piwik no script img

Kritik an Medienstaatsvertrags-ReformWerden ZDF Neo und KiKa überleben?

Mit der Medienstaatsvertrags-Reform schiebt die Politik ihre Verantwortung auf die Rundfunkräte – doch die sind ohnehin schon überfordert.

Auch ihre Zukunft liegt nun in Händen der Rundfunkräte: „Sendung mit dem Elefanten“ Foto: WDR

Neun Fernsehprogrammen droht nach der jüngsten Reform des Medienstaatsvertrages in gewisser Weise das Aus. Sie sind nicht länger gesetzlich abgesichert. Das betrifft unter anderem Tagesschau 24 ebenso wie ZDF Neo und den Kinderkanal (KiKa).

Der Vertrag legt unter anderem fest, wie sich Rundfunkanstalten inhaltlich und finanziell organisieren. Die Politik will nicht mehr zuständig sein für die Aufrechterhaltung der Programme und hat die Verantwortung an die Rundfunkräte der Sender abgeschoben.

Sie sollen nun selbst entscheiden, ob die Programme weiterbetrieben, gegen andere Angebote ausgetauscht oder aus dem linearen TV, ins Netz geschoben werden. Wie im vergangenen Sommer 2022 am Beispiel des RBB zu sehen war, sind diese Rundfunkräte jedoch in vielen Fällen überfordert.

Schon seit Jahren sind sie mit dem sogenannten Drei-Stufen-Test beauftragt, einem bürokratischen Verfahren, in dem die Rundfunkräte zum Beispiel prüfen müssen, ob neue Angebote ihrer Sender demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechen und zum publizistischen Wettbewerb beitragen.

Oder anders gesagt: nicht die ökonomischen Interessen der privaten Konkurrenz übermäßig beeinträchtigen. Dafür müssen sich die Vertreter der gesellschaftlich relevanten Gruppen entsprechendes medienrechtliches und -ökonomisches Know-how aneignen und als nebenberufliches Gremium über komplizierte Fragen beraten.

Zunehmender Spardruck

Mit dem neuen Vertrag kommt hinzu, dass sie auch entscheiden sollen, welche Programme unter dem zunehmenden Spardruck, den die Politik seit Jahren ausübt, eingestellt werden sollen. Nun ist die Frage zu stellen, ob ARD und ZDF unbedingt jeweils noch einen eigenen Info-Kanal betreiben müssen, wo sie doch schon seit Jahren gemeinsam den Informationskanal Phoenix betreiben.

Andere Kritiker halten auch ZDF Neo und ARD One für überflüssig. Sie sagen, es seien reine Abspielkanäle, um einige Sendungen wieder in die Mediatheken hieven zu können. Zur Erinnerung: Von den Beitragszahlern finanzierte Sendungen müssen spätestens ein Jahr nach der Ausstrahlung aus den Mediatheken verschwinden – seien sie auch gesellschaftspolitisch noch so relevant.

Übersehen wird von den Kritikern, dass die Verflachung der Flaggschiffprogramme ARD und ZDF keine Sendeflächen mehr für interessante Serien, innovative Fernseh- und Spielfilmproduktionen oder für experimentelle neue Formate übrig ließe. Denn nur mit dieser Offenheit konnte Jan Böhmermann überhaupt seit 2013 sein „Magazin Royale“ etablieren, zunächst als „Neo Magazin Royale“, heute mit dem alternativen Vortitel ZDF.

Selbst der Kinderkanal steht seit der letzten Staatsvertragsnovelle unter der Vormundschaft der Rundfunkräte. Sie und nicht mehr die Ministerpräsidenten beschließen, ob das Programm eingestellt wird. Bloß: hier gibt es ein gesetzliches Problem. Während es wahrscheinlich einfach ist, ZDF Info einzustellen, abzuändern oder vom Äther ins Netz zu verlagern, sieht es bei allen anderen Programmen eher kompliziert aus.

Schlechtes Handwerk

Für ZDF Info ist nur ein Rundfunkrat zuständig, der per Mehrheitsbeschluss entscheiden kann. Aber wer ist zuständig für Tagesschau 24? Der Rundfunkrat des federführenden Senders? Oder müssen alle neun Rundfunkräte der ARD-Anstalten zustimmen? Der Staatsvertrag sagt dazu nichts.

Noch komplizierter wird es bei Phoenix und dem KiKa: hier ist auch das ZDF in der Mitverantwortung. Kann eventuell ein einziger Rundfunkrat die Einstellung des Programms blockieren, weil ihm etwa Standortinteressen entgegenstehen?

„Niemand will den KiKa einstellen“, sagt Heike Raab, medienpolitische Koordinatorin der Bundesländer und rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin, der taz. Aber warum wird dann der KiKa im Staatsvertrag nicht genauso behandelt wie Arte oder 3Sat, die nicht der Beschlussfassung der Rundfunkräte übereignet worden sind?

Ein praktikabler, verbindlicher Verfahrensablauf für die Gemeinschaftsprogramme existiert gar nicht. Man gehe eher davon aus, dass der Bildungskanal ARD-Alpha eingestellt werden soll, so Raab. Man sei da noch in Gesprächen mit den Staatskanzleien. Sieht nach schlechtem Handwerk aus, wenn man das erst jetzt merkt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • "Zur Erinnerung: Von den Beitragszahlern finanzierte Sendungen müssen spätestens ein Jahr nach der Ausstrahlung aus den Mediatheken verschwinden"



    DAS ist doch der eigentliche Skandal. Da wird mit "meinem" Geld eine hochwertige oder eine tolle andere Sendung erzeugt, die nach einem Jahr dann begraben wird.

  • Kika ist der einzige Sender, den wir überhaupt schauen.

  • >Auch ihre Zukunft liegt nun in Händen der Rundfunkräte: „Sendung mit dem Elefanten“ Foto: WDR

    Diese Fotozeile ist sehr ehrlich, wenn auch wohl ungewollt. Denn die Zukunft dieser Figuren lag schon immer in den Händen der Rundfunkräte, denn dafür, also für Entscheidungen über Programminhalte, sind Rundfunkräte da. Aber so zu denken, reden und schreiben, als wäre die Zukunft dieser Figuren unabhängig von den Rundfunkräten garantiert, lässt tief blicken, wie es bei den Sendern bisher tatsächlich zuging.

  • Wie sagte mal ein kluger Mann:



    "Alles muß sich ändern, damit alles so beliebt wie es ist."

    Nach diesem Motto wird auch beim ÖRR verfahren. Es gibt ein kleines Bauernopfer, damit man nichts an den Strukturen ändern muß.

    Statt jetzt diesen oder jenen Einzelsender zur Disposition zu stellen , sollte sollte man unabhängig vom Ist-Zustand erst die erforderliche Struktur festgelegt werden.



    Braucht man wirklich alle ARD-Sender ?



    Der Saarländische Rundfunk und Radio Bremen könnten problemlos mit den größeren Nachbarn SWR und NDR fusionieren. RBB und MDR könnte man auch zusammenlegen.



    Schon hätte man nur noch 6 statt 9 Sendern mit den entsprechenden Einsparungen beim Führungspersonal. Denen würde ein regionales Fernsehprogramm verordnet. Eigene Auslandstudios, wie sie z.B. der bayrische Rundfunk betreibt, kann man dann genauso wie die Hauptstadtstudios ersatzlos streichen.



    Auch bei den Radiosendern kann man sparen. Bei uns in Hessen betreibt der HR gleich 6 Wellen. Und wenn man während der Nachrichten durchzappt, wird man feststellen, daß jede Welle sich einen eigenen Nachrichtensprecher leistet. Es würde mich nicht wundern, wenn dahinter jeweils noch eine eigene Nachrichtenredaktion mit vielen Mitarbeitern stehen würde.



    Aus meiner Jugend weiß ich noch, daß einzelne Radiosprecher gab. Heute treten die meist zu zweit oder manchmal sogar zu dritt auf.

    Bei den überregionalen Sendern ist es egal, wie viele Sender es gibt, solange es keine Dreifachstrukturen mit Phönix, Tagesschau24 und ZDF-Info mehr gibt.



    Teuer eingekaufte Fremdrechte, egal ob Hollywoodfilme oder Sport, sollte man den Privaten überlassen statt diese wie derzeit zu überbieten.



    Stattdessen eine einheitliche Mediathek, in der auch alte gebührenfinanzierte Produktionen unbegrenzt und gratis zugänglich sind. Aktuell gibt es mit ARD+ sogar eine ARD-Mediathek. die trotz Gebühren extra kostet.



    Man könnte den ÖRR deutlich günstiger und besser machen, wodurch sich sogar die Akzeptanz für Zwangsgebühren erhöhen würde.

    • @Don Geraldo:

      "Man könnte den ÖRR deutlich günstiger und besser machen, wodurch sich sogar die Akzeptanz für Zwangsgebühren erhöhen würde."



      So eine Art National Public Radio. Überlasst den Schrott den Privaten und macht das, was nicht "marktgängig" ist. Natürlich darf man dann nicht auf die Quote schielen.

  • Es steht ja nirgends geschrieben, dass ARD und ZDF täglich Krimis, Ratespiele und Sport senden müssen, der Auftrag ist definitiv ein Anderer. Dann gäbe es dort auch Platz für Reportagen und innovative Produkte. Es würde viel Geld sparen und die Rundfunksteuer stabil halten.

  • "Übersehen wird von den Kritikern, dass die Verflachung der Flaggschiffprogramme ARD und ZDF keine Sendeflächen mehr für interessante Serien, innovative Fernseh- und Spielfilmproduktionen oder für experimentelle neue Formate übrig ließe."

    Noch mehr neue "experimentelle" Formate wie "funk", die einem Gebührenzahler quasi den Mittelfinger entgegenstrecken ? Die Abwälzung der Verantwortung auf die Rundfunkräte ist auch nur ein rechte Tasche linke Tasche-Prinzip. Da sitzen auch wieder nur wandelnde Parteibücher, die zuerst bei den verantwortlichen Positionen in Berlin und/oder in den jeweiligen Landeshauptstädten nachfragen.