+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Russland droht mit ISS-Aus
Weitere 500 Menschen sollen per Bus aus Mariupol evakuiert werden. Papst Franziskus erwägt eine Reise nach Kiew.
Russland warnt vor Aus für Internationale Raumstation ISS
Der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, hat das Aus für die Internationale Raumstation ISS angedroht. Seine Behörde bereite einen Bericht über die Aussichten für die internationale Zusammenarbeit auf der Raumstation vor, sagte Rogosin am Samstagmorgen vor Journalisten.
Im russischen Staatsfernsehen legte er nahe, dass die westlichen Sanktionen, von denen einige bereits vor der russischen Invasion in die Ukraine erlassen wurden, den Betrieb russischer Raumfahrzeuge stören könnten, die die ISS bedienen. Zuvor hatten die Raumfahrtbehörden der USA, der EU und Kanadas eine Frist verpasst, um russischen Forderungen nach einer Aufhebung von Sanktionen gegen russische Unternehmen und Technologie nachzukommen.
Rogosin betonte, die westlichen Partner bräuchten die ISS und könnten diese nicht ohne Russland betreiben. Niemand außer Russland könne Treibstoff zur Raumstation liefern und die Umlaufbahn der ISS ändern, um diese vor Weltraumschrott zu schützen.
Später am Samstag schrieb Rogosin bei Telegram, er habe Antworten seiner westlichen Kollegen erhalten, in denen diese sich für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit auf der ISS aussprachen. Die Wiederherstellung normaler Beziehungen zwischen den ISS-Partnern und bei anderen gemeinsamen Weltraum-Projekten sei jedoch „nur möglich bei einer vollständigen und bedingungslosen Aufhebung der illegalen Sanktionen“, sagte Rogosin. (ap)
Busse sollen am Sonntag 500 Menschen aus Mariupol bringen
Zur Rettung von Zivilisten aus der belagerten Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine sollen an diesem Sonntag mehrere Busse eingesetzt werden. Wie eine Bürgerinitiative am Samstag im Nachrichtenkanal Telegram mitteilte, sollen zehn größere Busse etwa 500 Menschen in die nordwestlich gelegene Stadt Saporischschja bringen. Nach Schätzungen halten sich noch etwa 100 000 Menschen in der umkämpften und schon schwer beschädigten Großstadt auf.
Nach Angaben der ukrainischen Vizeregierungschefin Irina Wereschtschuk sollte es bereits am Samstag ein Fluchtkorridor für Privatfahrzeuge aus Mariupol geben. Zudem versuchte das Rote Kreuz, Einwohner mit einem Konvoi aus der Stadt zu bringen. Am Nachmittag war immer noch unklar, ob dies möglich war. Am Freitag waren etwa 3000 Menschen auf ukrainisch kontrolliertes Gebiet geflüchtet, obwohl es keinen organisierten Fluchtweg gab. Das Rote Kreuz musste unverrichteter Dinge wieder kehrt machen. (dpa)
Weiterer Journalist getötet
In der Ukraine ist ein weiterer Journalist getötet worden. Die Generalstaatsanwaltschaft bestätigte am Samstag in Kiew, dass der seit Mitte März vermisste Dokumentarfilmer und Fotograf Max Lewin in einem Dorf nahe der Hauptstadt tot aufgefunden wurde. Nach ersten Erkenntnissen sei der Ukrainer von russischen Soldaten erschossen worden. Es werde aber noch ermittelt. Zum genauen Alter Lewins äußerte sich die Behörde nicht. Er war Jahrgang 1981.
Nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen ist Lewin der sechste Journalist, der seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar getötet wurde. Er sei unbewaffnet gewesen und habe eine Jacke mit der Aufschrift „Presse“ getragen. Der US-Journalist Christopher Miller schrieb auf Twitter, er habe Lewin 2014 in der Ukraine kennengelernt. Der Vater von vier Kindern sei am Freitag tot aufgefunden worden. (dpa)
Mehr Tote nach russischem Angriff auf Verwaltungsgebäude in Mykolajiw
Nach einem russischen Raketenangriff auf die Zentrale der Regionalverwaltung der südukrainischen Stadt Mykolajiw ist die Zahl der Toten nach ukrainischen Angaben auf mindestens 33 gestiegen. Mindestens 34 Menschen wurden den Angaben vom Samstag zufolge bei dem Angriff vom Dienstag verletzt.
Rettungskräfte hatten die Trümmer an der Unglücksstelle seit dem russischen Angriff nach Überlebenden durchsucht. Das Gebäude beherbergte unter anderem das Büro des Gouverneurs der Region, Vitalij Kim. Der Gouverneur, der sich zum Zeitpunkt des Raketeneinschlags nicht auf dem Gelände befand, veröffentlichte später Bilder in sozialen Netzwerken, die ein riesiges Loch zeigten, das in dem neunstöckigen Gebäude klaffte.
Die Zahl der bestätigten Todesopfer ist während des Such- und Rettungseinsatzes kontinuierlich gestiegen. Die strategisch wichtige Hafenstadt Mykolajiw, die auf dem Weg zum größten Hafen der Ukraine in Odessa liegt, hat wochenlangem Beschuss durch russische Streitkräfte standgehalten. (dpa)
Polen für härtere Sanktionen gegen Russland
Polen dringt auf eine weitere Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland. Die bisherigen Strafmaßnahmen reichen nach Einschätzung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nicht aus. Bei einem Treffen mit EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in einem polnischen Aufnahmezentrum für Flüchtlinge verwies der nationalkonservative Politiker am Samstag darauf, dass der Kurs des russischen Rubels inzwischen wieder das Niveau vor dem Angriff auf die Ukraine erreicht habe.
„Das bedeutet, dass alle wirtschaftlichen Maßnahmen – mikro- und makroökonomische, finanzielle, haushaltspolitische und monetäre – nicht so gegriffen haben, wie sich das einige Politiker gewünscht haben“, sagte Morawiecki. In manchen EU-Ländern werde unter dem Druck der Wirtschaft sogar bereits wieder von einer Normalisierung der Beziehungen zu Russland gesprochen. Dies lehnte der Ministerpräsident des EU- und Nato-Mitglieds strikt ab.
Morawiecki sagte: „Es wird keine Rückkehr zur Normalität geben, solange die Ukraine nicht ihre Freiheit und Souveränität verteidigt hat. So lange das nicht geschieht, wird Europa seine Schwäche offenlegen, gedemütigt werden, zahnlos sein und nicht in der Lage, im Sinne seiner grundlegenden universalen Werte wie Freiheit und Recht auf Leben zu handeln.“ Deshalb seien mehr „echte Sanktionen“ notwendig. Zugleich benötige man von der EU mehr Geld zur Unterstützung der ukrainischen Flüchtlinge in den Aufnahmezentren.
In Polen leben derzeit mehr als 2,4 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine – so viele wie in keinem anderen Land der Europäischen Union. Die EU hat seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine beispiellose Sanktionen verhängt, ebenso wie andere westliche Staaten. (dpa)
Ukraine: Browari wieder unter ukrainischer Kontrolle
Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben die Stadt Browari zurückerobert. Der Bürgermeister der 20 Kilometer östlich von Kiew gelegenen Stadt sagte am Freitagabend in einer Fernsehansprache, dass „die russischen Besatzer nun praktisch den gesamten Bezirk Browari verlassen haben“. Die ukrainischen Streitkräfte würden damit beginnen, die Region von den dort verbliebenen russischen Soldaten sowie von militärischem Gerät und möglicherweise von Minen zu befreien. Viele Einwohner seien bereits in die Stadt zurückgekehrt, die Geschäfte hätten wieder geöffnet.
Zuvor hatte der Bürgermeister der Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko, am Freitag erklärt, dass Satellitenstädte nordwestlich von Kiew angegriffen worden seien und es auch in Browari zu Kämpfen gekommen sei. (ap)
Scholz befürchtet weltweit Schaden
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russlands Präsident Wladimir Putin vorgeworfen, mit dem russischen Angriff auf die Ukraine weltweit Schaden zu verursachen. Der Krieg verstärke die ökonomischen und sozialen Probleme, die es weltweit schon durch die Corona-Pandemie gegeben habe, sagte Scholz am Samstag auf einer SPD-Wahlveranstaltung in Essen. „Er ist eine Zerstörung von Zukunft weit über Russland und die Ukraine hinaus.“ Putin folge einer „imperialistischen Vision früherer Jahrhunderte“. Man werde aber dagegen halten.
Putin habe sich verrechnet, sagte der SPD-Politiker. Man werde die Ukraine weiter unterstützen, auch mit Waffen zur Verteidigung. Eine große Einheit der demokratischen Staaten in der Welt habe schnell reagiert und harte Sanktionen gegen Russland verhängt. Putin sorge nicht nur für Tod und Zerstörung in der Ukraine. „Er zerstört auch die Zukunft Russlands. Das ist der große, große Fehler von Präsident Putin“, sagte Scholz. Es werde alles dafür getan, dass der Krieg schnell ende und dass es wieder eine europäische Friedensordnung gebe, in der Grenzen nicht mehr verletzt würden.
Scholz verwies auf die früheren SPD-Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt. Diese hätten gewusst, dass man selbst stark sein müsse, damit Gewalt nicht das Recht brechen könne. Deshalb spreche man sich in der Nato ab, deshalb stärke man nun die Bundeswehr, sagte er in Anspielung auf den geplanten 100 Milliarden Euro schweren Fonds für die Ausrüstung der Bundeswehr. (rtr)
Papst Franziskus zieht Reise nach Kiew in Erwägung
Papst Franziskus erwägt eine Reise in die Ukraine. Auf dem Flug nach Malta fragte ihn ein mitreisender Journalist, ob er die Einladung für einen Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew in Betracht ziehe. „Ja, das liegt auf dem Tisch“, antwortete das 85-jährige Oberhaupt der katholischen Kirche darauf am Samstagvormittag.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski und Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hatten den Argentinier bereits eingeladen, in das Kriegsland zu kommen. Papst Franziskus verurteilte in zahlreichen öffentlichen Auftritten den Krieg in der Ukraine und schickte Vertreter der katholischen Kirche aus dem Vatikan dorthin. (dpa)
Sieben Fluchtkorridore für Bevölkerung in Ostukraine
Für die bedrängte Zivilbevölkerung in umkämpften Städten der Ukraine sind am Samstag nach Angaben der Regierung in Kiew sieben Fluchtkorridore eingerichtet worden. Aus der besonders schwer von Gefechten betroffenen Stadt Mariupol im Süden soll ein Weg für Privatfahrzeuge in Richtung der Stadt Saporischschja führen, wie Vizeregierungschefin Irina Wereschtschuk in Kiew mitteilte. Aus der Stadt Berdjansk sollten Zivilisten mit Bussen abgeholt werden, aber auch mit Autos Richtung Saporischschja fliehen können.
Aus umkämpften Gebieten im Osten des Landes führten fünf Korridore in die Stadt Bachmut, schrieb Wereschtschuk in ihrem Nachrichtenkanal bei Telegram. Die Routen werden für jeden Tag neu angekündigt. Russland und die Ukraine werfen sich immer wieder gegenseitig vor, die Evakuierung von Ortschaften und Städten zu sabotieren. Moskau hatte zuletzt erklärt, die Kampfhandlungen auf den Osten der Ukraine zu konzentrieren. Der von Russland begonnene Krieg dauert schon seit dem 24. Febuar. (dpa)
Bundespolizei: Inzwischen fast 300.000 Ukraine-Flüchtlinge
In Deutschland sind nach Angaben der Bundespolizei innerhalb eines Tages rund 5300 weitere Flüchtlinge aus der Ukraine angekommen. Wie das Bundesinnenministerium am Samstag auf Twitter mitteilte, hat die Polizei damit seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar nahezu 300.000 Kriegsflüchtlinge erfasst. Die genaue Zahl wurde mit 299.823 angegeben. Überwiegend handele es sich um Frauen, Kinder und alte Menschen.
Vermutet wird, dass die tatsächliche Zahl der Flüchtlinge deutlich höher liegt, da es an den Grenzen keine festen Kontrollen gibt und Menschen mit ukrainischem Pass sich 90 Tage lang ohne Visum in der EU aufhalten dürfen. Die meisten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine halten sich im Nachbarland Polen auf: mehr als 2,4 Millionen Menschen. (dpa)
Russland: Dutzende Militärobjekte in Ukraine zerstört
Russland hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau bei neuen Raketenangriffen in der Ukraine mehrere Dutzend weitere Militärobjekte zerstört. Demnach wurde nahe der Handels- und Industriestadt Krementschuk, rund 300 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Kiew, am Samstagmorgen ein Benzin- und Diesellager vernichtet. Aus dem Lager seien die ukrainischen Truppen im Zentrum und im Osten des Landes mit Treibstoff versorgt worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in Moskau.
Zudem seien zwei Militärflugplätze außer Gefecht gesetzt worden – nahe der Stadt Poltawa und in der Nähe von Dnipro (früher Dnipropetrowsk). Insgesamt seien innerhalb eines Tages 67 militärische Objekte zerstört worden, darunter auch Munitionslager, sagte der Generalmajor. Zudem seien zwei Kampfhubschrauber vom Typ Mi-24 sowie 24 Drohnen abgeschossen worden. Diese Angaben waren von unabhängiger Seite nicht zu überprüfen.
Nach Darstellung Konaschenkows werden die Raketen von Kriegsschiffen und von Flugzeugen abgefeuert. Russlands Präsident Wladimir Putin begründet seinen am 24. Februar begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch damit, die vermeintlich vom Westen aufgerüstete Ukraine entmilitarisieren zu wollen. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski forderte im US-Fernsehen abermals Waffen, darunter Kampfflugzeuge und Flugzeugabwehr-Raketensysteme. (dpa)
Selenski warnt Einwohner der Ukraine vor russischen Minen
Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski auf ihrem Rückzug aus dem Norden des Landes „ein komplettes Desaster“ hinterlassen. Er warnte die Bewohner, einschließlich der Städte vor den Toren Kiews, vor weiterem russischen Beschuss und vor Landminen.
„Sie verminen das gesamte Gebiet, sie verminen Häuser, Ausrüstung und sogar die Leichen von Menschen, die getötet wurden“, sagte er in seiner nächtlichen Videoansprache an die Nation am späten Freitag. Er forderte die Bewohner auf, mit der Wiederaufnahme ihres normalen Lebens zu warten, bis sie die Gewissheit haben, dass die Minen geräumt sind und die Gefahr des Beschusses vorüber ist.
Selenski warnte außerdem vor schwierigen Kämpfen, da die Russen ihre Truppen in der Ostukraine verlagerten. (ap)
🐾 Russlands erfolgloser Feldzug
Russland tut sich überraschend schwer damit, in der Ukraine Landgewinne zu erzielen. Für die taz kommentiert Barbara Oertel, Leiterin des Auslandsressorts, warum dennoch keine Exit-Strategie in Sicht ist.
Bundeswehr erwägt Kauf von Raketenabwehr aus USA oder Israel
eutschland erwägt nach den Worten des Generalinspekteurs der Bundeswehr Eberhard Zorn den Kauf eines Raketenabwehrsystems aus den USA oder Israel. Dabei gehe es um den Schutz vor russischen Raketen, die etwa in Kaliningrad stünden, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Sie können fast alle Ziele in Westeuropa erreichen und es fehlt ein Abwehrschirm. Die Israelis und die Amerikaner verfügen über die entsprechenden Systeme.“
Man müsse nun die Fragen beantworten, welches System man bevorzuge und ob man es schaffe, ein Gesamtsystem in der Nato aufzubauen. Eines sei aber klar: „Wir haben weder die Zeit noch das Geld, dieses Systeme selbst zu entwickeln. Denn die Raketenbedrohung ist bereits vorhanden und bekannt.“
In der Ukraine fürchtet Zorn einen zunehmenden Guerillakrieg, sollten die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine nicht zu einem Waffenstillstand führen. „Der könnte für die Zivilbevölkerung extrem brutal und blutig werden, wie wir es in Mariupol schon sehen.“ (rtr)
Deutschland liefert 4800 Paletten Lebensmittel in die Ukraine
Deutschland hat die Ukraine nach Angaben der Bundesregierung im vergangenen Monat umfangreich mit Lebensmitteln unterstützt. „Wir haben mittlerweile fast 150 Lieferungen in die Ukraine gebracht, mit rund 4800 Paletten Lebensmittel“, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstagsausgaben). „Der Handel, die Lebensmittelhersteller und die gesamte Ernährungswirtschaft waren sofort am Start mit wirklich großer Hilfsbereitschaft.“
Nach Auskunft von Özdemirs Ministerium, das die Hilfe koordiniert, gibt es bislang Zusagen für 163 Lkw-Lieferungen mit 5148 Paletten. Die Lieferungen starteten am 2. März, die genannten Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum bis zum 31. März.
Özdemir hob hervor, dass Bedürftige in Deutschland durch die Ukraine-Hilfe nicht weniger Nahrungsmittel zur Verfügung hätten: „Die Hilfslieferungen haben keine Konsequenzen für die Tafel, das ist ganz wichtig“, sagte der Grünen-Politker den Funke Medien. „Wir helfen den Menschen in der Ukraine – aber nicht zu Lasten von Bedürftigen in Deutschland.“ (ap)
Deutschland sendet 56 DDR-Schützenpanzer
Die „New York Times“ berichtete am Freitagabend (Ortszeit), auf Bitten Selenskis habe die US-Regierung entschieden, die Lieferung von Verbündeten an die Ukraine von Panzern aus sowjetischer Produktion zu erleichtern. Es wäre das erste Mal, dass die USA bei der Lieferung von Panzern an die Ukraine helfen. Welche Länder sonst noch beteiligt sind und um wie viele Panzer es sich handelt, ging aus dem Bericht allerdings nicht hervor.
Die Panzer würden der Ukraine Langstrecken-Artillerie-Angriffe auf russische Ziele in der ostukrainischen Donbass-Region ermöglichen, zitierte die „New York Times“ einen US-Regierungsvertreter. Russland hatte vergangene Woche angekündigt, sich auf die „Befreiung“ des Donbass zu konzentrieren. Auch Deutschland unterstützt die Ukraine mittlerweile mit Rüstungsgütern. Vor Russlands Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar hatte die Bundesregierung dies noch abgelehnt unter Verweis auf ihre generelle Politik, keine tödlichen Waffen in Krisengebiete zu schicken.
Die ukrainischen Streitkräfte haben mittlerweile unter anderem 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“ aus Bundeswehrbeständen erhalten. Auch die Lieferung von 2700 Strela-Panzerabwehrraketen aus früheren NVA-Beständen wurde genehmigt. Am Freitag bestätigte das Bundesverteidigungsministerium, den Weiterverkauf von 56 Schützenpanzern aus früheren DDR-Beständen an die Ukraine erlaubt zu haben.
Die ukrainische Regierung hat sich aber wiederholt enttäuscht darüber gezeigt, dass die Bundesregierung nicht auf jüngste Bitten nach Waffenlieferungen reagiert habe. Laut ihrem Botschafter Andrij Melnyk geht es dabei um Waffensysteme, die von der deutschen Rüstungsindustrie sofort geliefert werden könnten. (afp)
Hoffen auf Evakuierung aus Mariupol
In der stark zerstörten südukrainischen Stadt Mariupol ruhen die Hoffnungen am Samstag auf einem neuen Versuch der Evakuierung von Zivilisten unter Schutz des Roten Kreuzes. Am Freitag war kein sicherer Fluchtkorridor zustande gekommen, auch wenn eigentlich eine Feuerpause vereinbart war. Vertreter des Roten Kreuzes kündigten aber an, am Samstag einen neuen Anlauf zu nehmen.
Die heftigen Kämpfe in vielen Teilen der Ukraine gingen in der Nacht zu Samstag weiter, wobei ukrainische Behörden Raketenbeschuss auf mehrere Großstädte im Süden des Landes meldeten. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte vor mehr als einem Monat am 24. Februar den Angriff auf das Nachbarland befohlen. (dpa)
Raketentreffer auf mehrere Städte
In der Millionenstadt Dnipro seien in der Nacht zu Samstag zwei oder drei schwere Explosionen zu hören gewesen, berichtete das Portal „Ukrajinska Prawda“ unter Berufung auf die Gebietsverwaltung. Die Umgebung der Stadt Krywyj Rih wurde mit Raketenwerfern beschossen. Dabei sei eine Tankstelle in Brand geraten, teilte der Chef der örtlichen Militärverwaltung, Olexander Wilkul, mit. Seinen Angaben nach setzten die russischen Kräfte Mehrfachraketenwerfer vom Typ Grad (Hagel) ein. Wie alle Berichte aus den Kampfzonen waren die Angaben nicht unabhängig überprüfbar. Am Freitagabend war auch die Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer mit Raketen beschossen worden.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski rechnete mit heftigen russischen Angriffen im Osten seines Landes. „Russische Soldaten werden in den Donbass geholt. Genauso in Richtung Charkiw“, sagte der Staatschef in einer Videoansprache in der Nacht zum Samstag. „Im Osten unseres Landes bleibt die Lage sehr schwierig.“
Die ukrainische Luftwaffe habe trotz schwerer russischer Angriffe noch die Lufthoheit im eigenen Land, sagte deren Kommandeur Mykola Oleschtschuk. Russland habe nach dem Angriff am 24. Februar versucht, die ukrainische Luftwaffe auszuschalten. Dies sei nicht gelungen.
Der Generalleutnant äußerte sich, nachdem am Freitag ein Tanklager in der russischen Stadt Belgorod in Brand geraten war. Russische Behörden schrieben dies dem Angriff von zwei ukrainischen Helikoptern zu. Oleschtschuk forderte von Verbündeten modernere Waffen, darunter Jagdflugzeuge und Flugabwehr-Raketensysteme. (dpa)
🐾 Kriegsalltag in Tschernihiw
Aus der der belagerten Stadt Tschernihiw berichtet Vira Kuryko für die taz. Russland versucht, Tschernihiw einzukreisen, allmählich ist die Stadt von Ruinen umgeben, die sich bis ins Stadtzentrum ausbreiten.
Selenski warnt Kollaborateure
Auch wenn es am Freitag keinen organisierten Fluchtkorridor aus Mariupol gab, gelang es dennoch etwa 3000 Menschen, auf ukrainisch kontrolliertes Gebiet zu flüchten. Etwa 2500 Flüchtlinge aus Mariupol wie aus der Stadt Melitopol trafen nachts in Bussen und Privatautos in Saporischschja ein. Das teilte ein Mitarbeiter des ukrainischen Präsidialamtes, Kirilo Timoschenko, mit. Moskau sprach von ebenfalls mehr als 3000 Menschen, die Mariupol am Freitag in Richtung Russland verlassen hätten. Das Rote Kreuz plant, einen Evakuierungskonvoi aus Bussen und Privatfahrzeugen aus der Hafenstadt zu geleiten.
Selenski mahnte Ukrainer im russisch kontrollierten Süden des Landes, keine Posten in dem Besatzungsregime anzunehmen. In seiner Videoansprache nannte er solche Leute Gauleiter wie bei den Nationalsozialisten. „Meine Botschaft an sie ist einfach: Die Verantwortung für die Kollaboration ist unausweichlich. Nach ukrainischen Angaben versucht Russland, in den besetzten Gebieten moskautreue Verwaltungen aufzubauen.
Die prorussischen Separatisten im Gebiet Luhansk teilten unterdessen mit, der Bürgermeister der Stadt Rubischne sei zu ihnen übergelaufen. Bürgermeister Serhij Chortyw habe die ukrainischen Truppen aufgerufen, die Waffen niederzulegen. Rubischne ist im Verwaltungsgebiet Luhansk die achtgrößte Stadt und hatte vor dem Krieg etwa 60 000 Einwohner. Die Stadt war bislang nicht in der Hand der Separatisten. Kiewer Politiker drohten Chortyw Vergeltung an.
Ein Generalmajor der Reserve vom ukrainischen Geheimdienst SBU wurde festgenommen bei dem Versuch, sich verbotenerweise nach Ungarn abzusetzen. An der Grenze habe er sich als Gefreiter ausgegeben, teilte das Staatliche Ermittlungsbüro mit. In der Nacht zu Freitag hatte Selenski mitgeteilt, er habe zwei Brigadegeneräle des SBU degradiert. Er nannte sie Verräter, genaue Gründe nannte er nicht. (dpa)
USA stocken militärische Hilfe auf
Das US-Verteidigungsministerium will der Ukraine weitere Waffen im Wert von 300 Millionen Dollar (270 Millionen Euro) zukommen lassen. Das neue Paket soll verschiedene Drohnen, Raketensysteme, gepanzerte Fahrzeuge, Munition, Nachtsichtgeräte, sichere Kommunikationssysteme, Maschinengewehre, medizinische Güter und die Bereitstellung von kommerziellen Satellitenbildern umfassen. Das teilte das Pentagon am Freitagabend (Ortszeit) in Washington mit.
Die US-Regierung hat der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs bereits Militärhilfen und Waffenlieferungen im Wert von 1,65 Milliarden US-Dollar zugesagt. Seit Anfang vergangenen Jahres summieren sich die US-Hilfen auf 2,3 Milliarden Dollar.
Mit der Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, sprach Selenski nach eigenen Angaben in Kiew über die Möglichkeit eines raschen Beitritts der Ukraine zur EU. Es sei um konkrete Vorschläge gegangen, sagte er in seiner Videoansprache. In einem Interview des US-Fernsehsenders Fox News erneuerte der Präsident seinen Vorschlag, die Ukraine sollte Sicherheitsgarantien von verschiedenen „führenden Staaten“ bekommen. Selenski sieht dies als Ersatz für eine Mitgliedschaft in der Nato, die politisch nicht erreichbar ist. (dpa)
Hier lesen Sie die Nachrichten zum Ukrainekrieg vom Freitag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland