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Abgestürzter Präsident des IranKeine Trauer um Raisi

Bundestagsabgeordnete sprechen sich gegen Beileid für den verunglückten Präsidenten des Iran aus. Mitleid müsse den politischen Gefangenen gelten.

Raisi war ein brutaler, religiös-politischer Hardliner Foto: WANA/reuters

Berlin taz | Zahlreiche Bundestagsabgeordnete aller demokratischen Parteien haben sich gegen Beileidsbekundungen für den verunglückten iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi ausgesprochen. Sie verwiesen auf die massiven Menschenrechtsverlertzungen, für die Raisi verantwortlich war und die andauernden Hinrichtungen politischer Gefangener im Iran.

Indirekt wandten sich die Par­la­men­ta­rie­r*in­nen damit auch gegen den Kurs der deutschen Bundesregierung, die offiziell kondoliert hatte. Im Kondolenzschreiben des Bundeskanzleramts, welches zwei Tage nach dem Unglück verschickt wurde, heißt es in dürren Worten: „Unser Beileid gilt der Regierung der Islamischen Republik Iran und den Familien der beim Absturz Getöteten.“

In Social-Media-Posts schrieben die Abgeordneten am Dienstagmorgen: „Von uns gibt es kein Beileid für Raisi.“ Die Aufmerksamkeit müsse dem Schicksal der politischen Gefangenen im Iran gelten. „Das Regime darf die öffentliche Ablenkung nicht nutzen, um die Hinrichtungswelle der vergangenen Wochen zu verschärfen.“

Unter den beteiligten Abgeordneten sind etwa die Linken-Politikerin Martina Renner und die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der CDU. Sie alle haben über die Menschenrechtsorganisation HAWAR Patenschaften für im Iran inhaftierte politische Gefangene übernommen, die von der Todesstrafe oder langer Gefangenschaft bedroht sind.

Raisi war am Sonntag mit einem Hubschrauber im Norden des Iran verunglückt. Die genauen Hintergründe sind nicht ganz geklärt. Bislang wird von einem Unfall ausgegangen.

Zu Lebzeiten war Raisi ein politischer Hardliner. Zwar galt sein Einfluss als Präsident als begrenzt, dennoch war er in zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verstrickt und trug Anteil am immer destruktiveren außenpolitischen Kurs des Iran in den letzten Jahren. Die landesweiten Proteste gegen das theokratische Regime und die Unterdrückung der iranischen Frauen ab 2022 ließ die Regierung Raisis mit brutaler Gewalt niederschlagen.

Als stellvertretender Generalstaatsanwalt war Raisi schon in den 1980er Jahren unmittelbar für tausende Todesurteile gegen politische Geg­ne­r*in­nen verantwortlich gewesen.

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26 Kommentare

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  • Schade, nur abgestürzt. Nicht gestürzt durch Volksaufstand.

  • Wir müssen ihn nicht nachträglich lobpreisen und beschmusen. Wahrscheinlich wäre die Welt ein wenig besser gewesen, wenn Raissi statt Polit-Mullah Teppichverkäufer geworden wäre.

    Den Angehörigen und sehr knapp auch dem Staate zu kondolieren gehört sich dennoch.

  • Ein sagenhaftes Foto auf: www.das-parlament....nde-der-illusionen



    Die Inhalte:



    Die Männer verkörpern eine Kopie von Politbüro oder Zentralkomitee, denn das Revolutionäre des Ostblocks teilen sie in dem Aspekt der Abgrenzung zum Westen.



    Der Herrscher Khamenei hat seine rechte Hand ruhend liegen. Eine Geste genügt. Genau einstudierte Herrschaftschoreografie mit zum Spalier aufgerichteten Raketen (Teile der Moderne benutzen).



    Die Demo-Rufe "Tod dem Diktator!" sind ein Zitat aus den 70ern, die dem Schah galten. Heute wieder der absolute Herrscher, vor dem sich alle verneigen.



    Schauen Sie sich die Fotos von Putin in den deutschen Medien an.



    Ja, und die Ökonomie mit diesen beiden Regimen ist das allerletzte, und dem o.g. Artikel in kleinem Ausschnitt angedeutet.



    westliche Sanktionen sind nur symbol. Ausdruck, sich von den "Handlungen" des Partnerregimes "zu distanzieren".

  • Diplomatie ist bekanntermaßen ein feinsinniges Geschäft mit vielen Abstufungen.

    Man kann kondolieren und "mit den Gedanken bei den Hinterbliebenen sein", oder man kann es wie der amerikanische Außenminister machen:

    "Blinken verband sein „offizielles Beileid“ mit „unserer Unterstützung für das iranische Volk und seinen Kampf für Menschenrechte und Grundfreiheiten“

    Frau von der Leyen, immerhin Präsidentin der Europäischen Kommission, hat gar nichts verlautbaren lassen.

    Die ersten, die sich äußersten, waren übrigens die Huthi, die Hamas und die Hisbollah.

  • Nur weil diese Abgeordneten, die KEINE Diplomaten im Dienst des Auswärtigen Amtes sind und auch sonst nicht offiziell international für Deutschland sprechen, die Beileidsbekundung ausdrücklich verweigern, ist das noch keine Kritik daran, dass die Bundesregierung fachgerecht und geschäftsmäßig auf den Tod eines ausländischen Regierungschefs reagiert. Das eine hat mit dem Anderen (hoffentlich) wenig zu tun.

    Was die Reaktion der Abgeordneten als solche betrifft: Es ist ein schmaler Grad zwischen Benimm und zweifellos notwendigem Hinweis auf das Unrecht im Iran, Konflikte an der Person eines frisch Verstorbenen auszutragen. Aber auch beim Thema "Benimm" sind Bundestagsabgeordnete natürlich primär ihrem Gewissen verpflichtet...

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Normalo:

      „Aber auch beim Thema ,Benimm' sind Bundestagsabgeordnete natürlich primär ihrem Gewissen verpflichtet..."



      Nur primär? Und sekundär ist pekuniär?

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Unterstellt, dass BT-Abgeordnete (auch jene Exoten, die keine gelernten Juristen oder Lehrer sind) zu ALLEM eine "gewissenhaft" gebildete Meinung haben, ist das Wort "primär" eigentlich redundant, könnte man sagen. Natürlich ist das menschliche Gewissen an sich ein ziemlich vielschichtiger Beurteilungsmaßstab... ;-)

  • Die deutsch-iranischen Verhältnisse mit einem Foto auf den Punkt gebracht:

    www.merkur.de/poli...al-zr-2740970.html

    Minderjährige Schwule an Baukränen aufhängen, Frauen auspeitschen, vergewaltigen und foltern, jeden Protest brutal unterdrücken, da kann man leider nichts machen.

    Schließlich ist Deutschland der wichtigste Handelspartner des Iran in der EU.

    www.das-parlament....nde-der-illusionen

    • @Jim Hawkins:

      Doch, dagegen kann man was machen. Eine Demokratie mit Menschenrechten im Iran erzwingen.

      Religiöse Fanatiker müssen geputscht werden. Von Queeren, von Feministen, von allen die keinen Bock auf diese Scheiße haben. Zur Not auch von außerhalb des Irans. Ein modernes, israelfreundliches Iran der 60er-Jahre muss wieder entstehen. Ein Iran, welches den Muslimen im ersten Konflikt mit Israel im Sechs-Tage-Krieg zuerst auf die Finger klopfte, im Sinne: "Geschieht euch recht, Juden lebten auch seit Jahrhunderten auf diesem Gebiet!"

      Mit Rassismus oder Anti-Islamismus wird man es nicht schaffen. Weil dann fehlt einem der Blick, dass Menschen aus dem Islam nunmal Menschen sind, die autoritäre Systeme nicht unterstützen wollen. Und es würde Rechtsextremen recht geben, die immer von sich behaupteten, der Islam sei der kulturelle Weltuntergang.

    • @Jim Hawkins:

      Vor allem ist Iran ein einflussreiche und militärisch potente Macht, die Deutschland nicht unnötig reizen sollte...

  • Vor dem Tod sind am Ende alle gleich - ob brutaler Massenschlächter oder barmherziger Heiliger. Daher wußten schon die Römer, daß es eine Frage des Anstands ist, über Tote nur Gutes zu sagen oder zu schweigen.



    Vielleicht sollte man die betreffenden Bundestagsabgeordneten einmal an den ersten Artikel unseres Grundgesetzes erinnern - weil schon der Respekt vor der Würde des (verstorbenen) Menschen ein solches Kondolenzschreiben im diplomatischen Verkehr gebietet.

  • Dass eine Regierung ein Kondolenzschreiben überreicht ist diplomatische Gepflogenheit.



    Abgeordnete sind frei in ihrer Meinungsäußerung, deswegen ist auch dies okay.



    Übrigens die Klöckner ist nicht CSU-Mitglied, sondern immer noch in der CDU.

  • Es gibt da so nen Spruch. Über die Toten nur Gutes. Scheint aus der tiefen Vergangenheit zu stammen.



    Dass man Hinterbliebenen kondoliert ist keine Frage politischer Einstellung, sondern schlicht grundlegender Anstand. Aber auch diese Ansicht ist offenbar zutiefst Vergangenheit.

    • @Encantado:

      "nichts als Gutes" kann eben auch NICHTS heissen.



      Wäre im Fall dieses Verbrechers auch angemessen gewesen.



      Der Tod hat noch keinen Menschenschlächter zu einem guten Menschen gemacht.

      • @Carsten S.:

        ""nichts als Gutes" kann eben auch NICHTS heissen.



        Wäre im Fall dieses Verbrechers auch angemessen gewesen."



        Sie argumentieren unsauber, indem Sie einerseits behaupten, 'nichts' wäre nichts schlechtes, und gleichzeitig dem Verbrecher posthum nichts gönnen, weil er ein Verbrecher war.



        "Der Tod hat noch keinen Menschenschlächter zu einem guten Menschen gemacht."



        Ein Nichtkondolieren hat noch keinen Menschenschlächter zu einem guten Menschen gemacht.

        Ganz davon ab, dass das Kondolieren für die Hinterbliebenen ist, die im Zweifelsfall nicht für die Taten des Verstorbenen verantwortlich sind.



        Aber da wären wir auch bereits wieder beim Thema Anstand.

      • @Carsten S.:

        Ich wüsste nicht, an welcher Stelle die schmallippige Kondolenznote der Regierung etwas Gutes über Raisi kommuniziert: Er ist tot (und mit ihm fünfzehn Andere), und darüber sind andere, lebende Menschen traurig; denen wird Beileid ausgesprochen. Dass sie einen "guten" Menschen verloren haben oder irgendwer im Kanzleramt dem Mann eine Träne nachweint, steht nirgends.

        Weniger "Gutes" geht nicht, und überhaupt nicht zu kondolieren, wäre im diplomatischen Sinne ein "unfreundlicher Akt" gewesen. einen solchen mag der Iran grundsätzlich verdienen, aber den Tod seines Regierungschefs als Anlass dafür zu nehmen, wäre schlicht schäbig.

    • @Encantado:

      Niemand erwartet von o.g. Politikern irgendwelche Beileidsbekundungen, und fuer Raisi schon mal garnicht, der hoert sie nicht mehr.

      Es ist einfach nur noch peinlich heutzutage. Fremdschaemen pur.

      • @elektrozwerg:

        "Niemand erwartet von o.g. Politikern irgendwelche Beileidsbekundungen"



        Falsch. Es ist im internationalen diplomatischen Umgang das absolute Mindestmaß. Ein Unterlassen wäre ein Affront.



        "Es ist einfach nur noch peinlich heutzutage. Fremdschaemen pur."



        Da sind wir uns einig, wenn ich auch annehme, dass unsere Gründe auseinanderlaufen.

        • @Encantado:

          Diplomatische Beileidsbekundungen sind von der außenpolitischen Vertretung eines Landes zu erwarten. Das sind Regierung und Staatsoberhaupt, Parlamentsabgeordnete gerade nicht. Insofern nein, sie hätten nicht kondolieren "müssen", und dass sie es nun explizit NICHT tun, verletzt ebenfalls nominell nicht die diplomatische Etikette. Genau deshalb hält man sich ja Diplomaten: Damit das, was im eigenen Land so an Invektiven ausdämpft, im offiziellen Verkehr zwischen den Nationen gepflegt ignoriert werden kann.

          Natürlich könnte man sich auf iranischer Seite trotzdem offiziell drüber ärgern (so wie z. B. Erdogan nach der ebenfalls völkerrechtlich unverbindlichen Positionierung des BT zum Völkermord an den Armeniern). Aber die Mullahs haben wahrscheinlich gerade Besseres zu tun, als irgendwelche internationale Schelte ihres vormaligen Vollstreckers öffentlich breitzutreten, schätze ich...

  • Nun könnte man den besagten Abgeordneten vorwerfen, dass ihre politisches Gewissen recht selektiv funktioniert, aber vermutlich ist es sinnlos, sich über außenpolitische Doppelmoral zu ereifern. Hier geht es allerdings ohnehin eher um politische Klugheit: die Beileidsbekundungen waren ja nicht persönlicher Natur, sondern Ausdruck diplomatischer Etikette - man mag von Raisi halten, was man will, er war nun einmal Regierungschef eines Staates, mit dem man auf vielfältige Weise kooperiert (auch hier wieder: egal ob man das wünschenswert findet oder nicht, es geht einfach um reale Notwendigkeiten). Das Einhalten gewisser Verhaltensformen ist dabei eigentlich ein Minimum. Die Welt ist gerade in einer dramatischen Umbruchsphase, in der auch Europa seinen Platz auf der globalen Bühne neu bestimmten muss, Man würde sich also von politischen Einscheidungsträgern ein gewisses Maß an Weisheit, an langfristigem Denken und an Sinn für Komplexität erhoffen. Stattdessen scheint das außenpolitische Denken eines nicht unerheblichen Teils des Bundestages irgendwo zwischen Spielfilm-Dramaturgie und Schulhofgehabe gefangen zu sein. Damit schaden wir in erster Linie uns selbst.

    • @O.F.:

      …und gerade dieses völlig grenzenlose Gedröhn umnebelt Despoten und mörderische Regierungen mit einer sie stützenden, unangemessenen Akzeptanz statt deutlicher Verdammnis um der Menschlichkeit willen;



      der Menschlichkeit wegen hätte Schweigen ausgereicht, denn die übelsten Schlächter bekommen nicht einmal Gräber, und zwar zu Recht!

      • @Allesheuchler:

        Diplomatie hat die Aufgabe, eine universelle Alternative zur Regelung von Konflikten nach dem Recht des Stärkeren zu bieten. Dafür muss sie IMMER gesprächsfähig und bei Bedarf halt auch bereit sein, die eine oder andere Kröte zu schlucken oder auch eine Hand zu schütteln, nach deren Berührung man sich die eigene dringend waschen möchte. Das tut man im Zweifel dann auch - aber wenn niemand hinsieht. Wer diese "Heuchelei" nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, sollte sich aus dem Geschäft raushalten. Aber bevor er Jene verdammt, die es betreiben, sollte er sich fragen, wie "menschlich" die Welt OHNE diese Leute aussähe.

        Und dass Schlächter kein sichtbares Grab bekommen, geschieht nur ausnahmsweise, wenn man befürchtet, dass es zur Pilgerstätte werden könnte. Genügend richtig schlimme Schlächter HABEN daher ja auch Gräber - teils sogar recht opulente. Das alles hat aber wenig mit dem Verhalten im Moment des Todes zu tun. Das Grundgebot, die Würde JEDES Menschen zu achten, enthält auch die Regel, Tote ruhen zu lassen. Ich halte diese Regel für vernünftig, weil Tote sich nicht bessern und auch nicht mehr für das büßen können, was sie zu Lebzeiten verbrochen haben. Ihr Andenken - auch das an ihre Schuld - zu wahren, ist Aufgabe der Geschichtsschreibung.

    • @O.F.:

      Genaus so. Danke.

    • @O.F.:

      Vollkommen richtig, danke.



      Das Niveau in der Politischen Landschaft lässt immer mehr zu wünschen übrig, oft einfach zum Fremdschämen. Die Folge, Radikalisirung/Politikverdrossenheit.

  • "„Unser Beileid gilt der Regierung der Islamischen Republik Iran und den Familien der beim Absturz Getöteten.“" geht`s eigentlich noch?



    Ob das Kanzleramt den Hingerichteten und deren Familien auch ein Kondolenzschreiben geschickt hat?

    • @Sonnenhaus:

      Das Kanzleramt wahrt hier die Formen, sonst nichts: Den Tod eines Menschen nimmt unser Staat niemals positiv zur Kenntnis, weil das dem Grundgesetz widersprechen würde. Und Staaten, mit denen man diplomatische Beziehungen unterhält, kondoliert man anständigerweise auch zum Tod ihrer Regierungschefs - "that's just business, nothing personal...".