Kommentar Scholz’ Kanzler-Ambitionen: Ich bin, also werde ich
Olaf Scholz bringt sich als SPD-Kanzlerkandidat ins Spiel – und könnte damit der Partei schaden. Die Union hat dagegen verstanden, wie es geht.
E s war fast schon verdächtig, mit welchem Eifer Olaf Scholz sich während der vergangenen Monate um Beliebtheit bemühte. Wie Rauchzeichen sendete er für seine Verhältnisse linkspopuläre Forderungen in die Welt: Einen Mindestlohn von 12 Euro, eine Sicherung des Rentenniveaus bis 2040. Insofern überrascht es kaum, was Scholz jetzt, fast drei Jahre vor der nächsten Wahl, im Bild-am-Sonntag-Interview offenbarte: Er will Kanzlerkandidat der SPD werden.
Bravo, Selbstbewusstsein ist doch genau das, was der Sozialdemokratie fehlt, könnte man sagen. Aber das Selbst ist in diesem Fall ja nicht die Partei, sondern Olaf Scholz, auch wenn er geschickt vorlegte mit der Formulierung „Die SPD will den nächsten Kanzler stellen“. Nun, Glauben ist alles für einen Vertreter einer Partei, die nur mehr bei 15 Prozent steht.
Welche Hybris in Bezug auf seine Person aber Scholz’ Vorstoß zugrunde liegt, zeigt sich darin, dass er sich als aussichtsreichen Kandidaten sieht: Schließlich habe er laut Umfragen „hohe Unterstützung bei Bürgerinnen und Bürgern und SPD-Anhängern“. Beim letzten Parteitag landete Scholz bei 59 Prozent – und in den letzten Umfragen deutlich hinter AKK. Und das Missmanagement bei G20 in Hamburg wird noch lange an seinem Namen kleben.
Umso bemerkenswerter, wie Scholz sich als Äquivalent zu Annegret Kramp-Karrenbauer darstellt – ähnlich wie von ihr als CDU-Vorsitzende werde von ihm als Vizekanzler erwartet, sich die Kanzlerschaft zuzutrauen. Als gäbe es keine Andrea Nahles.
Die Union hat demonstrativ Frieden geschlossen
Ich bin, also werde ich: Einmal mehr verkörpert Scholz hier die sich selbst erdrückende SPD, die am notorischsten von allen Parteien Verlässlichkeit mit Starrköpfigkeit, Fortschritt mit machtpolitischem Erfolg verwechselt. Da Scholz seinen Vorstoß vermutlich nicht mit Nahles abgestimmt hat, dürfte die gute Zusammenarbeit an der Parteispitze nun empfindlich gestört sein, was der SPD nur noch mehr schaden könnte.
Dagegen hat selbst die CSU verstanden, dass mit Streit und Spaltung kein Staat zu machen ist, und bei ihrer jüngsten Klausur mit der CDU demonstrativ Frieden geschlossen.
Und die FDP? Beim alljährlichen Dreikönigstreffen wagte Parteichef Christian Lindner die steile These, mit seinen Liberalen sei jederzeit zu rechnen, wenn es darum gehe, „Verantwortung zu übernehmen, um dieses Land mit zu erneuern“. Natürlich, das hat die FDP ja unlängst bewiesen, als sie die Koalitionsverhandlungen im Bund und in Hessen platzen ließ.
2019 verspricht ein abwechslungsreiches Jahr zu werden. Bleibt nur zu hoffen, dass es an seinem Ende noch eine zweistellige SPD gibt.
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