Friedensplan im Nahost-Konflikt: Nie war der Frieden näher
Israel und die Hamas haben sich auf eine erste Phase eines Friedensplans geeinigt. Noch sind Fragen offen – aber auf beiden Seiten herrscht erstmal Freude.

Auf Videos war zu sehen, wie Angehörige und Unterstützer sich in die Arme fielen. Sie hatten seit dem Hamas-Überfall am 7. Oktober vor zwei Jahren unermüdlich für die Rückkehr ihrer Liebsten und eine Verhandlungslösung gekämpft.
Eine anonyme Gaza-Bewohnerin
In Chan Junis im Süden des Gazastreifens versammelten sich in der Nacht jubelnde Menschen, unter anderem vor dem Al-Nasser-Krankenhaus. „Ich weiß überhaupt nicht, was ich fühlen soll“, sagte eine junge Bewohnerin aus Gaza-Stadt, die vor zwei Wochen vor der vorrückenden israelischen Armee nach Deir al-Balah im Zentrum des Küstenstreifens geflohen war, am Telefon. „Aber das Töten wird bald aufhören und das ist alles, was zählt.“ Doch am Donnerstag meldete der Zivilschutz in Gaza zunächst weitere Luftangriffe.
Es ist ein diplomatischer Erfolg fast auf den Tag genau zwei Jahre nach den Massakern der Hamas in Südisrael, bei denen rund 1.200 Israelis getötet und 251 verschleppt wurden. Seitdem starben bei israelischen Angriffen in Gaza laut dem örtlichen Gesundheitsministerium mehr als 67.000 Palästinenser, die große Mehrheit von ihnen Zivilisten. Weite Teile des Gebietes sind vollständig zerstört. Zahlreiche Beobachter werfen Israel vor, einen Völkermord zu begehen.
Nun haben sich Israel und die radikalislamische Hamas nach Verhandlungen im ägyptischen Scharm al-Scheich auf eine „erste Phase“ eines Friedensplans geeinigt. Laut dem von Trump vorgeschlagenen 20-Punkte-Plan sollen zunächst die Kämpfe eingestellt und binnen 72 Stunden die rund 20 noch lebenden israelischen Geiseln gegen rund 2.000 in israelischen Gefängnissen festgehaltene Palästinener ausgetauscht werden. Die Leichen von knapp 30 weiteren Entführten könnten laut der Nachrichtenagentur AP erst zu einem späteren Zeitpunkt übergeben werden.
Hamas bestätigt die Einigung
Trump selbst hatte die Einigung in der Nacht auf seiner Plattform Truth Social bekanntgegeben. Die Freilassung der Geiseln und der Rückzug der israelischen Truppen auf eine bisher nicht bekannte vereinbarte Linie seien „erste Schritte zu einem starken, dauerhaften und ewigen Frieden“. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas begrüßte Trumps Ankündigung des Deals.
Die Hamas bestätigte die Einigung. Damit solle der „Krieg gegen Gaza beendet, die Besatzungstruppen abgezogen, Hilfslieferungen zugelassen und Gefangene ausgetauscht werden“, verkündete ein Sprecher im Golf-Nachrichtensender Al-Arabiya. Er forderte Trump und die Garantiemächte auf, die Einhaltung des Deals durch Israel sicherzustellen.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von „einem großen Tag für Israel“. Noch am Donnerstag wolle er die Regierung zusammenrufen, um die Einigung abzusegnen. Das Abkommen für die erste Phase soll noch am Donnerstag in Ägypten unterzeichnet werden. Ein Sprecher des katarischen Außenministeriums erklärte, die Einigung werde zu einem Ende des Krieges führen, Einzelheiten würden „später bekannt gegeben“.
Viele Fragen bleiben offen
Tatsächlich bleiben viele Fragen offen: Bis wohin sollen sich die israelischen Truppen zurückziehen? Wie steht die Hamas zu der Bedingung, ihre Waffen abzugeben, was sie stets abgelehnt hatte? Von wem wird der Gazastreifen in Zukunft regiert und wer wird dort für Sicherheit sorgen? Trump schrieb dazu lediglich: „Alle Parteien werden fair behandelt“, ohne zu sagen, was das heißen soll.
Entscheidend dürfte auch sein, ob Donald Trump sich auch in Zukunft für eine Umsetzung und weitere Verhandlungsrunden auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden engagieren wird. Der US-Präsident fordert für sich schon länger den Friedensnobelpreis und behauptet mit mangelnder faktischer Grundlage, er habe bereits „sieben Kriege beendet“. Ein Friedensabkommen oder auch nur eine dauerhafte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas könnte aber tatsächlich zu einem der wichtigsten außenpolitischen Erfolge seiner Präsidentschaft werden.
Seine Geduld und Aufmerksamkeitsspanne gilt jedoch als eher begrenzt. Ohne den immensen Druck der USA als Israels wichtigstem Verbündeten sowohl auf Israel und die Hamas wäre eine Einigung kaum möglich gewesen. Ohne diesen Druck dürften auch weitere Gespräche wenig Aussicht auf Erfolg haben. In einem Interview mit Fox News sagte Trump wenige Stunden nach der Verkündung, die USA würden eine Rolle beim Wiederaufbau Gazas spielen. Noch am Mittwoch hatte er einen Besuch in der Region am Wochenende in Aussicht gestellt.
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