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AfD-„Wahlbeobachter“ in RusslandAuf Kuschelkurs mit dem Kreml

AfD-Abgeordnete sind als Pseudo-Wahlbeobachter zu Putins „Präsidentschaftswahlen“ gereist. Wie bestellt redeten sie im Staatsfernsehen die Wahl schön.

Der Lieblingsdiktator der AfD: Wladimir Putin Foto: Thomas Banneyer/dpa

Berlin taz | Bereitwillig spielten sie die ihnen zugedachte Rolle in Putins Propaganda-TV. Vier AfD-Abgeordnete, die als Wahl­be­ob­ach­te­r*in­nen nach Russland gereist waren, hatten nach Abschluss ihrer Mission ihren großen Auftritt im russischen Staatsfernsehen bei „RT DE“. Der ehemals als „Russia Today“ bekannte Sender hat seine Lizenz EU-weit 2022 verloren, weil er russische Propaganda ausstrahlt. Elena Roon, Andreas Jurca und Ulrich Singer aus dem bayerischen Landtag sowie Olga Petersen aus der Hamburger Bürgerschaft störte das nicht weiter: Sie lobten die vermeintlich „freien“ Präsidentschaftswahlen.

Die vier deutschen Rechts­aus­le­ge­r*in­nen waren nach Russland gereist, um als vermeintliche Wahl­be­ob­ach­te­r*in­nen der russischen Wahlfarce beizuwohnen. Nach eigenen Angaben besuchten sie in Wladiwostok insgesamt 20 Wahllokale. Während offizielle Wahlbeobachter der OSZE nicht einreisen durften, ist es schon länger Praxis in Russland, Ver­tre­te­r*in­nen extrem rechter europäischer Parteien einzuladen, um den Pseudowahlen Legitimation zu verleihen. Auch bei früheren Wahlen waren AfD-Politiker*innen präsent.

Nochmal heikler ist eine solche AfD-Mission allerdings angesichts des seit zwei Jahren tobenden Angriffskriegs gegen die Ukraine mit systematischen Kriegsverbrechen, Massakern, Vergewaltigungen und Kindesentführungen durch die russische Armee. Für ihre Reise nach Wladiwostok wurde die AfD-Gruppe sowohl aus dem Bundesvorstand ihrer Partei als auch aus der bayerischen Landtagsfraktion kritisiert. Der Bundesvorstand forderte sie vorab gar in einer Mail auf, die Reise nicht anzutreten.

Das hat das Quartett jedoch nicht davon abbringen lassen. Ulrich Singer sagte nach der „Wahl“ bei RT DE“, er und die anderen Abgeordneten seien als „Experten für Demokratie“ eingeladen worden. Man sei nicht im Auftrag der Partei oder Fraktion gekommen, sondern im Rahmen des „freien Mandates“. Singer nannte die Wahlen „transparent“ und „geheim“. Auch Olga Petersen aus der Hamburger Bürgerschaft behauptete: „Die Wahlen waren offen, demokratisch und frei.“ Sie sei überrascht gewesen über die „transparenten Wahlurnen“, es sei eine „Respektlosigkeit gegenüber dem russischen Volk“, die Wahl nicht anzuerkennen. Es ist nicht das erste Mal, dass Petersen sich an russischer Desinformation beteiligt.

AfD-Abgeordnete kommt ins Schwärmen

Elena Roon aus Bayern sprach davon, dass man gemäß der AfD-Parteilinie für friedliche und gute Beziehungen zu Russland eintrete. Sie kam im TV-Studio regelrecht ins Schwärmen über die gute Stimmung in der russischen Wäh­le­r*in­nen­schaft und bei Feierlichkeiten rund um die Wahllokale: Es habe Konzerte, Essen und Trinken gegeben. Dazu sagte der Professor für internationale Beziehungen Gerhard Mangott der ARD: Es gehe darum, „überhaupt Menschen zu mobilisieren, zu Wahlen zu gehen, von denen viele nicht glauben, dass sie frei und fair sind“.

Tatsächlich deuten viele Indizien auf eine großangelegte Manipulation der Wahl. Das fängt bei der Nichtzulassung von echten Ge­gen­kan­di­da­t*in­nen an, zeigt sich aber auch in den Ergebnissen: Das unabhängige russisch-deutsche Portal Dekoder, das hauptsächlich von nicht staatsabhängigen Jour­na­lis­t*in­nen und international tätigen Wis­sen­schaft­le­r*in­nen betrieben wird, hat auch bei der Wahl 2024 erneut deutliche Hinweise auf „Wahlfälschung auf Rekordniveau“ festgestellt.

So sei bei demokratischen Wahlen zu erwarten, dass in Wahllokalen mit niedriger und solchen mit hoher Wahlbeteiligung trotzdem ähnliche Stimmanteile auf die verschiedenen Kandidaten entfalle. In Russland sei das anders: Putin hätte überproportional viele Stimmen dort erzielt, wo die Wahlbeteiligung offiziell besonders hoch gewesen sei, zum Beispiel in der von Ramsan Kadyrow regierten Teilrepublik von Tschetschenien.

Gratulationen zum Wahlsieg Putins waren wohl auch deswegen selbst in AfD eine Ausnahme. Parteichef Tino Chrupalla kritisierte zwar, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Putin nicht gratuliert hatte, wollte selbst allerdings auch nicht gratulieren. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Bundestag, Bernd Baumann, hatte am Dienstag bei einem Pressegespräch gesagt, dass die Wahl „keine Wahl nach demokratischen Maßstäben“ gewesen sei – das Land sei „keine Demokratie nach westlichen Maßstäben“.

Ganz anders äußerte sich jedoch der völkische Hardliner Hans-Thomas Tillschneider. Der Vize-Parteichef und Landtagsabgeordnete in Sachsen-Anhalt buckelte bereits direkt nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse gen Putin: „Herzlichen Glückwunsch an ihn und an das russische Volk. Ich wäre froh, wenn unsere Regierung unser Interesse so wahren würde wie Putin das Interesse des russischen Volkes.“

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35 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Wie billig der Iwan sich eine Partei kaufen konnte, die früher mal den Stahlhelm gen Osten trug und wohl noch von Stiefeln in Königsberg träumte.



    Jetzt reicht Ausländer-schlimm, Fortschritt-böse plus Putin-gut als Parteiprogramm.



    Man sollte bei den ADis den Verbotsantrag wohl zügig einreichen und prüfen.

  • Neonazis, die ständig Lügen und Faknews rausplärren reden die verlogene Fakewahl eines Neonazis schön. Hat irgendjemand etwas anderes erwartet?

    Vielleicht durften die ja auch noch höchstselbst ein paar hundert "Wahl"zettel ausfüllen und in die Urnen werfen und waren deshalb so begeistert, vielleicht lag es auch daran, dass ausgewählten Personen sogar in den "Wahl"kabinen Personenschutz gestellt wurde, damit diese den Wisch "korrekt" ausfüllen.

    Insgesamt wird das aber wohl eher eine Fortbildung für sie gewesen sein, wie eine "Wahl" unter ihrer Führerschaft ablaufen muss, falls sie irgendwann mal die Möglichkeit bekommen sollten, die Macht zu ergreifen.

    • @Truhe:

      Och, ich würde in Bezug auf Neonazis nicht überinterpretieren.

      DIe Leute in den Wahlbüros blicken ja eher auf sozialistische Erfahrungen mit Wahlen und Wahlergebnissen zurück.

      Putin und sein Fanclub haben ihr Handwerk nicht unter den Nazis gelernt.

      • @rero:

        Die Gemeinsamkeit ist der autoritäre-untertänige Charakter.

        Die AfDler träumen von einem Staat wie in Russland, in dem einen das Regime im Gegenzug für absoluten Gehorsam erlaubt, seine niederen Instinkte so richtig auszuleben. Wo LGBT, Ukrainer, Ausländer, jede Minderheit zum feind gemacht und nach Herzenslust entmenschlicht, gedemütigt und gequält werden kann.

        Der Kern jedes autoritären Regimes ist der Appell an das Böse im Menschen.

        Und man sieht doch, mit welcher fast schon sexuellen Erregung Menschen wie die Simonyan und die Sacharowa russische Verbrechen zelebrieren. Die erregt das.

        Und das wollen AfDler auch.

      • @rero:

        Das nicht, aber die konkrete Politik der Putinregierung ist mindestens so rechts wie die der AfD.

        Auch wenn es viele Linke nicht wahrhaben wollen. Putin ist ein Rechter, der auch offen dazu steht.

        • @Chris McZott:

          Ich würde ihn sogar Faschist nennen.

          Nach Ecco ist Faschismus keine Frage der Ideologie, sondern der Wahl der Mittel.

          Ecco meinte, die italienischen Faschisten hatten überhaupt keine Ideologie. Die mussten sie aus Deutschland importieren.

          Putin hat da mehr zu bieten als die Italiener damals.

  • Ich verstehe Ihre Frage nicht. Worauf wollen Sie denn hinaus?

    • @Minion68:

      ... da habe ich mich wohl verklickt. Das war als Frage an Werner2 gedacht.

  • Kuschelkurs?



    Wie das wohl noch zu Zeiten in der Ära Brandt geheißen haben mag?

    • @Werner2:

      Brandts Entspannungspolitik konnte nur vor dem Hintergrund des Gleichgewichts des Schreckens, nur WEGEN der mutually assured destruction, gedeihen.

      Nur WEIL die UdSSR wusste, dass ein Krieg sie vernichtet hätte. Putin dagegen ist heute mächtiger und unkontrollierter als jeder Machthaber der UdSSR seit Stalin es war. Und er ist auch kein Kommunist, sondern ein psychopathischer, zynischer Nihilist.

      Wie sagte die bösartige, zutiefst verkommene Margarita Simonyan zum Thema Atomkrieg mit dem Westen?

      "Wir kommen in den Himmel, sie werden einfach nur abkratzen."

      Erläutern Sie mal bitte, wie man mit solchen Leuten reden kann?

    • @Werner2:

      Gegenfrage: Wie viele Länder in Europa außerhalb ihres "Blocks" hatte die UdSSR denn überfallen?

      • @Kaboom:

        "Außerhalb ihres Blocks" ist natürlich schon eine nicht ganz unwesentliche Einschränkung der Frage. Auch Putin hält sich weitgehend an die Grenzen "seines" Blocks. Wie die UdSSR beansprucht auch er nur gleichzeitig die Definitionshoheit, welche nicht-russischen Territorien dieser "Block" umfasst.

    • @Werner2:

      Ich verstehe Ihre Frage nicht. Worauf wollen Sie denn hinaus?

      • @Minion68:

        Die UDSSR gebärdete sich - anders als Putins Russland - in Europa nicht als imperialistischer Staat. Wer diesen prinzipiellen Unterschied nicht versteht, sollte vielleicht einfach mal ein Buch zur Hand nehmen.

      • @Minion68:

        Keine Ahnung, doch ich würde vermuten, dass Werner darauf hinwies, dass Sowjet-Russland die Länder im eigenen Machtblock mit Panzern auf Kurs hielt, aber nicht außerhalb einmarschierte. Es war damals anders als heute weitgehend saturiert.



        Die Wiederinbesitznahme Afghanistans war nach Willy Brandt. Unterstützung in neuen Ländern überschaubar im Vergleich zum massiven Landkrieg gerade im Fahrradweite von uns.

  • Unfassbar! Mir fehlen einfach die Worte dazu...

  • "Singer nannte die Wahlen „transparent“ und „geheim“."



    Und wo er Recht hat, hat er Recht! Jeder weiss genau was da vor sich ging. Transparenter geht nicht.

  • Russland sieht sich schon lange als im Krieg mit Deutschland.

    Wer Russland unterstützt - und das tut jeder, der Putin zum "Wahlsieg" gratuliert usw. - der begibt sich eindeutig in die Nähe des Landesverrates.

    • @Suryo:

      Keineswegs - "Landesverrat" ist ein präzise definierter Strafbestand, der noch lange nicht erfüllt ist, wenn man Sympathien für Putin äußert oder ihm zur "Wiederwahl" gratuliert. Die gegenwärtige Außen- und Bündnispolitik mag man für richtig oder falsch halten, sie hat aber keinen Gesetzesrang; Dissens ist in Deutschland nicht strafbar, egal wie dumm er im Einzelfall sein mag.

      • @O.F.:

        Moralisch ist das natürlich Verrat. Wie nennen Sie denn das, wenn jemand eine fremde Macht, die gegen das eigene Land kämpft, unterstützt?

        • @Suryo:

          "Landesverrat" ist ein juristischer Begriff, kein moralischer. Aber davon abgesehen: in einer Demokratie kann man natürlich auch "verfeindeten" Staaten recht geben und die Position der eigenen Regierung für falsch halten (was ja auch regelmäßig passiert). Das ist kein Verrat, sondern Meinungsfreiheit.

  • Wer sich von Putins Diktatur bezahlen lässt, geschönte Berichte veröffentlicht und den Mord an oppositionellen in Russland verschweigt, der stellt sich außerhalb unseres demokratischen Gemeinwesens.



    Wer AfD wählt unterstützt das!

    • @Tino Winkler:

      Ich glaube nicht, dass Putin diese Leute kaufen muss. Er lässt die zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Stelle führen, und dann klappt das.



      Dass vermutlich Flug und Hotel bezahlt werden, damit diese Leute sich das erste Mal im Leben richtig wichtig fühlen, ist mehr eine Investition in die Zukunft.

    • @Tino Winkler:

      Richtig. Aber dabei nicht aus den Augen verlieren: Andrej Hunko, Spitzenmann in Sahras neuem Club, war 2018 in Moskau und befand die damaligen Wahlen für einwandfrei, wie er auch gerne bei Sputniknews und ähnlichen Medien verkündete.

    • @Tino Winkler:

      Nur weil die SPD Niedersachsen oder Meck-Pom geschönte Berichte veröffentlicht hat, oder Gelder kassiert hat, ist sie noch lange nicht außerhalb unseres demokratischen Gemeinwesens

      • @Ahnungsloser:

        Ihr Vergleich ist weit weg von der Realität und zwar ahnungslos und charakterlos.

        • @Tino Winkler:

          Was genau ist daran falsch? Ohne dass sie sich anmaßen meinen Charakter zu beurteilen.

  • Fürs viele Geld musste die Alternative wohl ein paar Abgeordnete vor Ort abstellen. Dann durfte sich die Parteiführung diesmal dazu ausschweigen

    • @vieldenker:

      Sie wollen doch nicht etwa andeuten, die AfD bekäme Geld aus Russland? Ungeheuerlich....

  • "In der von Ramsan Kadyrow regierten Teilrepublik von Tschetschenien hätten demgegenüber 97 Prozent der Wäh­le­r*in­nen abgestimmt – mit 99 Prozent der Stimmen für Putin."

    Ist ja wie früher.

    • @rero:

      Nee, das ist viel schlechter als früher. Die hatten schon mal - kein Witz - mit 107 % der Stimmen Putin gewählt :-)

      • @Kaboom:

        Echt? :-D

        Danke für die Aufklärung.

    • @rero:

      Xi wird Putin sicher zur Vorsicht ermahnen - das sind beunruhigend schlechte Zahlen für Putin im Vergleich zu seinen.

  • Kollaborateure 🤮

  • das waren keine Wahlbeobachter, Wahlbeobachter waren nicht zugelassen.



    Das sind kleine Lehrlinge, die schauen durften wie eine Wahl funktioniert wenn man erstmal die Macht in den Händen hat.