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Aktivismus in BerlinNicht alles über den Haufen werfen

Putins Angriff zwingt uns, einige linke Positionen zu überdenken. NATO, Militarismus und Nationalstaaten muss man dabei trotzdem nicht toll finden.

Die Ursache für die Konflikte in der Welt liegt sicherlich nicht in einem Mangel an Waffen Foto: dpa

E s scheint, als würde die berechnende Grausamkeit, mit der Putin seinen Angriffskrieg auf die Menschen in der Ukraine vorantreibt, viele linke Grundsätze in Frage stellen. Pazifismus erscheint dieser Tage als naive – wenn nicht sogar gefährliche – Traumvorstellung. Stattdessen wird das Verteidigungsbündnis NATO, lange selbst kritisiert für atomares Wettrüsten und interventionistische Angriffskriege, nun zur Notwendigkeit, um unsere westliche Freiheit gegen autoritäre Aggressoren zu verteidigen.

Auch wenn Putins Krieg zweifellos ein Umdenken erfordert, sollten wir uns davor hüten, in den Chor jener einzustimmen, die wieder anfangen, die Welt in gute und böse Staaten einzuteilen und in beispielloser militärischer Aufrüstung ein Mittel zum Frieden zu sehen. Stattdessen gilt es, linke Antworten auf den Krieg zu suchen, praktische Solidarität für die Menschen in der Ukraine und der Opposition in Russland zu leisten und dabei nicht die gesellschaftlichen Kämpfe im eigenen Land aus dem Auge zu verlieren.

So ist Polizeigewalt nicht nur ein Problem in Russland, wo Oppositionelle mittlerweile für das Hochhalten eines leeren Blattes verhaftet werden, sondern auch in Europa, wenn auch in weniger extremer Form. Anlässlich des internationalen Tages gegen Polizeigewalt veranstaltet die Initiative Wrangelkiez United eine Kundgebung im Görlitzer Park. Der Ort wurde gewählt, weil BIPOC-Personen auf der Kreuzberger Grünfläche besonders oft von Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt betroffen sind, weil sie allein aufgrund ihrer Hautfarbe verdächtigt werden, mit Drogen zu handeln (Dienstag, 15. März, Görlitzer Park vor Haus 3, 16–18 Uhr).

Die Polizei ist auch maßgeblich an der Durchsetzung Europas menschenfeindlichen und bisweilen tödlichen Migrationsregimes beteiligt. Auch wenn sich Europa erfreulich offen gegenüber fliehenden Ukrai­ne­r*in­nen zeigt, sterben immer noch Menschen an Europas Außengrenzen, die aus anderen Regionen fliehen. Aber auch BIPOC-Personen, die aus der Ukraine fliehen, wird oft die Flucht erschwert und sie haben schlechtere Chancen auf politisches Asyl. Eine gerechte Gleichbehandlung fordert die Demo „No Wars on Refugees“ (Samstag, 19. März, Europäische Kommission, Unter den Linden 63-67, 14:30 Uhr).

Für einen solidarischen Normalzustand

Einen kritischen Blick auf das Freiheitsverständnis einiger NATO-Partner wirft die Demonstration zum internationalen Tag der politischen Gefangenen am Freitag. So sind in der Türkei zahlreiche Kur­d*in­nen inhaftiert, weil Putins Bruder im Geiste Erdoğan in ihrem Bestreben nach Unabhängigkeit eine Gefahr für seine völkisch-nationalistischen Großmachtambitionen sieht. Doch selbst in Deutschland gibt es immer wieder politisch motivierte Verfahren und Inhaftierungen von linken Ak­ti­vis­t*in­nen (Freitag, 18. März, Rathaus Neukölln, 18 Uhr).

Würde dem Leben von Menschen in anderen Teilen der Welt eine etwas höhere Bedeutung beigemessen, so wäre es vielleicht gar nicht zum Angriff auf die Ukraine gekommen. 2015 griff Putin in den Krieg in Syrien ein, um den Diktator Bashar al-Assad zu stützen. Russland bombte Assad an die Macht zurück – ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Die westliche Wertegemeinschaft ließ Putin und Assad damals alles durchgehen: Angriffe auf Krankenhäuser, Bombardierungen von Wohnvierteln und sogar Giftgas. Harte Sanktionen wären schon damals das Mindeste gewesen. Passiert ist aber nichts. Am Samstag gibt es eine Demo anlässlich des elften Jahrestages der syrischen Revolution (Samstag, 19. März, Neptunbrunnen, 13 Uhr).

Nicht aus dem Auge verloren werden sollte auch die Coronapandemie. Offensichtlich will sich das Virus nicht an das angekündigte Ende halten. Die Fallzahlen sind so hoch wie nie zuvor, trotzdem sollen viele Maßnahmen aufgehoben werden. Von der vielbeschworenen gesellschaftlichen Solidarität ist wenig übrig. Stattdessen hat sich die neoliberale Krise im Gesundheitssystem verschärft, vulnerable Gruppen werden weitgehend sich selbst überlassen. Für einen solidarischeren Normalzustand gibt es deswegen am Sonntag eine Demo unter dem Motto: „Freiheit geht nur solidarisch! Gesundheit ist Klassenfrage! Die Normalität ist die Krise! Gemeinsam gegen neoliberale Krisenverwaltung.“ (Sonntag, 20. März, Mehringplatz, 14 Uhr).

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