Indymedia-Verweis bei Radio Dreyeckland: Nach dem Hyperlink
Weil Radio Dreyeckland zu Indymedia-Linksunten verlinkt hatte, klagte die Staatsanwaltschaft. Das hat ein Gericht nun beendet.
Kienert hatte auf der Homepage des Freiburger Alternativsenders im Juli 2022 einen Artikel veröffentlicht, in dem es um die seit 2017 verbotene linksradikale Plattform linksunten.indymedia ging. Damals war ein Ermittlungsverfahren gegen die mutmaßlichen Freiburger Macher:innen der Webseite eingestellt worden. Am Ende von Kienerts Artikels stand der lapidare Satz: „Im Internet findet sich linksunten.indymedia.org als Archivseite.“ Dabei war die Archivseite auch verlinkt.
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe sah in diesem Link eine Straftat und ließ im Januar die Wohnungen von Kienert und einem weiteren Redakteur durchsuchen. Eine Durchsuchung der Redaktionsräume konnte Kienert verhindern, indem er versicherte, dass er den Artikel, der mit seinem Kürzel gekennzeichnet war, wirklich selbst geschrieben hatte.
Ende April erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Kienert. Er habe durch den Link die Fortführung einer verbotenen Vereinigung unterstützt. Er habe quasi „als Sprachrohr“ der verbotenen Vereinigung fungiert und deren Propaganda verbreitet.
Ein Internet-Archiv sei keine Vereinigung
Das Landgericht Karlsruhe ließ von der Anklage nun nichts übrig. Die Richter lehnten „aus rechtlichen Gründen“ die Eröffnung eines Hauptverfahrens ab. Es liege keine Straftat vor.
So fehle es schon an einer Vereinigung, die Kienert hätte unterstützen können. Die Staatsanwaltschaft habe nicht belegen können, dass die Personen, die einst die Seite linksunten.indymedia betrieben, als Verein weiter aktiv sind. Wenn es aber keine Vereinigung mehr gibt, dann kann sie auch nicht unterstützt werden, so das Landgericht. Ein bloßes Internet-Archiv sei keine Vereinigung.
Doch selbst wenn es noch eine fortgeführte Vereinigung gäbe, hätte Kienert sie durch seinen Link nicht in strafbarer Weise unterstützt. Der Link könne schwerlich als Werbung oder Fürsprache aufgefasst werden, so die Richter. Der letzte Satz von Kienerts Artikel werde vom verständigen Durchschnittsleser eher als neutraler Hinweis verstanden.
Zwar sei Kienerts Artikel eindeutig kritisch gegenüber dem Verbot von linksunten.indymedia. Derartige Kritik sei aber von der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt, so das Landgericht.
Die Staatsanwaltschaft kann in den nächsten sieben Tagen noch Beschwerde beim Oberlandesgericht Stuttgart einlegen. Sie will aber zunächst den Beschluss des Landgerichts prüfen.
Rechtsanwältin Angela Furmaniak, die Verteidigerin von Kienert, freute sich über den Karlsruher Beschluss: „Kritik an staatlichem Handeln ist die grundlegende Aufgabe der Presse und darf nicht durch eine politisch motivierte Strafverfolgung ausgehebelt werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid