Ergebnis der Parlamentswahlen in Spanien: Sánchez mit zweiter Chance

Das rechts-rechtsaußen-Bündnis verfehlt die absolute Mehrheit. Pedro Sánchez' PSOE gewinnt Stimmen, braucht jedoch Regionalparteien als Unterstützer.

Pedro Sánchez und seine Frau mit einer PSOE-Flagge zwischen ihnen

Spaniens sozialistischer Parteivorsitzender und Ministerpräsident Pedro Sánchez mit seiner Frau Begoña Gómez am Wahlabend vor seinen Anhängern in Madrid Foto: REUTERS/Nacho Doce

MADRID taz | Der erwartete Sieg der spanischen Rechten bei den Parlamentswahlen am Sonntag ist ausgeblieben. Die rechtskonservative Partido Popular (PP) unter Alberto Nuñez Feijóo wurde zwar mit 33 Prozent der Stimmen und 136 Parlamentssitzen stärkste Partei, verfehlte aber ihr Ziel, mit der rechtsextremen VOX (12,4 Prozent der Stimmen und 33 Sitze) gemeinsam eine Regierungsmehrheit zu erhalten. Diese liegt bei 176 Sitzen im 350 Abgeordneten starken Parlament. Die PP ist erstmals seit 2016 wieder stärkste Partei. Im alten Parlament hatten die Konservativen 89 Abgeordnete. Sie beerbten die rechtsliberale Partei Ciudadanos, die bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Sonntag nicht mehr antrat, sowie VOX, die 19 Sitze an die PP verlor.

Anders als vorhergesagt brach die sozialistische PSOE von Regierungschef Pedro Sánchez nicht ein. Sie kam auf 31,7 Prozent – drei Prozentpunkte mehr als 2019 – und erhält 122 statt bisher 120 Sitze. Der linksalternative Koalitionspartner Sumar erzielte 12 Prozent der Stimmen und zieht mit 31 Sitzen ins neue Parlament ein. Das sind sieben Abgeordnete weniger, als bisher die linksalternativen Parteien Unidas Podemos und kleinere Formationen hatten, die in Sumar für diese Wahl aufgegangen sind.

Sowohl Feijóo als auch Sánchez beanspruchten noch in der Wahlnacht die Regierungsbildung für sich. „Wir haben die Wahlen gewonnen, also fällt es uns zu, eine Regierung zu bilden, wie es in der spanischen Demokratie schon immer geschehen ist“, erklärte Feijóo von Balkon des PP-Sitzes in Madrid. Seine Anhänger jubelten nicht nur ihm begeistert zu, sondern auch der ebenfalls anwesenden Konservativen Isabel Díaz Ayuso, die in der Region Madrid regiert und als Nachfolgerin an der PP-Spitze gilt, sollte Feijóo an der Regierungsbildung scheitern.

Das rechts-rechtsaußen Bündnis regiert in sechs Regionen

„Spanien und all die Bürger, die abgestimmt haben, haben sich klar ausgedrückt. Der rückwärtsgewandte Block, der alles zunichtemachen wollte, was wir bewerkstelligt haben, ist gescheitert“, sagte Sánchez, der seit 2018 regiert, kurz vor Mitternacht vor jubelnden Anhängern auf einer eiligst aufgebauten Bühne vor dem PSOE-Parteibüro in Madrid. Sánchez hatte die Wahlen von Dezember vorgezogen, nachdem seine Partei bei den Kommunal- und Regionalwahlen am vergangenen 28. März den Großteil der regionalen und kommunalen Macht an die PP verloren hatte, die seither in sechs Regionen – vergleichbar mit einem Bundesland – zusammen mit VOX regiert oder regieren wird. Außerdem zog das rechts-rechtsaußen Bündnis in über 100 Bürgermeisterämter ein, darunter in 30 Provinzstädten.

Feijóo galt seither in den Umfragen als unumstrittener Wahlsieger, gemeinsam mit VOX nur wenige Stimmen von der absoluten Mehrheit entfernt. Jetzt hat allerdings Sánchez die besseren Karten, an der Spitze der spanischen Regierung zu bleiben. Die bisherige Linkskoalition kann im neuen Parlament mit mehreren kleineren Parteien aus Katalonien und dem Baskenland 172 Mandate auf sich vereinen, während PP und VOX außer den eigenen Abgeordneten gerade einmal mit der Unterstützung eines weiteren Abgeordneten rechnen können. Fast alle Parteien hatten bereits vor den Wahlen klargemacht, dass sie auf keinen Fall eine Regierung mit der Beteiligung der Rechtsextremen unterstützen werden.

Obwohl die Wahlen mitten in die Urlaubszeit fielen, nahmen über 70 Prozent der Wahlberechtigten teil, vier Prozent mehr als 2019. Es war wohl vor allem die Angst vor einer Regierung mit rechtsextremen Ministern, die die Menschen an die Urnen brachte.

Spanien droht nun ein monatelanger Regierungsbildungsprozess. Denn die Parteien, die Sánchez unterstützen – meist Verfechter der Unabhängigkeit des Baskenlandes und Kataloniens – haben bereits in der Wahlnacht klargemacht, dass es ihre Stimmen im Parlament nicht kostenlos gebe. Sie wollen Zugeständnisse an ihre Region aushandeln und im Falle der in Barcelona regierenden Republikanischen Linken Katalonien (ERC) einen Verhandlungsprozess über die Zukunft der Region, die 2017 trotz Verbot aus Madrid ein Unabhängigkeitsreferendum abgehalten hatte.

Bei den Sozialisten schauen sie allerdings nicht nach Barcelona, sondern ins belgische Waterloo. Dort lebt der ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont seit 2017 im Exil. Die spanische Justiz will ihn wegen des Referendums vor Gericht bringen. Seine Unabhängigkeitspartei Junts per Catalunya (JxCat) hat sieben Angeordnete im neuen spanischen Parlament. Stimmen sie für Sánchez könnte er im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Angeordneten auf sich vereinen. Im zweiten Wahlgang braucht ein Kandidat nur mehr Ja- als Nein-Stimmen. Es würde also reichen, dass sich JxCat enthält. Beides wird sicher nicht billig für die Regierungskoalition. JxCat-Spitzenkandidatin Míriam Nogueras sprach von einer „großen Gelegenheit“. Und der Generalsekratär der Partei, Jordi Turrull, mahnt: „Ein Nein zu Sánchez ist nicht gleichbedeutend mit einem Ja zu Feijóo. Wir werden nicht in die emotionale Falle tappen, uns zwischen Sánchez und Feijóo zu entscheiden.“ JxCat forderte immer wieder das nationale Selbstbestimmungsrecht und eine Amnestie für alle, die wegen des Referendums 2017 strafrechtlich verfolgt werden. Weit davon entfernt forderte die Staatsanwaltschaft erneut einen internationalen Haftbefehl gegen Puigdemont. Und seine ebenfalls im Exil lebende Parteikollegin Clara Ponsatí wurde gestern nach ihrer Rückkehr nach Barcelona trotz der Immunität, die sie als Europaabgeordnete genießt, vorübergehend festgenommen.

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