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Kommentar FDP und RusslandLindner gibt den Putin-Versteher

Kommentar von Barbara Oertel

Der FDP-Chef meint, die Krim müsse als dauerhaftes Provisorium angesehen werden. Den russischen Präsidenten dürfte das freuen.

Wird das vielleicht eine Bro-Flosse für Wladimir Putin? Foto: dpa

M an hat im Wahlkampf ja schon so einiges gesehen. Aber was sich Christian Lindner unlängst leistete, ist an Dummheit kaum noch zu überbieten. Nicht zu innenpolitischen Belangen meinte der FDP-Chef Stellung nehmen zu müssen, sondern er arbeitete sich zur Abwechslung mal an der Russland-Politik ab. Und da waren interessante Töne zu vernehmen.

Man müsse die Krim bis auf weiteres als dauerhaftes Provisorium ansehen, dieser Konflikt müsse „eingekapselt“ werden. Und: Es gelte Angebote an Präsident Wladimir Putin zu machen, damit der seine Politik ohne Gesichtsverlust korrigieren könne.

Na wunderbar! Kein Wort über die Annexion der ukrainischen Halbinsel, die – allem Geschwätz der Putin-Unterstützer zum Trotz – ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht war. Kein Wort über andauernde schwere Menschenrechtsverletzungen, denen außer Oppositionellen vor allem Angehörige der Minderheit der Krimtataren zum Opfer fallen.

Was Politik à la Putin in den ehemaligen Sowjetrepubliken bedeutet, ist auch in der Ostukraine, im Donbass, zu besichtigen. Dort sterben täglich Menschen. Anstatt an der Umsetzung des Minsker Abkommens konstruktiv mitzuarbeiten, hat Moskau nichts Besseres zu tun, als die prorussischen Kämpfer mit Geld und Waffen zu versorgen. Auch die Ausrufung des neuen Staatsgebildes „Kleinrussland“ durch die Führer der sogenannten Volksrepublik Donezk im vergangenen Monat dürfte wohl kaum ohne den Segen des Kremls erfolgt sein.

Vollends abstrus sind Lindners Einlassungen angesichts der jüngsten EU-Entscheidung, neue Sanktionen gegen Russland zu verhängen, weil Siemens-Turbinen unter Umgehung eines Embargos auf die Krim geliefert wurden.

Nun ja, Wahlkampfgetöse hin oder her: Kreml-Chef Wladimir Putin, der sowohl bei der Linken als auch bei der SPD auf zahlreiche Freunde zählen kann, wird Lindners Engagement zu schätzen wissen.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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13 Kommentare

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  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Wo das Kapital regiert, braucht das Unrecht dem Recht nicht zu weichen.

  • Jetzt mal ohne rosarote Langstrumpf-Brille: Wer glaubt denn, dass Russland sich in absehbarer Zeit auf Druck des Westens von der Krim zurückzuziehen wird?

    Also: Ernsthaft??

     

    Es ist ja schön und gut, Ideale zu haben und ganz genau zu wissen, was nicht sein darf. Aber aus diesem Verriss spricht doch eher die wütende Ohnmacht, nicht ändern zu können was IST. Und dafür (und natürlich für sein FDP-Parteibuch) muss dann der Lindner als Überbringer unangenehmer Wahrheiten die verbale Prügel beziehen...

    • @Normalo:

      Es geht nicht darum zu ändern was IST, sondern zu verhindern, dass Putin so weiter macht...

       

      Und natürlich um westliche Werte und politischen Anstand - bei der FDP seit langem ein Fremdwort.

      • @Grisch:

        Nochmal die Frage: Glauben Sie ernsthaft, dass an dem, was Lindner gesagt hat, nämlich dass Putin die Krim erstmal behalten wird und Europa nicht wirklich etwas dagegen tun kann, auch nur eine Silbe falsch war??

         

        Und es war so auch (noch) kein Appeasement. Lindner hat nur gesagt, dass man Putin einen ehrenvollen Ausweg lassen muss. Das ist alles Andere als eine Einladung zur weiteren Expansion, soondern nur durch die Blume die Aussage, dass man mit Überheblichkeit und aufgeblasenen Backen aus Putins Sicht nur weitere Ansprüche auf eine Pufferzone zum "aggressiven Westen" rechtfertigt.

         

        Schön übrigens wie hier gleich die Hutschnüre hochgehen, wenn mal zur Abwechslung Einer von der FDP einfach unverblümt sagt, was Sache ist (und überhaupt - diese FDP, die ist ja...).

  • Vielleicht gibts ja ein paar E-Mails die Lindner lieber nicht von Kreml-Hackern veröffentlicht haben möchte...

  • 2G
    21272 (Profil gelöscht)

    Endlich mal vernuenftige Toene zu den Russland-Themen. Die Krim wurde nicht annektiert, sondern sie ist mit ueberwaeltigender Mehrheit beigetreten, so wie die DDR zur BRD.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @21272 (Profil gelöscht):

      Ein Beitritt so, wie in der DDR gewählt wurde. Oder so, wie heute noch in Russland gewählt wird ...

    • @21272 (Profil gelöscht):

      Wüsste nicht, dass Lindner DAS anerkannt hätte. Die Annexion bleibt eine und als solche als Dauerzustand inakzeptabel.

       

      Wie ist das Wetter in St. Petersburg?

  • Putin darf alles und wird von den Linken und der SPD unterstützt, jetzt auch noch von der FDP ? Kaum zu fassen, der Putin darf einfach alles: die Krim erobern, einen Krieg in der Ukraine mit Hilfe von "Urlaubern" anzetteln, Krankenhäuser und Kinderheime in Syrien bombadieren, Passagierflugzeuge abschiessen, Opposition mit Gewalt aus dem Weg räumen, einfach alles. Man stelle sich vor irgendein anderes Land der Welt würde so Brutal vorgehen.

    • @Klartexter:

      Sie meinen um das 100fache die VS?

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @Muff Potter:

        Lange her, dass die USA ein fremdes Territorium annektierten. Puerto Rico und Hawaii, glaube ich, so um 1898 ...

        • @60440 (Profil gelöscht):

          Das haben Sie nicht richtig verstanden.Es war als Antwort auf der Frage von Klartexter ' Man stelle sich vor irgendein anderes Land der Welt würde so Brutal vorgehen'