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Kommentar Führung der CSUGeht mit Gott, aber geht!

Dominik Baur
Kommentar von Dominik Baur

Bisher trennte die CSU sich zügig von ihrer Spitze, wenn diese keinen Erfolg mehr garantierte. Ausgerechnet jetzt gibt die Partei dieses Prinzip auf?

Es dürfe kein „Weiter so!“ geben, sagen sie jetzt in der CSU. Und was machen sie? Weiter so Foto: dpa

N iederlagen können Chancen sein. Dazu muss man sie aber auch ergreifen. Die CSU beweist gerade eindrucksvoll, dass sie dazu nicht in der Lage ist. Die Partei, zumindest aber ihre Führung hat nichts aus dem desaströsen Ergebnis dieser Landtagswahl gelernt.

Selten war das Auseinanderklaffen von Wort und Tat so augenfällig. Schon eine Viertelstunde nachdem die Wahllokale geschlossen haben stellt sich Ministerpräsident Markus Söder vor seine Leute und bemüht tatsächlich wieder dieses Wort: Demut. In Demut will Söder das Wahlergebnis annehmen. Mit Verlaub, aber niemand hat dieses Wort im Verlauf des vergangenen Jahres dermaßen missbraucht und zur leeren Floskel verkommen lassen wie dieser Mann. Als er sich im Sommer auf die Seite Seehofers schlug und über Asyltourismus schwadronierte, war das Demut? Es war kaltes Kalkül, es ging um nicht mehr als ein paar schnelle Stimmen am rechten Rand. Und es war unchristlich. Unsozial. Ganz zu schweigen vom Schaden, den die CSU-Spitze in seltener Eintracht der Union und auch der Bundesregierung zugefügt hat.

Es dürfe kein „Weiter so!“ geben, sagen sie jetzt in der Partei. Und was machen sie? Weiter so. In den ersten Amtshandlungen danach gilt es nun, sich die Pfründen zu sichern. Thomas Kreuzer soll mit Unterstützung Söders Fraktionschef bleiben und im Gegenzug einen Rückhalt für den Ministerpräsidenten bilden. Und selbst den Parteichef, der zunehmend als Last empfunden wird, lässt man vorerst gewähren, um nicht eine Lawine loszutreten, deren Ausmaß niemand vorhersehen könnte.

Es gebe nichts zu beschönigen, sagen sie jetzt in der Partei. Und was machen sie? Sie reden sich das Wahlergebnis schön. Von einem „tollen Schlussspurt“ spricht Söder und betont den „klaren Regierungsauftrag“. Ganz schön dreist.

Zu schwach für den Putsch?

Es ist historisch, was hier gerade passiert. Bisher war die CSU bekannt dafür, sich zügig von ihrem Spitzenpersonal zu trennen, wenn dieses keinen Erfolg mehr garantierte. Ausgerechnet im Angesicht ihrer größten Niederlage scheint die Partei dieses Prinzip aufzugeben. Ist die CSU inzwischen sogar für einen Putsch zu schwach? Es hat den Anschein.

Natürlich hat Seehofer einen massiven Anteil an der Misere seiner Partei. Und es ist verständlich, dass sich viele seinen Abgang wünschen. Doch das Wahldesaster nur an ihm festzumachen, wie das Söders Jünger nun versuchen, ist mehr als billig. Es war eine bayerische Landtagswahl. Selbst wenn die abstruse Idee stimmte, dass das Ergebnis nichts mit dem Spitzenkandidaten zu tun habe, spräche dies nicht für, sondern gegen diesen wirkungslosen Kandidaten.

Söder und Seehofer hätten es in der Hand, mit ihrem Abgang den Weg für eine Erneuerung der Partei frei zu machen, vielleicht sogar für interessante neue Experimente wie Schwarz-Grün. Mit anderen Protagonisten, hießen sie nun Aigner, Müller oder Weber, könnte man den Wählern tatsächlich zeigen, dass es so nicht weitergehen soll. Dafür bräuchte es aber eine besondere Charaktereigenschaft: Demut.

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Dominik Baur
Bayernkorrespondent
Jahrgang 1971. Seit 2015 Bayernkorrespondent der taz. Davor unter anderem zehn Jahre Redakteur und Ressortleiter bei "Spiegel Online", seit 2009 frei. Mitglied des Journalistennetzwerks beschreiber.de.
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6 Kommentare

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  • Hab ich was verpasst? Was hat sich in Bayern am Sonntag wirklich was geändert?

    Die CSU und eine Partei ähnlich der CSU haben zusammen fast 50% der Stimmen bei hoher Wahlbeteiligung. Offenkundig sind die Bayern zu unzufrieden nicht.

    • @insLot:

      Da muss ich Ihnen, wenn auch mit Bedauern - zustimmen. Es bleibt nur die Hoffnung auf eine unverbiegbare Partei der Grünen, die die Kraft hat, sich auf der Oppositionsbank mutig sowohl mit der CSU/FW-Koalition als auch mit dem Oppositionsgegner von der AfD wirkungsvoll und kenntnisreich so richtig zu fetzen. Das macht immerhin die bayerische Politik wieder für alle sowohl spannend als auch öffentlichkeitswirksam zuzusehen, wie die FW so allmählich zerzaust, dann zerpflückt und schließlich aufgesogen werden. Die CSU ist ja vergleichsweise so etwas wie eine schwarze Witwe. Sie hat ihre Liebhaber wie einst die Bayern-FDP zum Fressen gern.

      Möglicherweise ein gutes Lehrstück für die Bayern-Grünen. Seid's froh, doss do seid's wo's seid's, Greane...

  • "Geht mit Gott, aber geht!" - Auch nicht nett, was Gott damit zugemutet werden soll ;-)) Dann schon lieber: Fahrt zur Hölle, aber schnell! :-)))

    • @Norbert Sinofzik:

      Seh ich auch so.

  • Gut und laut gebrüllt, Herr Baur. Aber glauben Sie im Ernst, dass zwei Leute, die das Gen des Alphatieres in sich spüren, nach einem solchen, eben nicht ganz so desaströsen Wahlergebnis gerade mal so -mir nichts dir nichts- mit Demut abtreten würden ?

    Wenn es einem von ihnen dazu reichen würde, wenigstens den ewigen Konkurrenten aus seiner jeweiligen Funktion zu vertreiben, wäre dies schon viel. Aber zu glauben, dass nach dieser -von Söder als "bürgerlich" bezeichneten- Mehrheit Aigner, Müller und Weber die CSU vom lederbehosten Hintern auf die Beine stellen könnten, ist doch reichlich naiv gedacht.







    Ganz abgesehen davon, dass der Europapolitiker Weber ganz andere Ziele im Auge hat als den vom Vorgänger verschlissenen Vorsitzendensessel einer immer noch zutiefst verunsicherten süddeutschen Provinzpartei.

  • "Bisher trennte die CSU sich zügig von ihrer Spitze, wenn diese keinen Erfolg mehr garantierte. Ausgerechnet jetzt gibt die Partei dieses Prinzip auf?"

    Das haben die sich bei der SPD abgeguckt. 2009 ist ein Paradebeispiel wie man als politischer Loser (-11,2% oder 1/3 der Stimmen) obenauf bleibt. Die CSU hat zumindest weniger verloren und die Macht behalten.