Agrarforscher über die Ernteausfälle: „Wir brauchen einen Systemumbau“
Die Bundesregierung hat den Bauern Millionen-Nothilfe zugesagt. Agrarforscher Christoph Gornott fordert ein resilientes Landwirtschaftssystem.
taz: Herr Gornott, was können Landwirte tun, um sich auf klimabedingte Ernteausfälle einzustellen?
Christoph Gornott: Der Klimawandel hat Auswirkungen auf unser Landwirtschaftssystem und macht besonders einseitige Fruchtfolgen anfällig. Die einfachste Anpassungsstrategie wäre ein System, das auf diverse Fruchtfolgen setzt.
Was sind die größten Herausforderungen, die durch den Klimawandel für die deutsche Landwirtschaft entstehen?
Man kann sehen, dass mit steigenden Globaltemperaturen auch in Deutschland die Verdunstung von Bodenwasser zunimmt. Entsprechend ist bei gleicher Niederschlagsmenge weniger Wasser für die Pflanze da, das ist also auf jeden Fall problematisch. Auch Niederschlagsmuster verändern sich, also die Verteilung in Raum und Zeit. Generell zeichnet es sich ab, dass der Norden von Deutschland tendenziell nasser und der Süden eher trockener sein wird.
Wie würde eine zeitgemäße Landwirtschaftsstrategie im Kontext des Klimawandels aussehen?
Wir brauchen einen Umbau des Systems, damit die Landwirte Instrumente an die Hand bekommen, mit Klimarisiken umzugehen. Bodenmanagement, Bearbeitungspraktiken, und Risikotransferlösungen wie z.B. Versicherungen für die Landwirtschaft. Wenn Verluste immer häufiger werden, ist dann immer die Bundesregierung gefragt? Oder ist das auch ein unternehmerisches Risiko, wo der Landwirt sich absichern sollte? In Deutschland gibt es bisher aber anders als in den USA kein wirklich ernst zu nehmendes Versicherungsprodukt, was Landwirte gegen Trockenheit absichert.
Ist die diesjährige Dürre in Deutschland eine direkte Folge des Klimawandels?
Über die Lage in Deutschland können wir sagen: Die langen Trockenphasen und auch starke Niederschläge haben in der Vergangenheit zugenommen. Das ist definitiv ein Trend, der sich aus langjährigen Datenreihen belegen lässt. Und das ist das, was wir als Klimawandel bezeichnen: Die Temperaturen erhöhen sich, und dadurch nimmt die Gefahr von Wetterextremen auch in Zukunft deutlich zu. Das gilt für längere Trockenperioden, aber umgekehrt auch für Starkregen – weil wärmere Luft mehr Wasser aufnimmt, das dann auf einen Schlag runterkommen kann.
ist Agrarwissenschaftler und forscht am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zu klimabedingten Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Gornott ist ehemaliger Landwirt und hat an verschiedenen Milchviehbetrieben in Norddeutschland im Bereich Futterbau gearbeitet.
Wie dramatisch ist die Situation für Landwirte in Deutschland? Ist die Lage extremer, als im vergangenen Jahr, als z.B. die Apfelernte schlecht ausgefallen ist?
Die Landwirte sind sehr unterschiedlich betroffen. Manchen Regionen hat die Dürre weniger zugesetzt, Rheinland-Pfalz zum Beispiel. Dafür hat der Osten Deutschlands stark gelitten. Natürlich hängt das auch mit den verschiedenen Anbaukulturen zusammen. Beim Wein wird dieses Jahr eine hohe Ernte erwartet, starke Einbußen diskutieren wir vornehmlich für Getreide. Da liegen noch keine finalen Daten vor, aber gerade bei Mais könnten wir heftige Verluste, teilweise über 70 Prozent, erwarten. Das liegt daran, dass Mais erst Anfang Mai gepflanzt und Ende September geerntet wird. Das fiel in diesem Jahr bislang komplett in die Trockenphase, und die Pflanzen haben mancherorts im schlimmsten Fall gar kein Wasser abbekommen. Bei Weizen hingegen sind „nur“ 20 bis 40 Prozent Ertragsverluste zu erwarten.
Müssen wir künftig weiter mit so starken Verlusten aufgrund extremer Wetterereignisse rechnen?
Es lässt sich keine Prognose für die nächsten Jahre ableiten, aber man kann sehen, dass bestimmte Regionen jetzt schon häufig von Wasserknappheit betroffen sind. Dazu zählt der Osten Deutschlands, wo in Brandenburg eine Kombination aus Trockenheit und sandigen Böden, die kaum Wasser speichern, langfristig ein Problem haben werden. Hier trifft der Klimawandel auf Bedingungen, die sowieso nicht einfach sind, und beides zusammen ist dann ein Problem.
Sie forschen auch in Ostafrika zu Landwirtschaftsstrategien. Lohnt sich der Blick in andere Regionen, die möglicherweise bereits bessere Lösungen für trockeneres Klima haben?
Das deutsche Landwirtschaftssystem ist nur bedingt mit Ostafrika vergleichbar. Die Kleinbauern dort haben so gut wie keine finanziellen Ressourcen für risikominimierende Strategien. Was wir uns aber angucken können ist: Welche Lösungen funktionieren in Ostafrika mit deutlich weniger finanziellen Ressourcen? Das sind zum Beispiel wassersparende Bodenbearbeitungsmethoden, von denen auch die deutsche Landwirtschaft lernen könnte. Außerdem sollten wir uns fragen, welche Pflanzensorten mit wärmeren Temperaturen und schwankenden Wetterlagen zurechtkommen.
Was heißt das für die Politik? Wer müsste für die Kosten aufkommen, die durch die Dürre entstanden sind?
Dazu muss man sich das wetterbedingte landwirtschaftliche Risiko angucken. Beim reinen Wetterrisiko können Liquiditätskredite helfen, über einzelne Dürrephasen hinwegzukommen – aber das ist keine langfristiges Lösung. Langfristig sollte die Landwirtschaft als Wirtschaftszweig mit dem wetterbedingten Risiko umgehen können. Dafür müssen aber auch Risikomanagementlösungen, wie Versicherungen, angeboten werden.
Und beim klimabedingten Risiko?
Da sieht die Sache anders aus. Die Landwirtschaft trägt hier mit ihren Emissionen etwa 7 Prozent zu den deutschen Emissionen bei. Sie ist also keineswegs allein für das Problem verantwortlich, da muss die Staatengemeinschaft in die Verantwortung gezogen werden. Diese könnte mehr tun – solange die Staatengemeinschaft nicht mehr gegen den Ausstoß von Treibhausgasen tut, steht international auch die Forderung im Raum, dass sie mit Kompensationszahlungen für die Verluste aufkommen soll.
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