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Framing in politischen TalkshowsDas „Wir“ und das „Die“

Bilden Talkshows wie „Maischberger“ und „hart aber fair“ einfach nur Debatten ab? Oder helfen sie, den Diskurs nach rechts zu schieben?

Fünf Gäste diskutierten mit Frank Plasberg in „hart aber fair“ über „Flüchtlinge und Kriminalität“ Foto: WDR/Oliver Ziebe
Von Nhi Le

Mittwoch, 21.45 Uhr im Ersten. Sandra Maischberger lässt mal wieder über Toleranz und Islam diskutieren. Der Aufhänger: eine Romanverfilmung. Das fiktionale Bild eines islamisierten Frankreichs im Jahr 2022 deutet die ARD-Talkshow als mögliches Zukunftsszenario. Im Studiohintergrund: eine gerissene Deutschlandfahne, davor eine verschleierte Muslimin.

Wenige Tage zuvor, am Montag, sendet die Talkshow „hart aber fair“, ebenfalls ARD, zum Thema „Flüchtlinge und Kriminalität“. Beide Sendungen waren im Vorfeld heftiger Kritik ausgesetzt. Für viele war diese Talkshow-Woche ein eindeutiges Beispiel für den Erfolg von rechtspopulistischem Framing.

Framing, in etwa „Einrahmen“, ist ein Begriff aus der Kommunikationswissenschaft. Er bezeichnet die Darstellung eines Themas in einem bestimmten Bezugsrahmen, der die Informationsverarbeitung und Meinungsbildung steuert. Kurz: Was wird zum Problem erklärt, und wie groß erscheint dieses Problem dem Publikum? Dazu beitragen können die Auswahl der Gäste, die Fragen der Moderation sowie die Themensetzung.

Fernseh-Talkshows haben dazu beigetragen, rechtspopulistische Narrative zu normalisieren. Das sieht inzwischen auch der Deutsche Kulturrat so. Der Geschäftsführer des Dachverbands. Olaf Zimmermann, regte vergangene Woche sogar an, die „Talkshows im Ersten und im ZDF sollten sich eine einjährige Auszeit nehmen und ihre Konzeptionen überarbeiten“.

AfD-Standpunkte zur besten Sendezeit

2015 begannen die Talkshows, die Themen Flucht, Terror und Islam vermehrt aufzugreifen. Von insgesamt 139 Sendungen „Anne Will“, „Maybrit Illner“, „Maischberger“ und „hart aber fair“ im Jahr 2015 drehten sich 50 um diese Schlagwörter, mit Titeln wie „Der Hass und die Folgen – spaltet der Terror das Abendland?“ oder „Religiös verblendet, politisch verirrt: Gefährden Radikale unsere Gesellschaft?“. Talkshows präsentierten so die AfD-Standpunkte zur besten Sendezeit, lange bevor die Partei in den Bundestag einzog. Mittlerweile braucht es gar keine Vertreter*innen der AfD mehr, um deren Themen zu diskutieren.

Der ursprüngliche Titel der Maischberger-Sendung vom Mittwoch lautete: „Sind wir zu tolerant gegenüber dem Islam?“. Das Framing liegt hier zum einen in der Konstruktion, dass „wir“ und „der Islam“ zwei grundverschiedene Dinge, vielleicht sogar zwei Fronten sind. Zum anderen in der Unterstellung, dass es ein „Zuviel“ an Toleranz nicht nur gibt, sondern dass es möglicherweise bereits erreicht ist.

taz am wochenende

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Nach Protesten änderte die Redaktion den Titel in „Die Islamdebatte: Wo endet die Toleranz?“. Das Muster bleibt gleich. Mithilfe von Schlagwörtern entstehen Bedrohungsszenarien. In den betreffenden Sendungen soll dann diskutiert werden, wie Muslime oder Flüchtlinge, welche oftmals gleichgesetzt werden, (nicht) zu Deutschland passen, die innere Sicherheit gefährden oder das Land anderweitig in eine Krise stürzen.

Das ging auch aus der Ankündigung der letzten Folge „hart aber fair“ hervor: „Junge Männer, geflohen aus Krieg und archaischen Gesellschaften – für viele hierzulande Grund zu Sorge und Angst. Können solche Flüchtlinge überhaupt integriert werden? Wie unsicher wird Deutschland dadurch?“

Teilweise falsche Behauptungen

Suggestivfragen sind auch ein Teil der Moderation. Etwa dann, wenn Maischberger ihren Einspieler mit den Worten ankündigt: „Wo hört die Selbstaufgabe einer Gesellschaft auf, die ihre eigenen Werte verrät?“ Was folgt, ist eine Sequenz über Änderungsmaßnahmen, vermeintlich zugunsten von Muslimen: das Streichen von Schweinefleisch auf Kantinenplänen in Frankfurter Schulen, Muezzinrufe in Düren und die Umbenennung des St.-Martin-Umzugs in einer Düsseldorfer Kita in „Lichterfest“.

Allerdings gibt es Muezzinrufe in Düren – dreimal am Tag – schon seit den 1990er Jahren. Sowohl ein ansässiger SPD-Politiker wie auch der CDU-Oberbürgermeister bestätigen, dass dies seit Jahrzehnten Alltag der Stadt sei und sich niemand daran stört. Die Behauptung, Martins-Umzüge in Düsseldorf seien zugunsten muslimischer Familien in Lichterfest umbenannt, stellt sich sogar als Falschmeldung heraus. Entkräftet wurde die Behauptung von der bei Maischberger angegeben Quelle selbst.

Framing?, so die Redaktion von „hart aber fair“: „Als Journalisten können wir mit diesem Begriff wenig anfangen“

Zwar war im Screenshot der Rheinischen Post zu lesen, dass Lichterfeste den St.-Martins-Umzug verdrängten, doch brachte die Zeitung wenige Tage später einen Faktencheck, nachdem von 200 Grundschulen im Raum Düsseldorf genau zwei das Fest umbenannt hatten.

Falsche Fakten haben aber auch die Gäste selbst in die Sendung eingebracht. Islamkritikerin Necla Kelek behauptet, dass Muslime mittlerweile zu viel Platz einnähmen. Keine andere Minderheit würde so viel verlangen, man solle sie nur mal mit den Vietnamesen vergleichen. Vietnamesen gegen andere Minderheiten ausspielen konnte Thilo Sarrazin übrigens auch schon 2010 gut. Kelek zeichnet das Bild von Schulen mit einem 90-prozentigen Anteil von Muslimen, an denen man nach Schweinefleisch und Schwimm­unterricht lange suchen müsse und Kinder vollverschleiert rumlaufen. Der Grund dafür sei, dass Deutschland nicht genug auf seine unverhandelbaren Werte poche. Eine Nachfrage der Moderation bleibt aus, die Behauptung wird zum Fakt.

Entscheidend ist in der laufenden Debatte, ob Journalisten anerkennen, dass sie Framing betreiben, oder nicht. „Framing?“, fragte die Redaktion von „hart aber fair“ auf Twitter. „Als Journalisten können wir mit diesem Begriff wenig anfangen. Wir versuchen das, was Menschen beschäftigt, so darzustellen, wie es ist.“

Derweil rühmt sich die Redaktion damit, dass sie Alexander Gauland als Gast für kommende Sendungen ausgeschlossen hat. Der AfD-Vorsitzende hatte mit seiner den Holocaust relativierenden Aussage für Empörung gesorgt. Die vergangene Sendung zeigte jedoch, dass die Schlagwörter der AfD auch ohne deren Anwesenheit überstrapaziert werden können.

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39 Kommentare

 / 
  • Die sogenannte "Presseschau" kann sich den Talkshows gleich anschließen. Da passiert genau das Gleiche gedruckt und vorgelesen im Radio. Aber eigentlich passiert es da doppelt: zuerst framen die Journalisten, die schreiben und dann machen die Radio-Redakteure es noch einmal mit ihrer Auswahl.

  • Ein Jahr lang das Konzept überarbeiten? Das geht doch viel einfacher:

    1. Pressekodex lesen

    2. auf reißerische Titel verzichten (Sachbezogenheit statt Quotengier, für Letzteres gäbs ja genug von den Privaten)

    3. Vom Unterhaltungsanspruch zum Inhaltsanspruch wechseln, d. h. Leute einladen, die wirklich was zu sagen haben und Haltung zeigen

    4. bei irgendwelchen Einspielern auf Fakten achten (achso, das müsste ja lesen vom Pressekodex klar sein..)

    Wär doch mal ein Anfang. Hat ca. 3 min gedauert...

    • @HopeDrone:

      Dankeschön für die Zusammenfassung, so einfach kann das "Leben" eigentlich sein

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    "Es gibt diese Rund-90-Prozent-Muslime-Schulen, z. B. in Berlin. . Und dort laufen Kinder vollverschleiert rum."

     

    -So ein Quatsch. Es gibt in Deutschland keine Schule wo Kinder vollverschleiert rumlaufen. Wer erzählt sowas?

     

    Oder meintest du das Kopftuch? Auch da frage ich mich, welche Schule das sein soll?

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Wenn Sie mit "vollverschleiert" nur Niqab meinen, haben Sie recht.

       

      Ich meine mit "vollverschleiert" Gesicht und sonst nur Stoff.

       

      Und von diesen Kindern gibt es viele, ich kenne davon einige persönlich.

       

      Vorsicht: 90 % Muslime soll nicht heißen 90 % Kopftuchträgerinnen.

       

      In einer Parallelklasse meiner Tochter tragen von 16 Siebtklässlerinnen fünf ein Kopftuch. Bis zum Abitur dürften es mehr werden.

       

      Übrigens finde ich das Kopftuch selbst nicht mal das Hauptproblem. Die soziale Selbstausgrenzung, die damit einhergehen kann (nicht muss!), halte ich für viel gravierender.

  • Völlig unabhängig vom jeweiligen Thema dieser Quasselveranstaltungen:

    Manche TalkmasterIn ist schlicht und einfach komplett ungeeignet zur Moderation einer demokratischen Diskussion.

    Er/Sie müßte sich ja einer eigenen Meinungsäußerung enthalten und stattdessen bei den Diskutanten dringend das Einhalten von Regeln einer demokratischen Diskussion einfordern und auch gelegentlich autoritär durchsetzen.

    Damit ist offenbar gerade auch eine Frau Maischberger hoffnungslos überfordert. Mit dem Effekt, dass ihre Talkrunden regelmäßig in verbale Krawallrunden abgleiten bei denen alle durcheinander schreien.

    Dies könnte aber auch Absicht sein: Der lautstarke undemokratische Schlagabtausch, die Sensation, die verbale Prügelei, die Brüllaffenorgie jenseits zivilisatorischer Grenzen.

    Diese Sendungen sind für eine demokratische Meinungsbildung nicht nur komplett ungeeignet, sondern auch gesamtgesellschaftlich kontraproduktiv.

    Das jahrelange Vorleben eines derart degenerierten Gesprächsverhaltens hat nämlich längst die alltäglichen Gesprächsebenen erreicht und geprägt: Brüllaffen dominieren alle möglichen Szenen. Es scheint nur noch um idiotische Hahnenkämpfe zu gehen, nicht mehr um Inhalte. (Die Hennen benehmen sich im Übrigen aber auch nicht anders - nur um mir keine falschen Freunde zu machen). Das alles ist BILD-Niveau im HD-Format.

    Maischberger & Co leisten der Demokratie einen Bärendienst! Man sollte sie mindestens via Fernbedienung boykottieren - und ein gelegentllicher Freiflug der Glotze aus dem Fenster kann auch nicht schaden, wie uns schon der hl. Keith Richards (et all) einst vorführte.

    • @LittleRedRooster:

      Sie sprechen mir aus der Seele. Mir fehlt es dort einfach an Gesprächskultur und Objektivität.

  • Wo man talkt, da laß Dich ruhig nieder,

    blöde Talker kauen jeden Hirnschiß wieder «(º¿º)»

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Das Beste am Artikel war für mich der Hinweis auf die Anregung des Vorsitzenden des Deutschen Kulturrats, Talkshows im ÖRF für ein Jahr auszusetzen und ihre Konzepte zu überarbeiten. Seit geraumer Zeit sind für mich Talkshows keine Orte ernsthafter Debatten, sondern seichter, plakativer Inszenierungen. Eine Bühne des Showbizz. Für mich zutiefst entbehrlich.

    • 9G
      99397 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Wenn aber Journalisten mit dem Begriff "framing" nichts anfangen können, haben sie nicht nur schlampig studiert, sondern werden auch eine noch so lange Auszeit nicht nutzen können.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Dem schließe ich mich gerne an.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Es ist öde, es ist erwartbar, es sind immer dieselben Visagen, die immer dasselbe sagen.

     

    Und wie überall hat die Grenze des Sagbaren nach rechts verschoben.

     

    Ich schau mir so etwas nur an, wenn ich Schlafstörungen habe.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Was die Schlafstörungen angeht: da geht es Ihnen gänzlich anders als mir. Ich würde vom Sehen dieser Talkshows erst Schlafstörungen bekommen! :-)

  • Die Ursache

     

    Durch verfehlte und unrealistische Politik wurde der Diskurs leider nach rechts verschoben. Durch unpassende Ideologie und abgehobene Erzählungen...

  • Und dann wird dieser Mist über Zwangsbeiträgen der Bürger finanziert. Für jemanden der 30 Jahre keine ÖR-Inhalte konsumiert eine Frechheit.

     

    Es ist wirklich an der Zeit, es den Bürgern zu ermöglichen, aus Gewissensgründen die Rundfunkgebühr zu verweigern.

  • Talkshows sind das Feigenblatt für den asozialen Marktstaat, wie er durch die Bundesregierung der BRD seit Jahren repräsentiert wird.

     

    Diese inszenierten Debatten sind Teil der Theateraufführung: "Wir spielen Demokratie"

     

    Dem bildungsbürgerlichen Stimmvieh soll dadurch die Illusion vermittelt werden, dass es in diesem Staat wesentliches mitbestimmen kann.

     

    Der Rest des Volkes besäuft sich lieber an Nazi-Parolen oder an der Litanei:

    "Gegen die da oben, kann man ja doch nichts machen. Ist doch egal, welche Partei regiert, nur die AfD zeigt es endlich den Parteien, obwohl sie selber auch nichts verändert. Darum wähle ich die auch demnächst!"

  • Ich finde nur selten Talkshows gut , bin kein Fan von Maischberger, Will oder Plasberger und ja, manche Titel sind erschreckend plakativ.

     

    Andererseits ist das so ein Artikel, wo ich mich frage, ob der Autor und ich in der gleichen Gesellschaft leben.

     

    Es gibt diese Rund-90-Prozent-Muslime-Schulen, z. B. in Berlin. Ob man sie gut oder schlecht findet, ist eine andere Frage, aber sie existieren. Und dort laufen Kinder vollverschleiert rum. Wo sind da die falschen Fakten?

    Ich staune, wenn ein Journalist zu einem Thema schreibt und sich so wenig im Thema informiert hat.

     

    Natürlich hat Toleranz, also Erdulden, Grenzen. Definitiv. Da sehe ich keine Unterstellung. Nur wo die Grenze gezogen wird, ist etwas, was im gesellschaftlichen Diskurs verhandelt wird.

     

    Und dass man sich nicht andere erfolgreichere Einwanderergruppen ansehen darf, weil man sie dann gegeneinander ausspielen würden, ist wenig zielführend für ein Einwanderungsland - und in der Argumentation sehr billig.

     

    Zum einen muss man hinsehen, warum die eine Gruppe Probleme hat und die andere nicht. Nur so kann man Probleme analysieren und beseitigen.

    Und es muss genauso legitim sein, mal zu hinterfragen, ob Forderungen berechtigt sind.

     

    Und aus Gründen der Gerechtigkeit muss die Frage erlaubt sein, ob die verschiedenen Einwanderergruppen gleich behandelt werden. Werden eventuell manche marginalisiert? Wichtige Fragen für eine Einwanderungsgesellschaft.

     

    Wenn die AfD nicht Themen oder Fragen ansprechen würde, die in der Gesellschaft die Menschen bewegen, aber in der Politik offenbar nicht angesprochen werden, hätte sie kaum diesen Erfolg gehabt.

     

    Und genau deshalb ist es gut, dass die Themen auch ohne AfD-Vertreter diskutiert werden.

     

    Die Idee, während einer Auszeit die Talkshow-Konzepte zu überarbeiten, gefällt mir.

     

    Der Autor könnte die Zeit für eine Hospitation in einer Migrantenschule nutzen. Dann müsste er nicht Fakten negieren, könnte aber was dazu sagen, ob sie wirklich immer Probleme schaffen.

    • @rero:

      "Natürlich hat Toleranz, also Erdulden, Grenzen."

       

      Karl Poppers Toleranzparadoxon kann da weiter helfen:

       

      "Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen."

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Jens Frisch:

        Popper war in meinen Augen auch ein Mainstream-Clown. :-)

         

        Sobald sich eine Demokratie gegen in ihr sich entwickelnde Feinde verteidigen muss, ist das Kind längst in den Brunnen gefallen.

         

        Warum hat die AfD Erfolg? Vereinfacht: weil der Sozialstaat ausgehölt wurde und weiterhin wird, ein größerer Teil der Gesellschaft abgehängt ist, wird oder Angst davor hat und die Lösung - wie immer bei untriftigem Denken - in der Parole "zurück zur guten alten Zeit" gesehen wird.

         

        Eine demokratische - und vor allem mündige - Gesellschaft hätte insofern von vornherein den neoliberalen Parteien eine Abfuhr erteilt und massenhaft Grün (obwohl die natürlich auch zu einem guten Teil neoliberal sind) und Links gewählt. Nicht weil sie 100% überzeugt wäre von deren Konzepten, sondern um eime potenzielle Alternative zu wählen, welche die AfD nicht ist.

         

        Toleranz und Trägheit sind zudem zwei ganz verschiedene Dinge. Unsere Gesellschaft ist so vollgefressen und so beschäftigt mit ihrem Konsum, ihrem Spasss und sonstigem Unsinn, dass sie nicht tolerant ist, sondern lediglich bräsig. Voller Bauch studiert bekanntlich nicht gern.

         

        Hinzukommt, dass dieser Hedonismus allenthalben gefeiert wird und zu sowas wie der Staatsräson geworden ist, unserem Allerheiligsten.

         

        Toleranz hingegen ist nicht allein das Aushalten von Anderssein, weil man nicht anders kann, sondern um tolerant zu sein bedarf es eines Vermögens, einer Macht, die man nicht einsetzt, weil man der anderen Ansprüche als solche sui generis anerkennt. Toleranz bedeutet also überhaupt nicht, dass man sich bequem zurücklehnt und glaubt, wenn man selbst nichts zu diesem "Gemeinwesen" beirägt, würde schon alles in Ordnung kommen.

         

        Eine Gesellschaft, die diesen Namen verdient, muss stark sein, sich selbst Normen und Regeln setzen, deren Überschreitung sie konsequent ahndet, sowohl durch jeden Einzelen als auch durch die Ordnungskräfte und das Gesetz. Gleichzeitig muss sie täglich um den rechten Fortschritt mit Herz und Verstand ringen.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Jens Frisch:

        Dünnes Eis, das Sie da betreten.

         

        Es bleiben Fragen, die auch ein Mr. Popper nicht beantwortet: Wer sind die so genannten "Intoleranten"? Wer legt dieses Labeling fest? Müssen die "Intoleranten" ausgegrenzt, eingesperrt oder gar vernichtet werden, um die "Toleranten" zu schützen?

         

        Fragen, auf deren Beantwortung ich gespannt bin.

      • @Jens Frisch:

        Danke, genau das meinte ich.

    • @rero:

      Aber wie wäre es mal zu schauen, ob es die Probleme überhaupt gibt oder ob sie durch rassistische Einstellungen der Mehrheitsbevölkerung herbeifantasiert werden. Selbst wenn es eine Schule mit 90% muslimischen Schüler*innen gibt, wo ist da das Problem? Nur, wenn man Islam als fremd ausgrenzt kann das ein Problem sein.

      • @LesMankov:

        Sollte man mal schauen, ob es die Probleme gibt? Ja, deshalb mein Vorschlag mit der Hospitation. Necla Kelek meint, es gebe sie.

         

        Ich behaupte nicht, dass 90 % Muslime an einer Schule zwingend ein Problem sein müssen.

         

        Aber man sollte sich die Schulen ansehen und nicht behaupten, es gäbe die Schulen nicht, wie es der Autor tut.

         

        Entstehen Probleme nur, wenn man den Islam als fremd ausgrenzt?

        Nö. Problem können Sie auch ohne Ausgrenzung haben. Bei 90 % Muslimen ist da sowieso nicht viel mit Ausgrenzen.

    • @rero:

      Meinen Sie ernsthaft, die Mehrheit der Zuschauer hat Kinder im Grundschulalter oder besteht aus verschiedenen Einwanderungsgruppen?

       

      Das sind alles Spartenthemen, die für den normalen Zuschauer nicht sonderlich lebensbestimmend sind, wenn man nicht fortwährend durch diese Talkshows suggeriert bekommt, dass das Probleme wären, die einen betreffen würden.

      • @Age Krüger:

        Sorry, es sind Themen, die meiner Familie und mir als Normalbürger durchaus im Lebensalltag begegnen.

        Wir leben nämlich nicht im Arier-Ghetto.

    • @rero:

      Kurze Frage eines Berliners: von welcher Schule reden sie an der mehrere Schülerinnen voll verschleiert am Unterricht teilnehmen?

      • @Der Epping:

        Ich will vorausschicken, dass ich Necla Kelek nicht so verstehe, dass sie mit vollverschleiert Niqab meint. Mit Niqab würde wohl niemand ein Kind im Unterricht sitzen lassen.

         

        Mit Gesicht und Stoff dagegen schon. Das ist eben nicht Jeans , Bluse und Kopftuch, sondern komplett unter Stoff verborgen. Das verstehe ich durchaus unter Vollverschleierung.

         

        Und das ist an mehreren Schulen in Berlin total verbreitet.

         

        Meine eine Tochter ist auf einem Gymnasium in Reinickendorf mit einem solchen Mädchen befreundet.

      • @Der Epping:

        Wahrscheinlich irgendwo i n Grunewald.

    • @rero:

      Danke. Eine sehr gute Erwiderung.

  • Der Vorwurf "Framing" ist Verdrängung durch Diskursverlagerung. Er wird immer dann geäußert, wenn die Argumente der politischen Gegner kognitive Dissonanz auslösen.

  • Zitat: "Undifferenziertheit ist das Alleinstellungsmerkmal der Rechten."

     

    Echt jetzt? Wie undifferenziert ist das denn?

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    M.E. besteht das Hauptproblem der Talkshows nicht darin, dass sie die falschen Teaser wählt (Framing?), sondern dass sich in ihnen vornehmlich Leute tummeln, die an einer differenzierten Auseinandersetzung nicht interessiert sind. So gibt es halt dieses holzschnittartige Aufeinandereinschlagen.

     

    Politiker sollten m.E. ebenso aus Talkshows verbannt werden wie Privatpersonen. Nur noch Experten einladen und dann bitte nicht immer die Mainstreamtypen mit dem immer gleichen Gebrabbel.

     

    Den Flassbeck z.B., den habe ich noch in keiner Talkshow gesehen, während Käpt'n Sinn jahrelang von einer Talkshowplanke zur anderen wankte? Oder warum lädt man die inkompetente Rütting ein, wenns um Veganer geht, statt Dr. Keller?

     

    Das Fernsehen ist vielleicht nicht klar rechtslastig, aber es hat einen unglaublichen Hang zum Mittelmaß und zur Wiederkehr des und der immer Gleichen. Ich schätze, das liegt an der Schere im Kopf: die Meinungen müssen im Rahmen (Framing?) bleiben, alles was aus diesem fällt, ist Anathema.

     

    Ich denke aber auch, dass es an der zurückgehenden Allgemeinbildung liegt. Die Redakteure haben entweder keine Zeit oder keine Ahnung oder beides nicht, wenn sie sich mit einem Thema auseinandersetzen müssen. Deshalb kommt auch in Reportagen und Berichten viel Halbwahres und Ganzfalsches zur Sprache.

     

    Die Talkshows stehen für Volksbelustigung, Klamauk, aber nicht für den Diskurs, weshalb ich mir angewöhnt habe, Talkshows allenfalls aufzunehmen, um mir gezielt die Einlassungen einer bestimmten Person anzuhören, an deren Ansichten ich interessiert bin. Als Politklamaukveranstaltungen sind sie dem Framing geradezu wesensverwandt, denn Undifferenziertheit ist das Alleinstellungsmerkmal der Rechten.

    • 9G
      99397 (Profil gelöscht)
      @849 (Profil gelöscht):

      Jetzt las ich kopfnickend alle 6 Absätze und nun so ein Abschluss : ein solches Urteil hätte ich Ihnen nicht zugetraut.

      Rein logisch/sprachlich scheint es mir sehr undifferenziert, einer Gruppe eine Eigenschaft als Alleinstellungsmerkmal anzuhängen (witzig, das es gerade die Undifferenziertheit ist) und ideologisch "billig" (wir Linken sind die, die sich für etwas Besseres halten, die Rechten sind die Dummen,...).

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @99397 (Profil gelöscht):

        Sie haben selbstverständlich Recht mit Ihrem Einwand. Es ist das Alleinstellungsmerkmal aller Betonköpfe, die sich natürlich überall finden. Das es in dem Artikel darum ging, dass der Diskurs nach rechts verschoben werde, ist mir hier ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Hervorragende Analyse, muß ich mir merken.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Über Orwells Zukunftsroman 1984 wurde auch damals diskutiert und befunden, dass es niemals so kommen wird.

    Schauen wir mal.

    Habt ihr in der TAZ Redaktion die Stellungnahme von Prof. Ruud Koopmann https://www.zeit.de/2017/51/ruud-koopmans-migrationsforscher-integration-muslime

     

    gehört. Ist der auch von der AfD oder dem rechten Spektrum zuzuordnen?

     

    Und ja, es ist ein Problem, dass soviel junge Männer hier sind. Wo sollen sie hin mit ihrer Sexualtität? Wo sollen sie eine Partnerin finden?

    Wir können froh sein, dass es noch relativ friedlich ist.

    Trotzdem müssen wir darüber reden und die Probleme benennen. Es wird Zeit!

    • @98589 (Profil gelöscht):

      Seit wann hat Vergewaltigung und Mord was mit Sexualität zu tun?

      Da geht es allein um Macht und Gewalt.

  • "Entscheidend ist in der laufenden Debatte, ob Journalisten anerkennen, dass sie Framing betreiben, oder nicht"

     

    Ich hoffe, dass sich das auch die taz Redakteure selbst fragen.

    Letzten Endes ist niemand frei davon!

    Es wird mal wieder der moralische Zeigefinger erhoben, aber man selbst ist natürlich frei von jeglicher Fehlbarkeit, ewig das gleiche Spiel!