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Grenzkontrollen zu PolenSinnlos und gefährlich

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Ab Montag führt Polen Kontrollen an der deutschen Grenze durch – als Reaktion auf deutsche Kontrollen. Das gefährdet das Verhältnis beider Länder.

Beamte der Bundespolizei kontrollieren Autos am deutsch-polnischen Grenzübergang von Küstrin-Kietz Foto: Patrick Pleul/dpa

A uto reiht sich an Auto, es wird gehupt, geflucht – und gewartet. Darauf, dass sich die Staus auflösen. An der Europabrücke in Frankfurt an der Oder zur polnischen Nachbarstadt Slubice, auf der Autobahn A 12 an der Grenze zu Polen. Doch die Staus und die Wut der betroffenen Menschen – Pendler:innen, Lkw-Fahrer:innen, die Obst, Gemüse, Konsumgüter rasch verteilen müssen, Bür­ge­r:in­nen beider Städte – dürften sich verschärfen. Ab Montag will Polen gleichfalls Grenzkontrollen einführen, nachdem Deutschland damit im Herbst 2023 an der Grenze zu Polen begonnen hatte.

Der neue Innenminister Alexander Dobrindt setzte just nach Amtsantritt noch einen drauf: Seit Mai verschärft die Bundespolizei auf sein Geheiß hin die Kontrollen. Ziel ist – wie soll das anders sein bei einem Kabinett Merz und einem CSU-Innenminister – Asylsuchende schon an der Grenze abzuweisen. Was bringt das? Außer Frust auf allen Seiten vermutlich wenig. Die Grenze Brandenburg-Polen ist eine grüne Grenze, wer will, schleicht sich durch die Wälder an den Kontrollpunkten vorbei. Dass Polen seinerseits mit Gegenkontrollen reagiert, ist aus dessen Sicht verständlich. Das verschärft das Problem zusätzlich.

In Sachen Migration macht die Berliner Koalition so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Nicht nur, dass sie missachtet, wie stark Deutschland auf ausländische Fachkräfte angewiesen ist und humanistische Werte über Bord wirft, so sehr belastet sie mit diesen unnötigen Grenzkontrollen das bislang freundschaftliche Verhältnis zu Polen. Dabei ist Deutschland angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mehr denn je auf ein gutes Verhältnis zum Nachbarn angewiesen.

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Jetzt hat Polen ein Befriedungsangebot gemacht, das Deutschland dringend annehmen sollte: Polen würde auf Kontrollen verzichten, wenn Deutschland seine einstellt. Bis Redaktionsschluss war davon nichts zu lesen. Dafür rüstet sich eine polnische Bürgerwehr, die vor allem Menschen mit dunkler Hautfarbe kontrollieren will.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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18 Kommentare

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  • Warum sind wir durch den Ukraine-Krieg auf ein gutes Verhältnis zu Polen angewiesen?

    Mir erschließt sich nicht was oder wen die polnischen Beamten jetzt eigentlich suchen sollen.

    Die Dublin-Regel ist komplett sinnlos, jedes Kleinkind kann das sehen.

  • Die polnischen Grenzkontrollen an der deutschen Grenze gibt es vor allem für die polnischen Wähler. Illegale Migration aus Deutschland Richtung Polen dürfte auf wenige aufsehenerregende Einzelfälle beschränkt bleiben. Umgekehrt ist das eher nicht so

  • CDU/CSU/SPD führen uns gerade in das Europa der fünfziger und sechziger Jahre zurück, das ist noch sinnloser und gefährlicher.

    • @Alberta Cuon:

      Reagieren in Dänemark, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, Schweden, Österreich, Bulgarien und Slowenien auch Merz, Dobrindt und Klingbeil?

    • @Alberta Cuon:

      Och, die 50er und 60er waren nicht die Zeit der heißen Kriege.

      Was daran gefährlicher sein soll, müssten Sie erklären.

      In diesen beiden Jahrzehnten durften Sie selbst mit Grenzkontrolle nicht nach Polen reisen.

      Irgendwie passt Ihr Vergleich nicht, wenn Sie mich fragen.

      • @rero:

        CDU/CSU/SPD leisten, das ist wie man so schön sagt selbstevident dem ungezügelten Nationalismus gerade wieder Vorschub, das war in den genannten Jahren bei CDU/CSU schon so, die SPD war damals zugegebener Maßen noch internationalistischer. Man konnte in den genannten Jahren sehr wohl nach Polen reisen, wenn auch mit Schwierigkeiten. Aber es wird ja von CDU/CSU/FDP jetzt wieder dafür gesorgt, daß so eine polnische Reaktion als Bumerang für die eigenen Maßnahmen zurückkommt.

      • @rero:

        Koreakrieg? Vietnamkrieg? Um nur mal die bekanntesten zu nennen... Was soll denn jetzt noch "heißer" sein?

  • Ach, die Kontrollen sind ja nur vorübergehend. So wie seit 2016 an der deutsch-dänischen Greneze...

    www.nordschleswige...zkontrollen-erneut

  • Hüben wie drüben lassen sich die Regierungen von den Rechtsradikalen vor sich hertreiben.



    Drüben ist es der Präsident und seine PIS und hier der Innenminister dessen CSU nur allzu gerne den Forderungen der AfD nachkommt.



    Man glaubt nicht wie schnell es bergab geht, wenn Rechte nur den Zipfel von Macht verspüren.

  • Es wäre eine Chance für Sackgassen-Merz, aus der Populisten-Grenzschließungs-Nummer rauszukommen, mit der er nebenbei wohl Polen die PiS-Präsidentschaft 'bescherte'.



    Beide rüsten ab. Deutschland hört mit der Show auf, die vor allem Polizie von Wichtigerem abhält, dann auch Polen.

  • Getreu des Spruchs , der Lenin zugesprochen wird: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.



    Das Vertrauen , dass das Abkommen von Schengen und das Verfahren nach Dublin eingehalten werden, ist dahin.

    • @WiFi:

      Wie oben gesagt: ,,, lass die Rechten ran, dann wird alles gut ...



      Was mir nicht in den Kopp will, warum Regierungen, die tendenziell für eine liberalere Politik stehen, Hardliner* für das Innenministerium bestellen.



      *Flatterlings Metamorphose

    • @WiFi:

      Aha, sie berufen sich auf Lenin, moralisch vielleicht jetzt nicht der Goldstandard.



      Dublin ist tot, schon seit vielen Jahren, weil es die Staaten an der Außengrenze der EU massiv benachteiligt und Schlaumeier wie Deutschland so tun, als ginge sie das ganze Thema gar nichts an.



      Schengen bringt massive Erleichterungen für den für alle Länder der EU vorteilhaften freien Warenverkehr. Die sind natürlich dahin, wenn man Grenzkontrollen machen will wie früher.

      • @FtznFrtz:

        Ja, Schengen bringt viele Vorteile. Aber als die Regelung beschlossen worden ist, gab es noch nicht die großen Flucht und Zuwanderungsbewegungen nach Europa, die wir spätestens seit 2015 haben. Sie war gedacht für die Bürgerinnen und Bürger der EU, nicht für Menschen aus aller Herren Länder, die irgendwo einreisen wollen und dann Anspruch auf staatliche Unterstützung haben.

        "Schlaumeier" gibt es auch in anderen europäischen Staaten, die die Flüchtlinge und Migranten einfach nach Deutschland durchwinken und so glauben, damit sei das Problem für sie erledigt.

        Die Grenzkontrollen sind eine Folge davon.

      • @FtznFrtz:

        "Dublin ist tot, schon seit vielen Jahren, weil es die Staaten an der Außengrenze der EU massiv benachteiligt und Schlaumeier wie Deutschland so tun, als ginge sie das ganze Thema gar nichts an."



        Und täglich grüßt das Murmeltier! Die Asylbewerberzahlen sprechen seit Jahren regelmäßig eine völlig andere Sprache, aber die Mär von der übermäßigen Belastung der Außengrenzenstaaten hält sich mit einer unglaublichen Hartnäckigkeit. Und es ist auch nicht Deutschland, das sich einer fairen Verteilung von Migranten widersetzt - mal abgesehen davon, dass man hierzulande im Zusammenhang mit der Binnenmigrationen kaum eine nüchterne Diskussion über Pull-Faktoren führen kann.

      • @FtznFrtz:

        An welcher Stelle "beruft" sich WiFi auf Lenin? Ich sehe da keine Wertung. Das Zitat stammt nunmal von Lenin. Egal, was für ein Standard das ist. Sollen jetzt alle die Schule abbrechen, weil Lenin "Lernen, lernen und nochmals lernen" gesagt hat?

        Ich glaube irgendwie nicht daran, dass die Staaten an der Außengrenze benachteiligt werden. Ich glaube eher, dass "dort" (das fängt sicher nicht erst dort an) nicht alle Mittel in den gedachten Zweck fließen. Eine Benachteiligung kann ja nicht überraschend gekommen sein und falls doch (wie auch immer), hätten die betroffenen Länder ja aus dem Abkommen aussteigen können.

        • @Matt Olie:

          Doch sie werden benachteiligt, weil der Verteilmechanismus nicht geklappt hat. Alle anderen weigerten sich Menschen aus den Ländern mit aussengrenze aufzunehmen, obwohl es in Dublin III verabredet war.



          Deshalb hat dies Abkommen nie wirklich funktioniert.



          Polen ist immer ein bisschen ein Sonderfall, viele Ukrainische Flüchtlinge (mehr als jedes andere Europäische Land) und Flüchtende über die GRenze von Belarus.