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Manifest gegen Mainstream-FeminismusHarmlos und fickbar

Die US-Autorin Jessa Crispin haut dem Mainstream-Feminismus seine Widersprüche um die Ohren. Sie sagt, er sei zur Lifestyle-Ideologie verkommen.

Gehört das Stricken von pinken „Pussyhat“-Mützen schon zum Lifestyle-Feminismus? Foto: reuters

Für den Feminismus läuft es glänzend: Die ganze Welt redet über Internet-Hashtags wie „#MeToo“ oder „#WhyIDidn’t­Report“, in denen Frauen ihre Erfahrungen mit sexistischer Anmache, Belästigung und sexueller Gewalt öffentlich machen. Überall gehen Frauen für feministische Anliegen auf die Straße. In den USA mit pinken Pussyhats gegen einen sexistischen Präsidenten, in Irland, Chile und Argentinien gegen rigide Abtreibungsverbote, in Indien gegen Vergewaltigung und in Saudi-Arabien gegen das patriarchale Vormundschaftssystem.

All diese Kämpfe werden dazu noch glamourös unterstützt: Von Beyoncé bis zu Ivanka Trump, vom Modelabel Dior bis zu H&M – Feminismus, vor Jahren noch Kampfbegriff oder Schimpfwort, ist inzwischen weithin geadelt als etwas, das Frauen (und sogar Männern) gut zu Gesicht steht.

Für Jessa Crispin ist dieser vermeintliche Siegeszug eine Katastrophe. In einem Manifest wettert die US-amerikanische Autorin gegen eine in ihren Augen mainstreamtauglich verflachte Lifestyle-Ideologie, in der Bekenntnisse Inhalte ersetzen und ein Wohlfühl-Imperativ kritische Gedanken im Keim erstickt. „Warum ich keine Feministin bin“ heißt der schmale Band, der als Anklage wider den feministischen Zeitgeist daherkommt.

Wenn Feminismus sich in Narzissmus, Denkfaulheit und Gönn-dir-Mentalität erschöpfe, wenn er Frauen erlaube, gleichberechtigt an der Unterdrückung der Machtlosen und Armen mitzuwirken, wenn er nicht bereit sei, den Status quo zu erschüttern und signalisiere: „Ich bin harmlos, beiße nicht und lasse mich gerne ficken“ – dann sei sie keine Feministin, stellt die Autorin fest. Ihre Idee von Feminismus ist ein „reinigendes Feuer“, das unser gesellschaftliches System demontiert.

Wenn Feminismus sich in Narzissmus, Denkfaulheit und Gönn-dir-Mentalität erschöpfe, sei sie keine Feministin, sagt die Autorin

Nun sind Reinigungsfantasien immer schwierig, und sensible Leserinnen dürften bei der Lektüre dieses mit Kraftausdrücken gespickten Werks hin und wieder gequält aufseufzen. Doch Crispins Suada hat nicht nur verbalen Schmackes, sondern auch intellektuellen Charme. Es macht Spaß, ihr dabei zu folgen, wie sie vermeintliche Gewissheiten des Dritte-Welle-Feminismus zerlegt. Etwa die Annahme, dass Feminismus eine für alle anschlussfähige Bewegung sein könnte, ohne sich bis zur Unkenntlichkeit zu verwässern.

Was ist gewonnen, fragt sich Crispin, wenn Frauen, die sich laut und stolz zum Feminismus bekennen, in der Freizeit Pole-Dancing-Kurse besuchen, misogynen Rap hören oder Republikaner wählen – während eine künstlerisch eigenständige Musikerin wie Björk dafür angefeindet wird, dass sie sich nicht als Feministin bezeichnen mag?

Das Buch

Jessa Crispin: „Warum ich keine Feministin bin. Ein feministisches Manifest“. Übers. v. Conny Lösch. Suhrkamp, Berlin 2018. 145 Seiten, 12,95 Euro

Crispin kritisiert den Bekenntniskult unter jungen Feministinnen. „Es sollte uns nicht um Bekehrung gehen, sondern darum, auf die Wünsche und Bedürfnisse von Frauen zu hören, die sich möglicherweise von unseren unterscheiden“, etwa muslimischen Frauen, von denen verlangt werde, zu übernehmen, was westliche Feministinnen als wertvoll empfinden: „Unabhängigkeit, Erfolg und Sexualität“. Darüber, ob der Feminismus einer überwiegend weißen, bürgerlichen Mittelschicht überhaupt glücklich macht, werde nicht geredet, beklagt sie. Auch nicht darüber, was die Bewegung in ihrer jetzigen Form Frauen zu bieten habe.

Vergiftetes Geschenk

Die Einladung zur „Selbstermächtigung“ – für die Autorin nur ein neoliberaler Zwang, sich selbst zu optimieren. Und das Angebot, sich vorzukämpfen in die Komfortzone der patriarchalen Annehmlichkeiten, Macht, Geld und Erfolg? Ein vergiftetes Geschenk, findet Crispin. Nicht jeder persönliche Sieg einer Frau sei auch ein politischer. „Nur weil Frauen Zugang zur Macht bekommen, werden wir keine egalitärere Welt erleben, sondern dieselbe, nur mit mehr Frauen.“

Die Autorin ruft ihren Schwestern zu: Hört auf, euch dem Kapitalismus und dem Patriarchat anzudienen! Zeigt euch solidarisch mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, mit Frauen, die einen geringeren Bildungsstand und ein geringeres Einkommen haben als ihr. Und hört auf, so weinerlich und selbstgerecht zu sein!

Mit dem akademischen Milieu, in dem ein Professor schon für einen unpassenden Witz gefeuert wird, geht sie besonders hart ins Gericht. Ebenso mit der Tendenz zur Mob-Justiz in sozialen Netzwerken, wo Feministinnen zur Jagd auf „toxische Männlichkeit“ blasen. Für Crispin Ausdruck eines Rachebedürfnisses, das Verlierer produziert, um Sieger sein zu dürfen – um den Preis der Menschlichkeit.

Frauen, betont Crispin, seien mitnichten die besseren Menschen. Deshalb führe auch das Feindbild Mann nirgendwohin. Statt sich im Opferstatus einzurichten, solle man den Zorn lieber wieder gegen ein traditionelles Ziel richten: das Patriarchat.

Wie das gehen soll mit der Überwindung patriarchaler Strukturen, und welcher Feminismus, welche Gesellschaft aus dem imaginierten „reinigenden Feuer“ hervorsteigen soll, diese Antwort bleibt die Autorin schuldig. Aber das ist schon in Ordnung. Von einem Arschtritt erwartet ja auch keiner eine Lösung, sondern nur einen kräftigen Anstoß. Der ist Jessa Crispin allemal gelungen.

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43 Kommentare

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  • Super Gedanken von Jessa Crispin.

    Wobei ich persönlich allerdings auch gerade wegen solcher Selbstzuschreibungen den Begriff Feministin an sich noch nie gerne (für mich) verwendet habe. Und wenn ich mich so bei meinen Freundinnen umschaue, mittlerweile alle jenseits der 40, hat niemals eine gesagt, sie sei Feministin, aber ich denke, wir sind es durch unser selbstverständliches Tun und Denken sicher mehr als manche_r, die sich auf die Stirn schreiben Feminist_in zu sein und es bei jeder Gelegenheit auch erwähnen muss.

    Und ja, Frauen sind nicht unbedingt die besseren Menschen und Männer nicht alle die schlechteren. Mir war und ist das schon immer zu einfach.

    Allerdings drängt sich mir mit dem genannten Opferthema ein Vergleich zu Ost- und Westdeutschen auf. Dann wären die Frauen wie die Ostdeutschen DIE (kollektiven) Opfer und die Männer wie die Westdeutschen DIE Bösen qua Chromosomen bzw. Sozialisierung im Kapitalismus. Aber was bringt mir das zu der einen oder anderen definierten "Gruppe" zu gehören?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Hanne:

      Eine gute Schlussfrage, die sich JedeR nur selbst stellen ... und die passende(n) Antwort(en) darauf finden ... kann.

      Ich habe für mich festgelegt, dass die 'Fronten' zuweilen quer durch einen selbst laufen können. Diese Erkenntnis kann das Ganze spannend machen.

      Aber auch sehr anstrengend.

  • 9G
    91867 (Profil gelöscht)

    Was will Feminismus sein? Alles gleich machen können/dürfen/sollen wie Männer oder eine Idee einer besseren Welt sein? Diese ganzen "-ismen" oder anders ausgedrückt "Ideologien" haben mich persönlich immer eher abgeschreckt. Die Vielfalt und Widersprüchlichkeit die es in unserer Welt nun einmal gibt soll zurechtgebogen werden. Kann und wird meiner Meinung nach niemals funktionieren.

  • Ein Punkt ist mir aufgefallen: was hat feminismus mit retroliberalen Kapitalismus und anderen Blsen Strömungen zu tun?



    Ist Feminismus nicht das Recht eine soziale, legale, kulturelle, ökonomische,... Gleichwertigkeit mit den Männern zu erreichen, auch wenn es bedeutet gleich Scheiße zu sein?



    Feminismus bedeutet dementsprechend nicht automatisch sozial, liberal, antirassistisch oder Body positiv zu sein!

  • Ismen fördern immer Denkfaulheit.

  • Kommentar entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich.



    Die Moderation

  • Ich kann nicht ganz nachvollziehen wie Frau Crispin diesen Spagat hinbekommt. Auf der einen Seite sieht sie viele Dinge, die mit dem modernen Feminismus nicht stimmen. Auf der anderen Seite befürwortet sie auch viele Dinge, die Teil des Mainstream-Feminismus geworden sind und es gelingt mir nicht so recht zu erkennen wo und warum für sie da eine Trennlinie zwischen Mainstream und “traditionellem” Feminismus verläuft.

    Viele ihrer Kritikpunkte kann ich gut nachvollziehen. Grade die Männerjagd auf dem Campus ist ein absolutes Unding. Auf der anderen Seite kommt der Feminismus doch seit Jahrzehnten vor allem aus der Akademie und hat diese durchdrungen und korrumpiert. ( areomagazine.com/2...on-of-scholarship/ ) Wenn sie damit nicht einverstanden ist, zu welcher Tradition will sie dann zurückkehren?

  • Girls just wanna have fun!

    • @Rainer B.:

      Cyndie Lauper - Ikone und Totengräberin des Feminismus...

      • @Normalo:

        Feminismus und Fun sind keineswegs Gegensätze.

        • @Rainer B.:

          Da habe ich aber andere Erfahrungen gemacht. Niemand kann eine überzeugte Feministin in sachen Humorlosigkeit übertreffen.

          • @Januß:

            Feminist = Humorlos: Schauen Sie sich mal im modernen Kaberett um, da gibt es immer mehr Frauen. Oft auch mit fem. Themen z.B. bei Kebekus, Engelke, Brugger etc. (mal mehr mal weniger fem. überzeugt). Ihre Gleichung geht also nicht ganz auf.

            Und @Rainer B.: Ach, das ist mir jetzt zu...

            • @Sven Svarson:

              Ich kann sehr gut über (/mit) Carolin Kebekus lachen. Sie als Feministin hinzustellen ist dann aber schon arg gewagt. Feministen können per Definition keine Rollen im Kapitalismus übernehmen wollen, also weder in Staaten, Konzernen noch Massenmedien ...

              • @Christian Clauser:

                Danke. Selten so gelacht. Newahr.



                Normal.



                Njorp.

                unterm——



                “per definitionem“ - “in praxi“ “das ist instict“ - “das ist trivial“ - “eine contra dictio in adjecto“ ff usw …selbst einfügen. Danke.



                Ach die herrliche Pauker Steißtrommler & Brodfresser & sonstiger - Luftblasenabdrücker - heißt:

                “Na wissen wir ooch nich - kerr!“

                kurz - Lachsackaspirantverdächtig!;)

                Na Mahlzeit



                &



                Lassens uns Teilhaben.



                &



                Liggers. Dank im Voraus.

            • @Sven Svarson:

              zu ... viel verlangt?

              • @Rainer B.:

                ...zu flach.

          • @Januß:

            ;)) - Liggers. Den Verdacht hatte ich schon was länger - wa!

            Sie treffen halt immer die falschen - hm?

            unterm--- Ja wie*?*-- Was Wunder*!*



            Woran das liegen mag?



            Tipp mal nach allen Türen vornhinten offen & -- doch doch!



            Welche Frau von Anstand - bitte - legt Wert auf -



            Den werbunggehypten "Vorteil" - "Kerzen kann man auch bei Regen wechseln"???? - Da kann doch nurn#metoo!!



            Mit mindestens vier Fingern - die Antwort - Was sag ich.



            Das vorhersehbare vollfeministische Resultat sein! Gell.



            & Däh!



            Mittelmotor & belüftete!! Bremsen hin oder her.



            Frag ich Sie - Ha no. Wer braucht heute noch sowas?



            Alles Scheibe & Motoradschaltung!! Booey. Geht´s noch??



            Alles heute doch - Joystick - die Dame. Wollnichwoll.



            Gepierct. Aber Hallo & Gebatikt & Tattoo - too! Voll.



            Aber sowas von - kerr!

            & - nochens



            Voll Bitter - Aber es sei gesagt - Die Vörn&Achtern-Mütz!



            Da denkt doch selbst ne Blondine - Wie kommt dieser.



            Dieser Dr. Watson-Verschnitt - Denn da mir nah die Wäsche!



            Kein Stück - Süßholzraspler ... fürn ......ch! Yes.

            kurz - Alles selbst servíce. Newahr.



            Na - Si´cher dat. Jaa - Jung - Da mähtste nix - so fix.



            Normal. Da musse durch. Robben - Stufe 1!

            ps "...Niemand kann eine überzeugte Feministin in sachen Humorlosigkeit übertreffen." In echt*?* - getzt mal.



            Wüßt da schonn wen - hm. Wie? -... öh. Nö. Sach ich nich.

            • @Lowandorder:

              Ob Trost hier naht - bleibt a weng -



              Wag-ungesagt - zumal dess zweng -



              Im Doppelschlag - Nu. Sag mal ich.



              Aber egal - mailtütenfrisch!;)

              “ Ja, wenn er doch andere Erfahrungen gemacht hat...



              Dann muss es ja wohl so sein.







              Private Minimalempirie.



              An Erfahrung ist er reich.



              Vorn und hinten alles gleich.







              Ansonsten: www.taz.de/Komment...rnennung/!5541878/







              Das Absurde, das jetzt den „Staaten“ droht:



              Vergewaltiger fordern Abtreibungsverbot."

              Nun. Früher doch schon allbekannt.



              Frau&Kind zur linken.



              Wurde dess genannt.



              &



              Kirchenintern kath. dazu -



              Bis zu dreien zahlt kölsche Diözese.



              Kinddanach Naich bitt Sie macht Neese

  • Aus meiner Sicht hat mit dem "Marsch durch die Institutionen" auch die Frauenbewegung leider ne "rechts ab" Biege mitgemacht!



    Frauen sind zu Co-Täterinnen geworden, weil sie beim HERRschaftlichen mitmachen wollten!



    Aus der starken "Demokratisierung der Mehrheit der Bevölkerung" wurde ein Unterwerfen unter dem Diktat der Ökonomie-Diktatoren! Incl deren Auslese Prinzip: wer sich nicht dem hire and fire, dem Selbstoprimierungswahn Selbstausbeutungsraubzug, der Negierung des sozialen Selbst, der körperlichen permanent Nadel (Botox, Busenvergrösserung, auf Kleinkindhaarentfernung etc pp) ausgesetzt, wird rausgekickt!



    Da sind Frauen gnadenloser als Männer!

    Frauen kriegen heute Kinder wie Manner: 9 Monate so tun als sei nix, dann kurz klinisch saubere, getimte Geburt und ab mitm Kind ins Heim, damit Frau dem ÖkonomieGott wieder dienen kann! Wow! Welch ein Sieg der DemokratieBewegung!

    (Und Männer freuen sich wie hulle ohne zu merken, dass damit nicht nur FrauMutter ausgebremst wurde!)

    • @Maria Vorwerk:

      Nuja, der Ökonomiewahn hat es immerhin ermöglicht, Jenen, die sein Streben nach materiellem Überfluss nicht mitmachen und daher aus dem System der endlosen Wohlstandserzeugung herausgekickt wurden (was sollten sie da auch gewollt haben?), doch immerhin die materielle Existenz ziemlich weitgehend zu sichern.

      Aber wer keinen Wohlstand will, sollte ihn auch nicht zu selbstverständlich erwarten. Von einem System zu verlangen, dass es selbst dem Streben nach Wohlstand eine Absage erteilt, aber seine eigene Qualität daran misst, Wohlstand - über das blanke Existenzminimum hinaus - für Alle zu erzeugen, erscheint daher ein wenig widersinnig.

      • @Normalo:

        "...doch immerhin die materielle Existenz ziemlich weitgehend zu sichern"



        30000-kinder-sterben-taeglich.de



        www.spiegel.de/wir...nnt-a-1224339.html

        • @Maria Vorwerk:

          Finden sie mal ein anti- oder unmaterialistisches System, das mehr Leute ernähren und weniger sterben lassen kann. BEIDES sind Aspekte. Ich habe bewusst "ziemlich weitgehend" und nicht "durchweg" geschrieben

          Was das Positive am Wohlstandsstreben ausmacht, ist sicher nicht, dass es fehlerlos Wohlstand für Alle garantiert. Es ist auch durchaus empfindlich für ein Systemversagen - insofern als das System schwach werden kann, wo diejenigen, die es zur Wohlstandsmaximierung nutzen können und wollen, zu dünn gesät sind. Was es kann, ist vor allem die absolute Menge an Wohlstand vergrößern. Aber seine Unfähigkeit, einen alle glücklich machenden Schlüssel zur Verteilung dieses Wohlstands zu finden, ist die Kehrseite dieser Medaille.

          Es ist ist nicht perfekt, also sind bessere Ergebnisse immer denkbar. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie auch zwangsläufig erreichbar sind, wenn man nur "das System" auf den Kopf stellt. Dazu bedarf es des positiven Beweises. Einfach nur zu sagen "30.000 tote Kinder sind zuviel, das MUSS sich ändern!" reicht leider nicht aus.

          Und wenn Sie ein System suchen, dass mehr eingebaute Solidarität aufweist, dann brauchen sie dafür zunächst Menschen in ausreichender Menge, die diese Solidarität empfinden. Ob die dann aber wieder die Energie aufbringen, Wohlstand für Alle zu schaffen, ohne für sich selbst Wohlstand anzustreben, ist zu bezweifeln.

          "Empathischer" ausgedrückt: Wohlstand zu schaffen, BRAUCHT die ehrgeizigen Egoisten, die Alles nur für sich wollen und nicht eher ruhen, bis sie mehr haben als alle Anderen. SIE bringen jene Schübe an Produktivität, die es überhaupt erst ermöglichen, dass die Gesellschaft Überfluss zum Umverteilen hat. Jede altruistischere Motivation fühlt sich zwar edler an, führt aber nicht zu solchen Erfgebnissen. Das sollte EINE der beiden wichtigen Lektionen aus den gescheiterten Experimenten des 20. Jahrhnderts sein (die zweite ist in meiner ersten "Vorfrage" weiter unten verarbeitet).

  • "Wie das gehen soll mit der Überwindung patriarchaler Strukturen, und welcher Feminismus, welche Gesellschaft aus dem imaginierten „reinigenden Feuer“ hervorsteigen soll, diese Antwort bleibt die Autorin schuldig."



    Ganz einfach. Nicht mehr fickbar sein und dann löst sich das Problem von ganz alleine.



    Win win

  • Da Patriachate zu beobachten und damit wissenschaftlich auswertbar sind, dagegen Matriachate bisslang nahezu nirgends ne Chance hatten sind Ihre Schlußfolgerungen ... falsch!

    • @Maria Vorwerk:

      Es gibt/gab doch Matriachate, Irokesen und Tuareg z.B. haben/hatten matriachische Gesellschaftssysteme.

      • @Glimmlampe:

        Im Sinne von „Frauen haben die Macht, Männer sind untergeordnet“ ganz sicher nicht.

        • @Ruhig Blut:

          Nun, ich bin kein Ethnologe, aber direkt aus dem Wikipediaeintrag:

          "Die kulturellen Unterschiede zwischen den irokesisch sprechenden Gruppen waren gering: Alle hatten matrilineale soziale Strukturen, die Frauen besaßen das gesamte Familieneigentum und bestimmten die Verwandtschaft. Die Frauen bestellten die Felder unter der Aufsicht einer sogenannten Clanmutter (englisch clan mother). Im Herbst zogen die Männer zur Jagd in die Wälder und kehrten erst gegen Mitte des Winters zurück in die Dörfer. Gleichsam Sache der Männer war im Frühling das Fischen, während andere Häuser bauten und Felder rodeten. Ihre Hauptaufgabe sahen die irokesischen Männer jedoch in der Kriegsführung.



          [...]



          Die irokesische Gesellschaft war matrilinear orientiert. Das Oberhaupt einer Familie war immer eine Frau und die Kinder gehörten zur mütterlichen Linie. Das Langhaus, der Boden und die Ernte waren Eigentum der Frau. Nach der Heirat zog der Mann in das Langhaus seiner Frau und die Kinder wurden Mitglieder ihres Clans. Das Erbrecht begünstigte die Tochter oder das nächste weibliche Mitglied der Familie. Auch die Führung eines Langhauses hatte eine ältere Frau inne. Das galt ebenfalls für den Clan, dessen führender Frau ein männlicher, von Frauen gewählter Häuptling zur Seite stand. Alle wichtigen Personen wurden von Frauen gewählt und konnten wieder von ihnen abgesetzt werden, wenn sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren. Kein Krieg konnte ohne Einwilligung der Frauen geführt werden und eine Mutter konnte ihrem Sohn die Teilnahme am Kriegszug verbieten."

          Das klingt schon sehr nach genau dem. Die Frauen haben die Kontrolle über den Besitz, wichtige Posten und die Familie

    • @Maria Vorwerk:

      Ihre Behauptung ist auch nicht wahrer.

      Um die These "Matriarchate sind nicht besser Patrarchiate." logisch zu widerlegen, müssten Sie nachweisen können, DASS Matriachate besser sind als Patriarchate. Ihr Hinweis besagt aber nur, dass für die These die empirische Beweislage fehlt (und aus demselben Grund dürfte die empirische Grundlage für die Gegenthese fehlen).

      Man KANN aber auch RATIONAL an die Sache herangehen: Nehmen wir die Ausgangsthese: "Das Patriarchat ist schlecht, aber Frauen sind auch nicht besser als Männer." Die unausgesprochene logische Verbindung zwischen beiden ist: "Für ein besseres Herrschaftssystem bräuchte man bessere Menschen als Herrscher des Systems." Unterstellt man das als wahr, ist der Schluss von @MEINEREINE, dass das Matriarchat auch nicht besser wäre als das Patriarchat, logisch zwingend.

      Stellt sich also die philosophische Frage, OB ein System von besseren Menschen beherrscht sein muss, um besser zu sein. Dazu ergeben sich mehrere Vorfragen

      - Kann ein von bestimmten Menschen beherrschtes System überhaupt gut sein, oder korrumpiert derart festgeschriebene Macht nicht per se?

      - Inwieweit hängt die Güte eines Herrschaftssystems wirklich von den Herrschern ab?

      - Was macht ein Herrschaftssystem "gut", und wer entscheidet, inwieweit es diese Kriterien erfüllt?

      Die Antworten auf diese Fragen sind allesamt Ansichtssache, aber sie haben gemeinsam, dass egal, wie sie lauten, sie auf ein Matriarchat genauso anzuwenden sind wie auf ein Patriarchat, beide also in gleichem Maße qualifizieren oder disqualifzieren - auch kein Beweis, aber ein Indiz, dass die Ausgangsthese gar nicht so schlecht ist.

      Das Alles vorausgesetzt, man beantwortet diese Fragen, ohne der der Ausgangsthese "Frauen sind nicht besser als Männer" zu widersprechen. Könnte(!) es vielleicht sein, dass Sie in Wahrheit DIESE für falsch halten?

  • Frau Crispin scheint den Kapitalismus an sich für eine Erfindung des Patriarchats zu halten. Sollte dieser Eindruck stimmen, hätte sie über Frauen noch Einiges zu lernen - also also jene Frauen, die nicht genauso ticken wie sie selbst. Immerhin erkennt sie, dass Frauen nicht per se die besseren Menschen sind. Wieso sie dann aber die besseren Kommunistinnen sein sollten, erschließt sich mir nicht.

    Abgesehen von dieser leichten Abdrift auf die allgemeinpolitische Kathedra und einer von anderen Altfeministinnen bekannten Tendenz, unter "Befreiung der Frauen" zu verstehen, dass halt ab jetzt SIE bestimmen, was die anderen Frauen zu tun, zu lassen und für richtig zu halten haben, sind aber eine Menge wahrer Worte dabei. Das gilt insbesondere für das Einrichten im Opferstatus des "feministischen" Establishments und alle seine Folgen. Mit ihrer Weinerlichkeit, ihrem ständigen Ruf nach institutionalisierter Hilfe gegen ALLES, as sich noch so gerade als "Unterdrückung" definieren lässt, und ihrer relativen Ignoranz gegenüber Frauen, die weit weniger Gleichberechtigung genießen als sie, schwächen sie letztlich die Position der Frauen insgesamt: Gleichstellung wird auf diesem Weg nur gewährt, nicht gewonnen und bleibt daher letztlich eine Gunst von anderer (also immer auch männlicher) Leute Gnaden. Die bleiben am Drücker. Denn wird sie einfach NICHT gewährt, (weil insbsondere bestimmte Männer schlicht nicht wollen und ihre Frauen lieber weiter als untergeordnete Wesen behandeln), dann ist das halt so - befassen wir uns also lieber damit, Menschen, die längst auf der Seite der Gleichberechtigung stehen, noch ein paar Vorschriften in Sachen "gendergerechter Sprache" zu machen...

    • @Normalo:

      "insbesondere für das Einrichten im Opferstatus des "feministischen" Establishments" - echt witzig, das trifft nach meiner Erfahrung doch in erster Linie auf die Männerrechtler zu, die kommen doch immer so weinerlich daher, bei Frauen ist mir das bislang nicht aufgefallen.

      • @Rider:

        Es geht nicht darum, wie weinerlich "Frauen" oder "Männerrechtler" daher kommen. Ich schließe mich gerne an, dass sich das unter diesen beiden in etwa so verhält, wie Sie beschreiben.

        Aber Frauenrechtler*_Innen sind etwas anderes. Die LIEBEN den Opferstatus. Ohne den könnten sie nicht mehr als die (längst realisierte) RECHTLICHE Gleichstellung von Frauen durchsetzen.

        Männerrechtler können Sie als schönes Beispiel werten, wie sich das Geheule in umgekehrter Richtung anhört.

  • 9G
    99960 (Profil gelöscht)

    „Die Autorin ruft ihren Schwestern zu: Hört auf, euch dem Kapitalismus und dem Patriarchat anzudienen! Zeigt euch solidarisch mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, mit Frauen, die einen geringeren Bildungsstand und ein geringeres Einkommen haben als ihr. Und hört auf, so weinerlich und selbstgerecht zu sein!“

    Wenn das tatsächlich einträte, dann wäre alles anders, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemals so kommt. Wenn nämlich das Bewusstsein so weit wäre, dass es zu sowas bereit ist, ist die Emanzipation bereits vollzogen.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Grossartig!

    Die Sprache von Jessa Crispin gefällt mir. In Zeiten, in denen der Trend zum Zweitbuch geht, auf meine Bücherliste ...

    ... sagt ein alter, weißer Mann.

  • Noch besser, wenn sich der Feminismus nicht nur gegen das Patriarchat richten würde, sondern gegen jegliche Herrschaft einer Gruppe über die andere. Dazu gehören auch Matriarchate - "Frauen, betont Crispin, seien mitnichten die besseren Menschen". Damit sind Matriarchate mitnichten besser als Patriarchate.

  • Spannendes Buch. Die Rechnung ist vermutlich dergestalt einfach: Wenn Feminismus nicht mehr unbequem ist, ist es kein Feminismus mehr. Denn was ist es dann anderes, als es sich im Herrschaftssystem gemütlich zu machen. In der eigenen Blase selbstverständlich.

  • Recht hat sie. Feminismus ist eine Auflehnung gegen Hierarchie. Wenn ich mich dafür anderen Hierarchien unterwerfe, habe ich die Chance verpasst, etwas zu ändern - und glaubwürdig zu sein.

  • Gute Frau, der Feminismus, den sie predigen nennt sich Kommunismus.

  • Ist Feminismus Religion?



    Mrs. Crispin macht den Eindruck einer Hohepriesterin die gegen den Teufel (Mann) wettert.

    • @lulu schlawiner:

      nicht gelesen und reflexartig komentiert oder einfach nicht verstanden was im Text steht?

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Rider:

        Wieso: oder? Beides!

    • @lulu schlawiner:

      Haben Sie den Text gelesen?

    • @lulu schlawiner:

      Da scheinen Sie aber einen anderen Text gelesen zu haben? Wo wettert Frau Crispin in o.g. Text gegen den "Teufel (Mann)"?

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Adele Walter:

        Nicht jedeM SchreiberIN geht es um ernsthafte Meinungsäußerungen, von Dialog ganz zu schweigen. Manch einem genügt es, mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Wirkung zu erzielen.

        Zudem gibt es Menschen, denen eine 'negative' Rückmeldung wichtiger ist als gar keine.

        Auch ein Forum wie dieses ist eine Wundertüte.