Trauerfeier für Charlie Kirk: „Ich hasse meine Gegner“
Der US-Präsident bezeichnet den ultrarechten Aktivisten Kirk bei dessen Beerdigung als Helden und predigt seinen Hass. Kirks Witwe beeindruckt mit versöhnlichen Worten.

Ein Mix aus Gottesdienst und Wahlkampfevent lockte am Sonntag Zehntausende Menschen in ein Footballstadion in Glendale, Arizona. Zur Trauerfeier um den ermordeten ultrarechten Aktivisten Charlie Kirk wurde gesungen und gebetet, geflucht und geweint. US-Präsident Donald Trump, der Kirk zu einem seiner engen Vertrauten und Freunde zählte, erklärte Kirk zum „Märtyrer für die amerikanische Freiheit“ und zum „Held“. „Ich weiß, dass ich heute für alle hier spreche, wenn ich sage, dass keiner von uns Charlie jemals vergessen wird. Und die Geschichte wird es auch nicht“, sagte der 79-jährige Republikaner während seiner Ansprache.
In typischer Trump-Manier drehte sich seine Rede jedoch nicht nur um Kirk und dessen Leben, sondern in erster Linie um ihn selbst. Trump nutzte die große Bühne, um gegen seine Rivalen auszuteilen. Unter anderem behauptete er mal wieder fälschlicherweise, dass die Präsidentschaftswahl im Jahr 2020, in der er sich Joe Biden geschlagen geben musste, manipuliert worden sei. Er machte sich über den krebskranken Ex-Präsidenten lustig und warb für seine eigene auf Zöllen basierende Wirtschaftspolitik.
Trump scheute auch nicht davor zurück, die politische Polarisierung im Land weiter voranzutreiben: „Er (Charlie) hasste seine Gegner nicht, er wollte das Beste für sie. […] Da bin ich anderer Meinung als Charlie. Ich hasse meine Gegner und will nicht das Beste für sie.“ Nur wenige Stunden zuvor hatte er Justizministerin Pam Bondi dazu aufgefordert, gegen seine politischen Gegner zu ermitteln.
Erika Kirk, Witwe des rechten Hasspredigers Charlie Kirk
Für den emotionalsten Moment des Abends sorgte Kirks Witwe Erika. Die Mutter von zwei Kindern sprach unter Tränen über die Ereignisse des 10. September, den Tag des Attentates. Sie sprach über ihre Gefühle, als sie nach dem Attentat den Körper ihres getöteten Mannes im Krankenhaus aufsuchte, und über ihren starken Glauben und die überwältigende Unterstützung, die ihr geholfen hätten, mit dem Geschehenen umzugehen. Anders als Trump gab sie sich dem Mörder ihres Mannes gegenüber versöhnlich: „Mein Mann Charlie wollte junge Männer retten, genau wie den, der ihm das Leben nahm. […] Ich vergebe ihm“, sagte sie. Erika ist es auch, die die Leitung der ultrakonservativen Jugendorganisation Turning Point USA übernehmen soll, die Kirk im Alter von 18 Jahren ins Leben gerufen hatte.
Die barmherzige Witwe
Die Organisation verzeichnet nach dem Tod ihres Gründers einen starken Zulauf. Kein Wunder, denn die gesamte rechte Szene inklusive Trumps MAGA-Bewegung hat den Tod des rechten Aktivisten für die eigene Propaganda ausgeschlachtet. Sei es die Absetzung der Talkshow von Jimmy Kimmel wegen dessen Kommentar zum Attentat oder Trumps Ankündigung, alle linksgerichteten Antifa-Gruppen als terroristische Organisationen einzustufen.
Die Trauerfeier am Sonntag folgte ebenfalls diesem Schema. Es war eine Inszenierung, die Kirk als einen religiösen Märtyrer feierte, der sein Leben im Namen Gottes ließ, um Amerika vor dem Bösen zu retten. Die Ansprachen der Regierungsmitglieder deuteten an, dass sie die aktuelle Welle der Bestürzung ausnützen wollen, um gegen ihre mutmaßlichen politischen Gegner vorzugehen.
Wie groß die Rolle von Erika Kirk dabei sein wird, bleibt abzuwarten. Mit ihrer Rede machte sie jedoch deutlich, dass sie gewillt ist, die Ideen ihres Mannes nach dessen Vorbild weiter zu propagieren. Ein Ziel von Turning Point ist es, die nächste Generation von Männern in den USA so zu beeinflussen, dass diese christliche Werte und Familie über alles stellen. Und zumindest aktuell ist Trump derjenige, der genau diese jungen Männer anspricht.
Die Trauerfeier dauerte insgesamt mehr als fünf Stunden. Bereits am frühen Morgen, noch vor der Eröffnung der Veranstaltung, mussten Menschen wieder nach Hause geschickt werden, da die maximale Kapazität des Stadions erreicht worden war, erklärte die lokale Polizeibehörde. Eine fast zwei Kilometer lange Schlange bildete sich um das Stadion. Die Organisatoren hatten sich gewünscht, dass die Menschen ihren Patriotismus zeigen und sich in den Farben der US-Flagge – rot, weiß und blau – kleiden, um Kirk zu ehren. Die meisten sind dieser Aufforderung nachgekommen. Auch die obligatorischen MAGA-Kappen durften natürlich nicht fehlen.
Auch Reiche im Himmelreich
Unter den Trauergästen befanden sich auch viele republikanische Politiker:innen und Influencer:innen aus dem rechten Lager in der Menge. Viele Redner erklärten, die Ermordung Kirks vor weniger als zwei Wochen hätte zu einem Erwachen innerhalb der rechten Szene geführt. Es gehe nun darum, Kirks Kampf gegen das Böse fortzuführen. „Sie wissen nicht, welchen Drachen sie geweckt haben. Sie wissen nicht, wie entschlossen wir sein werden, diese Zivilisation zu retten, den Westen zu retten, diese Republik zu retten“, sagte der Vize-Stabschef des Weißen Hauses, Stephen Miller, ohne zu identifizieren, wer mit „sie“ gemeint ist.
Trump und seine Anhänger machen die „radikale Linke“ für Kirks Tod und die zunehmende politische Gewalt im Land verantwortlich. Untersuchungen zum Motiv des 22-jährigen Tatverdächtigen Tyler Robinson dauern an. Ihm droht die Todesstrafe.
Zugegen waren auch die Techmilliardäre Marc Zuckerberg, Jeff Bezos und Elon Musk. Dieser wurde von Videokameras im Gespräch mit dem eigentlich verfeindeten Trump eingefangen. Ob es der Beginn einer wiederauflebenden Freundschaft ist, blieb offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert