Antrag auf neue Amtssprachen in der EU: Spanien bekommt eine Abfuhr
Pedro Sánchez scheiterte am Dienstag mit dem Versuch, auf einen Schlag Katalanisch, Galicisch und Baskisch als neue Amtssprachen in die EU einzuführen.
Zur Begründung für das (vorläufige) „Nein“ verwiesen Diplomaten auf die Kosten und den Verwaltungsaufwand. Eine Aufnahme von Katalanisch, Baskisch und Galicisch würde bedeuten, dass alle EU-Verordnungen und andere offizielle Schriftstücke künftig auch in diese Sprachen übersetzt werden müssten. Dabei stößt die EU schon mit 24 Amts- und Arbeitssprachen an ihre Grenzen.
Spanien hatte zwar angeboten, die Kosten selbst zu übernehmen. Die meisten offiziellen Dokumente werden nur noch in Englisch produziert; die Übersetzung dauert dann oft Stunden, wenn nicht Tage. Einige Texte auf der Website der EU-Kommission werden nur noch auf Anfrage ins Deutsche übersetzt – von einer sogenannten Künstlichen Intelligenz (KI), also maschinell.
Doch viele Länder hatten Bedenken – darunter auch Deutschland. Europastaatsministerin Anna Lührmann (Grüne) erklärte dies mit ungeklärten Fragen zu rechtlichen und finanziellen Auswirkungen. Andere Länder fürchten die Wiederbelebung alter Sprachkonflikte.
Pedro Sánchez braucht die Stimmen der Nationalisten
Für Verärgerung sorgte auch, dass der spanische EU-Vorsitz das Thema ganz oben auf die Agenda gesetzt hatte. Es gebe durchaus wichtigere Themen, sagte ein Diplomat. So wollten sich die Europaminister am Dienstag mit der Migrationskrise auf Lampedusa beschäftigen und den EU-Gipfel im Oktober vorbereiten. Der spanische Vorstoß habe wohl eher mit der Innenpolitik zu tun, hieß es.
Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE), der nach den Wahlen im Juli versucht, eine parlamentarische Mehrheit für seine Wiederwahl als Chef seiner bisher in Minderheit regierenden Linkskoalition zu schmieden, geht damit auf die nationalistischen Parteien aus drei Autonomen Regionen zu. Er braucht ihre Stimmen dringend.
Der Ruf nach Anerkennung der eigenen Sprache wurde vor allem in Katalonien laut: Die regierende Republikanische Linke Kataloniens (ERC) und die andere große Unabhängigkeitspartei, Junts per Catalunya (JxCat) des im Exil lebenden ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont, hatten dies neben einem Dialog zur Lösung des “katalanischen Konflikts“ gefordert.
Anstatt wie bei diesen Sitzungen üblich, einen Vertreter zu schicken, reiste der spanische Innenminister José Manuel Albares höchstpersönlich nach Brüssel. „Die Mehrsprachigkeit ist eines der Ziele und einer der Werte der Europäischen Union (EU)“, erklärte der sozialistische Politiker und verwies auf den Artikel 3 des EU-Vertrags.
Regionalsprachen – zum ersten Mal im spanischen Parlament
Spanien fordere Rechte für „Sprachen, die von Millionen Menschen benutzt werden“, sagte Albares. Katalanisch wird von mehr als 10 Millionen Menschen gesprochen – „mehr als andere anerkannte Sprachen der EU“, fügte er hinzu. So sprechen etwa nur 2,5 Millionen Menschen Slowenisch, 5 Millionen Slowakisch, 5,2 Millionen Finnisch und Schwedisch genauso viele wie Katalanisch.
Selbst in Spanien war bisher nicht vorgesehen, im Parlament Katalanisch, Galicisch oder Baskisch zu sprechen. Seit Dienstag ist das Geschichte – das wurde vom Parlamentspräsidium beschlossen, das gemeinsam von eben jener Mehrheit der Parteien der Linken und nationalistischer Abgeordneten aus den Regionen mit eigener Sprache gewählt wurde, und die Sánchez für seine Wiederwahl hinter sich vereinen will.
Erstmals gab es Kopfhörer und Simultandolmetschen sowie Untertitel auf den Bildschirmen. „Wir werden da nicht mitmachen. Wir spielen doch nicht den Dummen“, lehnte ein Sprecher der konservativen Partido Popular (PP) diese Initiative ab. „Das macht uns zu Ausländern im eigenen Land“, schimpfte eine VOX-Sprecherin gar. Die Abgeordneten der rechtsextremen Partei verließen den Plenarsaal, als der erste Abgeordnete statt auf Spanisch, auf Galicisch sprach. Beide Rechtsparteien verstehen diese Mehrsprachigkeit als ein Angriff auf die Einheit Spaniens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Studie zu Zweitem Weltkrieg
„Die Deutschen sind nackt und sie schreien“