Aktuelle Lage in Israel: Tunnelstrategie sorgt für Wut

Geiselangehörige äußern scharfe Kritik an Netanjahu. Israel genehmigt den Bau von 1.700 neuen Wohnungen in Ostjerusalem.

Aufsteigender Rauch nach der Bombardierung von Gaza

Blick vom Süden Israels auf das Bombardement im Gazastreifen am 6. Dezember Foto: Ariel Schalit/dpa

BERLIN taz | Benjamin Netanjahu bemüht sich um Bilder der Stärke: Israel habe mehr als die Hälfte der Bataillonskommandeure der Hamas getötet, sagte der israelische Ministerpräsident in einer Pressekonferenz am Dienstagabend. Israel geht davon aus, dass die Terrororganisation insgesamt 24 Bataillone hat.

Netanjahu betonte zudem erneut, dass Israel noch lange nach dem Ende des Krieges die Kontrolle über die Sicherheit im Gazastreifen behalten müsse. Eine Kontrolle durch internationale Kräfte lehnte er ab. Israel werde außerdem alles unternehmen, um die von der Hamas verschleppten Geiseln zurückzubringen.

Die freigelassenen Geiseln berichten von sexualisierter Gewalt

Nur wenige Stunden zuvor war es jedoch bei einem Treffen des Kriegskabinetts mit Familienangehörigen von Hamas-Geiseln und inzwischen freigelassenen Geiseln laut geworden. Die Familien und die Freigelassenen äußerten Wut über die Regierung und extreme Sorge um die sich noch im Gazastreifen befindenden Israelis. Sie forderten die Regierung auf, sofort alles zu unternehmen, um sämtliche Geiseln zurückzubringen.

Bei dem Treffen sprachen die freigelassenen Geiseln laut Medienberichten auch davon, wie die Bombardierungen Geiseln unmittelbar bedroht hätten: „Ihr behauptet, es gebe Geheimdienstinformationen, aber Tatsache ist, dass wir bombardiert wurden“, wird eine der freigelassenen Geiseln zitiert. Zu den zuletzt bekannt gewordenen Überlegungen Israels, die Hamas-Tunnel mit Meerwasser zu fluten, sagte eine der freigelassenen Frauen laut israelischen Medien über ihren noch im Gazastreifen gefangengehaltenen Mann: „Er wurde in die Tunnel gebracht, und ihr sprecht darüber, die Tunnel mit Meerwasser zu fluten. Für euch ist Politik wichtiger als die Geiseln.“

Die freigelassenen Geiseln berichteten demzufolge außerdem von sexualisierter Gewalt während ihrer Gefangenschaft. Eine Ärztin, die die Freigelassenen behandelt, sagte unabhängig von dem Treffen, dass mindestens 10 der 120 freigelassenen Geiseln sexuell missbraucht worden seien.

Ein Vertreter des Gesundheitsministeriums sagte zudem, dass die Geiseln vor ihrer Freilassung von der Hamas Beruhigungspillen verabreicht bekommen hätten. Es wird davon ausgegangen, dass dies den Zweck hatte, die Menschen nach ihrer mehr als 50-tägigen Geiselhaft ruhig und glücklich erscheinen zu lassen.

Währenddessen rückte das israelische Militär am Mittwoch weiter Richtung Chan Junis im Süden des Gazastreifens vor und liefert sich dort schwere Gefechte mit Hamas-Kämpfern. Die Gegend um die Großstadt werde von israelischen Einheiten umzingelt, sagte Israels Generalstabschef Herzi Halevi. Tausende Be­woh­ne­r*in­nen flohen vor dem Beschuss der Stadt und den Kämpfen, die zu den intensivsten seit Kriegsbeginn zählten. Die Armee hatte sie zur Flucht in westliche Viertel der Stadt sowie nach Rafah an der Grenze zu Ägypten aufgefordert. Medienberichten zufolge lebten Zehntausende Menschen in Zelten in den Straßen der Stadt Chan Junis, es fehle an Nahrungsmitteln, Wasser und Unterkünften.

In diese Lage platzte am Mittwochnachmittag die Nachricht, dass Israel 1.700 neue Wohneinheiten in einer Siedlung in Ostjerusalem genehmigt hat. Dies berichtete die israelische Organisation Peace Now und kommentierte: „Die israelische Regierung unterminiert damit weiterhin jegliche realisierbare Zweistaatenlösung.“

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