+++ Wagner-Aufstand in Russland +++: Rückzug nach dem Aufstand
Die Truppen von Söldnerchef Prigoschin ziehen ab. Er soll nach Vermittlung durch Lukaschenko nach Belarus ausreisen. Weiter große Polizeipräsenz im Süden Moskaus.
Putin lässt Optimismus ausstrahlen
In einem offenbar vor dem Aufstand der Söldner-Gruppe Wagner aufgezeichneten Interview hat sich Russlands Präsident Wladimir Putin überzeugt gezeigt, alle militärischen Ziele in der Ukraine zu erreichen. Die Äußerungen in einem Interview mit Kreml-Korrespondent Pawel Sarubin wurden am Sonntag vom staatlichen TV-Sender Rossija gezeigt. Sarubin zufolge wurde das Interview nach einem Treffen mit Militärabsolventen geführt, womit er sich offenbar auf eine Veranstaltung am vergangenen Mittwoch bezog. Der am Samstag abgebrochene Aufstand der Wagner-Gruppe wurde in dem Fernsehbeitrag nicht erwähnt. (rtr)
Vize-Außenminister reist nach China
Der stellvertretende russische Außenminister Andrej Rudenko ist am Sonntag zu diplomatischen Gesprächen nach China geflogen. In dem Treffen mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang sei es um internationale und regionale Fragen von gemeinsamem Interesse gegangen, teilte das Außenministerium in Peking auf seiner Website mit.
Die Regierung in Peking kommentierte den bewaffneten Aufstand der russischen Söldnertruppe Wagner unter ihrem Chef Jewgeni Prigoschin nicht. (ap)
Nordkorea bejubelt „die starke russische Armee“
Empfohlener externer Inhalt
Nach dem gescheiterten Aufstand von Wagner-Söldnern in Russland hat Nordkorea seine volle Unterstützung für die Führung in Moskau zum Ausdruck gebracht. Bei einem Treffen mit dem russischen Botschafter in Nordkorea zeigte sich Nordkoreas Vize-Außenminister Im Chon Il überzeugt, dass der „bewaffnete Aufstand in Russland erfolgreich beendet wird“, wie die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA am Sonntag berichtete.
Minister Im fügte den Angaben zufolge hinzu, dass „die starke russische Armee und das Volk sicher die Proben und Prüfungen überstehen und heldenhaft aus der militärischen Spezialoperation gegen die Ukraine siegreich hervorgehen wird“. Es ist die jüngste Botschaft der Unterstützung aus Pjöngjang für Moskau seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar vergangenen Jahres. (afp)
Söldner verlassen Region Woronesch
Nach dem Aufstand der Söldnertruppe Wagner verlassen Kämpfer der Gruppe die südrussische Region Woronesch. „Die Einheiten der paramilitärischen Gruppe Wagner schließen ihren Rückzug in der Region Woronesch ab“, erklärte Regionalgouverneur Alexander Gussew am Sonntag im Onlinedienst Telegram. Alles verlaufe „normal und ohne Zwischenfälle“.
Die an die Ukraine grenzende Region Woronesch war Station des später überraschend beendeten Aufstands der Wagner-Gruppe. Über die Vorfälle in Woronesch am Samstag ist wenig bekannt. Das russische Militär war in der Region im Einsatz, die Armee hatte „Kampfhandlungen“ gemeldet. Während des Aufstands geriet ein Treibstofflager aus zunächst ungeklärter Ursache in Brand. (afp)
Fernstraßen im Moskauer Umland weiter blockiert
Die wegen des Aufstands der Söldnertruppe Wagner in Moskau und der Region eingeführten „Anti-Terror-Vorkehrungen“ sind auch am Sonntag in Kraft geblieben. Wie eine AFP-Reporterin beobachtete, waren weiterhin große Polizeipatrouillen an einer Hauptstraße im Einsatz, die von Moskau in Richtung Süden führt, wo die Rebellion in Rostow ihren Anfang genommen hatte.
In der Region Moskau blieben die Verkehrsbeschränkungen auf der Autobahn zwischen Moskau und Rostow im Südwesten des Landes am Sonntag bestehen, wie die für die Autobahnen zuständige Behörde Awtodor erklärte. Der Bürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin, hatte den Montag angesichts der „schwierigen“ Lage zum arbeitsfreien Tag erklärt.
In anderen Regionen wurden die Beschränkungen nach Behördenangaben inzwischen aufgehoben, so dass die Straße dort frei ist.
Im Machtkampf zwischen der Privatarmee Wagner und der russischen Führung waren mehrere Kolonnen gepanzerter Fahrzeuge der Söldner am Samstag aus Rostow Richtung Moskau gefahren. Um den Vormarsch zu bremsen, errichteten die regionalen Behörden eilig Straßensperren und rissen mancherorts auch die Straßen auf. (afp/dpa)
Baerbock reist zum Treffen der EU-Außenminister
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verkürzt ihre geplante Reise nach Südafrika wegen des Aufstands der Söldnertruppe Wagner. Sie habe „ihre geplante Abreise nach Südafrika um einen Tag nach hinten verschoben, um angesichts der jüngsten Entwicklungen in Russland am Montagvormittag in Luxemburg an einem Treffen der EU-Außenministerinnen und Außenminister teilzunehmen“, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Sonntag. Baerbock wolle nun am Montagnachmittag nach Südafrika reisen. (afp)
Aufstand erstmal wieder abgeblasen
Der bewaffnete Aufstand russischer Söldner gegen die eigene Staatsführung inmitten des Ukraine-Kriegs scheint von kurzer Dauer geblieben zu sein. Nur wenige Stunden nach Beginn des Vormarschs gen Moskau erteilte Söldnerchef Jewgeni Prigoschin am Samstagabend den Befehl zum Rückzug seiner berüchtigten Privatarmee. Kurz darauf gaben die Söldner ihre bis dahin gehaltenen Stellungen im Süden Russlands auf. Prigoschin selbst werde unbehindert ins Nachbarland Belarus gehen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Als Garantie für den freien Abzug habe der einstige Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin „das Wort des Präsidenten“.
Obwohl Putin noch am Morgen die Bestrafung der Aufständischen angekündigt hatte, gab es am Abend anderslautende Erklärungen aus dem Kreml. Auch die Kämpfer der Wagner-Truppe sollen angesichts ihrer Verdienste an der Front in der Ukraine nicht strafrechtlich verfolgt werden, wie Peskow versicherte. Vielmehr werde einem Teil der Söldner ein Angebot unterbreitet, sich vertraglich zum Dienst in den russischen Streitkräften zu verpflichten. (dpa)
Lukaschenko als Vermittler
Zuvor hatte der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko Prigoschin nach eigenen Angaben dazu gebracht, seinen Aufstand aufzugeben. Lukaschenko habe sich als Vermittler angeboten, weil er Prigoschin seit rund 20 Jahren persönlich kenne, sagte Peskow. Prigoschin selbst äußerte sich nicht unmittelbar dazu. Ob und wann er sich aus dem Süden Russlands nach Belarus begeben wollte, war nicht klar. (dpa)
Söldner ziehen sich zurück
Kurz zuvor hatte der Söldnerchef angekündigt, den Vormarsch seiner Einheiten auf die russische Hauptstadt Moskau zu stoppen. „Unsere Kolonnen drehen um und gehen in die entgegengesetzte Richtung in die Feldlager zurück“, sagte er in einer von seinem Pressedienst auf Telegram veröffentlichten Sprachnachricht. Bislang sei „nicht ein Tropfen Blut unserer Kämpfer“ vergossen worden. „Jetzt ist der Moment gekommen, wo Blut vergossen werden könnte.“ Deshalb sei es Zeit, die Kolonnen umdrehen zu lassen.
Es war zunächst nicht klar, ob Prigoschin neben Straffreiheit noch weitere Zugeständnisse gemacht oder zumindest in Aussicht gestellt wurden, um den Vormarsch seiner Truppen auf Moskau zu stoppen. Er galt lange als loyaler Weggefährte Putins, als unantastbare Größe im russischen Machtgefüge, bis ihn der Kremlchef am Samstagmorgen als „Verräter“ bezeichnete – und damit öffentlich fallen ließ.
Ihre bis zum frühen Sonntagmorgen (Ortszeit) gehaltenen Positionen in der südrussischen Millionenstadt Rostow am Don gaben die Wagner-Truppen auf. Unter dem Applaus der Zivilbevölkerung verließen zunächst die ersten Fahrzeuge mit Söldnern das – erst Stunden zuvor von ihnen eingenommene – Hauptquartier des russischen Militärkommandos Süd, ehe später auch Panzer und Gefechtsfahrzeuge die Innenstadt verließen.
Straßensperren wieder aufgehoben
An den Zufahrtsstraßen rund um Moskau wurden am frühen Sonntagmorgen nach offiziellen Angaben alle Straßensperren aufgehoben. An dem von Bürgermeister Sergej Sobjanin ursprünglich aus Sicherheitsgründen verfügten arbeitsfreien Montag hielt die Stadtverwaltung aber weiter fest.
Unter Berufung auf die örtliche Straßenverkehrsbehörde hatte die russische Nachrichtenagentur Tass in der Nacht die Aufhebung aller Straßensperrungen auf russischen Autobahnen gemeldet. Im Laufe des Samstages war zuvor wegen des vorrückenden Militärkonvois der Wagner-Gruppe unter anderem die von Süden nach Moskau führende Autobahn M-4 aus Sicherheitsgründen gesperrt worden. (dpa/rtr)
US-Medien: Aufstand soll länger geplant gewesen sein
Die russische Söldnertruppe Wagner hat ihren Aufstand nach US-Geheimdienstinformationen entgegen Behauptungen ihres Chefs Jewgeni Prigoschin offenbar von langer Hand geplant. Prigoschin habe seine Kämpfer seit geraumer Zeit in der Nähe der Grenze zu Russland zusammengezogen, sagte eine eingeweihte Person der Nachrichtenagentur AP. Amerikanische Geheimdienstler hätten eine achtköpfige Gruppe von Spitzenpolitikern im Kongress – die Gang of Eight – diese Woche über die Truppenformation von Wagner unterrichtet. Über das Briefing hatte der Sender CNN zuerst berichtet. (ap)
Alle Nachrichten zum Wagner-Aufstand von Samstag lesen Sie hier.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja