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Ampel ringt um HaushaltSPD und Grüne gegen Lindner

Der Haushalt 2025 wird zur Zerreißprobe für die Ampel. Mehrere Ministerien halten sich nicht an die Sparvorgaben des Finanzministeriums.

Annalena Baerbock (Mi.), Lisa Paus (li.), beide Grüne und Svenja Schulze (re.), SPD, wollen sich Lindners Sparvorgaben widersetzen Foto: dpa

Berlin afp | Mehrere Bundesministerien überschreiten einem Medienbericht zufolge die Sparvorgaben von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Das Magazin Spiegel berichtete am Donnerstag, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) fordere für das Auswärtige Amt eine Erhöhung des Etats für das kommende Jahr auf 7,39 Milliarden Euro – im laufenden Jahr sind 6,7 Milliarden Euro vorgesehen.

Lindner will das Budget des Auswärtigen Amts im kommenden Jahr dem Bericht zufolge dagegen um fast ein Viertel kürzen – auf 5,1 Milliarden Euro. Der Spiegel berichtete weiter, im Etat seien bereits 3,87 Milliarden Euro für gesetzliche und gebundene Ausgaben fest verplant, darunter Personalkosten und Pflichtbeiträge an die Vereinten Nationen, bei denen nicht gespart werden könne.

Würde sich Baerbock an die Vorgaben des Finanzministers halten, müsste die humanitäre Hilfe dem Bericht zufolge um rund die Hälfte gekürzt werden.

Auch das Entwicklungsministerium hat dem Bericht zufolge einen höheren Bedarf für den Bundeshaushalt 2025 angemeldet als vom Finanzministerium vorgesehen. „Insgesamt wurden dringend notwendige Bedarfe in Höhe von 12,16 Milliarden Euro angemeldet, was dem Haushaltsansatz von 2023 entspricht und bereits unter dem krisenbedingt erhöhten Ansatz von 2022 liegt“, heißt es dem Magazin zufolge in einem Schreiben an die Haushälter und inhaltlichen Fachleute der Ampelfraktionen. Lindner habe dem Ministerium rund zwei Milliarden Euro weniger zugestehen wollen.

Lücke in zweistelliger Milliardenhöhe

In dem Schreiben heißt es laut dem Spiegel, Entwicklungspolitik sei ein wichtiger Baustein der Sicherheitspolitik. Sie trage unmittelbar zur Krisenprävention und Krisenbewältigung bei.

Bis Donnerstag mussten die Fachministerien ihre Haushaltsvorstellungen bei Finanzminister Lindner einreichen. Trotz etwas höherer Spielräume für die Kreditaufnahme aufgrund der schwachen Konjunktur zeichnet sich eine Finanzierungslücke im zweistelligen Milliardenbereich ab. Klärungen offener Fragen dürften kaum vor der Frühjahrs-Steuerschätzung zu erwarten sein, die Mitte Mai vorliegen soll. Die Regierung will den Etat für 2025 nach dem derzeitigen Zeitplan Anfang Juli beschließen.

„Es herrscht Krieg in Europa, die Wirtschaft stagniert, die Klimakrise spitzt sich zu, und die gesellschaftliche Stimmung ist polarisiert“, sagte der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler der Rheinischen Post vom Donnerstag und warb für Abweichungen von den normalen Regeln der Schuldenbremse. „Ein harter Sparkurs würde die ökonomische Lage verschärfen und den sozialen Frieden und die demokratische Stabilität gefährden.“ Notwendig seien vielmehr Investitionen in die Zukunft.

SPD will am liebsten Schuldenbremse aussetzen

Die Idee, 20 oder mehr Milliarden einzusparen, ohne den sozialen Frieden zu gefährden und internationale Zusagen einzuhalten, sei „ein frommer, aber unrealistischer Wunsch“, sagte auch der SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz der Mediengruppe Bayern. „Nehmen wir die notwendigen Sicherheitskosten für Militär und Zivilschutz aus der Schuldenbremse, dann hätten wir die Lösung“, schlug er vor. Dies wäre „ein gangbarer Weg“.

Das Aussetzen der Schuldenbremse sei eine „Option, die es für den Haushalt 2025 zu prüfen gilt“, sagte auch SPD-Fraktionsvize Achim Post. Die Themen innere, äußere und soziale Sicherheit dürften in den Haushaltsverhandlungen „nicht gegeneinander ausgespielt werden“, mahnte er ebenfalls in der Rheinischen Post.

„Im Bundeshaushalt besteht ein struktureller Handlungsbedarf, den gilt es nun aufzulösen“, bekräftigte das Bundesfinanzministerium. Die Ressorts seien daher „aufgefordert, Einsparmöglichkeiten im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu identifizieren und zu benennen“.

FDP verweist auf Zinszahlungen

Gegen Debatten über die Schuldenbremse wandte sich in der Zeitung der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke. „Jede Diskussion hierüber lenkt von der eigentlichen Aufgabe der Haushaltspolitik ab“, warnte er.

„Wir zahlen schon jedes Jahr als Bund 40 Milliarden Zinsen für die ganzen Schulden, die wir aufgenommen haben“, sagte Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg den Sendern RTL und ntv. Noch mehr Schulden nähmen „jede Handlungsmöglichkeit für die Zukunft“. Middelberg verlangte stattdessen Kürzungen bei Förderprogrammen, internationalen Finanzhilfen und vor allem beim Bürgergeld.

„Statt über Kürzungen zu diskutieren und sich zu streiten, wo man noch was einsparen kann, sollte die Ampel endlich die Einnahmen erhöhen, ohne Normalverdiener und Arme zu belasten“, verlangte Linken-Parteichefin Janine Wissler. Sie pochte in Berlin auf einen Verzicht auf vor allem von der FDP geforderte Sozialkürzungen. Als Alternative verlangte sie „eine Vermögensabgabe auf Vermögen von mehr als zwei Millionen Euro“ sowie eine „Milliardärssteuer“ für Superreiche.

Einen Kurswechsel in der Finanzpolitik verlangte auch der Sozialverband Arbeiterwohlfahrt. Statt den „Sparwahnsinn“ etwa bei Jugendmigrations- oder Freiwilligendiensten fortzusetzen, müsse es mehr Steuergerechtigkeit und ein Aussetzen der Schuldenbremse geben, forderte Awo-Präsident Michael Groß.

Der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, forderte ein kreditfinanziertes Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz. Dies müsse allerdings mit pauschalen 15-Prozent-Kürzungen und Subventionsabbau einhergehen, sagte er der „Rheinischen Post“.

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19 Kommentare

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  • Immer das Eingeprügele auf die FDP. Die Schuldenbremse hat ein Finanzminister Scholz eingeführt! Und man kann sie auch ohne FDP aufheben - da muss nur die CDU mitspielen - also Bärbock und Habeck - lasst euren Charm sprühen! Achso lasst den droben Hanburger lieber zu Hause - sonst kommt der nur auf dumme Gedanken und serhnt sich nach Mutti zurück.

  • Lindner ist ein ideologischer Geisterfahrer und Betonkopf, der eine rein neoliberale Politik macht und so das Land endgültig gegen die Wand fährt. Er gehört weg.

  • Da kann man Herrn Lindner nur viel Kraft wünschen.



    Herr Lindner - es ist wie Sie sagen. Dieses Land hat kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem!

  • Wie wäre es mit Kürzungen/Rücknahme von Geldern an repressive Länder wie Ägypten[1] und Libyen, die damit Menschen an der Flucht abhalten sollen? Damit würde mensch gleich zwei negative Dinge vermeiden. Stattdessen mal (Menschenrechts)Politik machen, wie sie die Grünen mal vertraten?



    [1] www.zdf.de/nachric...en-besuch-100.html

  • Ach, "wir" haben's doch, oder nicht? Und wenn nicht, regelt das der Markt. Markt ist immer knorke. Marktlösungen sind auch kalte, dunkle Wohnungen, Wohnungslosigkeit, ungesunde Ernährung, Hungern ... und das ist doch auch knorke, oder? Wer bräuchte angesichts wesentlich höherer Preise 'nen Klimageld, höhere Niedrigrenten, Sozialgelder o.ä.? Die von der Spaßparteiu haben eben Humor, wenn sie Sozialkürzungen einfordern. /Sarkamus



    Irrigerweise wird oftmals in den Medien erwähnt, dass die Preise ja nicht mehr so stark steigen würden. Dabei wird nicht erwähnt, dass sie zuvor stark gestiegen sind und diese Preissteigerung das neue Preisniveau bildet. Demgegenüber wurden die unteren Einkommen aber nicht in dem Maße angehoben. So kann mensch auch beschwichtigen, sich belügen.

  • Die Probleme hätten wir nicht, wenn ein Wille erkennbar wäre die 100 Milliarden, die an Steuern nicht gezahlt werden, einzutreiben.

    Aber weder die Regierungsparteien noch die CDU hat daran jemals interessiere gezeigt.

    Da ist eine neue Kreditaufnahme, welche alle zurückzahlen, schon wesentlich besser und beim Essen mit Freunden und Bekannten kommt es auch nicht zu unangenehmen Gesprächen.

    Und keine Sorge ich glaube nicht dass die AFD Interesse daran hätte.



    Deswegen Schuldenbremse weg und ein paar tolle Ideen um die Umverteilung nach oben zu beschleunigen existieren ja auch.

  • @ECKHARD HANSEAT52

    Ne, aber ein paar Fragen an Sie:

    - Haben Sie eine Ahnung davon, wie Entwicklungshilfe funktioniert und wozu sie gut ist?



    - Wann haben Sie zum letzten Mal die durchschnittlichen pro-Kopf-Einkommen von DE und IN verglichen? Was schätzen Sie? Faktor 10..15?



    - Haben Sie was konstruktives beizutragen? Oder wollen Sie nur nörgeln?

    • @tomás zerolo:

      Berechtigt ist die Frage schon warum ein Land welches zum Beispiel jährlich 1,6 Milliarden in Raumfahrtprogramme investiert, der größte Empfänger deutscher Zahlungen für Entwicklungshilfe ist. Die Diskussionen wird auch schon seit längerem geführt.

      Ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass 22% der Bewohner an Hunger leiden und 38% der Kinder unterernährt sind. Eine der Ursachen dafür könnte jedoch auch sein, dass die indische Regierung die falschen Prioritäten setzt.

      Darüber sollte man sich schon Gedanken machen bevor man einen Kommentar abwertet.

      Und wenn sie das pro Kopf Einkommen von Deutschland und Indien als Argumentationsgrundlage anführen, zeugt das eher von mangelnden volkswirtschaftlichen Kenntnissen, als das es sich für eine Beurteilung der Verhältnisse vor Ort eignen würde.

  • Laut Bundestag 987 Mio. € Entwickllungshilfe für Indien in 2023, eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Noch Fragen Frau Schulze?

    • @Eckhard Hanseat52:

      Das müsste viel mehr in der Öffentlichkeit bekannt sein.



      Ich vermute mal , das ist nicht die einzige Zahlung, die überlegenswert ist.

      • @MIA R.:

        Nun ja, Deutschland zahlt auch 632 Millionen Entwicklungshilfe an Syrien.

    • @Eckhard Hanseat52:

      Die Milliarde kann dann ja locker eingespart werden, aber dann kann Frau Schulze ja nicht mehr nach Indien reisen. Nochmal Geld gespart.

  • "Ampel ringt um Haushalt" ?



    Nein, die Ampel ringt nicht um den Haushalt.



    Die Ampel ringt ums Überleben.

    Die Bilanz der Ampel ist nicht nur in Umweltfragen desaströs.



    Auch in Sozialfragen, arbeitsmarktpolitischen Fragen und wohnungspolitischen Fragen sieht es nicht besser aus.

    Im Bereich der Energiepolitik könnte man zumindest ein kleines Licht am Ende des Horizonts erahnen.

    Aber unter'm Strich ?

    Ok. Sie werden sagen so könne man nicht reden.



    Es gäbe ja auch gute Ergebnisse.

    Ok. Dann nennen sie mal zehn Dinge die wirklich gut gelungen sind.

    • @Bolzkopf:

      Ich wollte Ihnen antworten sber leider fällt mir nichts ein.



      Nur.....



      Es wird noch schlmmer kommen mit dem black Rocker!

  • Art 112. GG: "Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen. Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden." Bin gespannt ob Herr Scholz es auf eine 2. Klatsche durch das Bundesverfassungsgericht ankommen lässt oder ob er vorher durchgreift.

  • Was will man denn auch von einem Minister dieser Lobby-Gruppe erwarten? Die eignene Klientel wird bedient, die anderen müssen eben sparen. Experten sind nur die Leute der Pseudo-Partei FDP, alle anderen Fachleute in Wirtschafts- und Finanzbereichen sind Spinner, die von so etwas wie "Gemeinwohl" oder "Logik" romantisieren und gar den populistischen Handlungsweisen eines Ministers entgegentreten, eines Mannes, der Erfahrung mit Insolvenzen der eigenen Firma hat. Doch unser Land ist NICHT SEINE Firma und auch nicht in toto seine Klientel. Schade nur, dass wir keinen Kanzler haben....

    • @Perkele:

      Sparen ist eine Bürde, die SPD, Grünen und Linken abgeht. Zum Glück hat Herr Lindner da den Daumen drauf.

      • @Dirk Osygus:

        Ja klar. SPD und GRÜNE sind alles Nichtskönner, Phantasten und Romantiker die mit Geld nicht umgehen können. Das habe ich irgendwo schon mal gehört. Nur solche Experten wie Lindner, die gekonnt ihren eigenen Laden in die Pleite geführt haben.

      • @Dirk Osygus:

        Na klar doch, vor allem im Sparen dringend notwendiger fossiler Subventionen, nicht wahr?