piwik no script img

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch 

Ukraines Präsident kann sich einen Waffenstillstand unter bestimmten Bedingungen vorstellen. Derweil liefern sich die Truppen seines Landes heftige Gefechte mit Russland nahe Pokrowsk und Kurachowe.

Das von russischen Luftangriffen zerstörte Hotel Druschba in Pokrowsk Foto: George Ivanchenko/ap

Ukraine organisiert Heer um

Mit frischen Truppen und neuen Kommandeuren hofft die Ukraine die bedrohliche Lage an der Front im Osten zu stabilisieren. Präsident Wolodymyr Selenskyj entließ nach neun Monaten den Heereschef Olexander Pawljuk und setzte Generalmajor Mychajlo Drapatyj auf seinen Posten. Die Landstreitkräfte seien das Rückgrat der Armee, erklärte Selenskyj in einer Videoansprache. „Es sind Änderungen erforderlich – Änderungen in der Personalführung, die für mehr Ergebnisse auf dem Schlachtfeld sorgen werden.“

Der neue Heereschef Drapatyj habe die russische Offensive im östlichen Gebiet Charkiw erfolgreich zum Stillstand gebracht, sagte der Präsident. Außerdem beförderte er Oleh Apostol, bislang Oberst und Kommandeur einer Brigade, zum stellvertretenden Oberkommandierenden. Die Neuernannten sollten die Kampffähigkeit der Armee erhöhen, sagte Selenskyj bei einer Sitzung mit seiner Militärführung in Kyjiw. Einen weiteren Brigadekommandeur, Oberst Pawel Palissa, habe er zum stellvertretenden Leiter seines Präsidialamtes ernannt, damit er besser über die Lage an der Front informiert werde.

Im Gebiet Donezk im Osten der Ukraine rücken russische Truppen seit Monaten langsam, aber stetig vor. Den ukrainischen Verteidigern fehlt es an Waffen und Soldaten. Deshalb beorderte Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj Reserven an die besonders bedrohten Frontabschnitte Pokrowsk und Kurachowe im Donbass im Osten. Es gehe darum, Pläne des Gegners zu vereiteln, „die weit über diese Frontabschnitte hinausgehen“, hieß es aus dem Militär.

Die heftigsten Gefechte gab es dem Lagebericht des Generalstabs zufolge auch am Freitag wieder bei Pokrowsk und Kurachowe. Die Städte liegen am westlichen Rand des Bergbau- und Industriereviers Donbass. Daran schließt sich eine offene Steppenlandschaft bis zum Fluss Dnipro an. Ein Durchbruch würde der russischen Armee den Weg zu den wichtigen Großstädten Dnipro und Saporischschja eröffnen.

Im östlichen Teil der Ukraine herrschte in der Nacht auf Samstag wieder Luftalarm, weil die Luftwaffe russische Kampfdrohnen am Himmel ortete. Für den Tag wurden in mehreren Regionen Stromabschaltungen erwartet, um das Energiesystem nach Schäden durch russische Raketenangriffe in dieser Woche zu stabilisieren. (dpa)

Russland und Nordkorea wollen Kooperation vertiefen

Russland und Nordkorea haben bei einem Besuch des russischen Verteidigungsminister Andrej Beloussow in Pjöngjang laut nordkoreanischen Staatsmedien über eine weitere Vertiefung ihrer militärischen Zusammenarbeit gesprochen. Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un sagte zudem, die mit Hilfe westlicher Raketen ausgeführten ukrainischen Angriffe in Russland kämen einer „direkten militärischen Beteiligung an dem Konflikt“ gleich, wie die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA am Samstag berichtete.

Die russischen Angriffe in der Ukraine seien ein Akt der Selbstverteidigung, sagte Kim demnach weiter. Russland habe das Recht, „entschieden zu handeln, um die feindlichen Kräften zur Rechenschaft zu ziehen“. Kim bezog sich damit auf die Entscheidung der USA, der Ukraine Angriffe in Russland mit ATACMS-Raketen zu erlauben, auf die die russische Armee unter anderem mit massiven Luftangriffen reagierte. Kreml-Chef Wladimir Putin drohte zudem mit dem Einsatz einer neuartigen Mittelstreckenrakete gegen die ukrainische Hauptstadt Kiew.

Kim hatte Beloussow am Freitag in Pjöngjang empfangen. Der Besuch des russischen Verteidigungsministers werde in „hohem Maße dazu beitragen, die Verteidigungskapazitäten beider Länder zu stärken … und die freundschaftliche, gegenseitige Kooperation und Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Armeen zu fördern“, hieß es in einem KCNA-Bericht.

Beloussow drückte in einer Erklärung seine Dankbarkeit für die engen russisch-nordkoreanischen Beziehungen aus und lobte Nordkoreas „vollkommen unabhängige Außenpolitik“.

Die USA und Südkorea haben Nordkorea vorgeworfen, Soldaten nach Russland geschickt zu haben, um an der Seite der russischen Armee gegen die ukrainischen Streitkräfte zu kämpfen. Südkoreanische Regierungsvertreter hatten in der vergangenen Woche erklärt, dass Russland im Gegenzug Treibstoff und Flugabwehrraketen an Nordkorea geliefert und Wirtschaftshilfe geleistet habe.

Russland und Nordkorea haben ihre militärischen Beziehungen seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine verstärkt. Beide Länder hatten im Juni ein Abkommen über eine strategische Partnerschaft unterzeichnet. Dieses sieht vor, dass sich die Länder im Falle eines Angriffs gegenseitig Unterstützung leisten. Zudem umfasst es eine Zusammenarbeit gegen die westlichen Sanktionen.

Sowohl Nordkorea als auch Russland unterliegen UN-Sanktionen – Pjöngjang wegen seines Atomwaffenprogramms, Moskau wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine. (afp)

Selenskyj: Brauche Garantien, „dass Putin nicht wiederkommt“

Die Ukraine könnte nach Äußerungen Selenskyjs einem Waffenstillstand mit Russland zustimmen, wenn die Nato ihren Schutz auf die von Kiew beherrschten Teile des Landes ausdehnt. Bei einem Waffenstillstand brauche sein Land Garantien, „dass Putin nicht wiederkommt“, sagte er in einem Interview des britischen TV-Senders Sky News.

„Wenn wir die heiße Phase des Krieges beenden wollen, sollten wir das Territorium unter den Schutzschirm nehmen, das wir unter Kontrolle haben“, sagte Selenskyj laut englischer Übersetzung. „Das müssen wir schnell tun. Und dann kann die Ukraine die anderen Gebiete auf diplomatischem Wege zurückerlangen.“

Kiew habe diesen Weg bislang nicht in Betracht gezogen, weil niemand in der Nato ihn offiziell vorgeschlagen habe, sagte Selenskyj. Außerdem müsse eine Nato-Einladung trotzdem an die gesamte Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen ergehen. Sein Land habe nicht das Recht, besetzte Gebiete als russisch anzuerkennen.

Die Forderung nach einer sofortigen Nato-Einladung gehört zu seinem sogenannten Siegesplan, den er im Herbst in Washington, Berlin und anderen Hauptstädten vorgestellt hat. Allerdings sperren sich gerade die wichtigen Nato-Staaten USA und Deutschland dagegen, einen schnellen Pfad für die Ukraine in das westliche Bündnis festzulegen. Auch die bisher aus der künftigen US-Regierung von Donald Trump bekanntgewordenen Pläne sehen für Kiew keinen Beitritt vor. Russland lehnt eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ohnehin kategorisch ab. (dpa)

Botschafter Makeiev fordert deutsche Parteien zum Handeln auf

Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev wünscht sich, dass im Bundestagswahlkampf über den russischen Angriffskrieg geredet wird. Er warnt aber davor, rote Linien für die Unterstützung seines Landes zu ziehen. „Das Handeln ist heute wie nie gefragt. Und das erwarte ich von den demokratischen Parteien in diesem Wahlkampf“, sagte er in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Ich glaube, es ist falsch, die roten Linien um sich herum zu ziehen und nicht vor dem Feind und vor dem Aggressor.“

Die Unterstützung der Ukraine ist unter den im Bundestag vertretenen Parteien umstritten. Während SPD, Union, Grüne und FDP zu den Waffenlieferungen im großen Stil stehen, sind AfD, BSW und Linke dagegen. An einer wesentlichen Stelle gibt es aber auch Differenzen zwischen den Befürwortern: Bundeskanzler Olaf Scholz, der als SPD-Spitzenkandidat in den Wahlkampf geht, lehnt die Lieferung der Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern ab. Union, FDP und Grüne sehen das anders.

Makeiev forderte, die Ukraine ohne Einschränkungen im Abwehrkampf gegen Russland zu unterstützen. „Alle Beschränkungen, die es seit fast drei Jahren gegeben hat, müssen aufgehoben werden“, sagte er. „Russland wird nicht nur mit Gesprächen oder mit der Diplomatie gestoppt.“ (dpa)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

33 Kommentare

 / 
  • Ich fürchte, daraus wird nichts werden!



    Meiner Einschätzung nach werden die NATO-Staaten sich in dieser Hinsicht nicht derart weit aus dem Fenster lehnen, um im Zweifel Putin nicht die Gelegenheit zu geben, mal wieder zu schubsen!

  • Zitat: "Die Ukraine könnte nach Äußerungen Selenskyjs einem Waffenstillstand mit Russland zustimmen, wenn die Nato ihren Schutz auf die von Kiew beherrschten Teile des Landes ausdehnt. Bei einem Waffenstillstand brauche sein Land Garantien, „dass Putin nicht wiederkommt“, sagte er in einem Interview des britischen TV-Senders Sky News."

    Ja, sicher ist das so. Nur: Wer soll ihm den Schutz geben? (Garantien hat er auch von Russland gehabt) Alles unterhalb der Mitgliedschaft hat er schon. Und selbst die würde nicht zwangsläufig bedeutet haben, daß andere ihre Truppen gegen Putins "Urlauber" in Marsch gesetzt hätten.

    Zur Erinnerung: Die Aufnahme neuer Mitglieder erfolgt einstimmig. Und nicht alle derjenigen, die bereits im Boot sitzen, haben zuerst im Blick, daß das nicht kentert. Die Unsäglichkeiten der letzten beiden Beitritte sollten bitte nicht so schnell aus dem Gedächtnis verschwinden.

  • "Die Ukraine könnte nach Äußerungen Selenskyjs einem Waffenstillstand mit Russland zustimmen, wenn die Nato ihren Schutz auf die von Kiew beherrschten Teile des Landes ausdehnt. (...) Die Forderung nach einer sofortigen Nato-Einladung gehört zu seinem sogenannten Siegesplan, den er im Herbst in Washington, Berlin und anderen Hauptstädten vorgestellt hat."

    Die Aussicht einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine war doch gerade der Grund für den Angriff Russlands, wie selbst der ehemalige NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg einräumt:

    www.infosperber.ch...n-war-kriegsgrund/

    "In seiner Rede vor EU-Ausschüssen machte Stoltenberg deutlich, dass das unnachgiebige Drängen der USA auf eine Ausweitung der NATO auf die Ukraine die eigentliche Ursache des Krieges sei ..."

    Das, was Selenskyj da von der NATO fordert, ist nichts anderes, als das, was die NATO ohnehin schon immer vorhatte. Er spekuliert darauf, dass Russland durch Krieg und Wirtschaftssanktionen so erschöpft ist, dass dies auch so durchgesetzt wird.

    Möglich wäre es. Denn die NATO ist um das 20-fache schlagkräftiger als Russland und seine paar Verbündeten.

    • @Uns Uwe:

      "...was die NATO ohnehin schon immer vorhatte."



      Das ist faktisch falsch. Teile der NATO, ja. Andere Teile (Frankreich, Deutschland) waren strikt dagegen.



      Da eine Aufnahme neuer Mitglieder einstimmig erfolgen muss, stand eine Aufnahme nicht an.



      Dass Russland zugesichert hatte, die Ukraine dürfe in die NATO (Budapester Memorandum), sei einmal mehr am Rande erwähnt.

      • @Encantado:

        "Das ist faktisch falsch. Teile der NATO, ja. Andere Teile (Frankreich, Deutschland) waren strikt dagegen."

        Die waren nicht grundsätzlich dagegen, sondern nur gegen einen festen Zeitplan des NATO-Beitritts der Ukraine.

        "Da eine Aufnahme neuer Mitglieder einstimmig erfolgen muss, stand eine Aufnahme nicht an."

        Das änderte sich auf dem NATO-Gipfel im Juni 2021:

        "Bereits beim NATO-Gipfel 2021 in Brüssel hatten die Staats- und Regierungschefs der NATO die „Politik der offenen Tür“ für die Ukraine und Georgien zum Ausdruck gebracht. Sie forderten beide Länder auf, notwendige Reformen für eine stärkere Integration in die NATO fortzusetzen."

        Ab dem Zeitpunkt begann Ende 2021 eine Korrespondenz Russands mit Stoltenberg, wo Russland im Falle einer NATO-Aufnahme der Ukraine einen Krieg ankündigte, siehe die Verlinkung in meinem Eingangsposting.

        Das Budapester Memorandum besteht aus einer ganzen Reihe von Vereinbarungen, die man im Zusammenhang lesen muss.

    • @Uns Uwe:

      Und noch etwas: Sie unterschätzen die gesellschaftspolitischen Dynamiken für die westliche „Welt“, sollte der Krieg noch endlos weiter laufen - auch wenn die NATO es ökonomisch und militärisch spielend verkraften würde, den Krieg in der bisherigen Form weiter fortzusetzen.



      Schauen Sie auf die innenpolitischen Eruptionen, die der Ukrainekrieg in manchen westlichen Gesellschaften schon ausgelöst hat (wobei es falsch wäre, die Ursachen ausschließlich auf diesen Krieg zurückzuführen): selbst in unmittelbarerer Russland-Nachbarschaft keine einheitliche Frontstellung mehr - Polen und die baltischen Staaten auf der einen, Ungarn und die Slowakei, vielleicht demnächst Rumänien auf der anderen Seite. Die Zeit arbeitet also für Putin.



      Und wenn ich auf Wagenknecht und die AfD hierzulande verweise, ist Ihnen wahrscheinlich sofort klar, worauf ich hinaus will.

      • @Abdurchdiemitte:

        "Und noch etwas: Sie unterschätzen die gesellschaftspolitischen Dynamiken für die westliche „Welt“, sollte der Krieg noch endlos weiter laufen - auch wenn die NATO es ökonomisch und militärisch spielend verkraften würde, den Krieg in der bisherigen Form weiter fortzusetzen. Schauen Sie auf die innenpolitischen Eruptionen, die der Ukrainekrieg in manchen westlichen Gesellschaften schon ausgelöst hat."

        Die Folgen für die NATO- und EU-Staaten sind beschleunigte Aufrüstung und beschleunigter Sozialabbau, also das, was vorher ohnehin schon stattfand, aber jetzt in forcierter Form.

        All das Geraune vom zunehmenden militärischen Gewicht Deutschlands und der "Verantwortung", die es endlich in der Welt zu übernehmen habe - für all das sehen die Gaucks, Münklers, usw. endlich die Zeit gekommen. Heute reden die Regierenden wieder von Kriegstüchtigkeit.

        Man hört da keine Belastung oder Sorge heraus, im Gegenteil: eine Fortsetzung dieses Kriegs und weiterer Kriege mit "Doppelwumms" und ähnlich kreativen Argumenten wird definitiv angestrebt - bis zum Sieg.

        Wagenknecht und AfD sehen hier eine Marionettenrolle Deutschlands gegenüber den USA. Aber dies ist falsch, D hat eigene Interessen, s.o.

      • @Abdurchdiemitte:

        Orban und Fico haben keine gemeinsamen Grenzen mit Russland und / oder dessen Vasallen. Die können sich noch eine Weile Freundschaft mit Putin erlauben, bevor dessen "Urlauber" in Försteruniformen an ihrer Türe stehn.

    • @Uns Uwe:

      Ich „lese“ Selenskyis aktuellen Vorschlag etwas anders als Sie das tun: es geht hier nicht mehr um eine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine, sondern um umfängliche Schutzgarantien für das, was von der Ukraine als souveräner Staat übrig bleiben wird. Offenbar hat es unter der Hand schon Gespräche zwischen Vertretern der neuen US-Administration und der ukrainischen Regierung gegeben, die Selenskyi zu einem immer weiteren Zurückrudern veranlassen.



      Ob die Trumpschen „Daumenschrauben“ ausreichen, um auch Putin zum Nachgeben zu bewegen, wird sich zeigen. Ein russisches Nachgeben bedeutet aber lediglich ein Einfrieren des Konflikts auf dem jetzigen Stand. Bis zur Inauguration des neuen US-Präsidenten wird man also noch versuchen, den einen oder anderen Gebietsgewinn an den Fronten herauszuschlagen.

      • @Abdurchdiemitte:

        Der NATO-Schirm, den Selenskyi hier fordert, ist meiner Ansicht nach eine an Trump angepasste Variante seines vor der US-Wahl veröffentlichten "Siegesplans".

        Paul Wanner, der Kriegsreporter von der Zeitung DIE WELT beschreibt das so: Selenskyi macht hier einen (vermeintlich neuen) diplomatischen Vorschlag in der (wohl korrekten) Vermutung, dass Putin diesen ablehnt. So könne sich Selenskyi vor Trump als der Kompromissbereite darstellen. Selenskyi hofft, dass Trump dann just mit NATO-Truppen droht, wenn Putin einem sofortigen Waffenstillstand nicht zustimmt.

        Und wie gesagt: Die Annäherung zwischen Ukraine und NATO ist der eigentliche Konflikt und Selenskyi weiß das genau so gut wie die Führungskräfte der NATO-Staaten.

        Die globalen Friedensbewegungen schlagen deshalb zur Nachhaltigen Lösung des Konflikts eine Neutralität der Ukraine vor.

        Siehe dazu auch folgenden Artikel in "Le Monde diplomatique" vom 07.04.2022:

        monde-diplomatique.de/artikel/!5844481

        • @Uns Uwe:

          Ja, natürlich ist es gut möglich, sogar wahrscheinlich, dass Selenskyi versucht, die Blackbox Teumpscher Russlandpolitik noch zugunsten der ukrainischen Position zu beeinflussen. Ich teile die Einschätzung derjenigen, dass es durchaus noch offen ist, in welche Richtung das Pendel der US-amerikanischen Gunst ausschlägt (letzen Endes geht es jedoch nur um die Frage, was den US-Interessen dient). Nur: einmal mehr stehen die Europäer hier als Zuschauer am Rand.



          Schon zu Beginn des Krieges wurde in diesem Forum lebhaft bestritten, dass der Schlüssel für eine Verhandlungslösung in Washington liege - es wurde gesagt, darüber hätten allein die Ukrainer zu entscheiden.



          Jetzt zeigt sich doch, dass sie auf Gedeih und Verderb dem Goodwill des künftigen US-Präsidenten ausgeliefert sind - fatal angesichts des Erratismus Trumpscher Außenpolitik. Und auch ein Versagen der europäischen Politik.

      • @Abdurchdiemitte:

        Zitat: "Ob die Trumpschen „Daumenschrauben“ ausreichen, um auch Putin zum Nachgeben zu bewegen, wird sich zeigen."

        Das ist Wunschdenken, um einem großmäuligen "Wahlversprechen" mit so was wie Substanz zu unterlegen. Natürlich wird Putin dem Kellogg nicht rundheraus einen Vogel zeigen (innerlich natürlich schon), sondern wortreich erklären, daß er zu Verhandlungen bereit sei. Danach wird er erst keine Zeit und anschließend säckeweise Bedenken haben. Und derweil seine Angriffe weiter führen.

        • @dtx:

          Die möglichen Szenarien für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine sollten tatsächlich nicht auf Grundlage des außenpolitischen Maulheldentums Trumps betrachtet werden, sondern auf Grundlage dessen, was Putin mit seinem Krieg bisher erreicht hat und noch erreichen könnte. Beides ist nicht viel, abgesehen von rudimentären Frontbegradigungen im Donezk-Becken und der Rückeroberung der ukrainischen Geländegewinne vom August in der Kursker Region. (Dass Russland diese Ereignisse überhaupt als Siege feiern kann, liegt an der übertriebenen propagandistischen Aufblähung der vorherigen ukrainischen Offensiven, die jetzt nur auf die Ukraine zurückschlägt.)



          Der aktuelle Stand des Frontverlaufs ist das Maximale, das Putin im Großen und Ganzen noch aus der Situation „herausholen“ kann. Und - wichtig (!) - er hat damit die Landverbindung zur Krim und große Teile des Industriereviers in der Ostukraine in seiner Hand. Viel mehr geht eigentlich nicht.



          Wenn Trumps Sonderbeauftragter Kellogg dann als „Türöffner“ für Verhandlungen zur Verfügung steht, Selenskyi ebenso Entgegenkommen signalisiert, wäre Putin mit dem Klammerbeutel gepudert, diese Chance nicht zu ergreifen.

          • @Abdurchdiemitte:

            Putin selbst sieht das aber anders als Sie, er wähnt sich nach wie vor auf der Siegerstraße. Und selbst wenn ihm mittlerweile schwanen sollte, was Sie (völlig richtig) hinsichtlich seiner realistischen Möglichkeiten beschreiben, steht er vor einer völlig anderen Entscheidung, nämlich ob es für ihn persönlich (!) sicherer ist, den Krieg fortzusetzen, oder diese ganze Maschinerie anzuhalten, mit unkalkulierbaren Folgen für sich selbst. Wenn ihn sein politischer Instinkt nicht verlassen hat, wird es sich für die Fortführung der Kämpfe entscheiden.



            Was Sie unter „Trumpschen Daumenschrauben“ verstehen, ist mir nicht klar. Trump hat keinerlei Hebel, um Putin etwas aufzuzwingen.

            • @Barbara Falk:

              Noch eine etwas verspätete Antwort: zugestanden, den Aspekt der Einschätzung der persönlichen Risiken Putins für sein politisches Überleben (sollte er den Krieg auf diesem Stand beenden) hatte ich nicht so in der Pipeline. Vorstellbar wäre natürlich ein Umsturzszenario (Revolution?) in Russland nach Ende des Krieges, wenn offenbar würde, dass Putin nicht „liefern“ konnte bzw. die Härten der Kriegswirtschaft und die vielen Toten „für die Katz“ waren. Das setzt jedoch eine sehr starke Position der nationalchauvinistischen Kräfte in Russland voraus, die gerne den GANZEN ukrainischen Kuchen verschlungen hätten.



              Ich bin mir nur nicht sicher, ob Sie DAS meinten, wenn Sie sagen, Putin wird sich für eine Fortsetzung der Kämpfe entscheiden?

              • @Abdurchdiemitte:

                Ich denke eigentlich bei „Revolution“ eher an die 85 % der Bevölkerung, die kein Nationalchauvinisten sind.



                Der Verhandlungsprozess an sich ist riskant. Wenn Putin sich darauf einlässt, muss er endlich definitiv sagen, was er will. Da warten wir ja nun schon drei Jahre drauf. Mit dem Beginn von Verhandlungen erfüllt er die Erwartung von mittlerweile einer Mehrheit seiner Bevölkerung, die wieder abzubrechen wird riskant.



                Und dann gibt es ja nur zwei Varianten:



                1) Alles gleichzeitig (waffenstillstand, Demilitarisierte Zone, Status der besetzten Gebiete, Ende der Sanktionen, Status der Ukraine etc. etc.) bis zu einem Ergebnis verhandeln und dabei weiter Krieg führen. Zugleich muss der Verhandlungsprozess von halbwegs glaubwürdigem Verhalten begleitet sein, Bombenterror oder eine Generalmobilmachung gehören nicht dazu.



                2) Einen Waffenstillstand vereinbaren und den Rest dann danach zu verhandeln. Dann sitzt er da, hat noch weniger Druckmittel als unter 1), all die Sanktionen am Hals, muss eine Riesenarmee unterhalten, die er nicht demobilisieren kann.



                Und in beiden Fällen würden Verhandlungen dauern. Lange.



                Deswegen ist weiterkämpfen ohne Verhandlungen für ihn die beste Variante.

    • @Uns Uwe:

      Zitat: ""In seiner Rede vor EU-Ausschüssen machte Stoltenberg deutlich, dass das unnachgiebige Drängen der USA auf eine Ausweitung der NATO auf die Ukraine die eigentliche Ursache des Krieges sei ...""

      Echt jetzt? Braucht es nicht auch eine Regierung, die die Mitgliedschaft beantragt? Sind nicht Freiheit vor der eigenen Haustüre, bei Leuten, die ins eigene Volk verwandtschaftliche Beziehungen haben, die eigentliche Gefahr für einen Diktator?

      Der Krieg hatte neben wirtschaftlichen Aspekten zum Ziel, in Kiew eine Marionette a la Lukaschenko zu installieren. Oder zumindest so etwas, wie es in Georgen läuft. Das hat bislang noch nicht geklappt. Schaun wir mal, wer auf Selenskyj folgt.

      • @dtx:

        Ich glaube, man sollte die Einschätzung Stoltenbergs ernst nehmen; er hat sie ja auch begründet in seinen weiteren Ausführungen.

        Übrigens hatte Russland ja selbst um die Aufnahme in die NATO ersucht, was damals Clinton abgelehnt hat. Der Grund für diese Ablehnung war m.E. der, dass Russland innerhalb der NATO ein zu starkes Gegengewicht gegen die USA gewesen wäre.

        Die Ukraine dagegen würde innerhalb der NATO eine völlig andere Rolle spielen und ist im Gegensatz zu Russland willkommen.

        Dies hat aber nichts mit Putin oder mit Freiheit zu tun, sondern mit geostrategischen Zielen der USA und der führenden westeuropäischen NATO-Staaten.

    • @Uns Uwe:

      Ob man die Welt einmal oder 20-mal in Schutt und Asche legen kann, ändert nichts daran, das ein NATO-Russland Krieg das Ende der uns bekannten Welt ist.

      Wer die NATO Mitgliedschaft der Ukraine will, legt es genau darauf an.

      • @Ramto:

        Es ist auf jeden Fall ein Vabanque-Spiel von beiden Seiten.

        Noch sieht man, dass sowohl Putin also auch die NATO einen Einsatz von Atomwaffen vermeiden will.

        Was mit dem Amtsantritt von Trump passieren wird, wird man sehen, aber ich traue Trump zu, es darauf ankommen zu lassen.

      • @Ramto:

        Wir haben ja jetzt schon das Ende der uns bekannten Welt. Es ist nur nicht der „Große Knall“ mit Atomwaffeneinsatz oder so. Schon bemerkt?



        Und ich sage nicht, dass es allein Putin ist, der hier an den Hebeln zieht oder auf die Knöpfe drückt.



        Selenskyis jüngster Vorschlag erinnert mich an die alte Kissinger-Formel: NATO-Mitgliedschaft gegen Krim. Nur dass Selenskyi jetzt offenbar immer weiter zurückrudert: es geht nicht mehr allein um die Krim, sondern um ALLE von Russland annektierten Gebiete und es geht auch nicht mehr um eine volle NATO-Mitgliedschaft, sondern lediglich um Schutzgarantien für die verbleibende Rest-Ukraine. Der „Haken“ an der Sache: momentan kann Putin darüber bestimmen, welcher „Rest“ von der Ukraine übrig bleiben soll. Alle militärischen Anstrengungen der Ukraine - plus noch intensiverer westlicher Unterstützung - zielen nur noch darauf ab, diesen Krieg „in Würde“ zu verlieren.



        Der einzige Trost: auch Putin wird nicht das bekommen, was er mit dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 anvisiert hatte.

      • @Ramto:

        Wer die Ukraine schützen will, legt es darauf an, daß Putin nicht, sobald seine Truppen und sein Kopf frei werden, umgehend das nächste Schlachtfeld eröffnet.

      • @Ramto:

        Die atomare Feuerkraft reicht noch nichtmal im Ansatz dafür Europa geschweige den Die Welt in Schutt und Asche zu legen. Atomkrieg ist schlicht keine Lösung.

        • @Machiavelli:

          Diese alternativen Fakten, die Sie verbreiten sind gefährlich.



          Lesen Sie sich doch einfach Mal ein paar Studien zu Atomkriegen aus dem kalten Krieg durch - da gibt es genügend von lokal begrenztem Atomschlag bis global.



          Zum Glück hat die US-Administration ein anderes Verhältnis zur nuklearen Eskalation als Sie.

          • @Alexander Schulz:

            Im Kalten Krieg gab es 30.000 Atomsprengköpfe die meisten davon mit enormer Feuerkraft, heute sind es einige tausend meist taktische Atomwaffen.

            • @Machiavelli:

              Ich finde den Versuch der Verharmlosungen sehr irritierend. Auch heute noch reichen die strategischen Atomwaffen aus, um die Menschheit zu vernichten.



              Wissen Sie eigentlich wie die Auswirkungen einer großen taktischen Atomwaffe sind, die Sie hier verharmlosen.



              Die sind vergleichbar mit der Bombe die auf Hiroshima abgeworfen



              wurde:

              www.ndr.de/geschic...,hiroshima182.html

              Diese eine Bombe hat mehr Zivilisten getötet als bisher Zivilisten im Krieg in der Ukraine getötet wurden.

              • @Alexander Schulz:

                Und inwiefern würde es Putin militärisch nützen, eine taktische Atombombe gegen ein ziviles Ziel zu richten?

  • Europa hat verloren. In spätestens zehn Jahren stehen russische Truppen an der französischen Grenze.

  • Das ist die Tragik. Einen ähnlichen Frieden hätte er wohl 2022 haben können. Jetzt sind die Russen auf dem Vormarsch und haben einen hohen Blutpreis gezahlt. Ich denke nicht, dass sie sich darauf einlassen...

    • @Kartöfellchen:

      Einen Schutz durch andere, insbesondere die NATO, wollte Russland explizit nicht, es wollte ein Veto, bei jeglichem Schutz den die Ukraine bekommt.

      • @Machiavelli:

        Die Verhandlungen waren noch nicht beendet. Soweit wir wissen zeigte sich die russische Seite bzgl Veto durchaus noch gesprächsbereit.



        Der Hauptstreitpunkt waren aber natürlich die fehlenden Sicherheitsgarantien -da haben Sie Recht! Die Situation ist hier aber unverändert. Die Ukraine wird am Ende keinen Nato-Schutz am Ende bekommen. Also hat der User kartöflchen am Ende durchaus Recht. Es wird vermutlich ein ähnlicher Frieden werden wie er auch schon früher möglich gewesen wäre.

    • @Kartöfellchen:

      Ich sehe durchaus noch Chancen für einen ähnlichen Frieden, jedoch zu viel schlechteren Konditionen bzgl der Gebiete. Die Tragik liegt darin, dass das Land inzwischen zerstört ist und es viele Tote zu beklagen gibt. Und die Zukunft sieht sehr schlecht aus. Wer glaubt den ernsthaft, dass es in Amerika oder Europa Mehrheiten geben wird einen Wiederaufbau zu finanzieren der vermutlich am Ende mehr als eine Billionen kosten wird. Man kann nicht oft genug wiederholen, dass Putin dafür die alleinige Schuld trägt, trotzdem hätte die Ukraine und der Westen durchaus die Möglichkeit gehabt pragmatischer vorzugehen.

  • Russland ist am Ende!

    Man sollte sich nichts vormachen, egal wie der Krieg ausgeht, für die EU kommt ein viel grösseres Problem: der Zerfall Russlands!



    Selbst wenn der recht geistig minderbemittelte Putin, den anders kann man den Angreifer nicht nennen, den Krieg gegen die Ukraine gewinnt, f er kann die Ukraine nicht halten. Mittlerweile hat der Diktator sein Land dermaßen ausgelaugt, dass sich schwere Lücken auftun die Russland auf als halbwegs funktionierende Ordnungsmacht ausfallen lässt. Es sind nicht nur die Ränder auf die Moskau immer weniger Macht ausüben kann, der jüngste Angriff auf Aleppo seines unterstützten Bündnispartner Syrien durch Islamisten zeigen, in welche Richtung es geht.



    Vermutlich kann der Russische Diktator gar nicht mehr zurück ohne mit seiner Macht und letztlich mit seine Kopf zahlen zu müssen.



    Die EU wird besonders gefordert sein als Ordnungsmacht schlimmeres zu verhindern.



    In Syrien sind noch die Türken, Kurden und die USA um ein Desaster abwenden zu können? Was aber wenn sich Konflikte in Russland selbst ausdehnen?



    Putin, der Möchtegern Zar, schafft gerade ein Monster das uns die nächste Zeit im Besonderen beschäftigen wird.