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Anschlag auf WeihnachtsmarktMagdeburg-Täter suchte Kontakt zur AfD-Jugend

Die AfD instrumentalisiert den Angriff auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Dabei war der Täter ein Partei-Sympathisant – und suchte auch Kontakt.

Trauermarsch mit Schwarz-Rot-Gold: Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt rief die AFD zur Wahlkampfveranstaltung Foto: Lars Neumann/imago

Berlin taz | Erst auf dem Bundesparteitag der AfD in Riesa nutzte Parteichefin Alice Weidel den Angriff auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt wieder für den Wahlkampf, gleich zu Beginn ihrer Rede für die Kandidatur zur Spitzenkandidatin. Ein „arabischer Attentäter“ habe diese „Wahnsinnstat in Magdeburg“ verübt, rief sie in die Halle. Ein „eingewanderter Mann, der schon längst nicht mehr in Deutschland hätte sein dürfen“.

Schon kurz nach der Tat am 20. Dezember war Weidel nach Magdeburg gefahren, hatte eine Kundgebung abgehalten, auf der sie von der Tat eines Islamisten sprach. Es ist der Tenor der AfD seitdem – die vehement wie keine andere Partei die Magdeburg-Tat für ihren Wahlkampf instrumentalisiert.

Dabei übergeht die AfD weiter konsequent, dass sich der festgenommene Täter Taleb Al Abdulmohsen – ein gebürtiger Saudi-Araber, der seit 2006 in Deutschland lebte – auf der Social Media Plattform X als Sympathisant der AfD und von rechtsextremen Influencern offenbarte.

Und nach taz-Informationen soll ein führender Verfassungsschützer in einer ersten vertraulichen Sondersitzung des Innenausschuss im Bundestag auch von früheren, direkten Kontaktversuchen von Abdulmohsen an die AfD-Parteijugend „Junge Alternative“ berichtet und dabei zwei JA-Bundesvorstände konkret benannt haben. Gleiches tat Abdulmohsen demnach beim früheren AfD-Berater Erik Ahrens und bei einer rechtsextremen Influencerin, die auch für die AfD wirbt.

Die Influencerin und einer der JA-Bundesvorstände antworteten auf eine taz-Anfrage dazu nicht. Der zweite JA-Vorstand bestritt einen direkten Kontaktversuch von Abdulmohsen. Er habe lediglich gehört, dass Abdulmohsen verschiedene JA Landesverbände angeschrieben habe, sagte er der taz. Darauf sei aber seines Wissens nach nicht reagiert worden. Es gebe „viele Spinner“, welche die JA anschreiben würden.

Um Hilfe bei der Anwaltssuche gebeten

Der frühere AfD-Berater Erik Ahrens wiederum berichtet in einem Video selbst, wie ihn Abdulmohsen vor einem halben Jahr anschrieb und um die Vermittlung eines Anwalts bat. Er habe tatsächlich zunächst Hilfe angeboten und eine Bekannte angeschrieben, erklärt Ahrens. Die habe aber nicht weiterhelfen können und er habe Abdulmohsen dann nicht mehr geantwortet. Auch er spricht von einem „arabischen Attentäter“, sieht hinter der Magdeburg-Tat ein „ethnisches Problem“.

Abdulmohsen zeigte seine Sympathien für die AfD offen auf seinem X-Account. In einem Beitrag hoffte er auf eine Zusammenarbeit mit der AfD: „Wer sonst bekämpft den Islam in Deutschland?“. Auch teilte er etwa ein Posting von AfD-Chefin Alice Weidel, in der diese Angela Merkel eine „unkontrollierte Massenmigration“ vorwirft. Abdulmohsen zog auch selbst über Merkel her: Diese verdiene die Todesstrafe oder gehöre lebenslänglich in Haft, weil sie Europa „islamisiert“ habe. Er forderte, Deutschlands Grenzen zu schützen, um eine „Islamisierung“ zu verhindern.

Zugleich griff Abdulmohsen auch Postings von Elon Musk, der Szene-Influencerin Naomi Seibt, dem deutschen Querdenken-Aktivisten Marcus Haintz oder dem Rechtsaußen-Portal Nius auf oder teilte diese. Es sei „absolut wahr“, dass deutsche „Geiseln“ in ihrem eigenen Land seien, kommentierte er einen Beitrag von Seibt. An anderer Stelle teilte Abdulmohsen den Beitrag eines deutschen Nutzers, der über das „Rattenpack in Richterroben“ herzog oder eines anderen Nutzers, der Deutschland einen „geheimen Kommunismus“ vorwarf.

Hass auf deutsche Behörden

Daneben finden sich viele Beiträge von Abdulmohsen, in denen er vor allem den Islam kritisiert – und den Verein „Säkulare Flüchtlingshilfe“, der ex-muslimische Geflüchtete in Deutschland betreut, wie es auch Abdulmohsen nach eigener Auskunft tat. In den Monaten vor der Tat fiel der 50-Jährige zudem mit brachialen Gewaltandrohungen auf und einem Hass auf deutsche Behörden. Er könne „zu 100 Prozent versichern, dass es bald Rache geben wird“, schrieb Adulmohsen etwa. Deutschland werde einen „enormen Preis“ zahlen. Oder er fragte, ob man ihm eine Schuld geben würde, „wenn ich willkürlich 20 Deutsche töten würde, weil Deutschland gegen die saudische Opposition vorgeht?“.

All dies wird derzeit von der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg ausgewertet – für die das Motiv der Tat weiterhin ungeklärt ist. Zudem findet eine psychologische Begutachtung von Abdulmohsen statt, weil dieser sich immer wieder wirr äußerte, auch nach seiner Festnahme. Die Bundesanwaltschaft hatte eine Übernahme des Falls am 23. Dezember deshalb vorerst abgelehnt, weil es vorerst kein politisches Motiv sah.

105 Behördenvorgänge zu Abdulmohsen

Offen ist auch, ob die Sicherheitsbehörden die vielen Hinweise auf Abdulmohsen in den Vorjahren nicht hätten ernster nehmen müssen. Auch darüber will am Donnerstagnachmittag der Innenausschuss des Bundestags in einer erneuten Sondersitzung beraten. Zuvor hatte das BKA dem Ausschuss eine Chronologie zu Abdulmohsen vorgelegt, die der taz vorliegt. Demnach gab es seit April 2013 insgesamt 105 Behördenvorgänge zu Abdulmohsen – mal waren es Prozesse gegen ihn, mal Anzeigen wegen Verleumdung, Beleidigung oder Menschenhandels, mal Anzeigen von Abdulmohsen selbst, die er gegen andere stellte.

Die Vorgänge betrafen Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Bayern, auch verschiedene Bundes- und Sicherheitsbehörden. So hatte Abdulmohsen schon 2013 der Ärztekammer in Mecklenburg-Vorpommern gedroht, es werde etwas „Schlimmes“ mit „internationaler Beachtung“ geschehen und dabei auf einen Anschlag in Boston kurz zuvor verwiesen. Später drohte er auch anderen Behörden und sogar seinem eigenen Anwalt. Zwei Richtern, die ihn verurteilt hatten, drohte er, sie erschießen zu wollen. Dazu folgen die Drohungen auf Social Media – die wiederholt auch saudi-arabische Geheimdienste deutschen Diensten meldeten.

Die Polizei reagierte darauf mit drei Gefährderansprachen an Abdulmohsen: im Januar 2014, im September 2023 und im Oktober 2024. Bei einer weiteren versuchten Gefährderansprache im Dezember 2023 war er nicht anzutreffen. Zwei Mal wurde Abdulmohsen auch von Gerichten verurteilt. All das aber hielt ihn am Ende nicht von seinem Angriff auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt auf, bei dem sechs Menschen starben und mehrere hundert verletzt wurden.

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9 Kommentare

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  • Ja, die AfD instrumentalisiert - und das sollte man nicht ebenso tun. Der Täter hasste den Islam und den Saudi-Staat; er hasste aber auch den deutschen Staat und wollte ganz offensichtlich so viele Deutsche wie möglich töten. Also bitte auf die Instrumentalisierungsversuche der AfD eingehen und sie nicht an Geschmacklosigkeit überbieten.

  • Aus meiner Sicht versuchen hier mehrere Seiten die Tat zu instrumentalisieren oder zumindest mal durch ihre ureigene Schablone zu drücken. Nicht nur die AfD. Alles was über den Täter bekannt ist, ist ein massiver Grad an Verwirrung und ein von Wahn geprägtes Weltbild. Da passt soviel nicht zusammen, dass man ihn nicht ohne große Verbiegungen in ein klares ideologisches Profil einordnen kann. Das ist ein mental zutiefst derangierter Mensch, der sich durch welche Umstände auch immer ein reglrecht paranoides Weltbild entwickelt hat, dass Fragmente verschiedenste Verschwörungserzählungen beinhaltet.



    Ich halte es für genauso konstruiert den Täter zum AfD Anhänger zu machen, wie seine Tat mit Migration in Verbindung zu bringen.



    Wenn man hier irgendwas anprangern muss, dann das wiederholt massive Behördenversagen. Diese Zeitbombe hat so laut getickt, dass man es eigentlich kaum überhören kann.

  • Den Täter nun zum "AfD Fan" zu stilisieren halte ich für schwer übertrieben. Viel wahrscheinlicher ist doch, dass sich ein psychisch kranker Mensch radikalisiert hat.



    Dass die AfD diese Tat für sich instrumentalisiert halte ich allerdings für widerlich³.

    • @Hans Dampf:

      Ich habe mich undeutlich ausgedrückt.



      Der "typische" AfD-Fan und dieser Täter haben trotzdem so gut wie nichts gemeinsam. Diese Tat ist nicht Ausdruck von AfD-Politik, das unterstelle ich selbst der schlechtesten Partei Deutschland nicht.

    • @Hans Dampf:

      Ich empfehle einen Blick auf den besagten Twitteraccount. Ehrlich gesagt liest der sich selbst viel schlimmer als jeder Medienbericht.

    • @Hans Dampf:

      Wo wird der Täter denn zum "AfD Fan" stilisiert?



      Er IST ein AfD-Fan, wie die Untersuchungen ergeben haben! Eine psychische Erkrankung vorzuschieben sehe ich als Verharmlosung seines Motivs und ist definitiv nicht die Erklärung für solche Taten!

      Wäre der Grund für den 6-fachen Mord und mehrere 100-fach versuchten Mord eine psychische Erkrankung, würden Sie alle 10 Meter auf der Straße über Mordopfer stolpern, denn psychisch erkrankte Menschen gibt es sehr, sehr viele.

      Gezeichnet, ein Mensch mit einer psychischen Erkrankung, der nicht mordet.

    • @Hans Dampf:

      Ein psychisch kranker Psychiater.

    • @Hans Dampf:

      Warum sollte ein psychisch kranker Mann nicht AFD-Fan sein? Und: Als "Fan" wird er doch nicht stilisiert, sondern sein Posts in den Netzwerken entsprechen doch genau den politischen Inhalten der AfD. Inwieweit die AFD mit ihrer faschistoiden Hetze Herrn Abduhlmosen zu den Taten angestiftet hat, kann ich nicht beurteilen...

    • @Hans Dampf:

      Sehe ich auch so, da sollte jetzt nicht das AfD - Konzept in der Kommunikation kopiert werden.