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Arbeitskampf bei OnlineversandhändlerWeihnachtsstreik bei Amazon

Verdi rechnet mit 1.700 Mitarbeitenden, die an mehreren Standorten ihre Arbeit niederlegen. So wolle man das Weihnachtsgeschäft stören.

Seit Montag haben Beschäftigte auch am Versandzentrum in Leipzig die Arbeit niedergelegt Foto: Jan Woitas/dpa

Berlin taz | Mit einem Weihnachtsstreik an mehreren Standorten will die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi das brummende Geschäft des Onlineversandhändlers Amazon stören. Seit der Nachtschicht zum Montag haben Beschäftigte in Werne, Leipzig, Rheinberg, Bad Hersfeld und Koblenz die Arbeit niedergelegt. Der Streik soll bis einschließlich Heiligabend andauern.

Verdi rechnet mit insgesamt rund 1.700 Streikenden, die sich an dem Ausstand beteiligen. „Während der Konzern seine Milliardengewinne weiter erhöht, verweigert er den Beschäftigten eine tarifvertragliche Bezahlung“, begründete Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger die Protestaktion.

Bundesweit beschäftigt Amazon rund 16.000 fest angestellte Mitarbeiter:innen in insgesamt 15 Logistikzentren. Hinzu kommen derzeit noch 10.000 Saisonarbeitskräfte. Seit rund siebeneinhalb Jahren versucht Verdi mit einer Strategie der Nadelstiche, tarifvertraglich geschützte Einkommens- und Arbeitsbedingungen bei dem Konzern durchzusetzen. Immer wieder ruft die Gewerkschaft daher die Beschäftigten an einzelnen oder mehreren Amazon-Standorten zu temporären Streiks auf.

Bisher hat die Gewerkschaft allerdings nicht einmal die Aufnahme von Gesprächen durchsetzen können. Mit einem bemerkenswerten manchesterkapitalistischen Dogmatismus beharrt Amazon darauf, weiterhin gänzlich nach eigenem Gusto über das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen zu entscheiden.

„Kulturkampf um die künftige Arbeitswelt“

„Was sich da abspielt, ist eine Kampfansage an die kollektiven Arbeitsbeziehungen, wie sie sich unter sozialpartnerschaftlichen Vorzeichen in der Bundesrepublik herausgebildet haben“, erläuterte der damalige Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske bereits vor zweieinhalb Jahren im taz-Interview. Es handele sich um „einen Kulturkampf um die Frage, wie eigentlich die künftige Arbeitswelt gestaltet werden soll.“

Solange es nicht zu signifikanten Umsatzeinbrüchen kommt, nimmt der US-Konzern, der seine europäische Unternehmenszentrale in Luxemburg hat, dafür auch ein konstantes negatives Grundrauschen in der Öffentlichkeit in Kauf, das durch die wiederkehrenden Streiks befördert wird. Statt auf Gesprächsbereitsschaft setzt Amazon auf Imagekampagnen.

„Bei Amazon reden wir von einem Unternehmen, das sich in der aktuellen Krise eine goldene Nase verdient“, sagte Verdi-Vorstand Nutzenberger. Dabei habe die Schließung des stationären Einzelhandels in der vergangenen Woche das Bestellaufkommen noch einmal deutlich gesteigert.

Für die Beschäftigten bedeute das, dass sie einem noch größeren Druck ausgesetzt seien, weil der Krisenprofiteur trotz der zusätzlichen Arbeitshetze Lieferversprechungen mache. „Das geht unweigerlich auf Kosten der Gesundheit der Belegschaft, gerade jetzt unter den Bedingungen der Pandemie“, sagte Nutzenberger.

Amazon: Der größte Teil der Mitarbeitenden arbeite normal

Konkret fordert Verdi von Amazon die Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels sowie den Abschluss eines Tarifvertrages für gute und gesunde Arbeit. Die aktuelle Situation mache einmal mehr deutlich, wie wichtig diese Anliegen seien, so Nutzenberger. „Die Beschäftigten bei Amazon haben den Schutz ihrer Gesundheit und eine Bezahlung verdient, die zum Leben reicht.“

Amazon teilte am Montag mit, die Beschäftigten des Versandhändlers profitierten bereits von „exzellenten Löhnen, exzellenten Zusatzleistungen und exzellenten Karrierechancen“. Der Konzern biete ein Umfeld, „in dem man gerne arbeitet, sich einbringen und erfolgreich sein kann“. Die Streikaktionen hätten keine Auswirkungen auf Kundenlieferungen: „Der allergrößte Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitet ganz normal.“

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12 Kommentare

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  • Jedes Jahr vor Weihnachten versucht Verdi mit Streiks Amazon zu Gesprächen zu zwingen und jedes Jahr scheitert dieses.

    Schön langsam dürfte sich Verdi mal was neues überlegen.

    Und vor allem sollte Verdi mal darüber nachdenken warum bei Amazon kein höherer Organisationsgrad zu erreichen ist.



    Kann es ein dass der Großteil der Arbeitnehmer dort eigentlich ganz zufrieden ist?

  • "Mit einem bemerkenswerten manchesterkapitalistischen Dogmatismus beharrt Amazon darauf, weiterhin gänzlich nach eigenem Gusto über das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen zu entscheiden."



    Zustände wie im frühkapitalistischen England (extreme Ausbeutung, 60+ Stundenwoche, weder Arbeitschutz noch Sozialversicherung, Kinderarbeit, Hungerlöhne im buchstäblichen Sinne) wären auf ganzer Linie illegal. Das untere Lohnniveau und Arbeitsbedingungen definiert nicht Amazon sondern der Bundestag. Sich als Gesellschaft auf den Kapitalismus zu verständigen und dann zu beklagen, dass die Unternehmen entsprechend der Logik dieses Systems agieren und 'Profit over People' praktizieren passt nicht so recht zusammen. Dass die Arbeitsbedingungen bei Amazon mies sind glaube ich gern, dennoch scheinen die Leute dort gar nicht mal so schlecht dazustehen: Bezahlung über dem Mindestlohn für un/angelernte Tätigkeiten (zT wird nicht mal ein Schulabschluss gefordert) und Gewerkschaftsvertretung, die auch nur noch ~25% der Angestellten überhaupt haben. So manche ausgebildete Friseur*innen dürften da schon neidisch werden. Man sollte also entweder höhere Standards für alle Angestellten fordern oder ggf. gleich die Systemfrage stellen.

  • Jeder Kunde und jede Kundin kann jetzt bei Amazon etwas bestellen und die Entgegennahme zurückweisen mit einem Kommentar: aus Gründen des Umgangs Amazons mit den dortigen Arbeitern. Dabei fallen keine Kosten an. Das Unternehmen nimmt die Ware zurück.



    Amazon darf nicht weiter den Sekundentakt der Arbeitshetze vorgeben.

    • @nzuli sana:

      Ich wette die Paketbot*innen finden diese Idee gerade jetzt während der Corona-Vorweihnachtszeit auch voll super.

  • Der Streik passt gut in die Zeit. Am Besten jetzt streiken noch die ITS-Pflegerinnen in den Krankenhäusern und die Verkäuferinnen bei Aldi. Alle, deren Tätigkeiten derzeit gebraucht werden, sollten streiken. Das Flughafenpersonal könnte auch mal wieder, ach das würde kaum einer merken. Streiken gegen den Virus statt Pandemie-Friedenspflicht.

    Wofür? Vielleicht sind wir in einem halben Jahr froh, einen leidlich infektionsfreien Job bei Amazon zu haben.

    • @TazTiz:

      Ach mit etwas Applaus werden die schon nicht streiken. Immerhin haben sich ja auch über 70 % der PflegerInnen damit abgefunden, keine Prämie zu erhalten!

      www.zdf.de/comedy/...lt-clip-2-182.html

      Applaus, Applaus, Applaus ...

      Und sogar TAZ LeserkommentatorInnen scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass Krisengewinnler keine Steuern mehr zahlen und die Solidargemeinschaft damit zerstören!

      • @Jonas Corvin:

        Die Pflegerin lebt von Ihren (spärlichen) Krankenbeiträgen - Sie „profitieren“ also. Mit Krankenhaus macht in der Corona-Krise niemand mehr Gewinn, die meisten Kliniken werden pleite gehen, wenn der Staat sie nicht rettet. Corona-Prämien hab’s übrigens für die Mitarbeiter vom Bundestag, die hatten aber auch echt eine schwere Zeit.

        • @TazTiz:

          Ich zähle von allen Bürgern in Relation gesehen die höchsten gesetzl. Krankenbeiträge, wenn alle diese zahlen würden, die über den Beitragsbemessungsgrenzen liegen, und spärliche Beiträge leisten, wäre die finanzielle Versorgung kein Problem mehr. Was leisten Sie denn deisbezüglich für einen Beitrag? Außerdem sollen Krankenhäuser auch keine Profite machen! Was soll der Unsinn! Die Mitarbeiter dort sind angemessen zu bezahlen, notfalls müssen alle einzahlen oder eine Vermögensabgabe leisten!

          • @Jonas Corvin:

            Vermutlich wissen Sie nicht, dass ohne Gewinn kein Unternehmen bestehen kann. Auch Krankenhäuser benötigen Gewinne, um sich zu refinanzieren. In einem Gesundheitswesen ohne Gewinnabsicht möchten auch Sie definitiv kein Patient sein.

            Nicht jeder zahlt dank sicherer Anstellung in einer nichtgewinnabhängigen Branche den Höchstbetrag zur Krankenversicherung. Das sind immer noch Peanuts im Vergleich zu den anfallenden Kosten.

  • Hat mittlerweile so ein bisschen was von weihnachtlichem Ritual, wie auch der Streit ums Baumschmücken an Heiligabend. Man weiss, dass es kommt, man ändert aber nichts.

    Gestern im ZDF wurde eine offensichtlich zufriedene Pickerin begleitet, die durch den coronabedingten Verlust ihres normalen Berufes, Schauspielerin, froh war, als Ungelernte schnell gutes Geld verdienen zu können.

    Was stimmt denn nun wieder?

    • @fly:

      Was stimmt? Dass sie den Job hat. Was nicht stimmt: Gutes Geld.