Antisemitismusvorwurf gegen XR-Gründer: Auch Ökos können Juden hassen
XR-Gründer Roger Hallam hat den Holocaust relativiert. Für viele scheint überraschend, dass auch Nicht-Rechte Antisemiten sein können.
D ie Aufregung um den Mitbegründer der Protestbewegung Extinction Rebellion ist gewaltig. „Nur einen weiteren Scheiß in der Menschheitsgeschichte“ hat Roger Hallam den Holocaust flapsig genannt. Er hat sich damit ins Fahrwasser von AfD-Chef Alexander Gauland begeben, der Hitler „einen Vogelschiss in der deutschen Geschichte“ genannt hatte. Die Aufregung um diese Äußerung ist so richtig wie erstaunlich.
Richtig ist sie, weil Hallam damit antisemitische Ressentiments bedient, nach denen der Massenmord an den Juden kein hervorhebungswürdiges Ereignis ist. Solcherlei geschichtsrevisionistischer Unsinn mag nicht strafbar sein, aber wer ihn von sich gibt, hat die öffentlichen Konsequenzen zu tragen. Es ist deshalb konsequent, dass der Ullstein-Verlag Hallams neues Buch zurückgezogen hat.
Verwunderlich aber ist das Erstaunen darüber, dass „ausgerechnet“ ein fortschrittlicher Kämpfer für das Klima diese Äußerung getätigt hat. Dabei weiß jeder, der es wissen will, dass das judenfeindliche Ressentiment eben kein exklusives Denken von Rechtsradikalen oder Neonazis ist. Es finden sich auch Linke und Konservative, die die Mär von der Bösartigkeit der Juden verbreiten.
Es handelt sich auch nicht um ein Phänomen, das in besonderer Weise Männer betrifft, es findet sich bei Weißen ebenso wie bei Schwarzen, und es hat schon gar nichts mit dem Alter zu tun. Antirassisten können ebenso wie Rassisten zugleich antisemitische Vorurteile schüren. Judenhass überschreitet nicht nur die Grenzen der Humanität und des Anstands, er kennt auch keine ethnischen oder politischen Grenzen, was seine Träger betrifft.
Es ist an der Zeit, dass diese Erkenntnis auch die begreifen, die von sich behaupten, auf der besseren, menschlicheren Seite der Gesellschaft zu stehen. Das bedeutet nicht, die AfD mit Extinction Rebellion in einen Topf zu werfen. Es heißt aber wohl, dass Judenhass überall konsequent bekämpft werden muss – auch und gerade vor der eigenen Haustür.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht