Flüchtlinge in Österreich: Abschiebung während der Ausbildung
In Österreich sind Hunderte Auszubildende von einer Abschiebung bedroht. Die Rechtsregierung verteidigt sich mit der Durchsetzung des Rechtsstaats.
Windisch ist mit seinem Problem nicht allein. Hunderte Lehrlinge, teils mit abgeschlossener Ausbildung, teils mitten in der Lehre, sind in Österreich von Abschiebung bedroht. Viele jugendliche Asylbewerber lassen sich für einen Mangelberuf ausbilden – die einzige Ausbildung, die ihnen offensteht. Der Appell an wirtschaftliche Vernunft stößt bei der Rechtsregierung aus FPÖ und ÖVP auf taube Ohren.
Selbst die parteilose Außenministerin Karin Kneissl, die auf einem FPÖ-Ticket sitzt, stellt sich hinter die Regierungspolitik. „Warum lässt man jemanden in Österreich eine Lehre beginnen, wenn man ihn mittendrin abschiebt?“, fragte sie „Zeit im Bild 2“-Moderator Armin Wolf letzte Woche. Es handle sich nur um eine kleine Gruppe, von 800 bis 900 Personen, sagte Kneissl. Da gehe es um Einzelschicksale und die Durchsetzung des Rechtsstaates.
Die Regierung genießt zwar hohe Zustimmungsraten von um die 60 Prozent, doch in dieser Frage denkt eine Mehrheit anders. Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Unique research sind fast drei Viertel der Österreicher gegen die Abschiebung von Lehrlingen, die einen negativen Asylbescheid erhalten haben.
Nur 21 Prozent teilen die Regierungslinie
43 Prozent finden, die abgelehnten Asylwerber sollten zumindest die Lehre beenden dürfen. Weitere 29 Prozent befürworten ein generelles Bleiberecht nach der Lehre. Nur 21 Prozent unterstützen die Regierungslinie, wonach die Asylwerber gleich abgeschoben werden sollen.
Der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober (Grüne) glaubte, die besseren Argumente für sich zu haben, als er im vergangenen November die Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“ ins Leben rief. Über 56.000 Personen und mehr als 600 Firmen unterstützen eine entsprechende Petition. Die meisten setzen sich für das deutsche Modell „3plus2“ ein, das vorsieht, dass Lehrlinge während der dreijährigen Lehrzeit und den ersten beiden vollen Arbeitsjahren nicht abgeschoben werden.
Der Chef der Wirtschaftskammer, Harald Mahrer (ÖVP), lässt die Wirtschaftstreibenden im Stich: Recht müsse Recht bleiben. Daher wird munter abgeschoben.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen