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Anschlag auf Nord-Stream-PipelinesDanke! Danke! Danke!

Eigentlich ist es egal, wer es war: Wer auch immer die Nord-Stream-Pipeline gesprengt hat, hat drei Preise verdient.

Die kleine dänische Insel Christiansø liegt unweit des Anschlagsortes auf die Nord-Stream-2-Pipeline Foto: Tom Little/reuters

W er hat die Nord-Stream-Pipeline gesprengt? Die Ostsee liegt zwar wieder so ruhig und langweilig da, wie es ihre Art ist, aber die Gerüchteküche blubbert. Einer Recherche verschiedener Medien zufolge soll eine Gruppe von sechs Personen mit gefälschten Pässen an der deutschen Ostseeküste eine Jacht gemietet haben und mit einem Sprengsatz zur Pipeline geschippert sein.

Das ist natürlich wahnsinnig aufregend, aber schlauer ist man nach dieser Recherche nicht – außer, dass es ein Wieck auf dem Darß und ein Wiek auf Rügen gibt und die Jacht an einem der beiden Häfen ein Päuschen gemacht hat. Ob die Sprengung aber von Ukrainern oder Russen ausgeführt wurde, ob die ukrainische Regierung informiert oder involviert war oder gar die Amerikaner – nichts davon ist heute klarer als vor einer Woche.

Einige Hinterbänkler sehen trotzdem die Chance, aus den Vermutungen Profit zu schlagen. Über „Terrorismus mit Staatshilfe“ spekuliert etwa Ralf Stegner und behauptet, die Medienberichte legten nahe, dass „Putin es nicht war“. Er raunt über „politische Turbulenzen, die sich gewaschen haben dürften“. Die Hoffnung, einen Grund zu finden, die Waffenlieferungen an die Ukraine endlich einzustellen, ist in Bordesholm so stark spürbar, da braucht man keinen Seismografen.

Ich muss Sie enttäuschen, auch diese Kolumne wird das Rätsel nicht lösen. Aber ich werde es herausfinden, mit einer investigativen Methode, einem Preisausschreiben. Denn egal, wer für die Zerstörung der Pipeline verantwortlich ist und woher die Täter kommen, ihnen gehören sämtliche Orden angebunden.

So geht sozial-ökologische Transformation

Zunächst der ARD-Vorabend-Preis für den besten Krimiplot: Man muss sich das nur mal vorstellen, wie diese Jacht, bis oben hin vollgepackt mit Sprengstoff, in den beschaulichen Hafen Wiek auf Rügen einfährt, neben der Jacht eines Rostocker Zahnarztes vertäut wird und etwas später weiterfährt. James Bond kann einpacken, bei dieser Geschichte stimmt einfach alles.

James Bond kann einpacken, hier stimmt einfach alles

Die Pipeline-Helden verdienen außerdem den Footprint-Award für sozialökologische Transformation: Sie haben für das Ende des fossilen Albtraums mehr geleistet als jeder vegane Nachtzugfahrer. Ohne ihren heldenhaften Einsatz wäre die Wärmepumpe immer noch ein Kapitel im grünen Parteiprogramm. Jetzt ist sogar dem letzten aus Aserbaidschan bezahlten CDU-Politiker klar: Es gibt keinen Weg zurück zum russischen Billiggas.

Womit wir beim dritten Preis wären: Dem Gerhard-Schröder-Preis für Verdienste gegen die deutsche Sozialdemokratie. Denn seien wir ehrlich, spätestens im nächsten Winter, wenn es wieder kalt wird, aber Christian Lindner sich weigert, Olaf Scholz’ Finanzbazooka nachzuladen, wird es ungemütlich werden in Deutschland. Und wenn es in der Ukraine dann etwas gäbe, das man aus der Ferne mit zusammengekniffenen Augen als Waffenstillstand bezeichnen könnte, wären die ersten Sozialdemokraten aus ihren norddeutschen Villen gekrochen und hätten gefordert, dass wir doch bitte Nord Stream 2 endlich in Betrieb nehmen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Es wäre zwar nicht schön, würden sie dann sagen, und Russland würde man immer noch echt kritisch sehen, auch wegen der Menschenrechte. Aber man müsse doch auch an die deutschen Arbeiter denken, die bräuchten das billige Gas aus Russland. Und mit dem Zauberwort „Brückentechnologie“ wären dann auch die letzten Grünen schwach geworden. Diese beinahe zwangsläufige Entwicklung im Winter 2024 haben die Helden in die Luft gesprengt.

Also, falls Sie das waren mit den Pipelines, wenden Sie sich bitte an die wochentaz in der Friedrichstraße 21 in 10969 Berlin – und holen Sie sich Ihre Preise ab!

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Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
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28 Kommentare

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  • Die Sprengung war nicht gerade eine umweltfreundliche Lösung.



    Fantastereien über die SPD und die Grünen sind eine interessante Verschleierungstaktik.



    Grundsätzlich handelt es sich um einen Terroranschlag.



    Da gibt es nichts zu Lachen und auch Nichts zu beschönigen.



    Die Tatsache, dass keine Menschen zu Schaden kamen, ist ein Glück.



    Wir brauchen in der Politik allerdings keine Gewalt, davon gibt es derzeit schon zu viel.

  • Es gibt auch noch ein Wieck bei Greifswald und da kommen NS1 und NS2 schließlich an. Wenn das nicht höchst suspekt ist, was dann?

    Man sollte Stegner für einen erfahrenen Politiker halten. Aber nun hat er sich ordentlich exponiert...

  • Das kann leicht missverstanden werden, darum vielleicht noch mal zur Einordnung:

    "Bei den Sprengungen der Nord-Stream-Pipelines ist die Ostsee stark mit Giftstoffen verunreinigt worden - mit dramatischen Folgen für die Meeresumwelt. Zu diesem Ergebnis kommt eine wissenschaftliche Studie von Forschern aus Dänemark, Polen und Deutschland. So könnten bei den Explosionen alle Schweinswale im Umkreis von vier Kilometern sofort umgekommen sein."

    ndr:



    www.ndr.de/nachric...nordstream874.html

    Eines der schlimmsten ökologischen und klimatologischen Verbrechen in Europa. Im Unterschied zur gewöhnlichen Ölpest wie nach Havarien o.Ä., oder was jetzt auch in der Oder passierte dazu mit Vorsatz und vollem Bewusstsein. Ja insofern ist es gleich wer die Verantwortung trägt, muss es sogar sein und Preisverdacht? Vielleicht den Darwin Award.

  • Die Sprengung der Pipelines war eine der größten Umweltkatastrophen in der Geschichte Europas.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Die Pipeline-Helden verdienen außerdem den Footprint-Award für sozialökologische Transformation: Sie haben für das Ende des fossilen Albtraums mehr geleistet als jeder vegane Nachtzugfahre"



    Dafür gibts`s außerdem den LNG-Wanderepokal und einen Gutschein für eine Atlantiküberquerung auf einem Flüssiggas-Tanker.



    Die Förderer von Wärmepumpen bekommen einen Bruderkuss von Buderus und neue Laufschuhe.



    taz.de/Landtagswahl-in-Hessen/!5915598/

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Buderus - zwischen Uni Mbg & Uni Gießen gelegen - gibt Forum & läßt Kesseln! Gelle.



      & ich sage nur -



      Gegen Al-Wazir - “Kampkandidatur



      des pensionierten Studienrats Joachim Mietusch. „Traurig und wütend“ hätten ihn die vielen Kompromisse der Grünen in der Regierung gemacht, sagt Mietusch, der sich einen „Wurzelgrünen“ nennt. Angesichts der Klimakatastrophe gelte es, die Lebensgrundlagen zu retten.



      „Die Physik kennt keine Kompromisse“, mahnt er. Den grünen „Realos“ wirft er vor, an ihren Posten zu kleben, während sie gleichzeitig Bäume für Straßen fällen ließen. Gegen den Hoffnungsträger hat Mietusch natürlich keine Chance.



      Aber immerhin erhält er 71 Stimmen, das sind 7,5 Prozent.“



      Na bitte - 👟 👟 Laufschuhe sind nicht alles! Und auch bei Joseph Fischer klebten die Preisschilder noch auf dem Sohlensteg!;(( Gelle.

  • Jetzt müssten nur noch ein paar ambitionierte Privatleute ohne Verbindung zu US-Geheimdiensten unsere neuen LNG-Terminals in die Luft jagen.

    Terroristen sind im Grunde Disruptoren: Move fast and break things.

    • @Limonadengrundstoff:

      Sabotage ist kein Terrorismus

  • SUPER-Artikel!!!

  • Und ich hänge noch einen vierten Preis an: den Antiimperialismus-Preis. Wer immer es war, hat dem russischen Imperialismus und seinem weit vorangeschritten Versuch, Europa mithilfe begeisterter europäischer Helfer und Unterstützer noch abhängiger und erpressbarer zu machen, einen markanten Strich durch die Rechnung gemacht. Selbst, wenn's die Russen selber waren.

  • Gibt´s auch Sympathisantenpreise? Bitte hier abgeben!

  • Nächsten Winter haben wir eine neue Regierung. Spätestens im Sommer knallt es in der Regierung. Mittlerweile sind alle drei Parteien so unterschiedlich das es nicht mehr viel braucht. Leider ist Olaf Scholz als Kanzler zu schwach, die SPD in sich nicht geschlossen, die Grünen wollen. neigen aber zu Schnellschlüssen die nicht durchgedacht sind und dann noch die FDP.



    Wer immer das mit der Pipeline war, es war auf jeden fall keine Hobbytruppe und 6 Personen sind zu wenig für diese Tat. Die können allenfalls nur das Ablenkungsmanöver sein.

    • @Garum:

      "Nächsten Winter haben wir eine neue Regierung."

      Hat was mit dem Thema zu tun?

  • Endlich mal ein vernünftiger, konstruktiver



    VORSCHLAG. Mit dem



    ANSCHLAG



    hab ich zwar nichts zu tun, plädiere aber trotzdem für mich den



    WAHRHEIT-WAHRHEIT-PREIS



    mit gut gefülltem



    UMSCHLAG



    und einer Flasche Gran Duque d'Alba...

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      "Shaka laka boom"

      Sprach Melnyk nach dem Anschlag auf die Krimbrücke.

      Wenn es klappt, ist aber eine Runde fällig.

  • Bei solchen Artikeln muss ich immer an eien Spruch aus den 90ern denken, als wegen der Brent Spar Geschichte die Tankstellen von Shell (glaube ich) boykottiert werden sollten:



    "Erst wenn die letzte Ölplattform zerstört, die letzte Tankstelle geschlossen ist werdet ihr feststellen dass Greenpeace nachts kein Bier verkauft!"

    in diesem Sinne, so long..

  • Ein Preis für einen Anschlag auf deutsche Infrastruktur?

    Der Nächste ist dann für die Sprengung von Tankstellen und Autobahnen? Alles für den Kampf gegen den Klimawandel?

    Es wäre schön, wenn Kolumnisten vorher überlegen, ob sie einer guten Sache einen Bärendienst erweisen, bevor sie in die Tastatur hauen. Aber vielleicht haben wir Glück und die Bildredaktion bekommt es nicht mit...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ironie erkennt man nicht immer..

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      „ jeder vegane Nachtzugfahrer“ diese offensichtliche Abqualifizierung ist entlarvend und macht niederträchtige Motive des Autors wahrscheinlich. „Tankstellen und Autobahnen“ - Gute Idee.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      und das alles auf der überschwemmten Wiese - vulgo Ostsee! Nee Nee - wat kunn angahn! Nich to glöben un rein tonn katolsch warrn!



      Alllens as weiland beie Estonia - weiß Bescheid!

      unterm——servíce



      “Die Estonia war eine RoPax-Ostseefähre, die am 28. September 1994 auf ihrem Weg von Tallinn nach Stockholm vor der finnischen Insel Utö sank. Der Untergang der Estonia ist mit 852 Opfern das schwerste Schiffsunglück der europäischen Nachkriegsgeschichte. Die Unglücksursache gilt als ungeklärt.“



      de.wikipedia.org/w...nia_(Schiff,_1980)



      “Ende 2004 (!!) gab ein schwedischer Zollbeamter gegenüber Medien zu Protokoll, dass vor dem Untergang Militärelektronik und Waffenteile aus dem russischen Raum auf die Estonia gebracht worden seien und diese Transporte nicht kontrolliert werden durften. Diese übliche Praxis sei wiederholt vorgekommen und von höheren Stellen angeordnet gewesen. Auf den Ladelisten bei der Unglücksfahrt wurden Unstimmigkeiten festgestellt.

      Die Untersuchungen wurden Ende 2004 deshalb offiziell wiederaufgenommen. Unter anderem räumte das schwedische Militär ein, dass militärische Ausrüstung mit zivilen Fähren befördert worden sei.

      Am 13. Dezember 2006, dem letzten Arbeitstag des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Estland, der die Hintergründe und Fakten recherchieren sollte, die es im Fall des Transports militärischer Güter auf der Estonia gab, räumte der ehemalige estnische Außenminister Trivimi Velliste überraschend ein, dass Mitglieder der Regierung von den Transporten gewusst hatten.“



      ps Das & weiteres wg der Bugklappe - hatte mir ein Moped-Kumpel langgedienter Kapitän auf großer Fahrt vonne Küste wech - schon ein paar Wochen nach dem Unglück haarklein erzählt! Hielt ich für Seemannsgarn!

      So geht das ©️ Kurt Vonnegut



      „Darum hat Kurt Vonnegut einmal gefragt: "Was ist das für eine Presse, die wir heute haben, wenn man Bücher lesen muss, um zu wissen, was in der Welt passiert?"“

      Quelle: beruhmte-zitate.de/zitate

      • @Lowandorder:

        Wer spricht über die Estonia?

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Liggers. Wer spricht denn von Denken?!



          &



          Nachdenken schon mal außenvor - wa!

          • @Lowandorder:

            Hatten wir schon mal. Wenn jemand nicht missverstanden werden will, sollte er in ganzen Sätzen logisch schreiben. In Wortfetzen gekleidete Gedankensprünge sind eben nicht eindeutig.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Jetzt mal nich klein machen: 3 Preise, und zwar solche von Weltruhm.



      Klar wird die Blöd neidisch bei so viel investigativem Elan...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Deutsche Infrastruktur" ? Evtl. meinten Sie Versorgung. Die Leitung gehört jedenfalls nicht den Deutschen allein.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      deutsche Infrastruktur, die ein "weiter so" befeuert und fleißig dazu beiträgt, dass Klimawandel und Postkolonialismus ungebremst voranschreitet...