritischeren Artikel z.B. diesen hier heranziehen: www.gmx.net/magazi...-thunberg-33928184



    Auch diese Fakten und Denkpositionen sollte man m.E. kennen.



    Mir persönlich ist das mediale Getue um das Mädchen völlig wurscht. Was ich aber bedrückend finde ist, dass wir mit solchen (aus meiner Sicht) Irrwegen wertvolle Zeit verlieren, um die eigentlichen Probleme auf diesem Planeten zu lösen. Bevölkerungswachstum, Umweltverschmutzungen wie Plastikvermüllung, religiöse und sonstige Verblödung, fairer Handel, Sozialstandards bei Produktion in Drittweltländern und so vieles mehr werden sich ganz sicher nicht durch mediales Theater um ein Kind verändern. Da braucht es Fachleute von Ingenieuren bis Ökonomen und von Ärzten bis Techniker. Und vor allem einen klaren Plan und nicht irgendwelches Allgemeinplatzgerede von wem auch immer. Der Hype wird irgendwann vorbei sein, die Probleme bleiben. Der Unterschied ist dann lediglich, dass sich einige Leute wieder mal eine goldene Nase verdient haben.

  • Gretchenfrage an Faust "Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon?“

    Greta Frage an Klima Gipfel New York : Nun sagt, wie haltet ihr Regierungen der G 20 Staaten es mit dem Klimaschutz, ihr seid herzlich gute Leut, allein ich glaub, ihr haltet nicht viel davon?"

    Ist mit Greta Thunberg die mediale Royal Family Prominenz der G 20 Regierungschefs im rasenden Stillgestanden komplett?

    Dem britischen Empire, erwuchs, angesichts der sozialen Ungleichhheit, die es daheim und vor allem in seinen Kolonien erweiternd hervorgebracht, Ende 18. Jahrhundert Charitiy bis ins Royal Family Bewusstein als Pflichthaltung gegenüber verarmten, verelendeten Untertanen, damit alles ansonsten so weitergeht wie zuvor.

    Greta Thunberg Fridays for Future gerät in Gefahr, diese Leerstelle medial empfundener Royal Family Prominenz entwickelter Industriestaaten und Schwellenländer, denen das Schicksal indigener Völker, die seit Jahrzehnten unter dem von Menschenhand gemachten Klimawandel leiden, schnurz egal scheint, als herzlich gutes Mädchen mit dem zu recht traurig ernst nach innen gekehrten Blick zu besetzen.

    Geichsam masochistisch werden ihre Vorhaltungen, fundiert unterlegt von Expertisen global 200 Wissenschaftlern*nnen, in Fragen ausbleibend wirksamen Klimaschutzes von Regierungschef, u. a. Bundeskanzlerin Angela Merkel zur begrüßung mit einer Freudenträne im Auge auf`s Höchste gelobgepreist, umarmt, als wollten sie die Wirkung ihrer Worte erdrücken?

  • Wie entzaubern?



    Wenn die Politik das alles umsetzt dann würde Sie den Friedensnobelpreis kriegen, inkl. dem alternativen NP und hätte ihren Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Dann wäre sie ZaubererINN herself!

  • Ja tatsächlich und - potztausend! - hat Greta Thunberg es geschafft, den Klimawandel ganz weit oben auf die Tagesordnung der Politik zu bringen. Das hätte sie sicher nicht gedacht, als sie vor einem Jahr alleine vor dem schwedischen Parlament stand. So etwas ist auch nicht planbar.

    Dabei war es ganz gewiss wie im Märchen von "Des Kaisers neue Kleider", dass nämlich ein Kind, bzw. ein ganz junger Mensch aufgezeigt hat, dass die Politik weltweit "nackt" dasteht wenn es um mehr als wohlfeiles Sonntagsreden-Geschwätz geht.

    Sie zur Ikone oder gar zu einer "Heiligen" hoch zu stilisieren ist Unfug und gewiss nicht in ihrem Sinne. Für solche abwegigen Tendenzen kann sie auch gar nichts, das ist Sache derer, die so sprechen.

    Aber unser aller Sache sollte, besser, muss es sein, sie und ihr Anliegen aufrichtig zu unterstützen und den Entscheidern in Politik und Wirtschaft "Dampf unter dem Hintern zu machen". Bevor der Klimawandel uns und die Zukunft des ganzen Planeten verdampft!

  • Danke.

    Ein Gesichtspunkt hätte ich gerne hinzugefügt: Frau Thunberg legt ihren Finger gezielt auf eine klaffende Wunde: ohne eine umfassende Verhaltensänderung von uns allen wird's nicht gehen.

    Das hören wir natürlich auch nicht gerne, weil wir uns längst in ein Gleichgewicht des Konsumterrors mit der hochoptimierten Produktionswirtschaft eingefunden haben.

    Wenn schon z.B. VW bei der Vorstellung, in kurzer Zeit auf Elektro umzustellen, die Schweissperlen im Gesicht zu sehen sind... was ist dann, wenn sie plötzlich nur noch 30% oder 25% des bisherigen Outputs haben?

    Was ist mit den Arbeitsplätzen? Was mit den (oh so heiligen) Investitionen?

    Das sind Diskussionen, die wir noch führen müssen, und nicht wollen.

    Unser Leben wird sich drastisch ändern, und "die Technik" wird nicht alles abfedern können. "Auto, aber elektrisch", "Mollig, aber grün", "Malle, aber Bioflugbenzin" wird vielleicht nicht mehr sein.

    Frau Thunberg veranschaulicht das gerade. Sie hat Talent zur Pädagogin.

  • Zitat: „Die 16-jährige Schülerin [...] ist zur Galionsfigur der Fridays-for-Future-Bewegung geworden, die die Politik vor sich hertreibt. Und das, obwohl die junge Schwedin mit ihrer widerborstigen Botschaft an die Erwachsenen („Ich will, dass ihr Panik bekommt“) so überhaupt nicht in die Rolle eines Teenie-Stars passt.“

    Greta ist nicht einfach so „zur Galionsfigur[...] geworden“. Sie wurde zur Galionsfigur gemacht. Und zwar nicht „obwohl“, sondern gerade weil sie erklärt hat, was sie erklärt hat.

    Mit ihrem: „Ich will, dass Ihr Panik bekommt“ passt sie hervorragend in die Masche, die „die Medien“ gerade fahren. Von der Bunten über die Bildzeitung und die FAZ bis zur taz leben derzeit alle von der Panik. Im Netz, im Fernsehen - überall der selbe alte Mief: Keine Ahnung, kein Konzept aber ein Anspruch. Man will „die Politik“ vor sich her treiben. Wohin auch immer. Greta aber liefert, was „die Medien“ gebrauchen können: Keinen Teenie-Star, dafür aber eine Art Jeanne d‘Arc der Klimarettung. Das soll modern sein, ist aber nur ein Aufguss uralter Männer-(Alp-)Träume. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn damit die Zukunft der Menschheit gerettet würde.

  • Bessere Realpolitik? Pff, ich würde eher sagen gute Realsatire. Der Fall Greta erinnert doch sehr an "Bas Leben des Brian".

  • "hat Greta Thunberg geschafft: das Thema Klima oben auf die Tagesordnung zu setzen.".

    In Teilen Europas.

  • Ein inspirierender Kommentar zu einem uns alle in unserer weiteren menschlichen Existenz betreffenden Thema, danke dafür. Bei GMX beleuchtet die heutige Kolumne von Dr. Wolfram Weimer das gleiche Thema aus einem anderen Blickwinkel, was ebenfalls sehr lesenswert ist.

    In den Nachrichten des Frühstücksfernsehen, zollt die amtierende Bundeskanzlerin der Klimaaktivistin Respekt, Anerkennung und Dank für ihre Leistung, die Politik auf das Thema Klima aufmerksam gemacht zu haben, was auch sehr schön zu hören ist.

    Das seit Jahrzehnten die öffentlich rechtlichen ebenso wie die privaten Medien gleichermaßen unermüdlich in unzähligen wissenschaftlichen Reportagen und Dokumentationen das Thema Klima in die Öffentlichkeit tragen, bleibt unerwähnt.

    Was für eine öffentliche Brüskierung all derer, die in der Regierung wie im EU Parlament Jahr ein, Jahr aus gegen die Wand geredet haben und doch nur auf die Ignoranz und Arroganz der tauben Ohren, der Uneinsichtigen und Unbelehrbaren politisch Verantwortlichen gestoßen sind.

    Es scheint also müßig zu hoffen, dass diejenigen die Kraft ihres Mandat oder ihres Amtes die politische, ökologische, ökonomische und humanistische Verantwortung für unser Gemeinwohl zuständig sind, sich in ihrem Verhalten in absehbarer Zeit ändern werden, was sie für die wirklich und wahrhaftigen Lösungen unserer Probleme für nicht besonders gut geeignet erscheinen lässt.

  • Unser Wirtschaftssystem lässt nur die weltweite Ausbeutung von Mensch und Natur durch den Menschen übrig. An erster Stelle steht stets der individuelle Profit um JEDEN Preis - ganz egal, was dann kommt...Selbst, wenn es den eigenen Kindern und Kindeskindern das Überleben auf unserem Planeten immer unwahrscheinlicher macht.

  • "Die bessere Realpolitik"

    Monetarisierung und Finanziesierung der Natur und Naturschutzes mit neuen Profiteuren und alten Verlierern...

  • Als Gallionsfigur sollte sich Greta Thunberg nicht vermarkten lassen. Fridays for future werden bald aus der geduldeten Ecke der "ihr dürft auch einmal etwas sagen" Jugendrevolte heraus finden müssen. Klimaproblematik steht vor dem Siedepunkt, Umweltpolitik steht vor dem Scheideweg. Der drohende Konservatismus wird alles unternehmen, um keine aktive Umweltpolitik aufkommen zu lassen. Treibt die Volksparteien ins Meer ihrer eigenen Hoffnungslosigkeit.

  • Es ist Sauregurkenzeit. Da darf jeder seine Meinung zum Klima und seine Vorschläge zur Klimarettung veröffentlichen. Sicher wurde in den letzten jahrzehnten das Thema Klima vernachlässigt. Aber es sind andere Maßnahmen notwendig als man den Schüler-Klima-Aktivisten vorgibt. Es würde sofort helfen die Subvention von Diesel, Kerosin, und Geschäftswagen aufzugeben. Und die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Bahn ist schon lange im Gerede. Das hilft schneller als dem Bürger vorzugeben wann er Fleisch essen darf. Da braucht man nur die großen Zuchtbetriebe besser zu regulieren. Die arbeiten alle mit staatlicher Genehmigung!