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Friedensplan im Nahost-KonfliktNie war der Frieden näher

Israel und die Hamas haben sich auf eine erste Phase eines Friedensplans geeinigt. Noch sind Fragen offen – aber auf beiden Seiten herrscht erstmal Freude.

Jubel nach der Ankündigung, dass Israel und die Hamas sich auf die erste Phase eines Friedensplans geeinigt haben. Tel Aviv, 9. Oktober Foto: Emilio Morenatti/ap

Tel Aviv-Jaffa taz | Die Nachricht über einen bevorstehenden Waffenstillstand hat im Gazastreifen und in Israel Tränen der Freude ausgelöst: „Sie kommen zurück“, rief eine sichtlich erleichterte Einav Zangaucker, die Mutter der noch immer im Gazastreifen gefangenen Geisel Matan Zangauker, in der Nacht auf Donnerstag auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv. „Danke an US-Präsident Trump, danke an alle, die geholfen haben, meinen Sohn und die Geiseln zurückzubringen.“

Auf Videos war zu sehen, wie Angehörige und Unterstützer sich in die Arme fielen. Sie hatten seit dem Hamas-Überfall am 7. Oktober vor zwei Jahren unermüdlich für die Rückkehr ihrer Liebsten und eine Verhandlungslösung gekämpft.

Aber das Töten wird bald aufhören und das ist alles was zählt

Eine anonyme Gaza-Bewohnerin

In Chan Junis im Süden des Gazastreifens versammelten sich in der Nacht jubelnde Menschen, unter anderem vor dem Al-Nasser-Krankenhaus. „Ich weiß überhaupt nicht, was ich fühlen soll“, sagte eine junge Bewohnerin aus Gaza-Stadt, die vor zwei Wochen vor der vorrückenden israelischen Armee nach Deir al-Balah im Zentrum des Küstenstreifens geflohen war, am Telefon. „Aber das Töten wird bald aufhören und das ist alles, was zählt.“ Doch am Donnerstag meldete der Zivilschutz in Gaza zunächst weitere Luftangriffe.

Es ist ein diplomatischer Erfolg fast auf den Tag genau zwei Jahre nach den Massakern der Hamas in Südisrael, bei denen rund 1.200 Israelis getötet und 251 verschleppt wurden. Seitdem starben bei israelischen Angriffen in Gaza laut dem örtlichen Gesundheitsministerium mehr als 67.000 Palästinenser, die große Mehrheit von ihnen Zivilisten. Weite Teile des Gebietes sind vollständig zerstört. Zahlreiche Beobachter werfen Israel vor, einen Völkermord zu begehen.

Nun haben sich Israel und die radikalislamische Hamas nach Verhandlungen im ägyptischen Scharm al-Scheich auf eine „erste Phase“ eines Friedensplans geeinigt. Laut dem von Trump vorgeschlagenen 20-Punkte-Plan sollen zunächst die Kämpfe eingestellt und binnen 72 Stunden die rund 20 noch lebenden israelischen Geiseln gegen rund 2.000 in israelischen Gefängnissen festgehaltene Palästinener ausgetauscht werden. Die Leichen von knapp 30 weiteren Entführten könnten laut der Nachrichtenagentur AP erst zu einem späteren Zeitpunkt übergeben werden.

Hamas bestätigt die Einigung

Trump selbst hatte die Einigung in der Nacht auf seiner Plattform Truth Social bekanntgegeben. Die Freilassung der Geiseln und der Rückzug der israelischen Truppen auf eine bisher nicht bekannte vereinbarte Linie seien „erste Schritte zu einem starken, dauerhaften und ewigen Frieden“. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas begrüßte Trumps Ankündigung des Deals.

Die Hamas bestätigte die Einigung. Damit solle der „Krieg gegen Gaza beendet, die Besatzungstruppen abgezogen, Hilfslieferungen zugelassen und Gefangene ausgetauscht werden“, verkündete ein Sprecher im Golf-Nachrichtensender Al-Arabiya. Er forderte Trump und die Garantiemächte auf, die Einhaltung des Deals durch Israel sicherzustellen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von „einem großen Tag für Israel“. Noch am Donnerstag wolle er die Regierung zusammenrufen, um die Einigung abzusegnen. Das Abkommen für die erste Phase soll noch am Donnerstag in Ägypten unterzeichnet werden. Ein Sprecher des katarischen Außenministeriums erklärte, die Einigung werde zu einem Ende des Krieges führen, Einzelheiten würden „später bekannt gegeben“.

Viele Fragen bleiben offen

Tatsächlich bleiben viele Fragen offen: Bis wohin sollen sich die israelischen Truppen zurückziehen? Wie steht die Hamas zu der Bedingung, ihre Waffen abzugeben, was sie stets abgelehnt hatte? Von wem wird der Gazastreifen in Zukunft regiert und wer wird dort für Sicherheit sorgen? Trump schrieb dazu lediglich: „Alle Parteien werden fair behandelt“, ohne zu sagen, was das heißen soll.

Entscheidend dürfte auch sein, ob Donald Trump sich auch in Zukunft für eine Umsetzung und weitere Verhandlungsrunden auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden engagieren wird. Der US-Präsident fordert für sich schon länger den Friedensnobelpreis und behauptet mit mangelnder faktischer Grundlage, er habe bereits „sieben Kriege beendet“. Ein Friedensabkommen oder auch nur eine dauerhafte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas könnte aber tatsächlich zu einem der wichtigsten außenpolitischen Erfolge seiner Präsidentschaft werden.

Seine Geduld und Aufmerksamkeitsspanne gilt jedoch als eher begrenzt. Ohne den immensen Druck der USA als Israels wichtigstem Verbündeten sowohl auf Israel und die Hamas wäre eine Einigung kaum möglich gewesen. Ohne diesen Druck dürften auch weitere Gespräche wenig Aussicht auf Erfolg haben. In einem Interview mit Fox News sagte Trump wenige Stunden nach der Verkündung, die USA würden eine Rolle beim Wiederaufbau Gazas spielen. Noch am Mittwoch hatte er einen Besuch in der Region am Wochenende in Aussicht gestellt.

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13 Kommentare

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  • Damit bekommen Theodore Roosevelt, Woodrow Wilson, Jimmy Charter, und Barack Obama Zuwachs - Donald Trump wird Friedensnobelpreisträger werden.



    Er wird kein würdiger Träger sein, aber ein verdienter - das muss man ihm zugestehen.



    Freuen wir uns also heute schon auf seine Rede, dass er der großartigste Träger aller Zeiten ist, dass es ihm alle niemals gönnen wollten, außer Gott natürlich, etc...



    Wenn er jetzt noch einen Frieden zwischen der Ukraine und Russland vermittelt bekommt - und ich gestehe ihm da durchaus Chancen zu - dann wird ihn der Papst zu Lebzeiten noch heilig sprechen...



    Die letzten 10 Jahre der Weltgeschichte sind ein einziges absurdes Theater - eine schwarze Satire wie man es früher nur aus dem dänischen Kino kannte.



    Welt, Diplomatie, Politik, alles steht auf dem Kopf.

  • Wenn die Geiseln endlich frei sind, wird Netanjahu schon einen Grund finden, den Krieg fortzusetzen. Und Trump's Interesse an der Einhaltung des Plans wird nach dem morgigen Tag schnell wieder nachlassen.

  • "Danke an US-Präsident Trump"



    Man könnte daran zu zweifeln beginnen, dass sich die Probleme der Welt nur mit Vernunft lösen lassen.



    Aber lassen wir das Ganze mal auf uns zukommen. Noch ist ja nicht aller Tage Abend.

  • Trump als Friedensmacher in Israel und Palästina, aber als Kriegstreiber bei sich daheim. Und dafür den Friedensnobelpreis? Hoffentlich nicht!

  • Eine gute Nachricht, die hoffen lässt. Wenn es klappt, wem ist dann der Verdienst dafür zuzurechnen? Ich wage es kaum zu schreiben, aber Donald Trump war daran nicht unwesentlich beteiligt. Ansonsten fällt mir kein westlicher Politiker ein, der irgendetwas erreicht hätte. Bin gespannt auf die Meinung der Foristen.

  • Den Menschen im Gaza-Streifen wünsche ich, dass sie endlich Frieden haben. Der Hamas die völlige Auslöschung, denn mit der Hamas wird es nie wirklich dauerhaft Frieden geben. Von Israel erwarte ich, dass sie diesen Frieden ernst nimmt, und nicht einmal über Annektierung von Gebieten nachdenkt.

  • Wann kann man wirklich mal von Frieden sprechen? Das ist ein langer Prozess und bei so viel Wut, Hass und Trauer wird es eher Jahrzehnte dauern bis Juden und Palästinenser wirklich friedlich zusammen leben. Wer kann da helfen?

  • Israel und die Hamas haben sich auf eine erste Phase eines Friedensplans geeinigt. Noch sind Fragen offen – aber auf beiden Seiten herrscht erstmal Freude.



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    Sicher?

    Schon mal beim israelischem Regierungschef, seinem Kabinett & den DIE stützenden Koalitionsparteien nachgefragt, von DENEN eine verbindlich, glaubwürdige Antwort bekommen?

    Btw. Noch steht das Abkommen nur auf dem Papier!



    Wie die noch offenen Punkte ausgefüllt werden & ob DAS o.a. in der "Realität" eingehalten wird, steht "in den Sternen"!

    Genau so die "Garantie" des o.a. für die Palästinenser & Israelis!

    Ps. Die UN hat schon zig "Papiere" mit Mehrheit verabschiedet, die niemand ernst nahm, durchsetzte. Es wurden auch schon mehrfach ähnliche Abkommen zw. den Beteiligten gebrochen & kein Verstoß dagegen "robust" beantwortet!

    Genau DA ist mMn. DER "Knackpunkt" auch dieses Abkommens! Neben dem "Initiator" auf dessen "Worte & Handeln" sich auch niemand mehr verlassen kann&darf!

  • Jetzt heißt es hoffen, dass es so kommt!

  • Ja, unbedingt jetzt das Kleingedruckte als Probleme nach vorne ziehen! Freuen, oder Respekt, dass Bewegung ins Spiel kommt? No!



    Wir sollten anerkennen, dass Trump da seine Punkte macht. Auch wenn, naja... jetzt will ich auch schon wieder!

  • Das ist die beste Nachricht seit langem für Gaza und Israel. Ich muss zugeben, dass ich überrascht bin, dass es diese Einigung gibt.

    Der Autor stellt die richtigen Fragen zu den immer noch offenen Punkten: "Bis wohin sollen sich die israelischen Truppen zurückziehen? Wie steht die Hamas zu der Bedingung, ihre Waffen abzugeben, was sie stets abgelehnt hatte?"

    Für mich kann die Antwort nur lauten: Israel sollte sich komplett zurückziehen und die Sicherung des Gaza-Friedens neutralen internationalen Truppen überlassen. Denn die Hamas wird die Waffen ganz sicher nicht abgeben und die möglichen neuen Konfrontationen mit der dann immer noch bewaffneten Hamas würde Israel dann nicht selbst führen müssen.

    • @Winnetaz:

      Auch aus meiner Sicht ist die größte Befürchtung, dass sich die IDF eben nicht komplett aus Gaza zurückziehen werden. Und ich teile Ihre Einschätzung, dass die Hamas auch nicht freiwillig ihre Waffen abgeben oder sich entwaffnen lassen wird, erst recht nicht, wenn die Israelis in Gaza präsent bleiben. Dann wird alles von Neuem losgehen, sobald die Geiseln frei sind.



      Internationale Truppen mit starkem Mandat wären wahrscheinlich das Beste, was eine nachhaltige Friedenssicherung für Gaza gewährleisten könnte … das setzt allerdings den aufrichtigen Friedenswillen beider Seiten und den vollständigen Abzug der israelischen Armee voraus. Denn niemand möchte im Zweifelsfall gegen israelische Soldaten kämpfen oder sich bei der zwangsweisen Entwaffnung der Hamas eine blutige Nase holen.



      Dass Trump sich weitergehend engagiert und US-Truppen zur Friedenssicherung nach Gaza schickt, ist auch unwahrscheinlich … er schickt lieber die Nationalgarde in US-Städte, um die Demokraten im Inneren zu bekämpfen. Seine Wähler würden ein militärisches Engagement der USA in Gaza (mit Bodentruppen) wohl auch kaum goutieren

    • @Winnetaz:

      Andererseits wird es Israel sehr viel schwerer fallen, auf erneute Aggressionen durch Raketenbeschuss zu antworten, wenn die Gefahr besteht, dabei internationale Truppen zu treffen. Wie es um die Bereitschaft und Fähigkeit dieser internationalen Truppen bestellt sein wird, Hamas, PIJ, PFLP etc zu konfrontieren, steht auch auf einem anderen Blatt. Mit Blick auf die Geschichte von UNIFIL in Libanon bin ich da auch erstmal nicht so optimistisch… aber ja, ich bin auch froh, dass der Krieg endlich enden und die letzten Geiseln endlich frei kommen könnten.