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AfD-Parteitag in RiesaVölkische auf dem Vormarsch

Die Reste des vermeintlich gemäßigten Meuthen-Lagers schwächeln. Und ein lebhafter Höcke baut seinen Einfluss aus.

Björn Höcke und Tino Chrupalla Foto: Sebastian Kahnert/picture alliance/dpa

Riesa taz | So früh hat der Rechtsextremist Björn Höcke wohl noch nie bei einem Bundesparteitag der AfD eingegriffen wie am Freitag in Riesa. Gleich zu Beginn war deutlich zu spüren, dass der Kopf der völkischen Parteiströmung daran arbeitet, seinen Einfluss auszubauen.

Einen einfachen Antrag zur Tagesordnung nutzte der Thüringen-Chef gleich, um eine halbe Grundsatzrede zu halten – dabei sollte es nur darum gehen, ob zunächst Sachanträge debattiert werden oder gewählt wird. Das klang schon fast wie eine Bewerbungsrede: „Erst das Land, dann die Partei, dann die Personen.“ Dazu gab es Medien- und „Altparteien“-Bashing. Da war das erste Mal richtig Stimmung im Saal. Der offiziell aufgelöste Flügel ist auf dem Parteitag stark vertreten, soviel war klar.

Weniger schwungvoll trat AfD-Parteichef Tino Chrupalla auf. In seiner Eröffnungsrede versuchte er zu integrieren. „Wir wollen die destruktive Stimmung der Vergangenheit hinter uns lassen“, sagte er. Es müsse ein Vorstand gewählt werden, der kollektiv und vertrauensvoll zusammen arbeite, so Chrupalla. Um die „Herausforderungen im Osten genau so wie im Westen“ zu bewältigen, brauche es Disziplin. Eine inhaltliche Idee, wie er den AfD-Abwärtsstrudel aus Mitgliederschwund, Wahlniederlagen und Streitigkeiten aufhalten will, nannte er wie gewohnt nicht. Chrupalla bekam denn auch freundlichen, aber nicht gerade überschwänglichen Applaus.

Seit Freitagvormittag tagt die extrem rechte AfD in einer riesigen Mehrzweckhalle in der als NPD-Hochburg bekannten sächsischen Kleinstadt Riesa, knapp 600 Delegierte waren zugelassen. Chrupalla will wiedergewählt werden und im Vorstand einen erneuten Rechtsruck herbeiführen. Sollten er und sein Team durchkommen, hätte die völkische Strömung die Mehrheit im wichtigsten Parteigremium. Die alte Mehrheit der vermeintlich Gemäßigten des ausgetretenen Jörg Meuthen wäre dahin.

Revolte gegen Chrupalla gescheitert

Der erneute Rechtsruck schien bereits vor Beginn des Parteitags greifbar: Die große Revolte gegen Chrupalla war bereits abgeblasen – die Meuthen-Vertraute aus dem alten Vorstand Joana Cotar, die Chrupalla nach den kürzlichen Wahlniederlagen heftig kritisiert und seinen Rücktritt gefordert hatte, sagte der taz bereits vor Parteitagsbeginn, dass sie nicht wieder antreten werde. Sie rechne damit, dass die Liste von Chrupalla in großen Teilen durchgewählt werde. Cotar sagte: „Ich werde mich jetzt auf die Digitalpolitik konzentrieren, das macht ohnehin mehr Spaß als Vorstandsarbeit.“ Sie hätte auch mit einer weißen Fahne in den Saal kommen können.

Der Weg für das Führerprinzip ist jedenfalls schon mal bereitet: Als erste wichtige Entscheidung stimmte der Parteitag am Freitagnachmittag mit einer Zweidrittelmehrheit für einen Antrag der Völkischen, dass künftig auch eine Einzelspitze statt der bisherigen konfliktträchtigen Doppelspitze möglich sein soll. Zuvor hatte sich Höcke dafür ausgesprochen, der Antrag stammte unter anderem von ihm.

Durchgesetzt hat sich der Ex-Flügel vielfach auch bei der Wahl von Mitgliedern des Bundesschiedsgerichts. Gereon Bollmann aus Schleswig-Holstein etwa wurde mit 76 Prozent gewählt. Das Landesschiedsgericht hatte einst unter seinem Vorsitz die Entscheidung des Bundesvorstands zum Rauswurf von Doris Sayn-Wittgenstein wegen rechtsextremer Kontakte verworfen.

Gewählt wurde auch Roland Ulbrich aus Sachsen. Der kritisierte bei seiner Vorstellung die „systemkonformen Tendenzen“ in der AfD und versprach, mit ihm würde es „keine PAV-Orgien“ mehr geben. PAV ist die Abkürzung für Parteiausschlussverfahren. Als Beispiel führte Ulbrich ein Verfahren wegen „Teilnahme an einem Ferienlager vor der AfD-Gründung“ an.

Gemeint ist damit wohl der Brandenburger Rechtsextremist und ehemalige AfD-Landeschef Andreas Kalbitz, der aus der Partei wegen Mitgliedschaft in der neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) ausgeschlossen wurde, Kalbitz hatte diese beim Eintritt in die AfD nicht angegeben. Die HDJ führte vor ihrem Verbot regelmäßig Zeltlager durch, es gibt Bilder von Kalbitz, die ihn bei einem von diesem zeigen.

Für Kalbitz selbst gab es auf dem Parteitag hingegen eine Niederlage. Ein Antrag, der sein Auftrittsverbot bei AfD-Veranstaltungen kippen sollte, wurde von der Tagesordnung gestimmt – und deshalb nicht behandelt. Gestellt hatte ihn die Brandenburger Landeschefin Birgit Bessin, eine Kalbitz-Vertraute.

Beatrix von Storch vor dem Ende?

Leicht resigniert wirkte Nicolaus Fest, der als Sprecher und Gegengewicht zu den Völkischen für einen ausgeglicheneren Vorstand antreten wollte. Allerdings hängt dem ehemaligen Bild-Journalisten nicht nur nach, dass er den da gerade verstorbenen EU-Präsidenten Sassioli als „Drecksschwein“ bezeichnete, sondern auch, dass er beim Parteitag nicht einmal abstimmen darf. Die 24 Berliner Delegierten des Parteitages wurden ausgeschlossen, weil es laut Urteil des Bundesschiedsgerichtes bei der Delegiertenwahl eine Wahlmanipulation gegeben hat. Fest musste deswegen im Gästebereich ganz hinten in der Halle sitzen. Kandidieren darf er trotzdem.

Verheerend könnte die Affäre auch für das alte Vorstandsmitglied Beatrix von Storch werden. Sie ließ bis zuletzt offen, ob sie wieder für den Vorstand kandidieren werde. Ihre politische Karriere in der Parteispitze der AfD könnte vor dem Ende stehen. Ebenfalls nicht zugelassen zum Parteitag waren die Delegierten aus dem Saarland. Die eigentlich für Freitagnachmittag geplante Vorstandswahl verzögerte sich unterdessen immer weiter.

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17 Kommentare

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  • Meuthen hat es lange verstanden, das wahre Gesicht der Partei zu verschleiern. Jetzt kommt die Fratze zum Vorschein, die es einer wehrhaften Demokratie leichter macht, die Partei als Feind zu begreifen.

  • Habe ich es richtig verstanden, dass nach den jahrelangen blutigen Schlachten zwischen der mächtigen AfD und ihrem Flügel nun die AfD aufgelöst wurde? Und dass der nonchalant in AfD umbenannte Flügel nun das Führerprinzip einführen will? Ich wünsche ihr von Herzen schnelle Vernichtung durch den Verfassungsschutz.

  • „Erst das Land, dann die Partei, dann die Personen.“

    Heißt das nicht "Ein Land, ein Volk, ein Führer"?

    ...aber was weiß ich...bin ja nur Aussengeländer...

  • Was für ein Land!



    Der Faschist Höcke darf nun öffentlich weiter die Leute belabern.



    Wann tritt er in Uniform auf?

  • Zum Glück wurde die AfD zu einem großen Teil nur von Zweiflern, nicht von überzeugten Nazis gewählt und die Kraftmeiereien eines Höcke eher überbewertet. Wenn die Protestwähler jedoch von perfider arbeitenden Querdenkern eingefangen werden, dann bekommen wir ein echtes Problem. Das Problem AfD als etwas kleineres Übel als die Altparteien in einer weitgehend entsolidarisierenden Parteienlandschaft kann nur durch überzeugende Demokraten, die nicht rumschwurbeln und schönfärbende Wahlkämpfe führen, um dann wieder abzutauchen, an der Wurzel gepackt werden. Wer gibt denn den vielen im Produktionsprozess abgehängten, für blöd erklärten Menschen eine Stimme, wenn z-B- die Gewerkschaften sie nicht mehr erreichen ? Die Kirchen sind leer....

    • @Dietmar Rauter:

      Nazi ist, wer Nazis wählt! Ob nun überzeugte Nazis oder Zweifler einer Nazi-Partei an die Macht befördern ist letztlich unerheblich - das Resultat ist das gleiche.

  • "Völkische auf dem Vormarsch" - finde ich gut!



    Garantiert es doch, dass bald alle Wähler weglaufen und die AfD in Nevada der Bedeutungslosigkeit versinkt.

    • @Rudi Hamm:

      "...und die AfD in Nevada der Bedeutungslosigkeit versinkt..."



      Woher kommt der Spruch, der auch ziemlich sinnlos klingt?



      Nevada ist ein sehr schöner US-Bundestaat und mit Sicherheit nicht der bedeutungsloseste. Oder ist für Sie Wüste = Bedeutungslosigkeit? Dann irren Sie gewaltig.

    • @Rudi Hamm:

      Och, nach Inflation kommt in aller Regel Rezession mit Massenarbeitslosigkeit und dann noch ne Prise Fluchtbewegung dazu. Schon gehts wieder raus aus der Bedeutungslosigkeit.

      ("Nevada der Bedeutungslosigkeit" werde ich im übrigen in meinen Sprachgebrauch integrieren)

      • @Christoph Buck:

        Ich wollte nicht Nirwana schreiben um keinen Buddhist auf den Plan zu rufen.

        • @Rudi Hamm:

          Also, von denen haben sie nun wirklich nicht zu befürchten wenn´s echte Buddhisten sind.

        • @Rudi Hamm:

          Herrlich

        • @Rudi Hamm:

          Und keinen Grunge-Fan.

          Dennoch ist es wohl doch eher so, dass die AfD endgültig zu sich selbst findet. Ohne "Gemäßigte".

          Die Wähler werden es wohl goutieren.

  • EU-Präsident ? Der Job is noch nich erfunden. David-Maria SASSOLI war Präsident des Europäischen Parlaments, Vorgänger von Roberta Metsola.

  • Wie kann man nach mehreren Jahren Nazipartei immer noch alle 3 Monate davon schreiben dass die jetzt aber wirklich Nazis werden?



    Lesen Sie auch morgen weiter in unsere Serie "Wasser jetzt noch nasser"

    • @Bouncereset:

      „Nazis“ hatten hierzulande von 1933-45 das Sagen…die AfD ist eine widerliche rechtsextremistische Partei, einige Mitglieder sind sicherlich auch Neo-Nationalsozialist*innen…aber „Nazipartei“ ist dann doch etwas zu viel der zweifelhaften Ehre…

    • @Bouncereset:

      Nur Nazi schreien hilft nicht, der Begriff Nazi ist durch Übergebrauch abgezutscht. Wenn ich als Schwuler mit Migrationshintergrund von einer "Anitifantin" als Nazi bezeichnet werde, als ich diese nach der Herkunft ihrer Einkünft befragte, gleitet der Begriff Nazi ins Lächerliche. Eine ideologische Auseinandersetzung mit der AFD und das Aufzeigen von "Alternativen" ist angebracht. Leider hat es ja die Linke vollkommen versägt.