Eine weiße, glänzende Häuserwand, darauf Schräg das Logo und der Schriftzug vom ZDF. Dahinter blauer Hillem mit Wolken. Die Sonne blitzt an der Hauswand ab.

Foto: Sebastian Gollnow/dpa

60 Jahre ZDF:Auf krummen Wegen zum Lerchenberg

Am 1. April 1963 begann das ZDF. Es sollte eine konservative Alternative zur ARD sein. Eine Sendergeschichte in Sendungen.

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1.4.2023, 09:24  Uhr

Gratulation! Das ZDF feiert den 60. Jahrestag des ­Programmstarts am 1. April 1963. Es könnte der letzte runde Geburtstag werden. Im Strudel der Debatten über den öffentlich-­rechtlichen Rundfunk droht der Unter­gang.

Erfolgreich, stark und reich: Das ZDF ist seit Jahren Marktführer der deutschen TV-Programme – vor der ARD, aber auch vor den Kommerziellen, die nur stark sind, wenn sie mit Tunnelblick auf die angeblich werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen starren. Das ZDF hat versierte Korrespondenten und qualifizierte Redaktionen. Das ZDF setzt 2,5 Milliarden um. Und doch: Das ZDF steckt in der Krise.

„Bonanza“ (1967–1977)

Der Titel der Westernserie um Ben Cartwright und seine drei Söhne könnte auch über den Gründungsjahren des ZDF stehen: „Bonanza“ heißt „Goldgrube“. Die Wirtschaftswunderjahre waren auch die Boomjahre des Fernsehens. Hatten 1956 erst 4 Prozent der Westdeutschen Zugang zum Flimmerkasten, so waren es 1960 schon 25 Prozent – und täglich wurden es mehr. In der DDR sah die Entwicklung ähnlich aus.

Telefunken, Grundig, Nordmende: Die Industrie produzierte die schweren Schwarz-Weiß-Glotzen en masse. Mit der Zahl der Geräte schossen auch die Gebühreneinnahmen in die Höhe. Parallel wuchsen seit 1956 die Ein­nahmen aus dem Verkauf von Werbezeit. Hinzu kam neue Sendetechnik, die es ermöglichte, neben der Senderkette des ersten Programms eine zunächst noch löchrige, aber doch weitreichende zweite Kette aufzubauen.

„Wünsch Dir was“ (1969–1972)

Kanzler Adenauer wollte dringend der aus seiner Sicht zu linken ARD ein Gegengewicht verpassen. Mithilfe von Banken, Verlagen, Bundesbürgschaft und einer Lizenz des Bundespostministeriums sollte die private „Deutschland-Fernsehen GmbH“ starten. Die Technik kam von der Post. Personal wurde an- und teilweise von der ARD abgeworben und ein eher dürftiger Studiokomplex im hessischen Eschborn errichtet. Dennoch: Aus der „Deutschland-Fernsehen GmbH“ wurde nichts.

Mehrere SPD-geführte Bundesländer zogen vor das Bundesverfassungsgericht und machten geltend, dass das Grundgesetz die Kulturkompetenz bei den Ländern sieht, nicht beim Bund. Mochte Adenauer auch argumentieren, mit Kultur seien nur die Schulen gemeint und nur das Bundespost­ministerium habe die Hoheit, Sendelizenzen zu verteilen – in Karlruhe scheiterte der Kanzler auf ganzer Linie. Das Gericht stellte am 28. Februar 1961 fest, dass die Rundfunkhoheit tat­sächlich bei den Ländern liegt. Bund und Bundespost müssten sich lediglich um die technische Verbreitung kümmern.

Zeichnung Funkturn, graue Kästen bunt gemalt und eine Hand am roten Knopf

25. August 1967: Vizekanzler Willy Brandt drückt einen Knopf und plötzlich hat das Fernsehen Farbe Foto: Georg Meyer-Hanno

Damit war das zweite Programm aber nicht erledigt. Denn auch das Volk wünschte sich mehr Auswahl. Und so kündigte die ARD umgehend an, sie werde ab dem 1. Juni 61 ein zweites Programm ausstrahlen – ausdrücklich als „Kontrastprogramm“ bezeichnet. Mit diesem Angebot aber waren CDU/CSU nicht einverstanden. Sie wollten unbedingt eine eigene Anstalt für das Zweite – und setzen sich durch: Die Länder schlossen einen Staatsvertrag über die Gründung des ZDF. Der Sendestart verzögerte sich aber dann vom 1. Juli 62 auf den 1. April 63. Bis dahin wurde ein zweites Programm vom Ersten bestritten.

Beim ORF organisiert die gleiche Stelle das erste Programm wie auch das zweite. Ebenso beim BBC, bei RAI, SRG und vielen anderen. In Deutschland aber entstand auf Druck der Union diese absurde und enorm teure Doppelstruktur. „Wünsch Dir was“ war später übrigens eine anregende, gelegentlich auch aufregende ZDF-Samstag­abendshow.

Aus dem kurzlebigen zweiten Programm der ARD wurden die Dritten der ARD – die immerhin zunächst mit klarem Profil sendeten: Regionales, ­Bildung, Kultur.

„Die 2“ (1972 – und immer wieder)

Anfang der 1970er Jahre klärten Danny Wilde (Tony Curtis) und Lord Brett Rupert George Robert Andrew Sinclair (Roger Moore) Verbrechen auf. Zum Kult wurden „Die 2“ nicht nur wegen Rainer Brandts Synchrontexten auf „Schnodderdeutsch“ („Sleep well in your Bettgestell!“), sondern vor allem wegen ihrer krassen Gegensätzlichkeit: der eine ein Geschäftsmann, der in einem Slum von New York aufgewachsen ist, der andere ein Aristokrat mit Oxford­attitüde.

So unterschiedlich wie „Die 2“ waren ZDF und ARD nie. Die auch vom ZDF-Intendanten Karl Holzamer propagierte Idee vom „Kontrastprogramm“ erschöpfte sich in einer Art Zeitverschiebung: Zeigte das Erste Sport, zeigte das Zweite Spielfilm, gab es hier Krimi, kam dort Herzschmerz, Doku hier, Quiz da. Und umgekehrt. Profil entstand so nicht. Nicht in den 60ern, nicht bis heute. Und damit auch keine Legitimation für eine eigene Anstalt. Das ZDF kann alles, was das Erste auch kann.

Ein VW-Transporter, auf dem eine Plattform montiert ist, auf der ein Mann mit einer Fernsehkamera sitzt

Das ZDF kann alles, was das Erste auch kann Foto: Georg Meyer-Hanno

Das ZDF war kaum konservativer als die ARD: Einem Gerhard Löwenthal mit seinem „ZDF-Magazin“ entsprach ein Günther von Lojewski bei „Report München“. Und so, wie Hans-Joachim Kulenkampff, Starmoderator vom Ersten, privat Wahlkampf für die SPD machte, so machte es auch Peter Frankenfeld, Starmoderator vom Zweiten.

„Notizen aus der Provinz“ (1973–79)

Dieter Hildebrandt hatte 1973 im ZDF sein TV-Kabarett begonnen, die „­Notizen aus der Provinz“. Entlarvende Zitate aus der Politik, bissige Pointen – Ärger programmiert. Und tatsächlich: Nach 66 Folgen wurde die monatliche Sonntagabendheiterkeit abgeschaltet. Hildebrandt wechselte ins Erste.

Da hatte das ZDF das provinzielle Eschborn, den oft als Tele-Sibirsk verspotteten Bauernhof mit seinen Studios, hinter sich gelassen. Übergangsweise war Wiesbaden Zentrum des ZDF, dann wurde ein Bürobau auf dem Mainzer Lerchenberg fertig, ein „125 Meter langer und 19 Meter breiter Quader mit 14 Stockwerken“, umgeben von Fernsehgarten und reichlich Ackerland. Dort legte Helmut Kohl, Minister­präsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrates, 1978 auch den Grundstein für das Sendebetriebszentrum.

Trotz Hauptstadtstudio Unter den Linden und Studios in aller Welt: Das ZDF ist der Lerchenberg. Wegen der krummen Wege deutscher Rundfunkpolitik. Bevor 1998 der Südwestdeutsche Rundfunk entstand, gab es für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zwei Sender: In der früher amerikanisch besetzten Zone den Süddeutschen Rundfunk mit Sitz in Stuttgart, in der früher französisch besetzten Zone den Südwestfunk mit Sitz in Baden-Baden. Rheinland-Pfalz blieb ohne Sendersitz und rief „hier“, als 1961 der Sitz für das ZDF zu entscheiden war. Frankfurt und Düsseldorf, zunächst ebenfalls im Rennen, unterlagen.

„Die Anstalt“ (seit 2014)

Die Programme des ZDF befriedigen vielleicht ein öffentliches Bedürfnis, aber die Anstalt ZDF tut es nicht. Sie ist überflüssig, seit ihrem Anfang. Die ARD, unbestreitbar selbst reformbedüftig, wäre allemal in der Lage, wie schon 1961 ein zweites Programm zu organisieren – und das deutlich billiger.

Bei „Die Anstalt“ arbeiten Max Uthoff und Claus von Wagner bis zur Ermüdung mit Tafelbildern. In Sachen ZDF könnte darauf stehen: Budget 2,5 Milliarden. Beschäftigte der Leitungsebene („ Intendanz“) 250. Beschäftigte der Verwaltung 680.

Andere Tafeln hingegen: france.tv 2,4 Mrd., sechs TV-Programme; ORF 1 Mrd., vier TV- und zwölf Radio­programme; SRG 1,6 Mrd., je zwei TV-­Vollprogramme in drei Sprachen, zwei Infokanäle und viel Radio.

„Wetten, dass..?“ (seit 1981)

Wetten, dass Thomas Gottschalk eher seinen 80. live im Zweiten begeht, als dass sich die 16 Ministerpräsidenten auf eine Fusion der derzeit zwölf öffentlichen Rundfunkanstalten – neun Landes­rundfunkanstalten, ZDF, Deutschlandfunk und Deutsche Welle – zum ÖRD, zum Öffentlichen Rundfunk in Deutschland verständigen?

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